1. Fall - Institut für Recht der Wirtschaft, Ordinariat für Privat

INSTITUT FÜR RECHT DER W IRTSCHAFT
ORDINARIAT FÜR PRIVAT- UND W IRTSCHAFTSRECHT
O. UNIV.-PROF. DDR. ARTHUR WEILINGER
UNIV.-ASS. MAG. PATRICK STUMMER
1. EINHEIT
PFLICHTÜBUNG AUS UNTERNEHMENSRECHT
SS 2015 – DO 19.3.2015
1. Fall
Unternehmerbegriff - Gesellschaftsbegriff –Firma - Rechnungslegungspflicht
GesbR – OG – Speditionsgeschäft – Frachtgeschäft - Lagergeschäft
Die Freunde Karl, Franz und Rosemarie erfahren zufällig, dass das von ihnen schon
länger anvisierte Grundstück in Wien Grinzing samt Villa versteigert wird (Ausrufpreis
€ 400.000,-). Da jeder von ihnen alleine nicht über ausreichende Mittel zum Erwerb der
Immobilie verfügt, treffen die drei folgende mündliche Vereinbarung: Rosemarie und
Franz gewähren Karl ein Darlehen von je € 300.000,-, um das Grundstück samt Villa zu
ersteigern. Karl soll selbst ebenso € 300.000,- beisteuern und nur er nach außen hin als
Bieter auftreten. Das Meistgebot soll bei € 900.000,- liegen. Sofern Karl das Grundstück
ersteigert, soll es zu gleichen Teilen im Miteigentum der drei stehen.
Das Vorhaben gelingt und Karl ersteigert das anvisierte Objekt um € 900.000,-. Zunächst wird die Immobilie von Franz und Rosemarie bloß unabhängig voneinander zum
Urlauben genutzt, wobei jeder selbst die damit verbundenen Kosten trägt. Karl trägt die
laufenden Kosten, da er das ganze Jahr über alleine in der Villa lebt. Renovierungen oder
Umbauten werden nicht getätigt. Im Jahr 2011 verkauft Franz seinen Miteigentumsanteil
zu gleichen Teilen an Karl und Rosemarie.
Im Jahr 2015 verlieben sich Karl und Rosemarie und heiraten noch im selben Jahr. Rosemarie schlägt Karl vor die Villa gemeinsam umzubauen und darin eine Spirituosenhandlung unter dem Namen Karl und Rosemarie Spirituosen GesbR zu betreiben, in
der importierter Gin und Whiskey verkauft werden soll. Sie schlägt vor, dass dafür insgesamt ein Startkapital von € 20.000,- aufgebracht werden soll und Rosemarie dort
40h/Woche die Spirituosen verkauft. Karl äußert sich dazu nicht, beginnt aber bereits
am nächsten Morgen mit dem Umbau nach Rosemaries Vorstellungen und überweist
den auf ihn entfallenden Anteil auf das von ihm und Rosemarie eröffnete Konto der Karl
und Rosemarie Spirituosen GesbR. Zusätzlich baut Karl auf seine Kosten auf dem
Grundstück Wein an, den er „ab Hof“ jedoch nicht in der Spirituosenhandlung verkauft.
Rosemarie hilft ihm einmal pro Woche unentgeltlich.
a)
Beurteilen Sie den Sachverhalt hinsichtlich der vorliegenden Rechtsgebilde insbesondere hinsichtlich der Frage ob und wenn ja, wann eine GesbR vorliegt. Begründen Sie
Ihre Ergebnisse und ziehen Sie die Rechtslage nach der GesbR-Reform mit 1.1.2105
zur Beurteilung des Sachverhaltes heran!
Die Spirituosenhandlung läuft auf Grund der Verkaufskünste von Rosemarie bereits zu
Beginn sehr gut, weswegen Karl nach Einholung der Zustimmung von Rosemarie im
Namen der Karl und Rosemarie Spirituosen GesbR bei einem Vertragspartner mehrere Kartons mit Gin zu einem Preis von € 400,- erwirbt. Als der Vertragspartner bei Fälligkeit die Bezahlung des Kaufpreises von Rosemarie verlangt, verweigert sie die Bezahlung mit dem Argument, dass sie beim Vertragsabschluss nicht anwesend war und wenn
überhaupt nur die Hälfte des Kaufpreises zu bezahlen hätte.
b)
Verweigert Rosemarie die Zahlung zu Recht? Begründen Sie!
A 1090 Wien, Oskar-Morgenstern-Platz 1  Tel (+43) (1) 4277-38990  Fax 4277-38999
eMail: [email protected]  homepage: www.univie.ac.at/Privatrecht
Am Ende des ersten Geschäftsjahres wurden Umsatzerlöse iHv € 1.200.000,- erzielt. Rosemarie ist der Ansicht, dass die Spirituosenhandlung auf Grund der Schwellenwerte des
§ 189 UGB nun vom Gesetz her verpflichtend in der Rechtsform einer OG zu betreiben
wäre. Karl hingegen meint, dass die Schwellenwerte des § 189 UGB für ihn als Weinbauern generell nicht relevant sind, weswegen die Gründung einer OG nicht zwingend sei.
c)
Beurteilen Sie die Aussagen von Rosemarie und Karl aus rechtlicher Sicht! Wer
hat Recht?
Franz hat bereits im Februar 2012 nach dem Verkauf seiner Miteigentumsanteile mit
Annabelle die ANFR Tankstellenbetriebs OG gegründet, die in Wien eine gepachtete
Tankstelle samt Shop im eigenen Namen und auf eigene Rechnung betreibt. In den Jahren 2012 – 2014 werden jeweils Umsätze iHv € 700.000,- erwirtschaftet.
d)
Beurteilen Sie die Zulässigkeit des Firmenwortlautes und erläutern Sie, welche
Bücher des UGB auf die ANFR Tankstellenbetriebs OG anzuwenden sind.
Anfang des Jahres 2014 beschließen Franz und Anna, die von ihnen erst im Jahr 2013
auf Kosten der Gesellschaft neu angeschafften Zapfsäulen gegen Zapfsäulen einer neueren Generation mit größerer Durchflussstärke auszutauschen. Die alten Zapfsäulen sollen
im Lager der LagerFritz GmbH gelagert und später versteigert werden, da sie immer
noch einen Wert von € 10.000,- haben. Mit der Organisation der Güterbeförderung wird
die Flex Speditionen AG beauftragt, die ihrerseits den Einzelunternehmer Egon mit der
Durchführung der Beförderung beauftragt. Egon gilt in der Branche als einer der sorgfältigsten und gewissenhaftesten Beförderer und hat bisher jede Fracht zur vollsten Zufriedenheit seiner Kunden an ihren Zielort gebracht. Diesmal jedoch erreicht die Fracht niemals ihren Zielort, da sich Egon mit den wertvollen Zapfsäulen ins Ausland absetzt und
auch von der Polizei nicht mehr ausfindig gemacht werden kann.
e)
Die ANFR Tankstellenbetriebs OG fordert den Ersatz des entstandenen Schadens iHv € 10.000,- von der Flex Speditionen AG. Wird sie damit Erfolg haben?
Begründen Sie!
Zusätzlich wird der ANFR Tankstellenbetriebs OG mitgeteilt, dass die von ihr auf
Grund eines Lagervertrages bei der LagerFritz GmbH eingelagerten neuen Zapfsäulen
gestohlen wurden. Die ANFR Tankstellenbetriebs OG fordert von der LagerFritz
GmbH Schadenersatz und führt aus, dass die Lagerräumlichkeiten nicht „rund um die
Uhr“ von Wachmännern bewacht wurden und es keine Videoüberwachung gibt. Ebenso
habe die LagerFritz GmbH die eingelagerte Ware nicht gegen Diebstahl versichert,
wozu sie generell ohne zusätzliches Verlangen des Einlagerers verpflichtet gewesen wären. Die LagerFritz GmbH verweigert die Leistung von Schadenersatz und führt aus,
dass die Lagerräumlichkeiten mit modernsten Sicherheitstüren ausgestattet sind, sie im
Zeitpunkt des Diebstahles versperrt waren und die durch die Diebe nur mit Handgranaten
gesprengt werden konnten.
f)
Muss die LagerFritz GmbH Schadenersatz leisten? Begründen Sie Ihre Lösung und
gehen Sie dabei auf die Argumente der involvierten Parteien ein!
Basisliteratur:
Krejci, Unternehmensrecht5: 41 – 70; 115 – 141; 195 – 198; 479 – 539
Torggler, Gesellschaftsrecht AT und Personengesellschaften: 149 – 155; 255 – 259
Rieder/Huemer, Gesellschaftsrecht³: 33 – 42; 48; 87 – 90; 96; 106 - 113
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