Buchwelten Al Imfeld [Schweiz] Das Wichtigste aber ist das Gedicht Pionier und unermüdlicher Vermittler afrikanischer Literatur – eine Würdigung zum 80. Geburtstag von Elisa Fuchs Drei Wochen lang hat Al Imfeld im Januar seinen Geburtstag Jahre das Informationszentrum Dritte Welt in Bern mit auf und gefeiert. Tag für Tag traf sich mittags und abends eine bunt zu- trug viel dazu bei, die Problematik der Nord-Süd-Beziehungen sammengewürfelte Gesellschaft zu Suppe, Brot und Käse in ins allgemeine Bewusstsein zu rücken, neokoloniale Abhängig- seiner Wohnung im Kreis 5, dem ehemaligen Zürcher Industrie- keiten und Fehlentwicklungen zu thematisieren. Doch ein insti- quartier hinter dem Bahnhof. Da lernt die Filmerin einen Was- tutioneller Rahmen war nicht das optimale Umfeld für einen wie seringenieur kennen, der in Zentralafrika tätig war, der Radio- Al, der in jedem Sinne unorthodox ist, die Dinge auch aus unge- journalist unterhält sich mit einer Künstlerin, die bald ein paar wohnten Perspektiven hinterfragt und nicht vor provokativen Monate als Artist-in-Residence in Südafrika verbringen wird, der Thesen zurückscheut. Er machte sich in der Folge als unabhän- Direktor einer Entwicklungsorganisation trifft auf einen Ver- giger Afrikaexperte, Journalist und Schriftsteller einen Namen, leger. Kaum jemand in der Schweiz, der mit Afrika zu tun hat, ist Autor von etwa 50 Buchveröffentlichungen mit einem The- der nicht zum riesigen Netzwerk von Al Imfeld gehört, kaum menspektrum, das von afrikanischer Agrargeschichte über Lese- jemand, der ihn nicht schon um Rat angegangen wäre, mit ihm bücher zu afrikanischer Literatur bis zu Untersuchungen über diskutiert und sich ausgetauscht hätte. Al sitzt mittendrin, er- traditionelle Religionen und christliche Mission reicht, das jour- zählt und diskutiert und freut sich über die neu entstehenden nalistische Texte ebenso wie eigene Geschichten und Gedichte oder wieder belebten Kontakte. umfasst. 2014 wurde ihm der ProLitteris-Preis der Schweize- Mittendrin stand Al Imfeld, der Vermittler und Netzwerker, sein rischen Urheberrechtsgesellschaft für sein journalistisch-litera- Leben lang, und manchmal auch dazwischen. Er ist Intellektuel- risches Lebenswerk verliehen. ler und Weltbürger, aber auch ein Stück weit der Kleinbauern- Zentral in Al Imfelds Arbeit ist die Literatur, die er als „DIE sohn aus dem Luzerner Hinterland geblieben, wo er mit 12 Ge- Grundlage jeder Entwicklung“ betrachtet, als Befreiung von je- schwistern aufwuchs. Er studierte in Rom Theologie und wurde der Art von Dogmatik. Die Förderung und Vermittlung der afri- Priester, wie katholische Familien sich das damals vom ältesten kanischen Literatur im deutschen Sprachraum, für die er sich Sohn erhofften. Doch mit seinem Widerspruch zu gewissen seit den 1970er Jahren engagierte, war damals noch Pionierar- Dogmen fiel er im Vatikan in Ungnade und promovierte schließ- beit. Al Imfeld war Mitherausgeber der Romanreihe Dialog lich in evangelischer Theologie in den USA. Und weil ihm die Afrika, gemeinsam verlegt vom Schweizer Walter Verlag und Theologie zu begrenzt schien, um die Komplexität der Welt zu dem deutschen Peter Hammer Verlag, die 16 „Klassiker“ der verstehen, studierte er noch Soziologie, Journalismus und Tro- afrikanischen Literatur umfasste, wie Ousmane Sembènes Xala penlandwirtschaft. Er engagierte sich mit Martin Luther King in oder Die Ausleger von Wole Soyinka. Ebenfalls in den 1970er der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung, war Sonderkorres- Jahren gestaltete er Literatursendungen zu Afrika bei der Deut- pondent der Washington Post im Vietnamkrieg, half als Missio- schen Welle. Er gehörte zur Gruppe, die das interlit Festival in nar in Rhodesien (heute Simbabwe) beim Aufbau der Presse mit Erlangen zu einem inspirierenden Treffpunkt mit Autor(inn)en und kehrte unzählige Male nach Afrika zurück, das zu seiner aus Afrika, Asien und Lateinamerika machte. Der Gastland- zweiten Heimat wurde. schwerpunkt Schwarzafrika auf der Frankfurter Buchmesse Als Entwicklungsexperte baute Al Imfeld Anfang der 1970er 1980 brachte schließlich einen gewissen Durchbruch für die 24 LiteraturNachrichten Nr.122 Frühjahr 2015 Buchwelten Tanella S. Boni Wörter zu Liedern flechten Wörter zu Liedern flechten damit sie sich schlängeln auf der Karte der Zeit durch das Gemurmel hindurchgehen und durch welkes Laub Humus der Erde mit zwei oder drei Stimmen die vertraulich singen in einer Familie wo die halboffene Tür geduldige Worte aufsteigen lässt aus der Wut afrikanische Literatur im deutschsprachigen Raum und war auch die Geburts- und aus dem Innern mit tausendfachem Hall stunde der Gesellschaft zur Förderung der Literatur aus Afrika, Asien und erträumte Übergänge Lateinamerika e. V., heute kurz: Litprom. Al Imfeld hat die LiteraturNachrichten zu einer neuen Bleibe mitbegründet und als Autor zahlreiche Beiträge beigesteuert. Der unermüdliche Kulturvermittler war auch oft als Geschichtenerzähler unterwegs, mit Ge- des mots à tresser en paroles schichten vom Kilimandscharo und solchen aus der ländlichen Schweiz seiner des mots à tresser en paroles Jugend, Entferntes verbindend, Zusammenhänge schaffend. afin qu’ils serpentent Eine besondere Liebe verbindet Al Imfeld mit Gedichten, Gedichte als Verdich- empruntent murmures tungen, als Zeugnisse des Ringens. Er sammelt afrikanische Gedichte, sogar et feuilles mortes solche, deren Sprache er nicht versteht. Und er lässt sich immer anstecken von humus de la terre dieser Kreativität. Statt eines Fotoapparats zückt er auf Reisen Stift und Papier à deux ou troix voix und fängt seine Eindrücke und Gedanken in Gedichten ein. Zu seinem runden qui chantent en aparté Geburtstag ist es ihm nun gelungen – trotz aller Schwierigkeiten und Unken- dans une famille où rufe, dass so etwas nicht möglich sei und es keinen Markt gebe für ein solches l’entrebâillement de la porte Werk –, die Anthologie Afrika im Gedicht herauszugeben, die ihm auch die Er- fait monter de colère füllung seines Lebenswerks bedeutet. Es ist ein imposantes und einladendes les paroles de patience Buch geworden: 800 Seiten mit Gedichten aus ganz Afrika seit 1960, alle zwei- des tripes aux mille résonances sprachig, ein Abbild der reichen Kreativität, der faszinierenden Vielfalt dieses passages rêvés Kontinents. Gedichte sind Schlüssel zum Verständnis, sind Brücken, sind Über- vers une nouvelle résidence © andel la carte du Temps windung von Fremdbestimmung – all das, wofür sich Al Imfeld seit mehr als ei- nem halben Jahrhundert einsetzt. Aus : Chaque jour l’espérance, 2002 Al Imfeld (Hrsg.). Afrika im Gedicht Offizin Verlag 2015, 800 Seiten; CHF 72.- LiteraturNachrichten Nr.122 Frühjahr 2015 25
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