Predigt Sacharja 9, 9.10 Du, Tochter Zion, freue dich sehr, und du, Tochter Jerusalem, jauchze! Siehe, dein König kommt zu dir, ein Gerechter und ein Helfer, arm und reitet auf einem Esel, auf einem Füllen der Eselin. Denn ich will die Wagen wegtun aus Ephraim und die Rosse aus Jerusalem, und der Kriegsbogen soll zerbrochen werden. Denn er wird Frieden gebieten den Völkern, und seine Herrschaft wird sein von einem Meer bis zum andern und vom Strom bis an die Enden der Erde. Liebe Gemeinde, ihr habt es gehört – unser Predigttext heute ist ein Hoffnungstext. Er ist geprägt von der Freude. Wer wird angesprochen? Erinnert ihr euch oder habt ihr es überhört? Zwei Töchter: Die Tochter Zions und die Töchter Jerusalems – beide stehen für das Volk Israel – das Volk, das mit Gott in besonderer Weise verbunden ist. Und diesen beiden Königstöchtern wird hier etwas zugerufen, das den meisten von uns doch wohl sehr gefallen würde: Freut euch! Jubelt vor Freude! Vielleicht würden wir es heute anders ausdrücken – etwa: Hey, Party Leute, es geht echt was ab! Läuft. Bei. uns! Und wenn das so wäre, wenn euch jemand so anspricht, dann würdet ihr euch vielleicht umdrehen und fragen: Wieso Party? Hat einer Geburtstag? Was gibt es zu feiern? Hier in unserem Text heißt es erst mal „Siehe!“ – Tja, und wenn ich das ernst nehme, und mich umsehe, dann erblicke ich erst mal wenig Grund zur Freude: So richtig genau mag man da gar nicht hinsehen, viel Grund zur Freude gibt es nicht, auch, wenn sich viele Menschen gleichzeitig bemühen, es anders zu machen. Man bleibt eher an dem Schweren hängen. Und wenn ich meinen Blick über die Gemeinde hinaus erhebe, dann kommen mir unsere Probleme hier so richtig klein vor. Überall auf der Welt sind Menschen auf der Flucht, versuchen, sich vor Gewalt, Hass, Terror und Hunger zu schützen. Kommen zu uns, gehen in Nachbarländer, hoffen, dass sie hier zur Ruhe kommen. Gleichzeitig rüsten Politiker angesichts der vielen Menschen, die in unser Land kommen, sowohl mit Worten wie auch Taten auf und versuchen, ihre politischen Interessen auf dem Rücken der Flüchtlinge durchsetzen zu müssen. Religiöse Extremisten überall in der Welt verbreiten Schrecken und Angst, die Welt verfällt in Barbarei. Wenn ich da genauer hinsehe, kann ich jedenfalls keinen Grund zur Freude entdecken. Zur Party erst recht nicht! Aber habe ich denn den Text richtig gelesen? Hat Gott denn wirklich gesagt, ich soll auf mich oder meine Umgebung sehen? Ob ich dort Grund zur Freude finde? Wenn ich noch einmal nachlese, dann sehe ich, auf wen ich wirklich sehen soll: Siehe, dein König kommt zu dir! Erstaunlich. Mein König? Zum einen haben wir keine Monarchie mehr und zum anderen wäre das trotzdem ein unerhörter Vorgang, den ich mir hier vorstellen soll: Mein König kommt zu mir! Warum sollte ein König zu mir oder sonst noch einem anderen kleinen Licht kommen? Womit hätte ich diese Ehre, diese Aufmerksamkeit verdient? Was ist das für ein König, der sich zu mir aufmacht? Und während diese Frage in meinem Kopf hämmert, höre ich gleichzeitig den Chor in meinem Kopf jubilieren: „Der Heil und Segen mit sich bringt, derhalben jauchzt und freudig singt: Gelobet sei mein Herr, mein Schöpfer reich von Rat!“ Und parallel höre ich die Worte des PSALMISTEN. Wer ist der König der Ehre? Es ist der Herr Zebaoth. Es ist der Herr, stark und mächtig. Stark und mächtig im Streit. Ach ja, denke ich: stark und mächtig im Streit. Wieder kommt dann so einer daher, der es drauf hat: der den anderen vorschreiben kann, was sie tun dürfen, weil er nämlich stärker ist als sie. Vielen Dank! Auf so einen König kann ich gut verzichten. Solche Könige kennt jede Nation, egal, ob sie Alexander der Große, Dariusch, Konstantin, Otto, Adolf Hitler, Reza Pahlevi, Sadam Hussein, Baschar al Assad, oder Wladimir Putin heißen… Noch viel mehr Namen würden uns einfallen. Solche Herrscher fehlen uns nicht. Mir zumindest nicht. Die will ich nicht auch noch hier rumrennen haben. Danke nein! Und ich lese noch einmal im Sacharjatext weiter, ob Gott mir noch mehr verspricht als nur einen anderen König – und ich stutze: Nach „Siehe, dein König kommt zu dir“ geht es weiter: ein Gerechter und ein Helfer. Ein König, der zu mir kommt und nicht mit Macht und Stärke protzt? Einer, der gerecht ist, einer, der hilft? Ja, den hätte ich nötig, den hätten wir nötig! Darüber könnte ich mich freuen, wenn es denn so wäre: Eine Gerechtigkeit, die für alle gilt: für die, deren Eltern arbeitslos sind und die Zuhause damit klar kommen müssen, genauso wie für die, deren Eltern gute Jobs haben, aber keine Zeit für ihre Kinder. Es wäre gerecht, wenn jeder von ihnen genug und gesund zu essen hätte, sich aussuchen könnte, welche Kleidung sie gern trägt und mit wem sie gern ihre Zeit verbringt, egal ob Junge oder Mädchen, Türkin, Russe oder Deutsche, wenn jeder sagen dürfte, was ihm oder ihr gefällt und was nicht, ohne Angst haben zu müssen, bestraft zu werden. Es wäre cool, wenn man zu sich selbst stehen lernt, ohne dass andere ständig ermutigt werden, Witze zu machen, wenn man nicht so gut aussieht, andere Klamotten oder andere Musik mag, wenn Jungen sich in Jungen verlieben dürfen und Mädchen sich in Mädchen, ohne dafür schlecht gemacht und wie Aussätzige behandelt zu werden. Gleiches Recht für alle – so verstehe ich Gerechtigkeit. Dieser König ist nicht nur irgendein König, nein, er ist mein König, so heißt es in diesem Bibeltext. Das bedeutet doch, dass ich ihn auch annehmen muss. König ist einer, dem ich mein Leben anvertraue, von dem ich mich regieren lasse. Merkt ihr schon, wie mulmig euch wird? Ich soll mich auf jemand anderes verlassen als nur auf mich selbst? Dein König kommt zu dir. Ein gerechter und ein Helfer. Du hast die Wahl. Aber Gott setzt noch einen oben drauf in diesem schrägen Bild, das alles auf den Kopf stellt, was ich bisher über Könige gedacht habe. Er beschreibt mir diesen König noch etwas genauer: er ist arm und er reitet auf einem Esel, oder noch genauer, auf einem, der noch ein Esel werden will: ein Eselkind. Warum so ein König? Warum soll das mein König sein? Gerecht und ein Helfer – ja, bitte; aber arm und auf einem Esel? Die Antwort erscheint mir fast zu wunderbar, als dass sie wahr sein kann: mein König – das ist so einer wie ich selbst, einer, der es noch nicht weit gebracht hat auf dieser Welt, was Macht, Reichtum und Stärke angeht, einer, dem es nicht darauf ankommt, andere Länder zu erobern, sondern mein Herz. Ein anrührender König, der mein Herz erobert. Und wer das schafft, wer die Herzen der Menschen erreicht ohne Kampf, der ohne Markenklamotten und stylischem Auftritt gewinnen kann, einer, der nicht erst in einer Castingshow stromlinienförmig fernsehtauglich gemacht wird, um hinterher als Superstar gewählt werden zu können, das ist einer, der alle Hüllen fallen lässt, meine und seine. Dieser König, mein König auf einem Esel ist gerecht, er hilft und, was noch viel wichtiger ist: er entwaffnet. Wunderbar und traumhaft ist diese Vorstellung meines Königs. Dem höre ich gern zu wenn er verspricht: „Denn ich will die Wagen wegtun aus Ephraim und die Rosse aus Jerusalem, und der Kriegsbogen soll zerbrochen werden. Denn er wird Frieden gebieten den Völkern, und seine Herrschaft wird sein von einem Meer bis zum andern und vom Strom bis an die Enden der Erde.“ Frieden, ja, den brauchen wir, heute wie damals. Die Menschen setzen weiterhin auf die Kriegsmaschinerie, auch die, die sich diesem König verschrieben haben. Der Welt fällt immer noch nichts Besseres ein, als mit Waffen aufeinander einzuschlagen, damit endlich Frieden wird. Mein König kommt entwaffnend arm, fragt mich, ob ich ihn einziehen lasse in mein Herz, ob ich ihm folgen will in seiner Streitmacht, die Liebe, Gerechtigkeit und Hilfe mit sich bringt. Ich trau mich nicht, ruft es in mir, und gleichzeitig sehnt sich alles in mir danach, dass dieses Versprechen wahr wird, dass dieser König Macht nicht nur über mich, sondern auch über die ganze Welt gewinnt, die gerade so schreckliche Bilder bietet. Und Advent bedeutet ja nichts Anderes: den Blick auf den richten, der kommt und ihn mit ganzem Herzen herbeizusehnen und zu hoffen, dass sein Wort, seine Zusage lebendig wird. „Komm, o mein Heiland Jesu Christ, meins Herzens Tür dir offen ist. Ach zieh mit deiner Gnade ein; dein Freundlichkeit auch uns erschein. Dein Heilger Geist uns führ und leit den Weg zur ewgen Seligkeit. Dem Namen dein, o Herr, sei ewig Preis und Ehr.“ Amen. Und der Friede Gottes, welcher höher ist als all unsere menschliche Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.
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