Buchtipp des Monats November: Andreas Steinhöfel: Rico, Oskar und der Diebstahlstein. Mit Bildern von Peter Schössow. Carlsen 2011. War in den ersten beiden Bänden die Großstadt Berlin in bester kästner´scher Tradition der Schauplatz der Abenteuer, die der tiefbegabte Ich-Erzähler Rico und sein Freund Oskar erleben, führt sie der finale dritte Band an einen Platz, dessen geografische Verortung Rico wieder einmal sehr herausfordert. Auf einem seiner bewährten Notizkärtchen mit schwierigen Wörtern, die in den Text integriert sind, beklagt er die Kompliziertheit der anderen Seite der Ostsee: „Oben über Dänemark her und auf der andren daran wieder runter geht die Ostsee als Nordsee weiter. Das ist eine bodenlose Unverschämtheit! Es ist doch wohl sonnenklar, dass die Nordsee dort Westsee heißen müsste! Aber immer schön meckern, wenn ein Tiefbegabter den Kompass nicht versteht!“ Osten, Norden oder Westen – an diesen Ort der Urlaubsidylle führt die beiden jedenfalls die Tatsache, dass ein Teil der Steinesammlung, die der verstorbene Nachbar Fitzke Rico testamentarisch vermacht hat, offensichtlich gestohlen wurde. Dass es Oskar bei dieser Reise gar nicht so sehr um die Suche nach dem Kalbstein, sondern vielmehr darum geht, seinen Vater für dessen vermeintliche Lieblosigkeit zu bestrafen, führt zum ersten ernsten Streit zwischen den beiden, der jedoch schnell wieder beigelegt werden kann. Doch auf dem Weg zu einem weiteren Happyend kommt es natürlich noch zu allerlei durchaus dramatischen Verwicklungen, bis die Geschichte dort ihr Ende nimmt, wo die Handlung eingesetzt hat: Auf einem Friedhof. Dort findet die Steinesammlung des toten Fitzke einen würdigen Ort – und der so mühsam zurückeroberte Kalbstein wird an einer ganz besonderen Stelle platziert, nämlich dort, wo Rico Fitzkes Herz vermutet. Viele Handlungsfäden und Motive aus den ersten beiden Bänden werden gekonnt weitergeführt, manches Requisit verändert sich jedoch: So trägt Oskar hier nun nach Schutzhelm und Sonnenbrille die ganze Zeit über eine Bommelmütze, deren Quasten auch durch daran festklebende Nutella- und andere Nahrungsmittelreste in Notsituationen sehr nützlich sein können. Beibehalten wird jedenfalls das warmherzige und zutiefst christliche Menschenbild, das 2009 die Jury veranlasste, „Rico, Oskar und die Tieferschatten“ mit dem Katholischen Kinderbuchpreis auszuzeichnen. Mit dem der Persönlichkeit des Erzählers entsprechenden Entschleunigung im Tempo, dem skurrilen Witz und nicht zuletzt den hinreißenden Erklärungen für rätselhafte Fremdworte wie Para-Neujahr („wenn man davon überzeugt ist, dass jemand hinter einem her ist, obwohl er sich in Wirklichkeit gar nicht für einen interessiert“) ist auch der leider letzte Band der Trilogie ein Leseerlebnis der besonderen Art – und macht definitiv Lust zum Wiederlesen der beiden Vorgängerbände! Kathrin Wexberg
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