Leseprobe - henschel SCHAUSPIEL Theaterverlag Berlin GmbH

Hans Christian Andersen
Die Schneekönigin
Für die Bühne bearbeitet von Elina Finkel
(c) henschel SCHAUSPIEL Theaterverlag Berlin GmbH 2015. Als unverkäufliches Manuskript
vervielfältigt. Alle Rechte am Text, auch einzelner Abschnitte, vorbehalten, insbesondere die der
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10179 Berlin
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PERSONEN
Gerda
Kay
Schneekönigin
Frühlingsherrscherin
Herbsthauptfrau
Sommerprinzessin
Schmetterlinge: Mythimna, Odice, Polymixis,
Frau Rabe
Herr Rabe
Prinz
Clara
Räuber Tatze
Räuber Fratze
Eisbär Urs
Eisverkäufer
Eisbären
Kinder
In der Aachener Inszenierung waren es fünf Schauspieler und drei Statisten.
1.
Im Eispalast der Schneekönigin. Die Schneekönigin und 2-3 Eisbären.
Schneekönigin
Der ewige Winter meiner Macht bricht an. Bald wird die Welt von
Eis überzogen sein. Ruhe und Klarheit werden herrschen! Diese
dummen kleinen Menschen werden sich zuerst fürchten und mich
hassen – bis sie verstehen werden! Es wird keine Freude geben,
keine Liebe, keine Wärme – aber dafür auch kein Leid, keinen
Schmerz, keine Tränen! Nichts wird mehr blühen – aber auch
nichts verwelken! Nichts Neues wird entstehen – aber auch
nichts vergehen! Alle Sorgen werden vergessen sein, alle
Streitigkeiten beigelegt, die Herzen werden langsam und
regelmäßig schlagen – ein Königreich des kalten Friedens!
Eisbär Urs
Ihr seid die mächtigste Herrscherin der Welt, Königin!
Schneekönigin
Noch nicht, Admiral! Aber bald, oh ja, bald! Nun sagt, was
machen meine albernen Schwestern? Leisten sie noch
Widerstand?
Eisbär Urs
Nein, Königin. Sie haben sich in ihren Refugien verschanzt und
wagen es nicht, wenn ich das sagen darf, ihre Näschen
herauszustrecken. Sie wissen, dass wir sie ihnen sonst abreißen
würden.
Schneekönigin
Gut so! Und die Freundschaftsrosen. Sind alle
Freundschaftsrosen aufgespürt und zerstört, Admiral Urs? Ihr
wisst, nur die Rosen der echten Freundschaft können mir
gefährlich werden!
Eisbär Urs
Gestern haben wir die letzten Freundschaftsrosen aufgespürt.
Hier sind sie.
Ein Eisbär zeigt der Schneekönigin zwei schon sehr ramponierte
Rosen. Sie wendet sich angeekelt ab.
Schneekönigin
Zerstört sie.
Die Eisbären zertrampeln die Rosen Nun steht meiner Macht
nichts mehr im Wege!
Ein Eisbär kommt angelaufen und flüstert Admiral Urs etwas ins
Ohr!
Eisbär Urs
Königin. Wie es scheint haben wir – es ist mir unbegreiflich – ein
paar Freundschaftsrosen übersehen.
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Die Rosen sollen sehr mächtig sein und einen großen
Schutzzauber haben – deswegen sind sie so lange unentdeckt
geblieben! Verzeiht!
Schneekönigin
Was? Ihr wagt es!
Wütet rum. Die Eisbären laufen aufgeregt umher und jammern.
Ich werde mich persönlich darum kümmern! Spannt meinen
Schlitten an!
2.
Schneegestöber draußen. Allerlei Volk, Kinder und Erwachsene, fahren Schlittschuh,
Schlitten, Schneeballschlacht etc. Drinnen ist es warm und gemütlich. Eine weiße und
eine rote Rose im Blumentopf. Gerda und Kay kommen herein. Sie ziehen einen
Schlitten hinter sich her und kommen gerade von draußen.
Gerda
Brr, ist es kalt!
Kay
Es ist so kalt, dass einem die Ohren abfrieren.
Gerda
Es ist so kalt, dass die Füße taub werden.
Kay
Deine Füße können meine Ohren haben, dann hören sie wieder
besser!
Gerda
Scherzkeks!
Kay
Hast du einen? Ich bin am verhungern!
Gerda
Ich auch ...
Kinder
draußen He, wo ist die Nase? Wer hat denn die Nase geklaut?
Das war die allerletzte Nase die wir noch hatten!
Gerda
Kay! Hast du etwa die Nase vom Schneemann geklaut?
Kay
holt eine Karotte heraus Ja! Sie sah so knackig aus!
Beißt rein Lecker! Willst du auch?
Gerda
Natürlich nicht! Bring sie wieder zurück! Die gehört uns nicht!
Kay
Aber Gerda! Ich hab so Hunger! Ich muss viel essen. Ich bin noch
am wachsen!
Gerda
Das war die letzte Nase die sie hatten! Das macht man nicht! Und
wenn dich jemand erwischt hätte?
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Kay
Du hast Recht! Das Beweisstück muss vernichtet werden!
Er knabbert die Karotte ganz schnell auf.
Gerda
Kay!
Kay
mit vollem Mund Jescht schei dosch nischt immer so schtreng.
Gerda wendet sich enttäuscht ab und fängt an, Hausaufgaben zu
machen. Kay hat ein schlechtes Gewissen und versucht
abzulenken.
Kay
Was machst du da?
Gerda
Siehst du doch!
Kay
Gerda, aber wir haben Ferien!
Gerda
Na und. Ohne Fleiß kein Preis.
Kay
Was willst denn du für einen Preis gewinnen?
Gerda
Kay, man muss lernen, zu Schule gehen, später eine Arbeit
suchen... Dann kann man sich auch genug zu essen kaufen!
Kay
Du bist immer so ernst! Und was ist mit Spaß, Phantasie,
Abenteuern?
Gerda
Spaß macht dich nicht satt, Phantasie ist Zeitverschwendung und
Abenteuer sind mir nicht geheuer!
Kay geht zu ihr und legt ihre Hausaufgaben weg.
Kay
Phantasie ist Freiheit, Spaß lässt dein Herz vor Freude hüpfen
und Abenteuer bringen das Blut in Wallung – wie ein schlaues
Dromedar mal sagte!
Gerda
Tiere können nicht reden!
Kay
Was ist das denn für ein Quatsch? Natürlich können Tiere reden.
Nur du kannst einfach nicht zuhören!
Schweigen.
Kay
Gerda! Ich halte es nicht aus, wenn du böse mit mir bist!
12 Jahre oder 144 Monate oder 4.320 Tage oder 103.680 Stunden
minus 8 Stunden Schlaf täglich in denen wir uns nicht sehen, das
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sind insgesamt 34.500 Stunden Schlaf, 103.680 minus 34.500
bleiben übrig 69.120 Stunden. In dieser Zeit haben wir uns 34
Mal gestritten und haben daraufhin je 1,5 Stunden nicht
miteinander geredet das sind insgesamt 51 Stunden Streit
69.120 minus 51 sind 69.069 Stunden. Und 13 Sekunden. So
lange sind wir schon Freunde. Also sei wieder gut! Ich tue es
auch nie wieder!
Gerda
Schwörst du?
Kay
Den großen Freundschaftsrosenschwur.
Er schwört auf die Rosen.
Gerda
Du hast übrigens die Schaltjahre vergessen, du Mathegenie!
Kay
Bin ich doof!
Sie lachen.
Kay
Ich wünschte es wäre Frühling! Da gibt es Erdbeeren, oder
Sommer – dann könnten wir Kirschen von den Bäumen pflücken,
und im Herbst könnten wir im Wald Pilze sammeln – aber im
Winter wächst nichts!
Gerda
Im Winter ruht sich die Natur aus!
Kay
Die ruht sich nach meinem Geschmack schon viel zu lange aus!
He, Natur! Aufwachen!!! Aufwachen! Hilf mir, Gerda! Wir wollen
die Natur aufwecken! Dring Dring!
Gerda
Du bist soooooo albern!!!
Kay
Hier kommen die berühmten Naturaufwecker Kay der Mächtige
und Gerda die Prächtige. Sie besteigen unbezwingbare Berge...
durchqueren die tiefsten Meere... durchschreiten die
gefährlichsten Wüsten... kämpfen mit den wildesten Tieren...
Sie stolpert und fällt hin.
Gerda
... und landen auf allen vieren! Du immer... nur Abenteuer im
Kopf. Ich bleibe gerne zu Hause, in Sicherheit, bei dir und
unseren Rosen.
Kay
Na klar!
Ärgert sie Mädchen wollen immer nur zu Hause bleiben!
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