1.-august- rätsel - Schweizer Familie

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DOPPELNUMMER
31/32
30. Juli 2015
Fr. 5.–
www.schweizerfamilie.ch
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1. AUGUST
Zum Nationalfeiertag erkunden wir die Welt der GÄMSEN
+ 23 Fragen an Bundesrat ALAIN BERSET + 3 Wanderungen
ums MATTERHORN + Die Naturküche von STEFAN WIESNER
+ Ein Hoch auf die heimische BIERKULTUR
und vieles mehr!
EDITORIAL
LIEBE LESERINNEN
LIEBE LESER
DICKE ÜBERRASCHUNG: Sie halten
Redaktorin Leandra Graf,
Naturkoch Stefan Wiesner, Redaktor
Roland Studer (v. l.).
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Von den Gletschern zu den Palmen 1.-KlassZugreise für 4 Personen von Brig nach Lugano.
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Zürich
8099
Per Telefo
eine Doppelnummer in der Hand.
Doch keine Angst, die Redaktion
liegt nicht in der Badi auf der faulen
Haut. Der Grund für das Doppelheft
ist rein kalendarischer Natur: Weil
die Ausgabe Nr. 1 bereits im alten
Jahr erschien, nämlich am 31.12.2014,
fällt die nächste Ausgabe zur
Kompensation aus. Die Anzahl Hefte
bleibt aber dieselbe. Und nächstes
Jahr erscheint die «Schweizer
Familie» wieder wie gewohnt.
Foto: Face
to face
Machen Sie mit beim
grossen 1.-August-Rätsel,
und gewinnen Sie!
haben die Doppelnummer bewusst
auf den Nationalfeiertag terminiert,
um viel Platz für die schönen Seiten
der Schweiz zu haben. Zum Beispiel
diese: Als wir Bundesrat Alain Berset
baten, in der «Schweizer Familie»
Fragen von zwanzig Persönlichkeiten
zu beantworten, sagte er sofort zu.
Wo sonst auf der Welt ist der Innenminister so offen und zugänglich?
Chapeau, Monsieur le Conseiller
fédéral! Ab SEITE 12
SCHWEIZER SIND TÜFTLER. So wie
einem Schlepptraktor, beladen mit
einer Feldküche. Das war eine
Überraschung: Wiesner bekochte das
Redaktionsteam auf seine unvergleichliche Art (AB SEITE 20). Auch
sonst tut sich kulinarisch viel im
Land: Die Schweiz entwickelt sich
zur Biernation. Über 500 Kleinbrauer bereichern den Markt mit
immer neuen Bierkreationen. Wir
haben probiert. Ab SEITE 56
SCHWEIZER HABEN GEMEINSINN.
So wie die 250 Freiwilligen, die das
beliebte Bähnli aufs Malanser Älpli
am Leben erhalten. Ohne sie wäre
die Bahn längst eingestellt und das
Bergrestaurant geschlossen. Wer
noch nie oben war, muss unbedingt
mal hin! Lesen Sie ab SEITE 34.
SCHWEIZER SIND KLUGE KÖPFE.
Darum verpassen Sie das grosse
1. August-Rätsel nicht. Es winken
tolle Preise mit Aussicht auf die
Schweiz. Viel Glück! SEITE 77
Herzlich, Ihr Daniel Dunkel,
Chefredaktor
Stefan Wiesner, der weltbekannte
Naturkoch im Entlebuch. Zum
Feuerstellengespräch kam er auf
Foto: René Ruis
Schweizer Familie 31/32/2015
3
INHALT
DOPPELNUMMER 31/32 vom 30.7.2015 – MIT TV TÄGLICH
44
Zäh, eigenbrötlerisch, wendig:
Die Gämse vereint typisch
eidgenössische Eigenschaften.
➳ Menschen
Denkpause............................. 6
1.-August-Illustration von
Esther Zellweger
Traumfänger........................ 10
Eveline Suter, Musikerin
Stefan Wiesner.................... 20
Der weltbekannte Naturkoch
im Feuerstellengespräch
Verkehrskreisel................... 28
Raum für Kunst und Kurioses
Älplibahn Malans................. 34
Einheimische betreiben ihre
Gondelbahn in Fronarbeit
12
➳ Wissen
Tierheim............................... 42
Ein Platz für die ängstliche
Mira gesucht
Was meinen Sie,
Herr Bundesrat?
Alain Berset
beantwortet Fragen von 20 prominenten Schweizer Persönlichkeiten.
Gämse................................... 44
Der Klettermax hat das Zeug
zum Schweizer Wappentier
➳ Essen
20
56
Ein Hoch auf den
Gerstensaft: Über 500
Schweizer Brauereien
produzieren eine Vielfalt von Bieren.
64
➳ SchönerLeben
Draussen spielen................. 64
Kinderklassiker Gummitwist
oder Völkerball
Monatsgarten....................... 68
Was es im August zu tun gibt
Kräuterkraft......................... 70
Die Thurgauer Firma Rausch
setzt auf die Natur
Holz, Heu, Gold, Rostnägel: Stefan Wiesner
ist ein Meister der Naturküche und macht
damit weltweit Furore.
L
SPI+E
S
SPAS
Auf ein Bier.......................... 56
Gerstensaft im Trend,
Schweizer Brauereien im Hoch
1.-August-Rätsel................. 77
Knobeln Sie mit, und
gewinnen Sie tolle Preise
➳ Reisen
90
Rund ums Matterhorn:
Drei Touren führen um den
Berg der Berge.
Widmer wandert.................. 88
Im Waadtländer Jura
Matterhorn........................... 90
Wandernd das «Horu»
erkunden und bewundern
Weekendtipp...................... 101
Bachsteinkletterpfad
Göschenen
Von Blinde Kuh
bis Himmel &
Hölle: Draussen
spielen macht
Kindern Spass.
➳ Gesundheit
Tai-Chi................................ 108
Die chinesische Kampfkunst
verleiht Seelenruhe
➳ Rubriken
Familie der Woche........................8
Aus dem Fotoalbum....................11
Sudoku.........................................86
4
Schweizer Familie 31/32/2015
Spielspass.................................103
Rätsel.........................................104
Medientipps............................... 118
Leserforum................................ 119
Marktplatz.................................120
Horoskop....................................122
Impressum................................122
Gewinnen Sie.............................123
Titelfoto: Getty Images, René Ruis, Marco Volken, Tanja Demarmels; Fotos Inhalt: ddp, René Ruis, F1Online,
Sebastian Magnani; Illustrationen für Cover und Inhalt: Bernd Schifferdecker, Flavia Travaglini
WISSEN
Das ideale Schweizer
WAPPENTIER
Eigentlich gehört sie auf unsere Fahne gestickt: DIE GÄMSE.
Die Kletterakrobatin vereint ein paar typisch eidgenössische
Eigenschaften. Sie ist zäh, eigenbrötlerisch,
wendig – und immer mal wieder für
eine Überraschung gut.
Text Susanne Rothenbacher
Foto: Okapia
WISSEN
Die eine hier, die andere da:
Dieser Abstand passt den
Gämsen. Körperkontakt
mögen sie nicht.
Schweizer Familie 31/32/2015
45
WISSEN
Das Ungestüm
der Jugend: Ein
Gämskitz
galoppiert über
eine Alpweide.
46
Schweizer Familie 31/32/2015
Markierung: Aus
den Brunftfeigen,
den Drüsen, die
hinter den Hörnern
liegen, sondern
Gämsen ein Sekret
ab, das sie an
Stauden und Gras­
halmen abstreifen.
Während der Brunft
sind die Drüsen
besonders aktiv.
V
on blossem Auge ist nur ein
brauner Fleck erkennbar, der sich
langsam bewegt. Christian Wil­
lisch stellt sein Fernrohr auf. «Ein Bock,
schon ziemlich alt», meint der 38­jährige
Biologe. Beim Blick durchs Fernglas ver­
wandelt sich der Fleck auf der stotzigen
Matte in eine stattliche Gämse. Früher
waren die charakteristischen Streifen auf
ihrem Kopf vermutlich schwarz, jetzt sind
sie von grauen Haaren durchwirkt. «Ein
Alterszeichen», sagt der Huftierexperte.
Wir stehen auf dem Augstmatthorn im
Berner Oberland. Tief unter uns leuchtet
das Türkis des Brienzersees, auf der ande­
ren Seite erstreckt sich die Moorland­
schaft der Lombachalp. Ein Alphornbläser
hat sein Instrument auf den Gipfel getra­
gen. Sanfte Töne verwehen im Wind. «Wir
müssen», drängt Katrin Bieri. Wie ihr
Mann Christian ist auch sie Biologin. Die
beiden sind nicht zum Vergnügen aufs
Augstmatthorn gestiegen. Arbeit wartet.
Eine Tagung für die Gämse
In der Geschichte der Gämsforschung
spielt das 1941 eingerichtete Jagdbann­
gebiet am Augstmatthorn eine besondere
Rolle. In den letzten 51 Jahren sind hier
nicht weniger als 15 Dissertationen und
Diplomarbeiten über Gämsen entstanden.
Und seit 25 Jahren werden die Tiere jeden
Sommer und jeden Herbst gezählt.
Katrin Bieri leitet das Monitoring­Pro­
jekt. Rund um das sieben Quadratkilome­
ter grosse Zählareal sind acht Helferinnen
und Helfer postiert. Punkt 19.30 Uhr gibt
die 43­Jährige per Funk das Startsignal.
Langsam wandert sie über den Grat vom
Augstmatthorn zum Suggiture. «Dort steht
eine Geiss mit einem Kitz», sagt die Bio­
login. Ich sehe nichts. «Unter uns, bei den
beiden Ahornbäumen.» Selbst mit Hilfe
des Feldstechers habe ich Mühe, die Tiere
auszumachen. Haben alle Mitglieder des
Teams einen Adlerblick wie Katrin Bieri,
wird ihnen keine Gämse entgehen, die sich
an den steilen Abhängen zeigt.
21 Uhr. Das Licht schwindet. Für heute
ist Schluss mit Zählen. Katrin Bieri fragt
Fotos: Okapia, Prisma
Christian Willisch und Katrin Bieri:
Die beiden Biologen überwachen den
Gämsbestand im Berner Jagdbann­
gebiet Augstmatthorn.
eine erste Bilanz ab. Über 190 Gämsen hat
ihre Mannschaft gesichtet – mehr oder we­
niger so viele wie jedes Jahr. Katrin Bieri
und Christian Willisch sind erfreut: «Hier
jagt der Luchs. Auch ein Wolf kommt ab
und zu vorbei. Greift der Mensch nicht
ein, pendelt sich der Gämsbestand offen­
bar auf einem stabilen Niveau ein.»
Das ist nicht überall so. Jäger und
Wildhüter beobachten in verschiedenen
Kantonen einen langsamen Rückgang der
agilen Felsenziege. Noch im Jahr 2000
konnten die Jäger über 16 000 Tiere er­
legen, mittlerweile ist ihre Ausbeute auf
12 000 Exemplare pro Jahr gesunken. Das
veranlasste den Verband Jagd Schweiz, der
Gämse im März eine Tagung zu widmen. ➳
Schweizer Familie 31/32/2015
47
WISSEN
DIE VERWANDTEN DER GÄMSE
Serau
Das Verbreitungsgebiet der
Seraue reicht von China
über Indien bis nach Taiwan.
Die Tiere erreichen eine
Schulterhöhe von 85 bis
94 Zentimeter. Es werden
sieben Arten unterschieden.
Schneeziege
Die bis zu 120 Zenti­
meter hohen Ziegen­
artigen leben in den
nördlichen Rocky
Mountains. Sie klettern
bis 5000 Meter über
Meer. Ihr grösster
Feind ist der Puma.
Goral
Die stämmigen, ziegenartigen
Tiere sind in Ostasien be­
heimatet. Gorale erreichen eine
Schulterhöhe von 57 bis
79 Zentimeter. Biologen unter­
scheiden heute sechs Arten.
Biologen und kantonale Jagdverwalter
diskutierten mögliche Gründe, weshalb es
offenbar immer weniger Gämsen gibt –
und das, obwohl ihre Zahl noch im letzten
Jahrhundert stetig gewachsen ist. Dabei
wurde eins klar: Die Gämse ist eine typi­
sche Schweizerin, durch und durch föde­
ralistisch. Ihre Befindlichkeit präsentiert
sich in jedem Kanton anders.
Perfekt angepasst
In manchen Gebieten nimmt der Bestand
der Gämsen nach wie vor zu, in anderen
ist der Rückgang durch Zahlen nicht zu
belegen – und wo er offensichtlich ist, gibt
es dafür etliche denkbare Gründe: der
Klimawandel zum Beispiel oder die Tou­
risten, die mittlerweile in abgelegenste
Ecken vordringen und das Wild stören;
der Luchs, der zu viele Gämsen frisst, aber
auch der Hirsch, der sich immer mehr
ausbreitet; die Schafe, die Krankheiten auf
die Alpen schleppen und den Gämsen die
feinsten Gräser wegschnappen, und nicht
zuletzt nahm sich die Jägerschaft auch sel­
ber an der Nase – im einen oder anderen
Kanton scheint die Planung der Jagd
durchaus verbesserungswürdig zu sein.
Im Kanton Bern will die Jagdverwal­
tung nun wissen, wie es um die Gämsen
steht. Gibt es im Kanton Bern tatsächlich
generell weniger Gämsen? Oder haben sie
sich bloss aus gewissen Gebieten zurück­
gezogen? Christian Willisch hat den Auf­
48
Schweizer Familie 31/32/2015
Moschusochse
Auch die Tundra­
bewohner
gehören zu den
Ziegenartigen.
Sie leben in
Grönland, Alaska
und Kanada.
Sie erreichen eine
Schulterhöhe
von ca. 1,5 Metern.
«Gämsen lieben es stotzig. Sie
brauchen ein Gelände mit einer
Neigung von 30 bis 40 Grad.»
Martin Baumann, Biologe
trag gefasst, die Jagdstatistiken und Bestan­
desschätzungen der letzten Jahrzehnte zu
analysieren. «Ich bin selber gespannt, was
dabei herauskommt», sagt der Biologe.
Gämsen sorgen immer wieder für Über­
raschungen. Sie sind zäher und flexibler, als
ihnen viele Experten zutrauen. Die Bio­
logen, die Mitte des letzten Jahrhunderts
das Verhalten der Gämsen studierten, wa­
ren der Auffassung, dass die Huftiere aus­
schliesslich oberhalb der Waldgrenze le­
ben. Ihre Körper sind wie gemacht für ein
Leben in Fels und Schnee. Gämsen sprin­
gen aus dem Stand über zwei Meter hoch.
All ihre Gelenke sind so gewinkelt, dass
sie bergauf wie bergab rasant rennen und
weite Sprünge bestens abfedern können.
Vor allem die Hufe, auch Schalen ge­
nannt, sind ein wahres Meisterwerk der
Evolution. Sie ähneln zweiteiligen Kletter­
finken. Der äussere Rand der beiden Ze­
hen ist hart, die Sohlen dagegen sind zäh
und gummig. Derart ausgestattet, finden
Gämsen selbst in kleinsten Felsrillen Halt
und rutschen auch auf blankem Eis nicht
aus. Zudem sind die nur durch ein Band
verbundenen Zehen weit spreizbar und
verhindern ein Einsinken im Schnee.
Im Sommer sehen Gämsen mit ihrem
rotbraunen Fell anmutig und grazil aus.
Kündet sich der Winter an, lassen sie einen
dicken, schwarzen Pelz wachsen. Dieser
absorbiert nicht nur das Sonnenlicht – er
isoliert auch ausgezeichnet: Gämsen kön­
nen im Schnee ruhen, ohne dass dieser
unter ihren Körpern wegschmilzt.
Hitze setzt den Wiederkäuern viel mehr
zu als Kälte. «Die Gärprozesse im Pansen
erzeugen sehr viel Abwärme», erklärt der
Biologe Martin Baumann, der heute als
wissenschaftlicher Mitarbeiter für das
Bundesamt für Umwelt tätig ist. Deshalb
haben Gämsen im Kopf und in den Bei­
nen Kühlsysteme, die nach dem Gegen­
stromprinzip funktionieren: Das venöse
Blut kühlt das vom Herzen kommende
Blut in den Arterien ab.
Gämsen sind also von Kopf bis Fuss auf
ein Dasein in extremen Gebirgslandschaf­
ten eingestellt. Umso erstaunter reagier­
ten viele Fachleute, als die eingefleischten
Klettertiere – scheinbar plötzlich – im ➳
Fotos: Ullstein Bild, ddp images, PantherMedia, Corbis, lorenzfischer.photo, André Roulier
STECKBRIEF
LICHT
Die Augen oder
Lichter stehen
vor und
ermöglichen
einen weiten
Blickwinkel.
ZÜGEL
Die Gesichts­
maske, der so­
genannte Zügel,
ist vermutlich
für die Kommu­
nikation wichtig.
GELENKE
Der ganze Körperbau der
Gämsen, insbesondere ihre
eindimensionalen, festen
Gelenke, sind gemacht für
Rennen und Klettern in
steilem Gelände.
DIE KRUCKEN
Die Hörner der Gämsen werden Krucken
genannt. Diejenigen der Böcke sind
in der Regel dicker als diejenigen der
Geissen. Die Jahrringe sind an der
Rückseite gut sichtbar: Sie verraten das
Alter eines Tieres. Die Schmuckringe
dürfen nicht gezählt werden.
LUSER
Jahrringe
Schmuckringe
Gämsen hören
extrem gut, verlas­
sen sich jedoch
mehr auf ihre Nase
und ihre Augen.
AALSTRICH
Im Sommer haben
Gämsen einen
schwarzen Strich auf
dem Rücken. Im
Winter färbt sich ihr
ganzes Fell schwarz.
SCHALEN
Wie Ziegen, Schafe oder
Kühe haben Gämsen Klauen,
die in der Jägersprache
Schalen heissen. Die zwei­
geteilten, spitzen Hufe mit
den gummiartigen Sohlen
sind Kletterfinken und
Schneeschuhe in einem.
WEDEL
An der Unter­
seite und an der
Spitze ist der
kurze Schwanz
schwarz.
HINTERLÄUFE
Anzahl Arten Gämsen sind
eine Gattung. Biologen unter­
scheiden heute sechs Arten.
Verbreitung Europa und
Kleinasien
Bestand Schweiz ca. 90 000
Schulterhöhe 70 bis 80 cm
Gewicht Geiss: 25 bis 40 kg,
Bock: 35 bis 50 kg
Tragzeit 160 bis 190 Tage
Anzahl Junge pro
Jahr 1, selten 2
Höchstalter 14 bis 20 Jahre
Nahrung Gräser, Kräuter,
Knospen, Triebe, Blätter,
auch Pilze
Die kräftige
Hinterhand
verleiht Gämsen
eine grosse
Sprungkraft.
WISSEN
Im stotzigen,
steilen Gelände
zu Hause: Die
Kletterkünstlerin
Gämse.
Der Alpenjäger
(…) Und der Knabe ging zu jagen,
Und es treibt und reisst ihn fort,
Rastlos fort mit blindem Wagen
An des Berges finstern Ort,
Vor ihm her mit Windesschnelle
Flieht die zitternde Gazelle.
Auf der Felsen nackte Rippen
Klettert sie mit leichtem Schwung,
Durch den Riss geborstner Klippen
Trägt sie der gewagte Sprung,
Aber hinter ihr verwogen
Folgt er mit dem Todesbogen. (…)
Friedrich Schiller
50
Schweizer Familie 31/32/2015
Foto: Biosphoto
BESSERE PLANUNG DER GÄMSJAGD
Friedrich Schiller
schrieb das Gedicht
«Der Alpenjäger»
1804 – 72 Jahre
bevor das erste eid­
genössische Jagd­
gesetz in Kraft trat.
Es hält drei wichtige
Grundsätze fest: Die
Artenvielfalt ist zu
erhalten. Die von
wild lebenden Tieren
verursachten Schä­
den sind auf ein
tragbares Mass zu
reduzieren. Und
eine angemessene
Nutzung der Wild­
bestände soll ge­
währleistet sein.
Um das Jagdgesetz
zu erfüllen, müssen
die Kantone die Jagd
planen. Dafür muss
man die Wildtier­
bestände kennen,
wissen, in welcher
Verfassung die Tiere
sind, wie die Alters­
struktur ist und ob
das Verhältnis zwi­
schen Männchen
und Weibchen aus­
geglichen ist. Viele
Faktoren bestimmen,
wie viele und welche
Tiere geschossen
werden dürfen – und
sollen. Im Fall der
Gämse haben die
Jagdverwalter im
März festgestellt,
dass die Jagdplanung
in vielen Kantonen
ungenügend war. Es
wurden zu lange zu
viele Tiere geschos­
sen. Dagegen sollen
nun Massnahmen
ergriffen werden.
Schweizer Familie 31/32/2015
51
Ein Gämsbock
im Winterkleid:
Das schwarze Fell
wärmt und isoliert
zugleich.
Wald auftauchten. Auch weit unter 1000
Metern über Meer. Gämsen leben bis
heute im Jura, im Kanton Aargau, auf dem
Randen im Kanton Schaffhausen oder im
Südtessin – weitab der Berge, wo sie nach
landläufiger Meinung hingehören.
Vor zwanzig Jahren ging Martin Bau­
mann dem Phänomen der sogenannten
Waldgämsen nach. Und entdeckte Span­
nendes: «Ich habe die Umweltbedin­
gungen der Jungsteinzeit mit Hilfe von
Computermodellen simuliert», sagt der
53­Jährige. 6000 Jahre vor Christus wuchs
in der Schweiz bedeutend mehr Wald als
heute. Es war die Zeit, in der die Men­
schen begannen, sesshaft zu werden und
Felder zu bestellen. «Doch diese frühen
Bauern konnten noch nicht von der
Landwirtschaft allein leben. Sie mussten
jagen – alles, was sich in der Nähe ihrer
Wohnorte herumtrieb.» Martin Baumann
fand in jahrtausendealtem Siedlungsabfall
Gämsknochen überall dort, wo das Com­
putermodell das Vorkommen von Gämsen
voraussagte. In steilen Waldgebieten der
Voralpen, des Juras und des Mittellandes.
Heute lassen sich Schweizer Gämsen in
drei Typen unterteilen: Manche leben nur
im Wald, andere verbringen nur den Win­
ter im Schutz des Waldes, steigen aber im
Sommer zu Gebirgsweiden auf – und dann
gibt es noch die altbekannte Alpengämse,
die sich höchst selten in den Wald verirrt.
Was allen gemein ist: «Gämsen lieben es
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«Dank meiner Lupenbrille
schmeckt der Kuchen wieder! »
Schlecht sehen – und doch gut leben!
Eine Low Vision-Beratung hilft:
www.schlechtsehen-gutleben.ch
Eine Kampagne des SZB
Mit Unterstützung von: Schweizerischer Blindenbund, Schweizerischer Blindenund Sehbehindertenverband SBV, Fondation Leenaards
52
Schweizer Familie 31/32/2015
steil und stotzig. Sie brauchen ein Gelände
mit einer Neigung von mindestens 30 oder
gar 40 Grad», sagt Martin Baumann. Im
Verhalten aber unterscheiden sich Wald­
und Alpengämsen kaum.
Böcke und Geissen verbringen die
meiste Zeit des Jahres getrennt. Beim
Aufstieg aufs Augstmatthorn erzählt das
Biologenpaar Katrin Bieri und Christian
Willisch von den Gepflogenheiten der
Gämsen im Jagdbanngebiet. «Dort drü­
ben», sagt Katrin Bieri und deutet auf eine
Geröllhalde an der Nordflanke des Ge­
birgszuges, «hält sich im Sommer oft ein
Rudel von 20 bis 30 Böcken auf.» Wenn
der Winter heraufzieht, wandern die Bö­
cke um den Berg herum: «Die Brunft fin­
det auf der Südseite statt, auf einer Wiese
weit über dem Brienzersee.» Dort, wo sich
die Geissen die letzten Reserven für die
kalte Jahreszeit anfressen und in aller Ruhe
das Spektakel der Böcke verfolgen.
Ein Bock, der etwas auf sich hält, ver­
sucht einerseits, ein Territorium mit mög­
lichst vielen Geissen zu besetzen. Ande­
rerseits muss er Nebenbuhler in Schach
Fotos: Picture Press, Biosphoto
WISSEN
Hegen und
pflegen: Eine
Gämsgeiss
mit ihrem Kitz.
«Gämsgeissen gehen haushälterisch mit ihren Kräften um.
Sie bekommen meist nur ein Kitz aufs Mal.»
Katrin Bieri, Biologin
halten. Gämsböcke verfügen über ein
breites Repertoire von Droh­ und Domi­
nanzgesten. Sie plustern die langen Haare
auf dem Rücken auf, senken den Kopf,
damit der andere mitbekommt, wie lang
und scharf seine Hörner, die Krucken,
sind. Und sie verwandeln einen simplen
Vorgang wie das Urinieren in eine veri­
table Show. Dominante Böcke stellen sich
weitum sichtbar hin, lassen das Wasser
laufen und beginnen, sich immer schnel­
ler zu schütteln – bis ihr ganzer Körper
mit Harn eingenässt ist. Diese persönliche
Duftwolke trägt der Bock stolz herum.
Fruchtet das Imponiergehabe nicht,
fordern sich die Konkurrenten zu einer
wilden Hetzjagd auf. Über Stock und Stein,
bergauf und bergab. Nur wenn sich einer
der beiden dem andern stellt oder nicht
mehr fliehen kann, kommt es zum Kampf.
Der ist hart und brutal. «Dann versuchen
die Böcke, einander mit den Krucken den
Bauch aufzuschlitzen», sagt Baumann, der
nicht nur Biologe, sondern auch Jäger ist.
Im Umgang mit den Geissen aber üben
sich die wilden Gesellen in Sanftmut und
Zurückhaltung. «Gämsen haben nicht gern ➳
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Beinvegni am 8. Nationalen Wandertag der
«Schweizer Familie» in Disentis Sedrun am 12.9.2015.
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WISSEN
Im GämsenKindergarten:
Unter der
Obhut einer
Gämsgeiss
spielen die
Kitze mit­
einander.
Die anderen
­Muttertiere
haben sich
auf die Suche
nach Salz­
leckstellen
gemacht.
«Gämsen sind sehr ortsgebunden.
Doch wenn sie wollen, können
sie weite Strecken wandern.»
Martin Baumann, Biologe
Körperkontakt», erklärt Martin Baumann.
«Obwohl sie in Gruppen leben, halten sie
stets zwei bis drei Meter Distanz zueinan­
der. Zu intimen Berührungen kommt es
nur zwischen Mutter und Kitz.» Und zur
Brunftzeit zwischen Bock und Geiss. Aber
dafür muss der Bock die Geiss ebenso zärt­
lich wie hartnäckig davon überzeugen, ihr
Bedürfnis nach Abstand aufzugeben.
Es hat einen Grund, weshalb die Böcke
ihre kräftezehrenden Brunftspiele im No­
vember veranstalten – ausgerechnet, wenn
sie alle Energien für den Winter aufsparen
sollten. So können die Geissen die Kitze
Mitte Mai auf die Welt bringen, wenn
­genug eiweisshaltige Gräser und Kräuter
spriessen, die sie für die Milchproduktion
brauchen. Die Böcke bezahlen für dieses
Arrangement einen hohen Preis; sie leben
bedeutend weniger lang als die Geissen, die
bis zu 20 Jahre alt werden können. «Gäms­
geissen gehen sehr haushälterisch mit ih­
ren Kräften um», weiss Katrin Bieri. «Sie
bekommen in der Regel nur ein Kitz aufs
Mal. Und sind die Witterungsbedingungen
schlecht, setzen sie auch mal ein Jahr mit
Kinderkriegen aus.» Gibt es einen strengen
Winter mit viel Schnee, sinkt der Bestand
am Augstmatthorn sofort. Oft dauert es
zwei Jahre, bis er sich wieder erholt.
In Zukunft, da sind sich die Experten
einig, warten einige Herausforderungen
auf die Gämsen. Vom Klimawandel bis
zu den Touristen, die immer tiefer in ihre
Hoheitsgebiete vordringen. Sie werden
diese meistern. Wie vor über 150 bis
100 Jahren, als der Mensch den Steinbock,
den Rothirsch, aber auch Luchs, Wolf und
Bär ausrottete. Den Gämsen aber gelang es,
in abgelegenen Nischen zu überleben. Spä­
ter kehrten sie – fast – ohne menschliche
Hilfe auf die Alpweiden und in die Wälder
zurück. «Gämsen sind zwar sehr orts­
gebunden», sagt Martin Baumann, «doch
wenn sie wollen, können sie weite Strecken
wandern.» Und schwimmen: «Einzelne
Tiere wurden schon bei der Überquerung
des Vierwaldstättersees gesichtet.»
Zäh, flexibel und immer mal wieder für
eine Überraschung gut, werden Gäm­sen
nicht so schnell aus unserer Landschaft
verschwinden.
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Zum Weiterlesen
Reinhard Schnidrig-Petrig,
Urs Peter Salm: «Die Gemse –
Biologie und Jagd». Salm-Verlag, 148 Fr.
www.salmverlag.ch
Foto: Biosphoto
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