s DOPPELNUMMER 31/32 30. Juli 2015 Fr. 5.– www.schweizerfamilie.ch SES TS U G 1.-AU SEL RÄT S G RO SEIT E 77 1. AUGUST Zum Nationalfeiertag erkunden wir die Welt der GÄMSEN + 23 Fragen an Bundesrat ALAIN BERSET + 3 Wanderungen ums MATTERHORN + Die Naturküche von STEFAN WIESNER + Ein Hoch auf die heimische BIERKULTUR und vieles mehr! EDITORIAL LIEBE LESERINNEN LIEBE LESER DICKE ÜBERRASCHUNG: Sie halten Redaktorin Leandra Graf, Naturkoch Stefan Wiesner, Redaktor Roland Studer (v. l.). A SS R ÄTSEL SP nalfeiertag zum Natio weiz Sie die Sch : Entdecken innen. eren Art und gew der besond rn, rätseln 120 typische r de Suisse Wassers. Mitfeie Familie» Eine Tou ren des hweizer Franken. auf den Spu UST verlost die «Sc wert von 35 000 Gesamt Zum 1. AUG Preise im Schweizer BUNTES 1.-AUGUST-HEFT. Wir EI S n 1. PR t vo er im W 0 10 80 FR AN KE N 3. PR im W EI S ert vo n 6600 FR AN 2. im PR EIS KE N nen in in 1.-Klass-Bah n Zu viert Zermatt. Gipfeltreffe von Lugano nach einer Woche n vo 0 760 rt We FR AN KE N Von den Gletschern zu den Palmen 1.-KlassZugreise für 4 Personen von Brig nach Lugano. ress cier Exp im Gla matt. Reise nach Zer ritz wagen orama von St. Mo Im Pan sonen Per für 4 SIE AN DER VERLO SUNG TEIL EN staben en Antwortbuch Mit dem richtig n Sie an der C) nehme (A, B oder teil. Verlosung t 2015. 13. Augus luss ist der t 2015 Einsendesch 27. Augus g wird am Lösun e» und auf Die eizer Famili ert. in der «Schw erfamilie.ch publizi www.schweiz SO NEHM T ES IONIER überfragen, und in die Rätsel Lösen Sie rtbuchstaben die Antwo taben in tragen Sie en. Die Buchs n eine Frage. die Kästch en 1–80 ergebe den Kästch lautet: rt darauf Die Antwo Oppenheim A) Meret ly B) Jean Tingue C) Hans Erni SO FUNKT Korrespondenz wird keine ichtigt. Wettbewerb h benachr Über den werden schriftlic hlossen. 2015 statt. Gewinner 18. August erb ausgesc hlossen. Die sind vom Wettbew g findet am ist ausgesc Die Verlosun deren Partner Rechtsweg geführt. Der der Tamedia AG und Mitarbeitende LÖSUN G AN 0901 560 660 n: en Sie tz) Sprech ab Festne Adresse und (1 Fr. / Anruf sowie Name, die Lösung , er aufs Band. Telefonnumm Senden Sie die Lösung Per Postkarte: e an «Schweizer h, Adress Name und tsel, Postfac 1.-August-Rä Familie», . Zürich 8099 Per Telefo eine Doppelnummer in der Hand. Doch keine Angst, die Redaktion liegt nicht in der Badi auf der faulen Haut. Der Grund für das Doppelheft ist rein kalendarischer Natur: Weil die Ausgabe Nr. 1 bereits im alten Jahr erschien, nämlich am 31.12.2014, fällt die nächste Ausgabe zur Kompensation aus. Die Anzahl Hefte bleibt aber dieselbe. Und nächstes Jahr erscheint die «Schweizer Familie» wieder wie gewohnt. Foto: Face to face Machen Sie mit beim grossen 1.-August-Rätsel, und gewinnen Sie! haben die Doppelnummer bewusst auf den Nationalfeiertag terminiert, um viel Platz für die schönen Seiten der Schweiz zu haben. Zum Beispiel diese: Als wir Bundesrat Alain Berset baten, in der «Schweizer Familie» Fragen von zwanzig Persönlichkeiten zu beantworten, sagte er sofort zu. Wo sonst auf der Welt ist der Innenminister so offen und zugänglich? Chapeau, Monsieur le Conseiller fédéral! Ab SEITE 12 SCHWEIZER SIND TÜFTLER. So wie einem Schlepptraktor, beladen mit einer Feldküche. Das war eine Überraschung: Wiesner bekochte das Redaktionsteam auf seine unvergleichliche Art (AB SEITE 20). Auch sonst tut sich kulinarisch viel im Land: Die Schweiz entwickelt sich zur Biernation. Über 500 Kleinbrauer bereichern den Markt mit immer neuen Bierkreationen. Wir haben probiert. Ab SEITE 56 SCHWEIZER HABEN GEMEINSINN. So wie die 250 Freiwilligen, die das beliebte Bähnli aufs Malanser Älpli am Leben erhalten. Ohne sie wäre die Bahn längst eingestellt und das Bergrestaurant geschlossen. Wer noch nie oben war, muss unbedingt mal hin! Lesen Sie ab SEITE 34. SCHWEIZER SIND KLUGE KÖPFE. Darum verpassen Sie das grosse 1. August-Rätsel nicht. Es winken tolle Preise mit Aussicht auf die Schweiz. Viel Glück! SEITE 77 Herzlich, Ihr Daniel Dunkel, Chefredaktor Stefan Wiesner, der weltbekannte Naturkoch im Entlebuch. Zum Feuerstellengespräch kam er auf Foto: René Ruis Schweizer Familie 31/32/2015 3 INHALT DOPPELNUMMER 31/32 vom 30.7.2015 – MIT TV TÄGLICH 44 Zäh, eigenbrötlerisch, wendig: Die Gämse vereint typisch eidgenössische Eigenschaften. ➳ Menschen Denkpause............................. 6 1.-August-Illustration von Esther Zellweger Traumfänger........................ 10 Eveline Suter, Musikerin Stefan Wiesner.................... 20 Der weltbekannte Naturkoch im Feuerstellengespräch Verkehrskreisel................... 28 Raum für Kunst und Kurioses Älplibahn Malans................. 34 Einheimische betreiben ihre Gondelbahn in Fronarbeit 12 ➳ Wissen Tierheim............................... 42 Ein Platz für die ängstliche Mira gesucht Was meinen Sie, Herr Bundesrat? Alain Berset beantwortet Fragen von 20 prominenten Schweizer Persönlichkeiten. Gämse................................... 44 Der Klettermax hat das Zeug zum Schweizer Wappentier ➳ Essen 20 56 Ein Hoch auf den Gerstensaft: Über 500 Schweizer Brauereien produzieren eine Vielfalt von Bieren. 64 ➳ SchönerLeben Draussen spielen................. 64 Kinderklassiker Gummitwist oder Völkerball Monatsgarten....................... 68 Was es im August zu tun gibt Kräuterkraft......................... 70 Die Thurgauer Firma Rausch setzt auf die Natur Holz, Heu, Gold, Rostnägel: Stefan Wiesner ist ein Meister der Naturküche und macht damit weltweit Furore. L SPI+E S SPAS Auf ein Bier.......................... 56 Gerstensaft im Trend, Schweizer Brauereien im Hoch 1.-August-Rätsel................. 77 Knobeln Sie mit, und gewinnen Sie tolle Preise ➳ Reisen 90 Rund ums Matterhorn: Drei Touren führen um den Berg der Berge. Widmer wandert.................. 88 Im Waadtländer Jura Matterhorn........................... 90 Wandernd das «Horu» erkunden und bewundern Weekendtipp...................... 101 Bachsteinkletterpfad Göschenen Von Blinde Kuh bis Himmel & Hölle: Draussen spielen macht Kindern Spass. ➳ Gesundheit Tai-Chi................................ 108 Die chinesische Kampfkunst verleiht Seelenruhe ➳ Rubriken Familie der Woche........................8 Aus dem Fotoalbum....................11 Sudoku.........................................86 4 Schweizer Familie 31/32/2015 Spielspass.................................103 Rätsel.........................................104 Medientipps............................... 118 Leserforum................................ 119 Marktplatz.................................120 Horoskop....................................122 Impressum................................122 Gewinnen Sie.............................123 Titelfoto: Getty Images, René Ruis, Marco Volken, Tanja Demarmels; Fotos Inhalt: ddp, René Ruis, F1Online, Sebastian Magnani; Illustrationen für Cover und Inhalt: Bernd Schifferdecker, Flavia Travaglini WISSEN Das ideale Schweizer WAPPENTIER Eigentlich gehört sie auf unsere Fahne gestickt: DIE GÄMSE. Die Kletterakrobatin vereint ein paar typisch eidgenössische Eigenschaften. Sie ist zäh, eigenbrötlerisch, wendig – und immer mal wieder für eine Überraschung gut. Text Susanne Rothenbacher Foto: Okapia WISSEN Die eine hier, die andere da: Dieser Abstand passt den Gämsen. Körperkontakt mögen sie nicht. Schweizer Familie 31/32/2015 45 WISSEN Das Ungestüm der Jugend: Ein Gämskitz galoppiert über eine Alpweide. 46 Schweizer Familie 31/32/2015 Markierung: Aus den Brunftfeigen, den Drüsen, die hinter den Hörnern liegen, sondern Gämsen ein Sekret ab, das sie an Stauden und Gras halmen abstreifen. Während der Brunft sind die Drüsen besonders aktiv. V on blossem Auge ist nur ein brauner Fleck erkennbar, der sich langsam bewegt. Christian Wil lisch stellt sein Fernrohr auf. «Ein Bock, schon ziemlich alt», meint der 38jährige Biologe. Beim Blick durchs Fernglas ver wandelt sich der Fleck auf der stotzigen Matte in eine stattliche Gämse. Früher waren die charakteristischen Streifen auf ihrem Kopf vermutlich schwarz, jetzt sind sie von grauen Haaren durchwirkt. «Ein Alterszeichen», sagt der Huftierexperte. Wir stehen auf dem Augstmatthorn im Berner Oberland. Tief unter uns leuchtet das Türkis des Brienzersees, auf der ande ren Seite erstreckt sich die Moorland schaft der Lombachalp. Ein Alphornbläser hat sein Instrument auf den Gipfel getra gen. Sanfte Töne verwehen im Wind. «Wir müssen», drängt Katrin Bieri. Wie ihr Mann Christian ist auch sie Biologin. Die beiden sind nicht zum Vergnügen aufs Augstmatthorn gestiegen. Arbeit wartet. Eine Tagung für die Gämse In der Geschichte der Gämsforschung spielt das 1941 eingerichtete Jagdbann gebiet am Augstmatthorn eine besondere Rolle. In den letzten 51 Jahren sind hier nicht weniger als 15 Dissertationen und Diplomarbeiten über Gämsen entstanden. Und seit 25 Jahren werden die Tiere jeden Sommer und jeden Herbst gezählt. Katrin Bieri leitet das MonitoringPro jekt. Rund um das sieben Quadratkilome ter grosse Zählareal sind acht Helferinnen und Helfer postiert. Punkt 19.30 Uhr gibt die 43Jährige per Funk das Startsignal. Langsam wandert sie über den Grat vom Augstmatthorn zum Suggiture. «Dort steht eine Geiss mit einem Kitz», sagt die Bio login. Ich sehe nichts. «Unter uns, bei den beiden Ahornbäumen.» Selbst mit Hilfe des Feldstechers habe ich Mühe, die Tiere auszumachen. Haben alle Mitglieder des Teams einen Adlerblick wie Katrin Bieri, wird ihnen keine Gämse entgehen, die sich an den steilen Abhängen zeigt. 21 Uhr. Das Licht schwindet. Für heute ist Schluss mit Zählen. Katrin Bieri fragt Fotos: Okapia, Prisma Christian Willisch und Katrin Bieri: Die beiden Biologen überwachen den Gämsbestand im Berner Jagdbann gebiet Augstmatthorn. eine erste Bilanz ab. Über 190 Gämsen hat ihre Mannschaft gesichtet – mehr oder we niger so viele wie jedes Jahr. Katrin Bieri und Christian Willisch sind erfreut: «Hier jagt der Luchs. Auch ein Wolf kommt ab und zu vorbei. Greift der Mensch nicht ein, pendelt sich der Gämsbestand offen bar auf einem stabilen Niveau ein.» Das ist nicht überall so. Jäger und Wildhüter beobachten in verschiedenen Kantonen einen langsamen Rückgang der agilen Felsenziege. Noch im Jahr 2000 konnten die Jäger über 16 000 Tiere er legen, mittlerweile ist ihre Ausbeute auf 12 000 Exemplare pro Jahr gesunken. Das veranlasste den Verband Jagd Schweiz, der Gämse im März eine Tagung zu widmen. ➳ Schweizer Familie 31/32/2015 47 WISSEN DIE VERWANDTEN DER GÄMSE Serau Das Verbreitungsgebiet der Seraue reicht von China über Indien bis nach Taiwan. Die Tiere erreichen eine Schulterhöhe von 85 bis 94 Zentimeter. Es werden sieben Arten unterschieden. Schneeziege Die bis zu 120 Zenti meter hohen Ziegen artigen leben in den nördlichen Rocky Mountains. Sie klettern bis 5000 Meter über Meer. Ihr grösster Feind ist der Puma. Goral Die stämmigen, ziegenartigen Tiere sind in Ostasien be heimatet. Gorale erreichen eine Schulterhöhe von 57 bis 79 Zentimeter. Biologen unter scheiden heute sechs Arten. Biologen und kantonale Jagdverwalter diskutierten mögliche Gründe, weshalb es offenbar immer weniger Gämsen gibt – und das, obwohl ihre Zahl noch im letzten Jahrhundert stetig gewachsen ist. Dabei wurde eins klar: Die Gämse ist eine typi sche Schweizerin, durch und durch föde ralistisch. Ihre Befindlichkeit präsentiert sich in jedem Kanton anders. Perfekt angepasst In manchen Gebieten nimmt der Bestand der Gämsen nach wie vor zu, in anderen ist der Rückgang durch Zahlen nicht zu belegen – und wo er offensichtlich ist, gibt es dafür etliche denkbare Gründe: der Klimawandel zum Beispiel oder die Tou risten, die mittlerweile in abgelegenste Ecken vordringen und das Wild stören; der Luchs, der zu viele Gämsen frisst, aber auch der Hirsch, der sich immer mehr ausbreitet; die Schafe, die Krankheiten auf die Alpen schleppen und den Gämsen die feinsten Gräser wegschnappen, und nicht zuletzt nahm sich die Jägerschaft auch sel ber an der Nase – im einen oder anderen Kanton scheint die Planung der Jagd durchaus verbesserungswürdig zu sein. Im Kanton Bern will die Jagdverwal tung nun wissen, wie es um die Gämsen steht. Gibt es im Kanton Bern tatsächlich generell weniger Gämsen? Oder haben sie sich bloss aus gewissen Gebieten zurück gezogen? Christian Willisch hat den Auf 48 Schweizer Familie 31/32/2015 Moschusochse Auch die Tundra bewohner gehören zu den Ziegenartigen. Sie leben in Grönland, Alaska und Kanada. Sie erreichen eine Schulterhöhe von ca. 1,5 Metern. «Gämsen lieben es stotzig. Sie brauchen ein Gelände mit einer Neigung von 30 bis 40 Grad.» Martin Baumann, Biologe trag gefasst, die Jagdstatistiken und Bestan desschätzungen der letzten Jahrzehnte zu analysieren. «Ich bin selber gespannt, was dabei herauskommt», sagt der Biologe. Gämsen sorgen immer wieder für Über raschungen. Sie sind zäher und flexibler, als ihnen viele Experten zutrauen. Die Bio logen, die Mitte des letzten Jahrhunderts das Verhalten der Gämsen studierten, wa ren der Auffassung, dass die Huftiere aus schliesslich oberhalb der Waldgrenze le ben. Ihre Körper sind wie gemacht für ein Leben in Fels und Schnee. Gämsen sprin gen aus dem Stand über zwei Meter hoch. All ihre Gelenke sind so gewinkelt, dass sie bergauf wie bergab rasant rennen und weite Sprünge bestens abfedern können. Vor allem die Hufe, auch Schalen ge nannt, sind ein wahres Meisterwerk der Evolution. Sie ähneln zweiteiligen Kletter finken. Der äussere Rand der beiden Ze hen ist hart, die Sohlen dagegen sind zäh und gummig. Derart ausgestattet, finden Gämsen selbst in kleinsten Felsrillen Halt und rutschen auch auf blankem Eis nicht aus. Zudem sind die nur durch ein Band verbundenen Zehen weit spreizbar und verhindern ein Einsinken im Schnee. Im Sommer sehen Gämsen mit ihrem rotbraunen Fell anmutig und grazil aus. Kündet sich der Winter an, lassen sie einen dicken, schwarzen Pelz wachsen. Dieser absorbiert nicht nur das Sonnenlicht – er isoliert auch ausgezeichnet: Gämsen kön nen im Schnee ruhen, ohne dass dieser unter ihren Körpern wegschmilzt. Hitze setzt den Wiederkäuern viel mehr zu als Kälte. «Die Gärprozesse im Pansen erzeugen sehr viel Abwärme», erklärt der Biologe Martin Baumann, der heute als wissenschaftlicher Mitarbeiter für das Bundesamt für Umwelt tätig ist. Deshalb haben Gämsen im Kopf und in den Bei nen Kühlsysteme, die nach dem Gegen stromprinzip funktionieren: Das venöse Blut kühlt das vom Herzen kommende Blut in den Arterien ab. Gämsen sind also von Kopf bis Fuss auf ein Dasein in extremen Gebirgslandschaf ten eingestellt. Umso erstaunter reagier ten viele Fachleute, als die eingefleischten Klettertiere – scheinbar plötzlich – im ➳ Fotos: Ullstein Bild, ddp images, PantherMedia, Corbis, lorenzfischer.photo, André Roulier STECKBRIEF LICHT Die Augen oder Lichter stehen vor und ermöglichen einen weiten Blickwinkel. ZÜGEL Die Gesichts maske, der so genannte Zügel, ist vermutlich für die Kommu nikation wichtig. GELENKE Der ganze Körperbau der Gämsen, insbesondere ihre eindimensionalen, festen Gelenke, sind gemacht für Rennen und Klettern in steilem Gelände. DIE KRUCKEN Die Hörner der Gämsen werden Krucken genannt. Diejenigen der Böcke sind in der Regel dicker als diejenigen der Geissen. Die Jahrringe sind an der Rückseite gut sichtbar: Sie verraten das Alter eines Tieres. Die Schmuckringe dürfen nicht gezählt werden. LUSER Jahrringe Schmuckringe Gämsen hören extrem gut, verlas sen sich jedoch mehr auf ihre Nase und ihre Augen. AALSTRICH Im Sommer haben Gämsen einen schwarzen Strich auf dem Rücken. Im Winter färbt sich ihr ganzes Fell schwarz. SCHALEN Wie Ziegen, Schafe oder Kühe haben Gämsen Klauen, die in der Jägersprache Schalen heissen. Die zwei geteilten, spitzen Hufe mit den gummiartigen Sohlen sind Kletterfinken und Schneeschuhe in einem. WEDEL An der Unter seite und an der Spitze ist der kurze Schwanz schwarz. HINTERLÄUFE Anzahl Arten Gämsen sind eine Gattung. Biologen unter scheiden heute sechs Arten. Verbreitung Europa und Kleinasien Bestand Schweiz ca. 90 000 Schulterhöhe 70 bis 80 cm Gewicht Geiss: 25 bis 40 kg, Bock: 35 bis 50 kg Tragzeit 160 bis 190 Tage Anzahl Junge pro Jahr 1, selten 2 Höchstalter 14 bis 20 Jahre Nahrung Gräser, Kräuter, Knospen, Triebe, Blätter, auch Pilze Die kräftige Hinterhand verleiht Gämsen eine grosse Sprungkraft. WISSEN Im stotzigen, steilen Gelände zu Hause: Die Kletterkünstlerin Gämse. Der Alpenjäger (…) Und der Knabe ging zu jagen, Und es treibt und reisst ihn fort, Rastlos fort mit blindem Wagen An des Berges finstern Ort, Vor ihm her mit Windesschnelle Flieht die zitternde Gazelle. Auf der Felsen nackte Rippen Klettert sie mit leichtem Schwung, Durch den Riss geborstner Klippen Trägt sie der gewagte Sprung, Aber hinter ihr verwogen Folgt er mit dem Todesbogen. (…) Friedrich Schiller 50 Schweizer Familie 31/32/2015 Foto: Biosphoto BESSERE PLANUNG DER GÄMSJAGD Friedrich Schiller schrieb das Gedicht «Der Alpenjäger» 1804 – 72 Jahre bevor das erste eid genössische Jagd gesetz in Kraft trat. Es hält drei wichtige Grundsätze fest: Die Artenvielfalt ist zu erhalten. Die von wild lebenden Tieren verursachten Schä den sind auf ein tragbares Mass zu reduzieren. Und eine angemessene Nutzung der Wild bestände soll ge währleistet sein. Um das Jagdgesetz zu erfüllen, müssen die Kantone die Jagd planen. Dafür muss man die Wildtier bestände kennen, wissen, in welcher Verfassung die Tiere sind, wie die Alters struktur ist und ob das Verhältnis zwi schen Männchen und Weibchen aus geglichen ist. Viele Faktoren bestimmen, wie viele und welche Tiere geschossen werden dürfen – und sollen. Im Fall der Gämse haben die Jagdverwalter im März festgestellt, dass die Jagdplanung in vielen Kantonen ungenügend war. Es wurden zu lange zu viele Tiere geschos sen. Dagegen sollen nun Massnahmen ergriffen werden. Schweizer Familie 31/32/2015 51 Ein Gämsbock im Winterkleid: Das schwarze Fell wärmt und isoliert zugleich. Wald auftauchten. Auch weit unter 1000 Metern über Meer. Gämsen leben bis heute im Jura, im Kanton Aargau, auf dem Randen im Kanton Schaffhausen oder im Südtessin – weitab der Berge, wo sie nach landläufiger Meinung hingehören. Vor zwanzig Jahren ging Martin Bau mann dem Phänomen der sogenannten Waldgämsen nach. Und entdeckte Span nendes: «Ich habe die Umweltbedin gungen der Jungsteinzeit mit Hilfe von Computermodellen simuliert», sagt der 53Jährige. 6000 Jahre vor Christus wuchs in der Schweiz bedeutend mehr Wald als heute. Es war die Zeit, in der die Men schen begannen, sesshaft zu werden und Felder zu bestellen. «Doch diese frühen Bauern konnten noch nicht von der Landwirtschaft allein leben. Sie mussten jagen – alles, was sich in der Nähe ihrer Wohnorte herumtrieb.» Martin Baumann fand in jahrtausendealtem Siedlungsabfall Gämsknochen überall dort, wo das Com putermodell das Vorkommen von Gämsen voraussagte. In steilen Waldgebieten der Voralpen, des Juras und des Mittellandes. Heute lassen sich Schweizer Gämsen in drei Typen unterteilen: Manche leben nur im Wald, andere verbringen nur den Win ter im Schutz des Waldes, steigen aber im Sommer zu Gebirgsweiden auf – und dann gibt es noch die altbekannte Alpengämse, die sich höchst selten in den Wald verirrt. Was allen gemein ist: «Gämsen lieben es ANZEIGE «Dank meiner Lupenbrille schmeckt der Kuchen wieder! » Schlecht sehen – und doch gut leben! Eine Low Vision-Beratung hilft: www.schlechtsehen-gutleben.ch Eine Kampagne des SZB Mit Unterstützung von: Schweizerischer Blindenbund, Schweizerischer Blindenund Sehbehindertenverband SBV, Fondation Leenaards 52 Schweizer Familie 31/32/2015 steil und stotzig. Sie brauchen ein Gelände mit einer Neigung von mindestens 30 oder gar 40 Grad», sagt Martin Baumann. Im Verhalten aber unterscheiden sich Wald und Alpengämsen kaum. Böcke und Geissen verbringen die meiste Zeit des Jahres getrennt. Beim Aufstieg aufs Augstmatthorn erzählt das Biologenpaar Katrin Bieri und Christian Willisch von den Gepflogenheiten der Gämsen im Jagdbanngebiet. «Dort drü ben», sagt Katrin Bieri und deutet auf eine Geröllhalde an der Nordflanke des Ge birgszuges, «hält sich im Sommer oft ein Rudel von 20 bis 30 Böcken auf.» Wenn der Winter heraufzieht, wandern die Bö cke um den Berg herum: «Die Brunft fin det auf der Südseite statt, auf einer Wiese weit über dem Brienzersee.» Dort, wo sich die Geissen die letzten Reserven für die kalte Jahreszeit anfressen und in aller Ruhe das Spektakel der Böcke verfolgen. Ein Bock, der etwas auf sich hält, ver sucht einerseits, ein Territorium mit mög lichst vielen Geissen zu besetzen. Ande rerseits muss er Nebenbuhler in Schach Fotos: Picture Press, Biosphoto WISSEN Hegen und pflegen: Eine Gämsgeiss mit ihrem Kitz. «Gämsgeissen gehen haushälterisch mit ihren Kräften um. Sie bekommen meist nur ein Kitz aufs Mal.» Katrin Bieri, Biologin halten. Gämsböcke verfügen über ein breites Repertoire von Droh und Domi nanzgesten. Sie plustern die langen Haare auf dem Rücken auf, senken den Kopf, damit der andere mitbekommt, wie lang und scharf seine Hörner, die Krucken, sind. Und sie verwandeln einen simplen Vorgang wie das Urinieren in eine veri table Show. Dominante Böcke stellen sich weitum sichtbar hin, lassen das Wasser laufen und beginnen, sich immer schnel ler zu schütteln – bis ihr ganzer Körper mit Harn eingenässt ist. Diese persönliche Duftwolke trägt der Bock stolz herum. Fruchtet das Imponiergehabe nicht, fordern sich die Konkurrenten zu einer wilden Hetzjagd auf. Über Stock und Stein, bergauf und bergab. Nur wenn sich einer der beiden dem andern stellt oder nicht mehr fliehen kann, kommt es zum Kampf. Der ist hart und brutal. «Dann versuchen die Böcke, einander mit den Krucken den Bauch aufzuschlitzen», sagt Baumann, der nicht nur Biologe, sondern auch Jäger ist. Im Umgang mit den Geissen aber üben sich die wilden Gesellen in Sanftmut und Zurückhaltung. «Gämsen haben nicht gern ➳ ANZEIGE Beinvegni am 8. Nationalen Wandertag der «Schweizer Familie» in Disentis Sedrun am 12.9.2015. Hü 7 rofitieren. ve-Angebot p si u cl n -I er m m tr um! m grossen So und Sportzen d a b Buchen und vo is n b le Er hnen, ÖV, ag Gratis Bergba n.ch/wandert ru d se sti n e is w w w.d WISSEN Im GämsenKindergarten: Unter der Obhut einer Gämsgeiss spielen die Kitze mit einander. Die anderen Muttertiere haben sich auf die Suche nach Salz leckstellen gemacht. «Gämsen sind sehr ortsgebunden. Doch wenn sie wollen, können sie weite Strecken wandern.» Martin Baumann, Biologe Körperkontakt», erklärt Martin Baumann. «Obwohl sie in Gruppen leben, halten sie stets zwei bis drei Meter Distanz zueinan der. Zu intimen Berührungen kommt es nur zwischen Mutter und Kitz.» Und zur Brunftzeit zwischen Bock und Geiss. Aber dafür muss der Bock die Geiss ebenso zärt lich wie hartnäckig davon überzeugen, ihr Bedürfnis nach Abstand aufzugeben. Es hat einen Grund, weshalb die Böcke ihre kräftezehrenden Brunftspiele im No vember veranstalten – ausgerechnet, wenn sie alle Energien für den Winter aufsparen sollten. So können die Geissen die Kitze Mitte Mai auf die Welt bringen, wenn genug eiweisshaltige Gräser und Kräuter spriessen, die sie für die Milchproduktion brauchen. Die Böcke bezahlen für dieses Arrangement einen hohen Preis; sie leben bedeutend weniger lang als die Geissen, die bis zu 20 Jahre alt werden können. «Gäms geissen gehen sehr haushälterisch mit ih ren Kräften um», weiss Katrin Bieri. «Sie bekommen in der Regel nur ein Kitz aufs Mal. Und sind die Witterungsbedingungen schlecht, setzen sie auch mal ein Jahr mit Kinderkriegen aus.» Gibt es einen strengen Winter mit viel Schnee, sinkt der Bestand am Augstmatthorn sofort. Oft dauert es zwei Jahre, bis er sich wieder erholt. In Zukunft, da sind sich die Experten einig, warten einige Herausforderungen auf die Gämsen. Vom Klimawandel bis zu den Touristen, die immer tiefer in ihre Hoheitsgebiete vordringen. Sie werden diese meistern. Wie vor über 150 bis 100 Jahren, als der Mensch den Steinbock, den Rothirsch, aber auch Luchs, Wolf und Bär ausrottete. Den Gämsen aber gelang es, in abgelegenen Nischen zu überleben. Spä ter kehrten sie – fast – ohne menschliche Hilfe auf die Alpweiden und in die Wälder zurück. «Gämsen sind zwar sehr orts gebunden», sagt Martin Baumann, «doch wenn sie wollen, können sie weite Strecken wandern.» Und schwimmen: «Einzelne Tiere wurden schon bei der Überquerung des Vierwaldstättersees gesichtet.» Zäh, flexibel und immer mal wieder für eine Überraschung gut, werden Gämsen nicht so schnell aus unserer Landschaft verschwinden. ● Zum Weiterlesen Reinhard Schnidrig-Petrig, Urs Peter Salm: «Die Gemse – Biologie und Jagd». Salm-Verlag, 148 Fr. www.salmverlag.ch Foto: Biosphoto ANZEIGE Haben Sie nun Lust, in einer richtigen «Schweizer Familie» zu blättern? Jetzt abonnieren
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