SEITE 13 Jenseits der LIEBIGSTRASSE „Bin ein Typ, der auch mal überzieht“ Der Leipziger Sprinter Sven Knipphals startet bei der WM in Peking über 100 und 4x100 Meter Seit zwei Jahren lebt und trainiert der Wolfsburger Leichtathlet Sven Knipphals in Leipzig. Als zweitbester DLVSprinter startet er bei der am 22. August beginnenden WM in Peking doppelt – über 100 und 4x100 Meter. Vor den Titelkämpfen sprachen wir mit dem 29 Jahre alten Mediziner, der als Chiropraktor in der Leipziger City arbeitet. n Frage: Sind Sie der einzige WMTeilnehmer des DLV, der den Spagat zwischen Beruf und Leistungssport wagt? Sven Knipphals: Ich glaube schon, so weit ich es überblicke. Hürdensprinterin Nadine Hildebrandt arbeitet in einer Anwaltskanzlei, sie gehört aber nicht zum WM-Team. n Wie kommen Sie mit der Doppelbelastung zurecht? Letzte Saison war ich an vier Tagen fünf, sechs Stunden arbeiten. Das war schon sehr viel. Ausgerechnet in der Wettkampfsaison habe ich zusätzlich meinen Chef vertreten, der sich einen Finger gebrochen hatte. Daher war ich trotz der EM-Staffelmedaille mit meinen Sprintleistungen nicht so glücklich. Hinzu kam, dass ich meine Wohnung letzten Sommer nicht kühl bekommen habe und nachts kaum schlafen konnte. Das ist dieses Jahr dank ThermoRollos besser. Ich arbeite jetzt drei halbe Tage und will das mit Ausnahme der Trainingslager auch in der Olympiasaison so beibehalten. Zur Anpassung an die WM-Bedingungen befindet sich das Team der Sprinter seit einigen Tagen auf der koreanischen Insel Jeju. n Wie läuft es dort? Ich habe ganz schön mit Jetlag zu kämpfen. Daher lassen wir es zunächst ruhig angehen. Ab heute kommen ein paar intensive Einheiten. Ich freue mich, dass ich über 100 Meter im Einzel laufen kann, das Halbfinale ist mein großes Ziel. Der zweite Schwerpunkt ist die Staffel. Zum Glück haben wir uns das Olympiaticket im Mai auf den Bahamas schon gesichert. Dort haben wir trotz unserer Verletzungsmisere das Optimum rausgeholt, das beruhigt sehr. Nun wollen wir auch in Peking ins Finale. n Im Juni haben Sie mit 10,13 Sekunden Ihre 100-Meter-Bestzeit deutlich gesteigert. Hatte sich das im Training angedeutet? Schon. Ich setze seit diesem Jahr mehr auf viele intensive und kürzere Sprints. Das passt gut, schließlich ist die Beschleunigung meine größte Schwachstelle. Cheftrainer Idriss Gonschinska macht die Grundplanung. Mit Bundestrainer Ronald Stein habe ich mich in Leipzig hingesetzt, wie wir das am besten umset- zen können. Ich bin ein Typ, der im Training gern 110 Prozent gibt und auch mal überzieht. Mitunter mache ich vielleicht zu viel, aber die Erfahrungswerte dieser Saison sollen im Olympiajahr helfen. n Wer entscheidet, wenn mal Mut zur Pause gefragt ist? Ich entscheide, wenn ich mal völlig im Eimer bin und einen Lauf weglasse. Das mache ich ja nicht, weil ich mir drei Läufe weniger zusammenmogeln will, sondern, weil ich besser werden und mich nicht verletzen will. Das ist im Hochleistungssport immer ein Tanz auf der Rasierklinge. Meist konnte ich in diesem Jahr durchziehen, aber ich muss auf meine Achillessehne Rücksicht nehmen. n Woher kommen die Schmerzen? Es ist sicher eine Überlastung, so genau weiß ich das selbst nicht. Ich hatte mir im Mai in Florida mal im Training den Rücken zerlegt, bin eine Woche schief gelaufen. Die Folge waren Ausweichbewegungen und Fehlbelastungen. n Während Ihres Studiums haben Sie in England trainiert. Wo liegen die größten Unterschiede zum Training in Leipzig? Hier ist ständig der Trainer dabei, der sagt, was ich falsch mache. Außerdem tut mir das Training in der Gruppe gut. n Hatten Sie Anpassungsprobleme, als Sie nach Leipzig kamen? Überhaupt nicht. Ich fühle mich hier von Anfang an wohl. Das Vorurteil von uns Wessis lautet ja: Der sächsische Dialekt ist eine Katastrophe. Aber so schlimm empfinde ich das gar nicht. Neben Training und Arbeit habe ich wenig Zeit, so genau kenne ich Leipzig daher noch nicht. Mit meinen Eltern und meinem Opa habe ich kürzlich eine Stadtrundfahrt gemacht. Er war das letzte Mal 1945 hier. n In Peking treten Sie gegen überführte Doping-Sünder an – insbesondere aus den USA. Was ist das für ein Gefühl? Kein gutes. Der Amerikaner Justin Gatlin ist die Personifizierung, dass etwas falsch läuft in der Leichtathletik. Seine Sperre wurde von lebenslänglich auf fünf Jahre verkürzt. Das Problem ist: Er kann Usain Bolt schlagen, davon lebt die IAAF. Deshalb freuen sich alle, dass er wieder da ist. Bei der WM 2013 in Moskau habe ich das Finale auf der Tribüne verfolgt und das erste Mal keinen Spaß dabei verspürt. Wenn der Generalverdacht mitläuft, versaut einem das die Laune. Interview: Frank Schober Leipziger WM-Starter in Peking 100 Meter Hürden: Cindy Roleder; Diskuswerfen: Nadine Müller; 110 Meter Hürden: Alexander John, 4x100 Meter: Robert Hering; Kugelstoßen: David Storl (alle SC DHfK). Im Stabhochsprung tritt der gebürtige Leipziger Tobias Scherbarth (Bayer Leverkusen) an. Siebenkämpferin Jennifer Oeser Sven Knipphals holte bei der EM 2014 Silber mit der Sprintstaffel und stand im Halbfinale über 100 Meter. Daran will (ebenfalls Bayer Leverkusen) lebt der 29-Jährige in Peking anknüpfen. Foto: Imago seit 2014 in Markranstädt. | LIEBIGSTRASSE AKTUELL
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