Die 2. Röhre bedroht die Wirtschaftlichkeit der NEAT

FAKTENBLATT
12. Dezember 2015
Die 2. Röhre bedroht die Wirtschaftlichkeit der NEAT
Die Neue Eisenbahn-Alpentransversale (NEAT) ist das grösste Infrastrukturprojekt der Schweizer Geschichte. Das Projekt besteht hauptsächlich aus den Basistunneln am Gotthard, Lötschberg und Ceneri. 1992 hat das Schweizer Volk der NEAT mit 64 Prozent zugestimmt. Die NEAT wird, wie durch das
Alpentransitgesetz vorgesehen, periodisch auf ihre Wirtschaftlichkeit geprüft:
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Zweckmässigkeitsprüfung (1988): Schon die Zweckmässigkeitsprüfung zeigte, dass unter den
getroffenen Annahmen die Netz-Variante, das heisst zwei Basislinien durch die Alpen, nicht rentabel ist.
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Coopers & Lybrand (1995): Die Untersuchung von Coopers & Lybrand kam zum Schluss, dass
die NEAT hohe Verluste verursachen wird. Politisch wurde trotzdem an der Netz-Variante festgehalten. Allerdings wurde die NEAT redimensioniert (der Lötschberg Basistunnel nicht voll ausgebaut und die Zufahrtstrecken gestrichen) und die Finanzierung durch den FinöV Fonds sichergestellt. 1998 stimmte das Volk diesen Änderungen in der zweiten NEAT-Abstimmung zu.
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Ecoplan (1997 und 2002): 1997 untersuchte Ecoplan die Rentabilität der NEAT-Tunnelprojekte.
Diese Daten wurden 2002 aktualisiert. Aufgrund der starken Erhöhung der Kosten kam die Studie
von 2002 zum Schluss, dass die NEAT bis 2070 einen betriebswirtschaftlichen Verlust von 10 bis
24 Milliarden einfahren wird – je nach verkehrspolitischem Szenario. Die NEAT wird laut den
Schlussfolgerungen der Studie also die Zins- und Betriebskosten bei weitem nicht decken können.
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Infras und Ecoplan 2011: Die neuste offizielle Untersuchung stammt aus dem Jahr 2011, durchgeführt von den Büros Ecoplan und Infras. Im Vergleich zu den vorherigen Wirtschaftlichkeitsberechnungen hat sich das Resultat wegen den höheren Baukosten (insgesamt 23,8 Milliarden CHF)
weiter verschlechtert. Im grossen Unterschied zu den vorhergehenden Untersuchungen untersuchen Infras und Ecoplan die Rentabilität sowohl aus betriebswirtschaftlicher, wie auch aus volkswirtschaftlicher Sicht.
o Aus betriebswirtschaftlicher Perspektive decken die Einnahmen im Güter- und Personenverkehr die Kosten von Unterhalt und Betrieb in einem optimistischen Szenario knapp.
Es resultiert ein Überschuss von 9 Millionen Franken pro Jahr. Bei eine weniger starken
Nutzung der NEAT durch den Güter- und den Personenverkehr würde sich das betriebswirtschaftliche Ergebnis verschlechtern.
o Bei der volkswirtschaftlichen Perspektive werden auch die jährlichen Kapitalkosten der
NEAT mit einbezogen. Diese betragen von 2008 bis 2070 pro Jahr 541 Millionen. Diese
jährlichen Kosten werden durch den volkswirtschaftlichen Mehrwert knapp aufgehoben.
So verbessert zum Beispiel die Verlagerung des Güterverkehrs von der Strasse auf die
Schiene sie Umweltsituation in den Alpentälern.
Grund für eine Untersuchung der Auswirkungen einer 2. Röhre auf die NEAT
Die Studie von Ecoplan und Infras schliesst mit der Bemerkung, dass eine 2. Röhre negative Auswirkungen auf die Rentabilität der NEAT hätte, da sie den Mehrverkehr auf der NEAT in jedem Fall verringert. Das heisst: Selbst wenn die Kapazität nach der Fertigstellung einer 2. Röhre nicht erhöht würde, würde beim Personenverkehr ein Verlust von Billet-Einnahmen von 17-29 Millionen Franken pro
Jahr bedeuten.
Alpen-Initiative Verein zum Schutz des Alpengebietes vor dem Transitverkehr
Herrengasse 2 Postfach 28 CH-6460 Altdorf Telefon +41 (0)41 870 97 81
[email protected] www.alpeninitiative.ch Spendenkonto 19-6246-9
Bei einer vollen Nutzung der vier vorhandenen Spuren würde sich die Wirtschaftlichkeit der NEAT stärker verschlechtern – sowohl im Personen- als auch im Güterverkehr. Auch wenn die Wahrscheinlichkeit einer Öffnung aller 4 Spuren hoch ist, untersucht die Studie diese Auswirkungen nicht. Aus einer
Sichtweise des Risikomanagements wäre die Nichtbeachtung des real bestehenden Risikos einer vierspurigen 2. Röhre durch die SBB verantwortungslos.
Studie Interface von Professor Ueli Haefeli und Tobias Arnold
Die Studie von Interface durch Professor Ueli Haefeli und Tobias Arnold untersucht die Auswirkungen
einer vierspurigen 2. Röhre auf die Billet-Einnahmen der SBB anhand von 4 Szenarien.
Basierend auf den Prognosen der SBB zur Entwicklung des Personenverkehrs am Gotthard für 2025
werden für den Zeitraum bis 2040 zwei Entwicklungsszenarien vorgeschlagen: Im Szenario Hoch wird
ein Maximum von durchschnittlich täglich 30‘000 Fahrten im Jahr 2040 ausgegangen. Beim Szenario
Tief wird von 20‘000 Fahrten ausgegangen. Die Einschätzungen der SBB liegen etwa in der Mitte dieser beiden Szenarien.
In einem zweiten Schritt werden basierend auf den Auswirkungen der Öffnung der ersten Strassenröhre am Gotthard (ein drastischer Rückgang der Personenverkehrsfrequenzen seit 1980 von 20‘000 auf
9‘000 Fahrten) und anderen Faktoren die Auswirkungen einer 2. Röhre auf den Personenverkehr am
Gotthard eingeschätzt. Hier werden jeweils eine starke und eine schwache Wirkung (Rückverlagerung
des Schienenverkehrs auf die Strasse) ab der Öffnung des Strassentunnels 2030 (frühestmöglicher
Zeitpunkt) angenommen:
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Szenario Hoch-Hoch: Hohes Wachstum der Bahn ohne 2. Röhre kombiniert mit einer schwachen Rückverlagerungswirkung Schienen-Strasse aufgrund einer vierspurig betriebenen 2.
Röhre.
Szenario Hoch-Tief: Hohes Wachstum der Bahn ohne 2. Röhre kombiniert mit einer starken
Rückverlagerungswirkung Schienen-Strasse aufgrund einer vierspurig betriebenen 2. Röhre.
Szenario Tief-Hoch: Tiefes Wachstum der Bahn ohne 2. Röhre kombiniert mit einer schwachen Rückverlagerungswirkung Schienen-Strasse aufgrund einer vierspurig betriebenen 2.
Röhre.
Szenario Tief-Tief: Tiefes Wachstum der Bahn ohne 2. Röhre kombiniert mit einer starken
Rückverlagerungswirkung Schienen-Strasse aufgrund einer vierspurig betriebenen 2. Röhre.
Die betriebswirtschaftliche Betrachtung der Auswirkungen erfolgt für das Jahr 2040. Die entgangenen
Einnahmen variieren je nach Szenario von jährlich 53,7 Millionen CHF (Szenario Tief-Hoch) bis jährlich
161,2 Millionen CHF (Szenario Hoch-Tief). Ausgehend von der konservativsten Schätzung entgehen
der SBB demzufolge nach 20 Jahren über eine Milliarde CHF. Die am wenigsten konservative Schätzung geht von einem Verlust von einer Milliarde CHF rund alle sechs Jahre aus.
Die Modellierung im Güterverkehr ist etwas komplexer und wird im Rahmen der Studie nicht untersucht. Die Studie von Ecoplan und Infras geht aber auch für den Güterverkehr von einer Rückerverlagerung auf die Strasse aus. Ein Ja zur 2. Röhre hätte sicherlich auch politische Auswirkungen, weil
sich der politische Wille für weitere Verlagerungsmassnahmen voraussichtlich deutlich abschwächen
wird. Dies hätte wiederum Auswirkungen auf die Rentabilität der NEAT.
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Entgangene Einnahmen nach Szenarien
Szenario
Entgangene Fahrten pro Tag
Entgangene Fahrten pro Jahr
Entgangene Einnahmen pro Jahr
Hoch-Hoch
6‘000
2.19 Mio.
80.6 Mio. CHF
Hoch-Tief
12‘000
4.38 Mio.
161.2 Mio. CHF
Tief-Hoch
4‘000
1.46 Mio.
53.7 Mio. CHF
Tief-Tief
8‘000
2.92 Mio.
107.5 Mio. CHF
Quelle: Auswirkungen eines vierspurig geführten Gotthard-Strassentunnels auf die Rentabilität des
Schienenpersonenverkehrs am Gotthard. Interface, Dezember 2015
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