Mein Joch ist sanft und meine Last ist leicht

Predigt am 03.05.2015
Matthäus 11, 28-30: Mein Joch ist sanft und meine Last ist leicht
Liebe Gemeinde,
wenn man Ende der 50er Jahre in der Schulstraße oder in der Herrenbreite ein Haus bauen
wollte, dann bestand der Ortsrat Gimte darauf, dass man im Nebenerwerb noch eine
Landwirtschaft zu betreiben hatte. In den Kaufverträgen war dann die Klausel enthalten, dass
zum Haus bei Gelegenheit noch ein kleiner Viehstall zu bauen sei. Wenn ich heute in die
Gärten der Schulstraße und der Herrenbreite schaue, sehe ich keine Ställe. Die Gimter
Neubürger haben den Passus mit der Landwirtschaft so lange ignoriert, bis die Angestellten in
der Verwaltung keine Lust mehr hatten, an den Bau der Ställe zu erinnern.
Die Landwirtschaft war allerdings für die meisten Neubürger dennoch ein Thema: Sie betrieben
sozusagen eine ausgeprägte Gartenwirtschaft. Die Grundstücke sind lang. Nutzloser Zierrasen
war damals keine Option. Also wurden Gemüsebeete angelegt, Kartoffeln und Zwiebeln
angebaut, Obstbäume gepflanzt. Nach Feierabend sah man die Familien im Garten: nicht beim
Grillen, Fleisch war viel zu teuer, sondern beim Arbeiten. Und weil die Grundstücke so lang
waren, gruben die Männer ihre Kartoffeläcker nicht mit dem Spaten um, sondern mit einem
Pflug, den sie hinter sich her zogen. Vorneweg ging der Mann und zog, hinter ihm steuerte der
Nachbar den Pflug. Eine schweißtreibende Sache…
Der Predigttext für den heutigen Sonntag nimmt das Bild vom Pflug auf. Jesus nutzt bei
seinem Vergleich das Bild des Joches, das einem Zugtier über die Schultern gelegt wird, damit
es den schweren Pflug überhaupt durch das Gelände ziehen kann.
„Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid,
ich will euch neue Kraft geben.
Nehmt auf euch mein Joch und lernt von mir,
denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig.
So werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen.
Denn mein Joch ist sanft, und meine Last ist leicht.“
(Mt 11,28-30)
Jesus weiß: Auch uns geht es im Leben manchmal so, als ob wir eine schwere Last hinter uns
her ziehen, als ob wir mit aller Kraft vorwärts streben, aber jeder Meter dennoch ungeheuer
schwer ist, weil uns die Vergangenheit nicht los lässt.
(Kurze Pause.)
Das Versprechen von Jesus klingt gut: „Ich will euch neue Kraft geben.“ Allerdings verwundert
mich das Kleingedruckte: „Nehmt auf euch mein Joch und lernt von mir […]. Denn mein Joch
ist sanft, und meine Last ist leicht.“
Meine Erwartung wäre eher gewesen: Jesus nimmt uns das Joch ab, unter dem wir stehen,
damit wir endlich frei sind. Stattdessen höre ich: „Nehmt auf euch mein Joch und lernt von mir
[…]. Denn mein Joch ist sanft, und meine Last ist leicht.“
Klingt ein bisschen nach Gimter Ortsrat: „Du darfst bei uns gutes Land kaufen, aber du musst
dann dies und das darauf tun!“
Ein Kaninchenstall wäre ja nicht das große Drama gewesen, aber bei Jesus komme ich ins
Zweifeln: Ist sein Joch tatsächlich sanft und leicht?
Ist der Weg von Jesus nicht eher steinig und schwer und endet schließlich am Kreuz? Wieso
kann er dann behaupten, dass sein Joch sanft und leicht ist?
Bezogen auf uns: Ist der Weg als Christ nicht eher steinig und schwer? Ist es nicht so, dass
der Glaube uns immer wieder Probleme beschert, die wir ohne ihn nicht hätten? Beispiel: Ein
Kommunalpolitiker in München folgt seit Jahren seinem Gewissen und ist Mitglied in einem
Verein, der sich für das Lebensrecht ungeborener Kinder einsetzt. Der Kommunalpolitiker soll
Umweltreferent in München werden, doch SPD, Grüne und FDP “entdecken“ seine
Mitgliedschaft bei der „Aktion Lebensrecht für Alle“ und treten eine Medienkampagne los. Wer
für das Lebensrecht ungeborener Kinder eintrete, der stehe inhaltlich der PEGIDA nahe.
Markus Hollemann zog nach dieser Diskussion seine Kandidatur zurück.
Da entscheidet sich eine Mutter für ihr Kind, doch der Arbeitgeber reagiert mit Unverständnis.
Die Mutter hat keine Zukunft in dieser Firma. Es ist verrückt: Vorgesetzte stellen das Wohl
ihrer Firma über das Leben eines Menschen.
Und dann kommen wir daher und folgen unserem Gewissen, weil wir Christen sind. Muss das
nicht zwangsläufig zu Konflikten führen?
Ich persönlich bin eher ein Kämpfertyp. Und deshalb finde ich es falsch, dass Markus
Hollemann in München seine Kandidatur zurückzog. Andererseits: Manchmal löst der Rückzug
auch das größere Echo aus: Wäre der Bürgermeister von Tröglitz nicht zurückgetreten,
wüssten wir nichts über diesen Ort. Die bundesweite Diskussion darüber, wie man Flüchtlinge
unterbringt, wäre nicht in Gang gekommen.
Ich mag Kämpfertypen. Eine Kerze brennt hier vorne für E. V. Den zweiten Weltkrieg hat er als
Soldat erlebt. Nach dem Krieg wurde er Sozialdemokrat und hat sich in der Mündener
Kommunalpolitik für den Jugendaustausch stark gemacht. Nie wieder Krieg, das war sein
Lebensziel! Mit der Kirche konnte E. V. nicht so viel anfangen. Wahrscheinlich war ihm die
Kirche immer zu sanft, zu verständnisvoll, auch gegenüber denen, die ihre eigene Schuld nur
Stück für Stück eingestanden.
Jesus ist nicht der Kämpfertyp, der seine Sache ohne Rücksicht auf Verluste durchzieht. Er
selbst geht seinen Weg bis ans Kreuz. Aber zugleich schafft er es, mit seinen Jüngern zu
arbeiten, die alles andere als perfekt sind. Die Evangelien berichten immer wieder davon, wie
die Jünger nachfragen müssen, weil sie nicht verstehen, was Jesus mit einem Vergleich oder
einer Geschichte sagen wollte... Die Jünger Jakobus und Johannes streiten sich darum, wer im
Himmel einmal neben Jesus sitzen darf… Der Chef des Jünger-Kreises, Petrus, verspricht mit
felsenfester Überzeugung, dass er Jesus nie verlassen wird, dass er ihm überall hin folgen
wird, auch ins Gefängnis, doch dann kräht der Hahn zum dritten Mal…
Die Kämpfertypen, die ich bewundere, haben einen Nachteil: Mit ihren lauwarmen
Zeitgenossen können sie nicht viel anfangen. Entweder man folgt ihnen auf ganzer Linie, oder
man soll lieber zu Hause bleiben.
Jesus sagt: „Ich bin sanftmütig und von Herzen demütig.
Bei mir werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen.“
Jesus kennt uns, wie wir sind. Er fordert nichts von uns, was wir nicht leisten können. Aber
ganz ohne eigenen Einsatz geht es eben doch nicht: „Nehmt auf euch mein Joch und lernt von
mir […]. Denn mein Joch ist sanft und meine Last ist leicht.“
Ein bisschen Einsatz gehört schon dazu, um als Christ durch das Leben zu gehen. Aber wir
dürfen sicher sein, dass Jesus uns nicht überfordert. Jesus weiß, ob wir Kämpfertypen sind
oder nicht. Jesus weiß, ob M. einmal die ganze Welt aus ihren Angeln heben möchte oder ob er
lieber im Kreis seiner Familie leben und wirken will. Jesus kennt uns, und das unterscheidet ihn
von den Kämpfertypen, die wir kennen.
Weil Jesus uns kennt, deshalb ist sein Joch sanft und seine Last ist leicht. Auf unserem
Lebensweg mögen durchaus Steine liegen, an denen wir schwer zu ackern haben. Aber der
Glaube ist kein Stein, keine Last, die noch oben drauf kommt. Der Glaube schenkt uns Freiheit
und Zuversicht.
Jesus sagt: „Kommt her zu mir, alle, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch neue
Kraft geben.“
Gott schenke uns diese Kraft des Glaubens für unseren Weg. Und ganz besonders bitten wir
heute darum, dass auch M. die Kraft des Glaubens auf seinem Lebensweg entdeckt.
„Und der Friede Gottes, der höher ist als alle [unsere] Vernunft, bewahre eure Herzen und
Sinne in Christus Jesus.“ (Phil 4,7) Amen.