in der Tat - Diakonie Hessen

in der Tat Diakonie Hessen
Diakonie magazin 1/2015
1 | 2015
in der
Liebe Leserinnen und Leser,
die Diakonie in Hessen ist aktiv. In dieser
regionalen Ausgabe haben wir uns besonders mit der Betreuung von Flüchtlingen
beschäftigt. Nicht nur unser Landesverband, sondern auch die vielen Mitarbeitenden – egal ob haupt- oder ehrenamtlich – in unseren Mitglieds­einrichtungen
sind hier aktiv. Das sehen wir auch wieder an den Beiträgen,
mit denen wir deren tägliche Arbeit in den Mittelpunkt rücken wollen. Da ist die Stiftung „Hilfe für chronisch kranke
Kinder“. Sie unterstützt die psychosoziale Betreuung von Familien in der Frankfurter Ambulanz für HIV-infiz­ierte Kinder
und Jugendliche vor allem aus Krisengebieten, die Flucht und
Vertreibung erlebt haben. Oder das freiwillige Engagement in
Gemeinschaftsunterkünften in Gießen. Hier begleiten wir freiwillig Engagierte bei der Betreuung von Flüchtlingen.
Doch auch weitere Arbeitsbereiche und Einrichtungen aus
unserer Arbeit möchten wir Ihnen vorstellen, so die „Karawane
2000“, die seit 15 Jahren durch die Lande zieht. Es handelt sich
um ein internationales Netzwerk, das sich die Entwicklung­
von Inklusion auf allen Ebenen der Gesellschaft auf die Fahnen
geschrieben hat.
Und zum Schluss noch ein paar Zahlen und Fakten über die
Flüchtlingsbetreuung. Oder wussten Sie, wie viel Flüchtlinge
im letzten Jahr in Hessen aufgenommen wurden?
Ich grüße Sie herzlich und wünsche Ihnen eine anregende
­Lektüre.
Ihr
Eckhard Lieberknecht
Bereich Kommunikation der Diakonie Hessen
Inhalt
II
„Das Stigma ist noch immer riesig“
Stiftung „Hilfe für chronisch kranke Kinder“
IV Freiwilliges Engagement
in Gemeinschaftsunterkünften
Regionales Diakonisches Werk Gießen
VI Tag und Nacht für Vielfalt und Verständigung
Karawane 2000
VII Asylsuchende Flüchtlinge
Zahlen und Fakten
VIII Irene Finger neue Leiterin des
Diakonischen Werks Bergstraße
I
II
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Stiftung
„Das Stigma
ist noch
immer riesig“
Die Stiftung „Hilfe für chronisch kranke Kinder“
unterstützt die psychosoziale Betreuung von
Familien in der Frankfurter Ambulanz für HIVinfizierte Kinder und Jugendliche. Astrid Ludwig
Die Ambulanz liegt etwas versteckt auf dem Campus der
Frankfurter Universitäts-Klinik, gleich hinter dem Hauptgebäude der Kinder- und Jugendmedizin. Ein flacher Bau, der von
außen weiß und unscheinbar wirkt, doch innen empfangen
farbenfrohe Kinderbilder, Fotos und kunterbunte Tierzeichnungen die Besucher. Es sind Arbeiten der kleinen und großen
Klinikpatienten, fast alle in der Kunsttherapie entstanden, die
ein Gefühl von Zusammenhalt und Geborgenheit geben sollen.
Die meisten Familien hier stammen aus Krisengebieten,
­haben Flucht und Vertreibung erlebt. Viele sind aus Äthiopien
oder Eritrea nach Frankfurt gekommen, weil sie sich Hilfe erhoffen, doch manchmal schlägt das Schicksal in Annette Pachs
Sprechzimmer erneut zu. Die 30-Jährige ist Sozialarbeiterin.
Sie betreut Familien, die ganz gezielt zur Behandlung in die Gerinnungs- und Immundefektambulanz der Uni-Klinik kommen, aber eben auch die Menschen, die nach einem Test hier
erst erfahren, dass sie und ihre Kinder HIV positiv sind. „Für
viele bricht eine Welt zusammen“, berichtet sie. Die Diagnose
stellt das bisherige Leben auf den Kopf, zerstört oft genug auch
Partnerschaften.
Mehr als 60 Kinder und Jugendliche mit HIV-Infektion und
weitere 80, die als Kinder HIV positiver Mütter zur Welt kommen, werden regelmäßig in der Ambulanz betreut. Rund zwei
Drittel der Patienten haben einen Flüchtlingshintergrund,
kommen aus afrikanischen Ländern. Darunter sind auch
­Kranke mit Neuinfektionen. Frankfurt ist das größte von bundesweit nur sechs Zentren, an denen HIV-Infizierte behandelt
werden. Hier geht es um medizinische Therapie, aber eben
auch um die so dringend nötige seelische und soziale Unterstützung. Seit 2006 gibt es die Stiftung „Hilfe für chronisch
kranke Kinder“ (StiHckK) unter dem Dach der Stiftung Dia​konie Hessen, die diese Einzelfall-Betreuung für Kinder, Jugendliche und Familien ermöglicht. Annette Pachs Stelle wird von
StiHckK finanziert, weitere Geldgeber sind die Michael-StichStiftung und das Uni-Klinikum. Um die psychosoziale Be­
gleitung der Betroffenen finanziell abzusichern, richtete das
Evangelische Dekanat Frankfurt mit der Evangelischen Krankenhausseelsorge die Stiftung „Hilfe für chronisch kranke
­Kinder“ ein, erzählt Pfarrerin Elisabeth Knecht, die gemeinsam mit dem Kinderfacharzt Richard Linde im Vorstand der
Stiftung arbeitet. Linde hat mehr als 30 Jahre HIV-Patienten
betreut und war bis 2014 Kinder- und Jugend­mediziner in der
Immundefektambulanz. Etwa 60 000 Menschen sind in
Deutschland HIV positiv, darunter rund 500 K
­ inder und Jugendliche. „Das ist noch immer ein Tabu-Thema. HIV-infizierte
Kinder haben keine Lobby wie krebskranke Kinder. Es ist
schwer, Spenden einzuwerben“, begründen Linde und Knecht
die Initiative. Rund 50 000 Euro im Jahr sind nötig, um die psychosoziale Betreuung und auch die Kunsttherapie in der Ambulanz aufrechtzuerhalten.
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Scheckübergabe der Biotest AG an den Stiftungsbeirat.
v. l. n. r.: Annette Pach, Dr. Joachim Herborg (Biotest AG),
Dr. Dr. Richard Linde, Pfarrerin Elisabeth Knecht,
Harald Diether
Annette Pach ist für die Familien eine wichtige Anlaufstelle.
Sie hilft den Betroffenen und Flüchtlingsfamilien, im deutschen System zurechtzukommen. Sie klärt über Unterstützungsmöglichkeiten und Ansprüche auf, sie hilft beim Aus­
füllen von Formularen oder bei Behördengängen. Die Stiftung
unterstützt, wenn es um krankheitsbedingte Kosten geht, wie
etwa Fahrtkosten zur Klinik. Sie hilft, wenn kein anderer Kos­
tenträger in Frage kommt, „wenn Kleidung oder Schuhe dringend benötigt werden.“ Pach spricht von Starthilfe. „Die Familien sollen lernen, sich selbst zu helfen“.
Die kleinen und großen HIV-Patienten der Ambulanz werden einer antiretroviralen Therapie unterzogen, sie erhalten
Medikamente, die die Vermehrung des Virus hemmen, bis unter die Nachweisgrenze. Betreut werden aber auch Säuglinge,
deren Mütter erkrankt sind, bei denen aber noch unklar ist, ob
sie selbst auch infiziert sind. Wenn die Infektion früh genug
diagnostiziert und behandelt wird, liegt das Risiko einer Ansteckung unter einem Prozent. „HIV ist heute therapier-, wenn
auch nicht heilbar“, sagt Richard Linde. Die Betroffenen müssen ein Leben lang Medikamente einnehmen, um das Virus in
Schach zu halten. Diese Situation Jugendlichen zu vermitteln,
„die einfach nur ein normales Leben führen wollen, ist schwer“.
Sage ich es meinen Freunden oder verlassen sie mich dann?
Werde ich einen Partner finden, der damit leben kann?, all das
sind Fragen, die zu der täglichen Arbeit und Lebenshilfe zählen.
Das Stigma ist nach wie vor riesig – selbst wenn die Ansteckungsgefahr gering ist. „Die Familien halten die Erkrankung
geheim, sind meist einsam und isoliert“, so die Sozialarbeiterin. Oft erfahren die Kinder erst nach Jahren den Namen der
Krankheit, damit sie in Schule oder Kindergarten nicht erzählen, dass sie HIV positiv sind. „Die Eltern haben Angst vor den
Konsequenzen. Die Furcht in der Bevölkerung ist noch immer
groß, da das Wissen über HIV gering ist.“
In ihren Herkunftsländern hätten viele der Kinder kaum
Überlebenschancen. In der Ambulanz in Frankfurt werden die
Patienten kindgerecht über ihre Krankheit aufgeklärt. „Sie lernen die Sprache und es ist schnell normal, zu uns zu kommen,
manchmal fast wie ein Familienbesuch“, weiß Pach. Sie erfahren, dass trotz HIV-Infektion „eine Zukunft mit sehr guter Lebensqualität und normaler Lebenserwartung vor ihnen liegt“.
Und dass im Alltag die Angst vor Ansteckung unbegründet ist,
betont die Sozialarbeiterin.
Die Stiftung ist auf Spenden und Zustiftungen
angewiesen, um diese Hilfen für HIV-infizierte Kinder
und Jugendliche weiterführen zu können.
Spendenkonto:
IBAN: DE44 5005 0000 5044 3600 47 | BIC: HELADEFF
Weitere Informationen:
> www.sinn-stiften.de
III
IV
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Engagiert
Freiwilliges Engagement
in Gemeinschaftsunterkünften
Diakonisches Werk als Mittler und Gestalter Holger Claes
Seit Mitte 2014 hat der Landkreis Gießen als Vertragspartner
für Betreiber von Gemeinschaftsunterkünften mit dem regionalen Diakonischen Werk Gießen eine Rahmenvereinbarung
geschlossen, um an diesen Standorten freiwillig Engagierte zu
finden, die sich gemeinsam mit der Diakonie bemühen, dass
Menschen sich willkommen fühlen können. Ein Beispiel aus
einer dieser Gemeinschaftsunterkünfte soll den kreativen Umgang schildern, mit dem diese Arbeit gestaltet wird.
William Henderson aus der Flüchtlingsberatung ist zuständig für die Arbeit in den 12 Gemeinschaftsunterkünften, die
derzeit vom Diakonischen Werk mit begleitet werden. Er führt
durch den Abend, gibt den „Vorturner“, macht Späße und bindet alle mit ein. Ein spaßiger Abend mit ernstem Hintergrund.
Wie können Menschen in Gemeinschaftsunterkünften Kontakt bekommen? Wie können Ehrenamtliche mögliche Aufgaben einschätzen und gestalten?
Es ist 17.50 Uhr, die Dunkelheit kriecht durch die Straßen des
Ortes, ein eisiger Wind und erste Regentropfen zeigen, dass der
Frühling noch nicht seine Kraft entfaltet hat. Das evangelische
Gemeindehaus sieht verlassen aus, aber öffnet man die Tür,
sind dort im Inneren viele Menschen. Ein Geräuschpegel exis­
tiert wie auf einer Party. Kinder lachen, Gespräche – und dies
in unterschiedlichen Sprachen. Das Diakonische Werk Gießen
hat zu einem Begegnungsfest eingeladen. Gekommen sind
­etwa 70 Helferinnen und Helfer sowie Flüchtlinge.
Viel Vorbereitung ist erfolgt. Die beteiligten Gruppen haben
zum Essen beigetragen, teilweise gemeinsam gekocht. Das Dia­
konische Werk hat mehrere Sprachmittler mitgebracht, sodass
insgesamt in sechs Sprachen der Abend begleitet wurde. Das
Begegnungsfest soll eigentlich dem gegenseitigen „Beschnuppern“ dienen. Immer aber ist nach solchen Abenden ein erster
Kontakt entstanden, der häufig zu guten persönlichen Kon­
takten führt.
Das Diakonische Werk begleitet die Freiwilligen, richtet nie-
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derschwellige Sprachtreffs ein, bietet Fortbildungsabende an
zu rechtlichen Fragen, zu sozialen und psychosozialen Hintergründen und sortiert die Hilfsangebote der Mitarbeiter.
einem sicheren Land sind und wir uns freuen, sie hier zu haben.“ Nach einer kurzen Pause wird sie aber auch ernst: „… aber
manchmal kommt man auch an seine Grenzen.“
Freiwillige organisieren Kinderbetreuungsangebote, sorgen
für manche Dinge des täglichen Bedarfs, unterstützen bei Arztbesuchen und ggf. auch bei Behördengängen. Hier zeigt sich,
wie notwendig eine fachliche Begleitung ist, damit keine Übergriffigkeit erfolgt und sach- und fachgerecht geholfen wird.
Holger Claes, der Leiter des Diakonischen Werkes Gießen,
und William Henderson, der über 35 Jahre in der Flüchtlings­
arbeit viele Generationen von Hilfesuchenden kennengelernt
hat, begleiten diese intensive Arbeit, nehmen an den Schicksalen der Flüchtlinge Anteil und sehen ihre Aufgabe auch darin, die Freiwilligen zu unterstützen, die häufig von schweren
Schicksalen Kenntnis bekommen.
Gleichzeitig legt das Diakonische Werk sehr viel Wert darauf, dass hier keine Ersatzkräfte herangezogen werden, die
staatliche Aufträge übernehmen, sodass die Anbindung des
Landkreises Gießen immer auch Grund- und Rahmenbedingung des ehrenamtlichen Engagements vor Ort ist. Insgesamt
konnten bis heute über 250 Freiwillige gefunden werden.
Auf die Frage, warum sie dies tue, antwortet eine Freiwillige:
„Ich will die Menschen unterstützen, ihnen zeigen, dass sie in
Dabei helfen ihnen die Sprachmittler, ebenfalls ehrenamtlich Engagierte, die mit ihrem eigenen Migrationshintergrund
die Arbeit in der Diakonie nachhaltig unterstützen.
William Henderson: „Es lohnt sich für die Menschen, die
zu uns kommen, aber auch für diejenigen, die Unterstützung geben wollen.“
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VI
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Event
Einfach gesagt
Im November trafen
sich Menschen mit und
ohne Behinderung
aus Deutschland und
aus Europa im Markt 5.
An den beiden Tagen
fanden viele
Veranstaltungen statt.
Die Teilnehmer haben
zusammen gekocht,
Filme gedreht
und diskutiert.
Am Abend spielte die
Band Klang-Design.
Tag
und
Nacht
für
Vielfalt
und
Verständigung
15 Jahre mit Leib und Seele „Karawane 2000“
Anlässlich des 15-jährigen Jubiläums des internationalen Netzwerkes „Karawane 2000“ fand vom
26. bis 28. November ein internationales Kochevent
im Markt 5 – Haus der Begegnung in Baunatal statt.
Menschen mit und ohne Behinderung aus dem Inund Ausland nahmen an der Veranstaltung teil. Die
bdks – baunataler diakonie kassel war Gastgeber.
Claudia Lieberknecht
An den folgenden Tagen fanden verschiedene
Aktionen statt: Einige Teilnehmer bereiteten gemeinsam mit Erwin Cecchini und Timo Jahn ein
großes Buffet für den Abend zu, drehten Filme und
tauschten sich im Rahmen von Diskussionsforen
über die Rechte und Chancen von Menschen mit Behinderung aus. Vor dem Gebäude wurde ein interaktiver Infostand für Besucher aufgebaut. Hier
stellte­sich das Projekt „Karawane 2000“ vor und
beleuchtete die zukünftige Arbeit des lebendigen
und kreativen Netzwerkes bei der Entwicklung von
Inklusion auf allen Ebenen der Gesellschaft. Am
Abend sorgte die Band „Klang-Design“ für Party­
stimmung im Markt 5.
Weitere Informationen finden Sie unter
www.karawane2000.de.
Wie können wir Inklusion entwickeln?
Die Veranstaltung begann mit einem Festakt im
Markt 5 – Haus der Begegnung. Michael Thiele,­Prä­
sident der „Karawane 2000“, begrüßte die zahl­reichen Gäste.­Anschließend sprachen Maren MüllerErichsen, Behindertenbeauftragte des Landes Hessen, Uwe Brückmann, Landesdirektor des Landeswohlfahrtsverbandes Hessen und Michael Conzelmann, Kaufmännischer Vorstand der bdks, Grußworte.
Kontakt
Klaus Bertram
Büro für Teilhabe und Freizeitgestaltung
bdks – baunataler diakonie kassel e. V.
Markt 5 – Haus der Begegnung
Marktplatz 5 | 34225 Baunatal
Tel.: 0561 579896-120 | Fax: 0561 579896-122
[email protected]
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Zahlen
und
Fakten
Diakonie magazin 1/2015 VII
Asylsuchende Flüchtlinge
Im Jahr 2014 haben insgesamt 173.072 Personen erstmals um Asyl nachgesucht.
Eugen Deterding
Im gleichen Jahr wurden 17.453 Personen nach Hessen verteilt. Tatsächlich nehmen wir nur
wenige Flüchtlinge auf: Im Jahr
2012 hat ganz Europa zusammen lediglich 5 Prozent der
weltweiten Flüchtlinge auf­ge ­nommen. Beispiel Syrien: Über 80 Prozent der Flüchtlinge
­bleiben in armen Nachbarländern ihrer Heimatregionen. Nehmen wir den 20 Prozent-Anteil von Flüchtlingen an Gesamteinwohnern im Libanon als Beispiel, müsste Deutschland ca.
16 Millionen Flüchtlinge aufnehmen. Setzt man die Wohnbevölkerung ins Verhältnis mit der Anzahl der Flüchtlinge, liegt
Deutschland auch in Europa mit dem 7. Rang nur im Mittelfeld.
Wir können doch nicht
die Flüchtlinge
der ganzen Welt
bei uns aufnehmen!
Rahmenbedingungen
Wohnsitzverpflichtung
Asylsuchende Flüchtlinge sind für die Dauer des Asylverfahrens verpflichtet, ihren Wohnsitz in der ihnen zugewiesenen Erstaufnahmeeinrichtung (in Hessen: HEAE Gießen) und nach Verteilung auf die
Gebietskörperschaften in Gemeinschaftsunterkünften zu nehmen.
Die Wohnsitzauflage entfällt, wenn der Lebensunterhalt gesichert
ist. Sowohl bei der landesinternen, als auch bei der länderübergreifenden Verteilung sind sowohl die Einheit der Kernfamilie als auch
„sonstige humanitäre Gründe von vergleichbaren Gewicht“ zu berücksichtigen.
Residenzpflicht
1,8 Prozent anerkannte Aufgrund internationaler Ab­
Asylberechtigte kommen und völkerrecht­licher
= 98,2 Prozent Verträge hat sich Deutschland
„Scheinasylanten“ und verpflichtet, unabhängig von
„Wirtschaftsflüchtlinge“? der­Aner­kennung als politischer
Flüchtling i. S. des Art. 16 a GG,
oder der Gewährung von Flüchtlingsschutz auch beim Vorliegen humanitärer Gründe Abschiebungsschutz zu gewähren.
Zu diesen Personengruppen zählen Menschen, die von Todes­
strafe bzw. Folter bedroht sind oder aus anderen Gründen
nicht abgeschoben werden dürfen. Insgesamt liegt die Gesamt­
schutzquote bei 31,5 Prozent. Im vergangenen Jahr wurden
lediglich 33,4 Prozent der entschiedenen Fälle tatsächlich ab­
gelehnt. 35,2 Prozent haben sich anderweitig erledigt (z. B.
durch Rücknahme des Asylgesuches, Tod, Weiterwanderung,
Zuständigkeit eines anderen EU-Staates, Erteilung eines Aufenthaltes aus anderen Gründen). Zieht man diese Entscheidung ab, haben sogar 48,5 Prozent der Antragsteller hier Schutz
erhalten. Gegen die Entscheidung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge können die Betroffenen Rechtsmittel
einlegen. So wurde im Jahr 2012 bei 13 Prozent der Klagen nachträglich durch die Gerichte Abschiebungsschutz gewährt bzw.
die Flüchtlingseigenschaft zugesprochen.
Darüber hinaus erlischt für Asylantragsteller (§ 59a AsylVfG i. V. m.
§ 5 6 Abs. 1 AsylVfG) wie für geduldete Personen (§ 61 Abs. 1 AufenthG) die räumliche Beschränkung (sog. Residenzpflicht) nach drei
Monaten. Ohne Erlaubnis dürfen Asylsuchende sich bis auf wenige
Ausnahmen vorübergehend nur im Bereich des Landes Hessen aufhalten. Ausnahmen: Verurteilung wegen Straftat, Verstoß gegen Betäubungsmittelgesetz und unmittelbar bevorstehende aufenthaltsbeendende Maßnahmen.
Arbeitsmarktzugang
Flüchtlinge, über deren Asylbegehren noch nicht rechtskräftig
ent­s chieden wurde, unterliegen einem dreimonatigen absoluten
Arbeits­verbot. Danach liegt die Erlaubnis zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit im Ermessen der Ausländerbehörde. Für diesen Per­
sonen­k reis gilt das sog. Nachrangprinzip. D.h. deutsche und bevorrechtigte ausländische Arbeitsplatzsuchende werden vorrangig
vermittelt. Hierzu gibt es wenige Ausnahmen. Erst nach insgesamt
15 Monaten erlaubten, geduldeten oder gestatteten Aufenthalt entfällt die nachrangige Behandlung am Arbeitsmarkt und der oder die
Asylsuchende wird deutschen oder bevorrechtigten Nichtdeutschen
gleichgestellt. D. h. erst ab diesem Zeitpunkt entscheidet bei der
Aufnahme einer Erwerbstätigkeit lediglich die Qualifikation und nicht
mehr die Herkunft über die Arbeitsaufnahme.
VIII Diakonie magazin 1/2015
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Nachrichten
Irene Finger neue Leiterin des
Diakonischen Werks Bergstraße
In einem festlichen Gottesdienst in der Lampertheimer Domkirche ist Irene Finger, die
neue Leiterin des regionalen Diakonischen Werks Bergstraße, offiziell in ihre Aufgabe
eingeführt worden. Bereits seit dem 15. Februar ist die studierte Sozialpädagogin und
Diakoniewissenschaftlerin an der Spitze der Einrichtung tätig, in der 92 Mitarbeitende
arbeiten. Pfarrer Dr. Wolfgang Gern, Vorstandsvorsitzender der Diakonie Hessen, der
Irene Finger einführte, sagte im Gottesdienst: „Irene Finger bringt aus der regionalen
Arbeit und dem Landesverband reiche Erfahrung und jahrzehntelanges, erfolgreiches
Wirken mit. Sie weiß, was es bedeutet, in sozialpolitischen Krisen Hoffnung zu wecken
und mit Gottvertrauen Zukunft zu gestalten.“ Gern wies auf die zunehmende Vernachlässigung des Sozialen in der EU, im Bund und im Land hin. Auch das Diakonische Werk
Bergstraße wisse aus Erfahrung, was die Sorge um die Zukunft der ihm anbefohlenen
Menschen bedeute.
Finger: Soziale Arbeit braucht Verlässlichkeit
Irene Finger, die zuvor in der Landesgeschäftsstelle der Diakonie Hessen für das Referat
Frauen, Familie und Beratung verantwortlich gewesen war, sagte beim anschließenden
Empfang im evangelischen Gemeindesaal: „Den Schwachen und Verletzlichen gilt in­
der diakonischen Arbeit besonderes Augenmerk. Das sozialpolitische Engagement in
der Region gegen Armut und Ausgrenzung ist für die Diakonie selbstverständlich. Die
Kernfragen sind: Was wird gebraucht? Was hat sich verändert? Wo sind Selbsthilfe­
potenziale? Wer sind mögliche Förderer?“ Die neue Leiterin des regionalen Diakonischen
Werks Bergstraße sagte, es sei wichtig, das Erreichte zu sichern und Weiterentwicklung
mit Augenmaß zu betreiben. „Wir müssen den Spagat zwischen Wirtschaftlichkeit und
diakonischem Profil aushalten“, betonte Finger.
Impressum
Herausgeber:
Diakonie Hessen – Diakonisches Werk
in Hessen und Nassau und
Kurhessen-Waldeck e. V.
Ederstraße 12
60486 Frankfurt am Main
Tel.: 069 7947-0
Fax: 069 7947-99 6398
www.diakonie-hessen.de
[email protected]
Redaktion:
Eckhard Lieberknecht (verantw.),
Arno F. Kehrer
Layout:
Piva & Piva
Studio für visuelles Design
Darmstadt
Bildnachweis:
S. 1.: Diakonie Hessen/Arno F. Kehrer
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