Janet Uyar Warte, bis die Granatapfelbäume blühen

Janet Uyar
Warte, bis die Granatapfelbäume blühen
Janet Uyars erster Roman schließt dem Leser Türen zu einer kaum
bekannten Welt auf. Der geografische Ausgangspunkt des Debüts ist
Samandağ, ein Dorf im Süden der Türkei - nahe der syrischen Grenze.
Dort gibt es eine Minderheit, die schlicht „die Christen in den Olivenhainen“ genannt wird.
Diese Minderheit ist griechisch-orthodox, sie separiert sich auch
sprachlich. Die Leute sprechen Arabisch. Ihren ethnischen Ursprung
vermuten sie aber in Griechenland. Sie bilden eine geschlossene Gesellschaft, in der seit Jahrhunderten gültige Traditionen strikt den Alltag regeln.
Patriarchalisch ist die Ordnung bis ins Kleinste. Ehen werden innerhalb der Gemeinschaft geschlossen. Die kulturelle Absonderung reicht
so weit, dass man bereits die gleichfalls christlichen Armenier in der
Nachbarschaft als andersartig wahrnimmt.
Davon erzählt die Autorin auf die lebhafteste Weise. Mitunter schleicht
sich magischer Realismus ein. Doch bleiben die Darstellungen konkret, Janet Uyar schildert eine Familiengeschichte mit dem Impetus
des Unerhörten.
Der Tod des Ernährers zerreißt die Bande. Die fünfjährige Johanna
kommt mit ihrem Bruder ins Waisenhaus, die jüngeren Kinder bleiben
zunächst bei den Großeltern.
Die junge Witwe geht 1966 als Arbeitsmigrantin nach Deutschland.
Erst nach Jahren der Trennung findet die Familie in Deutschland wieder zusammen. Die Mutter bleibt in der Spur ihrer Erziehung. Angst
und Fremdheit bestimmen ihren Alltag. Auch ihre Kinder sollen die
Traditionen und Normen der ursprünglichen Heimat höher schätzen
als Einflüsse der deutschen Gegenwart.
Sie erkennt nicht, dass Johanna im Waisenhaus traumatisiert wurde.
Die älteste Tochter reagiert auf mütterliche Forderungen zunächst mit
extremer Anpassung und der Bereitschaft zur Übererfüllung sämtlicher Erwartungen. Fragen nach der Identität, nach dem vielseitigen
Anderssein, werden vom Tisch gewischt. Die innere Zerrissenheit
zwischen den Kulturen, zwischen Anpassung und Selbstbestimmung,
zwischen Doppelmoral und Verantwortungsbewusstsein, findet kein
Forum der gestaltenden Betrachtung.
Johanna steht allein mit ihrer Fremdheit, den Schuldgefühlen und der
schmerzhaften Distanz zur Mutter so wie zu der Herkunftsfamilie. Ein
Muster prägt sich ihr ein, dass sie gegenüber den eigenen Kindern in
eine Wiederholungsfalle treiben wird.
Janet Uyar gewinnt Erzählkraft in Johannas verzweifelter Suche nach
Identität und Zugehörigkeit. Aufgewachsen in dem Glauben, nicht
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dazuzugehören, weder zu den Türken noch zu den Arabern noch zu den
Griechen und auch nicht zu den Deutschen, fragt sich die Heldin: Wer
bin ich? Wer sind wir? Ist die Heimat des Vaters auch meine Heimat?
Ist alles Schicksal oder hat man sein Leben nicht doch selbst in der
Hand?
Johanna geht einen Weg der Selbstbestimmung. Das selbstbestimmte
Leben, ein Leben ohne Doppelmoral hat seinen Preis. Johanna erlebt
Ausgrenzung in der eigenen Familie. Sie steht nicht mehr im Schutz
der Gemeinschaft, der Umma. Furcht und tiefe Einsamkeit sind Folgen. Aber auch eine neue Freiheit. Diese Freiheit macht Angst. Johanna lernt, sie auszuhalten.
Erst der Bruch mit der Herkunftsfamilie, die Auseinandersetzung mit
der Vergangenheit, die Versöhnung mit der eigenen Geschichte, bringt
Klarheit und versöhnt Johanna schließlich mit ihrem biografischen Ursprung.
Warte, bis die Granatapfelbäume blühen vereint mal episch, mal episodisch Geschichten von vier Generationen, angefangen bei Johannas
Urgroßvater, der 1915 die Vertreibung und den Totenmarsch in die syrische Wüste überlebte, dem als armenischer Genozid ein historisches
Schattendasein beschieden ist. Die Auswirkungen des Völkermords
wirken bis heute nach.
Jamal Tuschick
Stimmen zum Buch
„Es ist mir klargeworden, dass wir ‚Einheimischen’ bei allem Verständnis und Einfühlungsvermögen letztlich doch nur eine schwache
Ahnung haben, was eine Integration bedeutet und wie groß das Gepäck
an Erfahrungen aus einem anderen Kulturkreis ist. Das vermittelt zu
haben, ist die große Stärke des Buchs.“
Jutta Szostak, Journalistin
Palma Publishing Berlin
[email protected]
030 48639166
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oder direkt bei BOD bestellt werden.
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