Das Maerchen vom Buchenland mit Erklaerung

Das Märchen vom Buchenland
für Erwachsene und Kinder
von Alfred Wanza
Es war einmal eine Kaiserin, die kaufte vor
vielen, vielen Jahren auf Anraten ihres Sohnes
und Mitregenten
vom
Sultan
in
Konstantinopel ein Stück Land. Es war nicht
sehr groß, aber es war ein wunderschönes
Stück Erde mit Bergen und Wäldern. Wenige
Die sagenumwobenen Berge Adam und Eva in
Pojorata/Bukowina
Menschen lebten dort in Armut.
Nur eine Religion hatte größere Besitztümer angehäuft. Die Kaiserin
und ihr Sohn waren der Meinung, dass dieses Land es Wert war,
mehr daraus zu machen. Sie baten ihre Generäle, sich um das Land
zu kümmern. Es waren kluge Köpfe, die sehr schnell erkannten, dass es hier
große Buchenwälder gab und viele Schätze in der Erde begraben lagen.
Sie überlegten, was sich die Kaiserin und ihr Sohn wohl gedacht hatten, als sie dieses Land kauften. Sie kamen auf den Gedanken, kluge und
fleißige Menschen in das Land zu holen, die es aufbauen sollten. Das Land
wurde vermessen und man schmiedete Pläne. Da in dieser Zeit viele arme
und verzweifelte Menschen in den Ländern drum herum lebten, war
es nicht schwer, diese zu bitten, gemeinsam diese große Aufgabe anzufassen. Jeder der kam, erhielt ein Stück Land, eine Kuh, einen Pflug
und Handwerkzeug. Und sie kamen von überall her. Mit ihren Beamten und Handwerkern baute die Kaiserin und ihr Sohn Straßen, auf
denen die Menschen in das Land kamen. Diese Menschen waren Siedler,
die sich mit ihren Familien hier niederließen. Sie nahmen große Strapazen
auf sich, um für ihre Familien eine neue Zukunft aufzubauen. Was
sie aber nicht wussten, war, dass es noch kein freies Land gab. Sie mussten
erst Bäume roden um darauf Platz für ihre Hütten und für ihre Äcker zu
schaffen. Es war ein sehr mühsames arbeitsreiches Leben. Später entstanden aus den Hütten Häuser, die zu Dörfern und Städten zusammenwuchsen. Es kamen Handwerker, Glasmacher, Bergleute und
Kaufleute aus anderen Ländern. Auch vertriebene Gläubige ließen sich
nieder. Erst die dritte Generation konnte die Früchte dieser harten Arbeit
ernten. Nachdem die Kaiserin und ihr Sohn verstarben, übernahmen nachfolgende Kaiser diese Aufgaben. Sie kümmerten sich mit ihren Beamten
weiter um das Land und nahmen ihre Pflichten sehr ernst. Das Kaiserreich wuchs und wuchs, auch an anderer Stelle. Die Menschen wünschten sich mehr Freiheit. Ein neuer Kaiser nahm diesen Wunsch auf.
Das Buchenland blühte unter seiner Herrschaft auf und wurde ein
Herzogtum. Er ließ Schulen bauen. Im Norden des Landes entstand
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eine moderne Hauptstadt, der er eine Universität schenkte. Mit seinem
Geschick und seiner Toleranz entstand die erste europäische Demokratie. Viele Völker mit unterschiedlichen Religionen lebten friedlich zusammen. In den Städten entwickelten sich Kultur und Kunst.
Auf dem Lande lebten fleißige Bürger im gegenseitigen Respekt friedlich
miteinander. Glaube, gegenseitige Hilfe, Bescheidenheit waren wichtige
Tugenden. Das Leben bescherte ihnen neben anstrengender Arbeit eine
schöne Natur, die ihnen mit mitgebrachten Traditionen den Alltag lebenswert machten. Neid und Hass waren ihnen fremd. Eines Tages sollte sich
aber die Welt verändern. Ein großer Krieg brach herein und brachte
Leid und Sorgen in diese stille Landschaft. Vor Gram starb der beliebte Kaiser. In einer kurzen Regentschaft musste der letzte Kaiser das Land
abgeben und neue Herrscher übernahmen die Regierung. Danach war es für
die Menschen nicht mehr so wie es einmal war. Der neue Herrscher war ein
König, der das Land geschenkt bekam. Ihm fehlte die feste Hand und
so veränderte sich das Land einseitig. Beamte und Handwerker, die das
Land aufgebaut hatten, verließen es wieder. Die farbige Vielfalt entwickelte sich zur Einseitigkeit. Den Buchenländern, die dort blieben, ging es
zunehmend schlechter. Ihre Sprache und ihr Lebensraum wurde eingeschränkt. Trotzdem lebten sie so, wie sie es vorher kannten, friedfertig und
hilfsbereit weiter, bis sich eines Tages abermals die Welt veränderte. Die
Menschen wussten nicht, ob es Donner oder ein Silberstreif am Horizont
war, was sie aus der Ferne vernahmen. Die Lage spitzte sich zu. Die Herrschaft aus dem fernen Land gab vor, einen Großteil der Menschen aus dieser
Situation zu befreien. Im Blick standen allerdings starke eigene Interessen,
für die diese Menschen herhalten sollten. Sie konnten sich zwischen Pest
und Cholera entscheiden. Sie haben sich für die Freiheit entschieden,
obwohl es am Ende doch die Pest war. In großen Transporten verließen
sie die einmal liebgewordene Heimat in unbekannte Richtung. Während
die alten Menschen traurig waren, schöpften die Jungen Hoffnung. Eine
unsichere Zeit mit einer ungewissen Zukunft brach für diese Menschen
herein. Die vielen jungen Männer wurden in einem sinnlosen Krieg verheizt. Die Familien bekamen ein neues zu Hause, das man anderen
weggenommen hatte. Am Ende war alles vergebens, weil Krieg, Not und
Elend über alle hereinbrach. Erst nach vielen Jahren bekamen die
Überlebenden wieder festen Boden unter die Füße. Ihre alte Heimat haben
sie aber bis heute nicht vergessen.
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Erläuterungen zum Märchen
Bei der Kaiserin handelte es sich um Maria Theresia von Österreich (17171780), die nach dem österreichischen Herrscher und deutschen Kaisers Karl
VI. im Jahre 1740 die Herrschaft über die österreichische Monarchie übernahm. Ihr Sohn und Mitregent war Joseph II., Erzherzog im Erzherzogtum
Österreich und gleichzeitig römisch-deutscher König.
Durch die erste Teilung Polens und den Anschluss Galiziens an Österreich,
bekam die spätere Bukowina eine besondere Bedeutung für Österreich. Besonders Kaiser Joseph II. war daran interessiert, dieses Durchgangsland für
Österreich zu sichern. Neben der militärischen Bedeutung, kam später die
wirtschaftliche hinzu.
Glückliche Umstände erlaubten den Österreichern 1774 die militärische Besetzung der Nördlichen Moldau und die Vereinbarung der Übernahme mit
den Osmanen. Hier lebten damals 60zigtausend Einwohner, überwiegend
landlose Bauern, Hirten, Nomaden und Walachen, die auf Pachtland der Bojaren sowie der Kirchen und Klöster angewiesen waren.
Damit begann in den östlichen Waldkarpaten eine neue Ära für das
Deutschtum und die römlisch-katholische Kirche.
Die Generäle Gabriel Freiherr von Splény (1774-1778) und Karl Freiherr
von Enzenberg (1778-1786) übernahmen die Entwicklung der Bukowina als
Landesteil Österreichs, die im Verlauf der nachfolgenden Jahrzehnte ein
Musterland der Monarchie wurde. Mit ordentlicher wirtschaftlicher Versorgung, einem ausgefeilten Verwaltungs- und Schulsystem, einem blühenden
Kultur- und Vereinswesen, einem breitgefächerten Pressewesen sowie einem
Landtag mit einem Nationalitätenparlament, das dem Kronland den Bukowiner
Ausgleich erarbeitete. Kurz gesagt, ein Europa im Kleinformat.
Unter Kaiser Franz Joseph I., der die Bukowina liebte, bekam sie als autonomes Kronland den Titel eines Herzogtums zugesprochen. 1875 schenkte
er der Hauptstadt Czernowitz die östlichste deutschsprachige Universität,
die er ursprünglich in Salzburg errichten lassen wollte.
Durch Aufteilung der Grundstücke auf die vielen Kinder war der Boden der
Siedler schon Ende des 19. Jh. knapp geworden. Dies führte dazu, dass deutsche Familien bereits ab 1886 den Werberufen aus USA und Kanada folgten
und aus der Bukowina nach Übersee auswanderten. Auch in Venezuela, Brasilien und anderen Ländern strandeten Buchenlanddeutsche. Heute sind sie
über die gesamte Welt verteilt.
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Gemäß der Volkszählung von 1910 gab es über 800.000 Bewohner. Die Anzahl der Deutschen lag bei 9,2 %. Weitere Landesbewohner stellten die Ruthenen (Ukrainer) mit 38,4 %, die Rumänen mit 34,4 %, die Juden mit 12,0
% und Bewohner anderer ethnischer Zugehörigkeit wie Polen, Armenier,
Ungarn, Lippowaner, Slowaken u.a. 6,0 %. Mit Beginn der rumänischen
Herrschaft hatte die Bukowina 850tausend Bewohner, davon 70tausend
Deutsche.
Noch vor Ende des Ersten Weltkrieges verstarb Kaiser Franz Joseph I.. Böse
Zungen meinten, aus Gram. Kaiser Karl I. übernahm nur für kurze Zeit die
Regentschaft. Nach dem Ersten Weltkrieg (1918) ging die Habsburger Monarchie unter und die Bukowina wurde Rumänien zugesprochen. Danach
verschlechterte sich die Situation für die Deutschen, obwohl die Lebensgewohnheiten der Bewohner untereinander bestehen blieben. Die sprichwörtliche Toleranz der Bewohner hatte eine Atmosphäre geschaffen, die die neuen Machthaber mittragen mussten, obwohl die deutsche Amtssprache und
die deutschen Schulen abgeschafft wurden. Durch nationalistische Tendenzen verschlechterte sich die Situation abermals.
Nach Besetzung der Nordbukowina und der Hauptstadt Czernowitz 1940
durch die Sowjetunion, wurden die Deutschen aus der Nord- und später
auch aus dem rumänischen Teil der Südbukowina von den Nationalsozialisten heim ins Reich geholt. Hierüber waren zwischen Deutschland der Sowjetunion und Rumänien Verträge ausgehandelt worden. 1940 wurden ca.
100tausend Deutsche umgesiedelt.
Mit der Umsiedlung verfolgte Hitler eigene Interessen. Die Besiedlung Polens, die Verstärkung beim Bau von Rüstungsgütern und neue Soldaten für
die Front. Zu diesem Zeitpunkt hatte er bereits weitere Kriegspläne. Viele
von den in der Bukowina verbliebenen oder zurückgekehrten Deutschen
wurden dagegen von den Sowjets nach Sibirien deportiert.
1945 erfolgte nach Kriegsende die große Fluchtwelle aller Deutschen aus
den Ostgebieten Richtung Westen.
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