Schlafstörungen im frühen Kindesalter: ein Beratungskonzept mit Wirkung Prof. Dr. med. Oskar Jenni Abteilung Entwicklungspädiatrie Universitäts-Kinderkliniken Zürich Fachtagung am 18. Juni 2015 in Wil Schlafstörungen im Kindesalter Säuglingszeit: Kein Durchschlafen/Rhythmus Regulationsstörungen Kleinkindalter: Einschlaf- / Durchschlafstörungen Parasomnien Schulkindalter: Einschlafstörungen Jugendlicher: Einschlafstörungen Delayed Sleep Phase Syndrome Hypersomnien Jenni and O‘Connor, Pediatrics 2005; Jenni et al., Pediatrics 2005 Durchschlafstörung Einschlafstörung Jenni et al., Pediatrics 2005 Einschlaf- /Durchschlafstörung Ursachen • Fehlender oder unregelmässiger SchlafWach-Rhythmus • Überschätzen des individuellen kindlichen Schlafbedarfs • Fehlende Selbstberuhigungsstrategien beim Einschlafen Schlafregulation Das 2-Prozess-Modell Schlafdruck homöostatisch W 1. Schlafhomöostase d S 7 zirkadian W 23 7 S 7 23 7 ultradian Tageszeit N R • „Schlafdruck“ (Schlaflatenz) 2. Innere Uhr • Zirkadianer Rhythmus Borbély, Hum Neurobiol, 1982 Jenni, Current Opinion in Psychiatry, 2006 Zirkadiane Schlaf-Wach-Organisation Biologie • Licht • Soziale Zeitgeber (Geräusche, Bettzeiten, Mahlzeiten, Spielzeiten, Spaziergänge) Jenni und Benz, Pädiatrie up2date, 2007 Zirkadiane Schlaf-Wach-Organisation Regulationshilfen • Erkennen und Verstehen kindlicher Signale • Angemessene Beruhigungsstrategien finden • Vermeiden von Übermüdung und Überreizung Zirkadiane Schlaf-Wach-Organisation Einflussfaktoren Kindliche Faktoren • Schwieriges Temperament (irritabel) • Prä-, peri, oder postnatale Risikofaktoren Elterliche Faktoren • Eingeschränkte intuitive Kompetenzen aufgrund psychischer Erkrankung oder psychosozialer Belastungen Lara, 12 Monate • Seit Geburt nie richtig durchgeschlafen • Deutliche Verschlechterung, Eltern erschöpft • Normale SS, spontane Geburt, 3500g • Gesundes, normal entwickeltes Kind Praktisches Vorgehen • • • • • Telefonischer Erstkontakt Schlafprotokoll über 7-14 Tage Fragebogen Konsultation und erste Beratung Verlaufskontrollen Beratung bei Lara • Strukturieren des Tagesablaufs mit sozialen Zeitgebern (regelmässige Schlaf-, Wach-, Essens- und Spielzeiten) • Vermeiden von Übermüdung und Überreizung tagsüber durch fixe Bettzeiten • Nächtliche Bettzeiten belassen • Besprechen von alternativen Beruhigungs- und Regulationshilfen • Ansprechen von familieninterner und allenfalls externer Entlastung Einschlaf- /Durchschlafstörung Ursachen • Fehlender oder unregelmässiger SchlafWach-Rhythmus • Überschätzen des individuellen kindlichen Schlafbedarfs • Fehlende Selbstberuhigungsstrategien beim einschlafen Wieviel Schlaf braucht ein Kind? Iglowstein et al. Pediatrics, 2003 Schlafbedarf und Zeit im Bett Schlafregulation Das 2-Prozess-Modell Schlafdruck homöostatisch W 1. Schlafhomöostase d S 7 zirkadian W 23 7 S 7 23 7 ultradian Tageszeit N R • „Schlafdruck“ (Schlaflatenz) 2. Innere Uhr • Zirkadianer Rhythmus Borbély, Hum Neurobiol, 1982 Jenni, Current Opinion in Psychiatry, 2006 Entwicklung der Schlafhomöostase Schlafdruck am Tag baut sich im Verlauf der Entwicklung immer langsamer auf – Wachphasen werden länger Jenni, Current Opinion in Psychiatry, 2006 Jakob, 18 Monate Zuweisung: Wiederholtes nächtliches Erwachen, zum Teil auch längere Zeit wach Seit 6 Mt. Einschlafen nur im Maxi Cosi unter Schaukelbewegungen, auch nachts Anamnese und Befunde: Zwilling B. Sectio nach problemloser SS Gesunder Knabe Jakob Jakob Beratung bei Jakob • Tagschlafzeiten festlegen • Bettzeit abends und Weckzeit am Morgen festlegen (entsprechend dem Schlafbedarf von 11.25 Stunden) • Sich in kleinen Schritten (z. B. 15 Min/2Tage der gewünschten Bettzeit annähern) • Einschlafhilfe vorderhand: belassen • Einschlafhilfen begleiten das Kind in den Schlaf • Einschlafrituale bereiten das Kind auf das Einschlafen vor Jakob Jakob Jakob, 18 Monate Zuweisung: Wiederholtes nächtliches Erwachen, zum Teil auch längere Zeit wach Seit 6 Mt. Einschlafen nur im Maxi Cosi unter Schaukelbewegungen, auch nachts Anamnese und Befunde: Zwilling B. Sectio nach problemloser SS Gesunder Knabe Ändern von Einschlafgewohnheiten Massnahmen • Schreien lassen (Extinktion) • Kontrolliertes Schreienlassen (Graduelle Extinktion nach Ferber) • Positive Routine • Graduelle Annäherung Ändern von Einschlafgewohnheiten Graduelle Annäherung • Schrittweises Reduzieren der elterlichen Einschlafhilfen (zuerst tags, dann abends und nachts) • Einführen eines regelmässigen Einschlafrituals • Einführen eines Übergangsobjektes Jakob Jakob Kindlicher Schlaf Objektiv mittels Aktimetrie gemessen T0 (vorher) T1 (nachher) Schlafdauer per 24 Std., h:min 12:12 (0:54) ** 11:42 (0:58) Nächtliche Wachzeit, h:min 1:06 h (0:36) ** 0:42 (0:33) Längste Schlafperiode, h:min 5:24 h (1:48) ** 6:39 (2:03) 2.4 (1.4) * 2.0 (1.2) 8.6 (4.5) 8.2 (5.2) Schlafbeginn, coefficient to variation Schlafende, coefficient to variation N=79 Kinder (32 Mädchen, 6-48 Mt) Werner et al., Journal Clin Sleep Med, 2015 Elterliche Zufriedenheit Wie zufrieden sind Sie mit dem Schlaf Ihres Kindes? hoch p<0.01 tief Werner et al., 2015 Schlafqualität der Eltern (Pittsburgh Sleep Quality Index PSQI) schlecht p<0.01 gut Werner et al., 2015 Medikamente ? • Keine Medikamente bei funktionellen Schlafstörungen ! • Allenfalls Medikamente bei Kindern mit Entwicklungsstörungen (Autismus, Syndrom) • Häufig Medikamente bei Kindern mit Störungen der inneren Uhr (z. B. non 24h rhythm, Smith Magenis Syndrom, Blindheit) Jenni et al., Therapeutische Umschau, 2015 Medikamente ? 1. Pflanzlich: Kamille, Baldrian, Lavendel, Hopfen…. 2. Antihistaminika (Diphenhydramin, Benocten), schwache bis keine Wirkung 3. Melatonin (Circadin Retard, 2-4 mg/dosi) 4. Benzodiazepine (Lorazepam, 1mg/dosi), paradoxe Wirkung 5. Chloralhydrat (Nervifene, 30-50mg/kg/dosi) 6. Clonidin (Catapressan, zentraler α2-Agonist, 2.5mg/kg/dosi) Jenni et al., Therapeutische Umschau, 2015 Elternberatung bei Schlafstörungen Zuweisung durch die Eltern oder eine Fachperson Telefonische Kontaktaufnahme Schlafprotokoll für 7-14 Tage Erster Beratungstermin Kinder über 6 Monaten: Kinder unter 6 Monaten: Schritt 1: ¾ Konsolidierung des SchlafWachrhythmus ¾ Beratung bezüglich Regulationshilfen ¾ Weiterführen des Schlafprotokolls ¾ Telefonische Kontakt in 7 Tagen ¾ Kontrolltermin in 2 Wochen Selbstberuhiger: Kein Selbstberuhiger: Weiterfahren mir Protokoll Weiterfahren mir Protokoll ¾Schritt 1: Konsolidierung des Schlaf-Wachrhythmus ¾Schritt 2: Anpassen der Bettzeit an den Schlafbedarf ¾Schritt 1: Konsolidierung des Schlaf-Wachrhythmus ¾Schritt 2: Anpassen der Bettzeit an den Schlafbedarf ¾ Schritt 3: Schrittweises Erlernen von Selbstberuhigungsstrategien www.kispi.uzh.ch [email protected] 35
© Copyright 2024 ExpyDoc