Oberpfarr - und Domkirche zu Berlin Domprediger Michael Kösling 4. Sonntag im Advent, 20. Dezember 2015, 10 Uhr Predigt über Philipper 4, 4-7 Friede sei mit euch, von dem der da ist und der da war und der da kommt. Der Predigttext für den 4. Sonntag im Advent steht im Brief des Paulus an die Philipper, im 4. Kapitel. Freuet euch in dem Herrn allewege, und abermals sage ich euch: Freuet euch! Eure Güte lasst kund sein allen Menschen! Der Herr ist nahe! Sorgt euch um nichts, sondern in allen Dingen lasst eure Bitten in Gebet und Flehen mit Danksagung vor Gott kund werden! Und der Friede Gottes, der höher ist als alle unsere Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Vielleicht konnte nur ein Mystiker wie Meister Eckehart Gott so beschreiben: Gott selbst wird erfreuet, ja durchfreuet, denn da bleibt nichts in seinem Grunde, das nicht durchkützelt wird von Freude. Neben den großen Worten, die uns zu Gott immer schnell einfallen und die uns erschreckend leicht über die Lippen kommen, wie Gnade und Barmherzigkeit und Allmacht, heute einmal die Freude Gottes. Ein von Freude durchgekitzelter Gott. Stellen sie sich das einmal vor. Und wenn wir uns das vorstellen, oder sogar schon zögernd glauben, wie Gott bis in die letzte Faser und in den letzten Gedanken seines Wesens vor Freude strahlt, dann können wir uns vielleicht auch vorstellen, wie er sich auf seine eigene Geburt gefreut haben muss. Neben unseren Erwartungen und unserer Vorfreude heute auch die Erwartungen und die Vorfreude Gottes. Beides trifft sich ja an diesem Sonntag, so kurz vor Weihnachten: die große Freude, die die Engel den Hirten verkünden werden und der Friede auf Erden. Und das ergibt diese seltsame Mischung: jetzt schon und doch noch nicht. Vorfreude. Diese Mischung strahlt hinein in die letzten Tage des Advents und verleiht diesen Tagen einen besonderen Glanz. Unsere Dunkelheit ist schon nicht mehr ganz so dunkel. Und ich spüre gleichzeitig, dass ich mich noch bremsen, noch zurückhalten muss mit meinem Verstand und auch mit meinem Gefühl. Es ist ja noch nicht Weihnachten. Wenn es Ihnen auch so geht, dann ist der Imperativ zur vollen Packung Freude, den Paulus seiner Gemeinde in Philippi gleich zweimal sehr deutlich ans Herz legt, auch für uns wie die Aufforderung zum Loslassen von all dem, was uns die Freude verdirbt und trübt. Denn Gott kommt. Er kann sich vor Vorfreude selbst kaum zurückhalten. Sorgt euch um nichts. Der Herr ist nahe! Er ist selbst ist drauf und dran als Mensch in unsere Mitte zu fallen. Er kann es selbst kaum erwarten. Nun freu dich doch mal! Ich freu mich ja. Das ist nicht nur ein kurzer Dialog. Er ist auch verräterisch. Er verrät, wie es mit unserer Freude aussieht, wie es um sie bestellt ist und wie wir es mit ihr halten. Vielleicht können wir uns Gott noch vorstellen von Freude durchkützelt bis auf seinen Grund. Und wir? Warum immer diese eine Aufforderung um Weihnachten herum, kurz davor und auch danach, sich zu freuen. Heute Paulus. In ein paar Tagen, in der Heiligen Nacht, wieder die Engel. Das muss doch was zu bedeuten haben. Das muss doch was mit uns zu tun haben. Würden wir uns freuen, niemand müsste uns dazu auffordern. Ich freue mich ja, aber. Und sofort fallen uns, mir geht es jedenfalls so, all die Dinge ein, die eine grundlose, ja kindliche Freude, ermäßigen und relativieren, die meiner Freude sogar oft genug widersprechen. Oft reichen da, und vielleicht geht es ihnen auch so, schon kleine Andeutungen, hinkende Vergleiche oder so etwas, und das Gift der Unzufriedenheit und Undankbarkeit schleicht sich in unsere Freude ein und verdirbt sie von Grund auf. Und stellt sie sich trotzdem einmal ein, die echte ungetrübte Freude, dann ist sie irgendwie flüchtig und von kurzer Dauer. Freut euch! Und abermals sage ich: Freuet euch. Selbst seinen Philippern, seiner Lieblingsgemeinde, scheint Paulus die Freude ins Herz einschreiben zu wollen, ja zu müssen. Er selbst hatte übrigens wenig Grund zur Freude. Nicht dass da ein falscher Eindruck entsteht. In einer Gefühlslage freudestrotzender Euphorie ist es leicht, andere aufzufordern, sich doch auch endlich einmal zu freuen. Paulus schrieb diesen Brief aus der Stadt Ephesus, wo er im Gefängnis saß. Hier war er, römischer Bürger, mit der Pax Romana auf eine ganz besondere Weise konfrontiert. Neben Hunger und Folter stellte sich im dunklen Verlies die konkrete Ahnung seines eigenen Todes ein. Wenig Anlass zur Freude also und im Großen und Ganzen eine ausweglose Situation. Es muss eine andere Art 1 Oberpfarr - und Domkirche zu Berlin der Freude sein, die Paulus meint. Es muss eine andere Art der Freude sein, die Gott durchkützelt bis in seinen Grund. Diese Freude muss es sein, die uns verbindet wenn Gott Mensch wird, damit wir seine Kinder werden können. Nichts anderes ist ja dieser heilige Tausch, der an Weihnachten geschehen ist und geschehen soll. Diese Freude müsste sich dann auch in uns finden lassen, sie müsste uns durchkützeln. Es muss eine Freude sein, die von den persönlichen oder gesellschaftlichen Umständen, Widersprüchen und Unmöglichkeiten nicht verringert und gedämpft, die aber gleichzeitig von den Erfahrungen des persönlichen Glücks und der flüchtigen Erfolge nicht gesteigert und überhöht wird. Es muss so etwas sein wie ein Wesenszug, eine Haltung und kein schnell verpuffter Affekt, etwas, das da ist und sich durchzieht und unser Leben in einem anderen Licht erscheinen lässt. Manche sagen, es wäre eine Art Gelassenheit, eine Art zufriedenes in Sich hinein Lächeln, ein ganz gefestigter Glauben vielleicht. Das ist mir ein bisschen zu wenig. Davon einmal abgesehen: Haben Sie schon einmal versucht, sich gelassen durchkitzeln zu lassen? Gelassenheit mündet ja oft in eine sehr realistische Einschätzung der Lage und in der Einsicht, die Dinge ändern zu können, die man ändern kann und die, die als unabänderliche Tatsachen daherkommen, geschehen zu lassen, ihnen ihren Lauf zu lassen, den Lauf der Dinge in Gelassenheit zu ertragen. Die Gefahr, die darin verborgen liegt ist die, dass uns sehr schnell sehr viele Dinge als unabänderliche Tatsachen vorkommen. Wäre Gelassenheit ein Wesenszug Gottes, der vor Freude strahlende Gott hätte nie beschlossen, zu uns Menschen zu kommen. Warum sollte er sich zu uns auf den Weg machen? Zu viele Dinge stünden seiner Freude im Weg. In dieser Welt, in der uns auf eine Freude gleich zehn Sorgen, Traurigkeiten und Vergeblichkeiten einfallen, die unsere Freude eintrüben und eben in eine meist zynische Gelassenheit verwandeln, die uns die Dinge vollziehen lässt, wie wir sie schon immer vollzogen haben: nicht selten im Affekt, meistens aber doch mit einer gesunden Portion Realismus. Die Freude Gottes, die Erwartung des Gottes, der beschlossen hat, als Mensch geboren zu werden, wird die Dinge ändern, auch die unabänderlichen zum Besten verändern! Es ist nicht weniger als Erlösung der Welt aus Freude an ihr und an uns Menschen, an jedem einzelnen von uns Menschenkindern. Einst! Es ist die Freude an dem, wie wir einst sein werden. Das kann Gott kaum erwarten. Dass die Welt sein wird, wie er sie schon immer wollte. Ein Lachen und ein Frieden, ein Lieben und ein Fest. Und nichts weniger erhoffen wir Menschen. Nichts erwarten wir doch sehnlicher. Wir, mit unseren Verletzungen, mit unserem Scheitern, mit unserer Schuld. Die Welt hofft darauf mit ihren Kriegen und ihrer geschundenen Kreatur. Wir spüren alle: es wird langsam Zeit! Gottes Freude ist sein Antrieb. Er kann vor Freude nicht an sich halten. Die Freude hält sich an andere. Gottes Freude hält sich an uns. Und sie färbt ab. Auch wir würden doch am liebsten loslegen, endlich ins Werk setzen, was wir erhoffen, was wir könnten, was gut wäre für die Welt, die Menschen in ihr und für uns. Stellen Sie sich doch einmal vor, wie sich alles ändern würde. Das wäre doch ein Grund zu Freude. Das in etwa muss auch die Freude sein, die Paulus meint: die Freude im Herrn. Die Freude in Gott. Allewege! Kein flüchtiger Affekt. Ein Wesensmerkmal von uns Christenmenschen. Adventliche Existenz ist ein Leben in Freude. In der Freude, die in Gott bleibt. Nicht in den Dingen, mit denen wir umgehen. Sie merken es, trotz aller Euphorie, es regen sich die zähen Geister des Einspruchs und sie flüstern uns ein, was dem wohl alles entgegenstünde, und sie erinnern uns daran, was unsere eigentliche Hoffnung ist und unserem wirklichen Wesen entspräche. Ihre Argumente sind unschlagbar. Wie sonst wäre die Welt so, wie sie ist. Wie sonst würden wir Menschen am meisten an uns selbst leiden und uns gegenseitig zum Rätsel werden. Was uns so oft zurückhält ist unser Aber. Die Welt, wie sie ist, gibt uns Recht. Unsere Freude bleibt oft in unserem Leben Affekt, flüchtig, von kurzer Dauern. Unsere Freude ist nicht ausdauernd. Die Freude Gottes widerspricht der Welt wie sie ist. Seine Freude lacht jedes Aber weg. Sie ist auf Dauer angelegt. Freuen wir uns! Ein bisschen wenigstens! Wie wir uns eben freuen können. Eine Freude wird in unsere Welt fallen und sie durchkützeln bis auf ihren Grund. Sie wird nicht am eigenen Glück kleben und das Leid nicht fürchten. Die Freude wird in einem Frieden münden, der höher ist als unsere Vernunft und der unsere Herzen mit unseren Sinnen bewahrt. Amen. 2
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