OLG München: Endurteil, Rechnungsstellung

OLG München, Endurteil v. 10.12.2015 – 14 U 915/15
Titel:
OLG München: Endurteil, Rechnungsstellung, Prozentpunkt, Überweisung,
Suchmaschinenoptimierung, Coaching, Gegenstand der Berufung, Beklagte,
Bruttoeinkommen, Beratungsleistung, eigene Zwecke, Telefonat, Schriftsatz,
Bruttoeinnahme, Seminar, Drohung, Verhaftung, Beleidigung, Anfechtung, Verjährung
Normenketten:
BGB § 823 II
StGB § 263
§ 823 Abs. 2 BGB
§ 263 StGB
§ 667 BGB
§ 263 Abs. 1 StGB
Schlagworte:
Forderung, vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten, Verjährung
Vorinstanz:
LG Kempten Endurteil vom 05.02.201521 O 697/14
Entscheidungsgründe
Oberlandesgericht München
Az.: 14 U 915/15
IM NAMEN DES VOLKES
Verkündet am 10.12.2015
21 O 697/14 LG Kempten (Allgäu)
In dem Rechtsstreit
H. , W., Schweiz
- Kläger und Berufungsbeklagter –
Prozessbevollmächtigte: ...
gegen
P., ...
- Beklagter und Berufungskläger
Prozessbevollmächtigter: ...
wegen Forderung
erlässt das Oberlandesgericht München - 14. Zivilsenat - durch den Vorsitzenden Richter am
Oberlandesgericht Dr. E., den Richter am Oberlandesgericht E. und den Richter am Oberlandesgericht B.
aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 19.11.2015 folgendes
Endurteil
I.
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Kempten (Allgäu) vom 05.02.2015, Az. 21 O
697/14, wird zurückgewiesen.
II.
Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
III.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1. genannte Urteil des Landgerichts Kempten (Allgäu) ist
ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte kann die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 115% des
vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von
115% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
Gründe:
1
I. Auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Endurteil wird verwiesen.
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Der Kläger hat in erster Instanz aus eigenem und aus (von seiner Ehefrau, der Zeugin H.) abgetretenem
Recht die Zahlung von 150.000,00 € vom Beklagten verlangt.
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Gegenstand der Klage war zum einen die Rückforderung von 25.000,00 €, die der Kläger und seine Ehefrau
dem Beklagten nach Behauptung des Klägers im Sommer 2004 zur gewinnbringenden Anlage an der Börse
übergeben haben. Das ihm übergebene Geld habe der Beklagte aber niemals angelegt. Soweit der
Beklagte zur Zahlung von 25.000,00 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz seit dem 26.11.2013 verurteilt wurde, hat er seine Berufung zurückgenommen.
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Mit der Klage im Übrigen fordert der Kläger aus eigenem und aus von seiner Ehefrau, der Zeugin H.,
abgetretenem Recht die Rückerstattung von Zahlungen in Höhe von 10% ihres jeweiligen
Bruttoeinkommens, die er und seine Ehefrau im Zeitraum von Juli 2007 bis September 2013 jeweils
monatlich an den Beklagten erbracht haben. Ausschließlich die insoweit erfolgte Verurteilung ist noch
Gegenstand der Berufung (die diesbezüglich erfolgte teilweise Abweisung der Klage ist vom Kläger nicht
angefochten worden).
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Ab Juli 2007 bis einschließlich September 2013 gaben der Kläger und seine Ehefrau dem Beklagten jeweils
monatlich ihr gemeinsames Bruttoeinkommen an, woraufhin dieser absprachegemäß unter der Fa. P. & P.,
deren Inhaber er war, Rechnungen in Höhe von 10% des angegebenen Betrags an die Zeugin H. stellte.
Zunächst war als Gegenstand der in Rechnung gestellten Leistungen Marketing und Coaching, später
Beratungsleistungen und Suchmaschinenoptimierung angegeben. Soweit - zum Teil in denselben
Rechnungen und zum Teil durch gesonderte Rechnungen - andere Positionen in Rechnung gestellt wurden,
lagen dem unstreitig die jeweils in Rechnung gestellten Leistungen zugrunde; die hierauf erfolgten
Zahlungen sind nicht Gegenstand der Klage. Insgesamt zahlten der Kläger und seine Ehefrau von Juli 2007
bis einschließlich September 2013 nach Meldung ihres jeweiligen monatlichen Bruttoeinkommens und
Rechnungsstellung in Höhe von 10% der jeweils gemeldeten Beträge 109.500,88 € an den Beklagten. Der
Beklagte verwendete die ihm überwiesenen Beträge - wie von ihm von vorherein beabsichtigt - für eigene
Zwecke.
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Am 11.11.2013, nach Abschluss eines Seminartages in dem vom Kläger und seiner Ehefrau in W. in der
Schweiz betriebenen esoterischen Zentrum „A.“, verfasste der Beklagte auf entsprechende Aufforderung
des Klägers und seiner Ehefrau ein handschriftliches, von ihm unterzeichnetes Schreiben folgenden Inhalts
(Anlage K 14):
Ich überweise bis zum 25. Nov. 2013 die geschuldeten150 000 € an Fr. L. H. Hr. B. C. H.A.-weg ..., W. auf
Kto. ... UBS Ref.-Nr. 30...
Datum 11.11.2013
B. ... P.
(Unterschrift)
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Eine derartige Überweisung oder eine sonstige Zahlungen des Beklagten an den Kläger und/oder seine
Ehefrau erfolgten daraufhin nicht.
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Der Beklagte erklärte mittels eines Schriftsatzes der Zeugin J., die Rechtsanwältin ist, vom 28.11.2013
(Anlage K15) die Anfechtung dieses Schreibens.
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Der Kläger behauptet, der Beklagte habe vor der Vereinbarung, dass er und seine Ehefrau dem Beklagten
den „Zehnten“ melden und nach Rechnungsstellung entsprechende Überweisungen an den Beklagten
tätigen werden, gegenüber ihm und seiner Ehefrau angegeben, er werde die überwiesenen Beträge an die
„Unsterblichen“ übergeben, die dieses Geld zum Wohle der Menschheit einsetzen würden. Der Beklagte
habe angegeben, er könne als „Adept“ realen Kontakt mit diesen aufnehmen und auch physisch real Geld
an die „Unsterblichen“ übergeben, die wiederum in der Lage seien, das ihnen übergebene Geld an Stellen
zu geben, die tatsächliche zum Wohle der Menschheit handelten. Im Gegensatz zum Kläger und seiner
Ehefrau könnten die „Unsterblichen“ erkennen, wo diese Beträge wirklich sinnvoll eingesetzt würden. Die
Kläger hätten alle Zahlungen im Vertrauen auf diese Angaben vorgenommen. Erst im September 2013
hätten sie in Telefonaten mit der (inzwischen getrennt lebenden) Ehefrau des Beklagten, der Zeugin P.,
erfahren bzw. erkannt, dass der Beklagte die ihm überwiesenen Gelder nicht wie ihnen zugesagt an die
„Unsterblichen“ übergeben sondern für sich selbst verwendet habe.
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Hierauf vom Kläger und seiner Ehefrau nach einem bei ihnen abgehaltenen Seminar zur Rede gestellt,
habe sich der Beklagte bereit erklärt, die ihm überlassenen Beträge (einschließlich der zur
gewinnbringenden Anlage überlassenen 25.000,00 €) unter pauschaler Verzinsung durch die Überweisung
eines Betrags von 150.000,00 € zurückzuerstatten. Dies habe der Beklagte freiwillig mittels des als Anlage
K 14 vorgelegten Schriftstücks bestätigt.
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Der Beklagte behauptet, die Zahlungen in Höhe von monatlich 10% des Bruttoeinkommens des Klägers und
dessen Ehefrau seien als Gegenleistung für deren umfassende Beratung durch ihn erfolgt. Der Kläger und
seine Ehefrau hätten sehr viele geschäftliche Ansätze verfolgt, zu denen er sie umfassend und intensiv
beraten habe. Nachdem er im Jahr 2007 ein Gewerbe angemeldet habe, seien der Kläger, dessen Ehefrau
und er übereingekommen, dass er hierfür pauschal durch monatliche Zahlungen in Höhe von jeweils 10%
der Bruttoeinnahmen des Klägers und seiner Ehefrau entlohnt werden solle.
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Das Schriftstück vom 11.11.2103 habe er nach massiven Beleidigungen durch den Kläger unter Zwang und
aufgrund von Drohungen unterzeichnet. Der Kläger habe ihn eingesperrt, mit der Verhaftung durch eine mit
ihm und seiner Ehefrau befreundeten Staatsanwältin sowie durch entsprechende Gestik mit Schlägen
gedroht. Aufgrund dieser Maßnahmen habe er - wie von ihm verlangt - das Schriftstück gefertigt.
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Das Landgericht hat den Beklagten zur Zahlung von 134.500,88 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.11.2013 verurteilt. Zur Begründung hat es ausgeführt,
dass es sowohl hinsichtlich der im Sommer 2004 an den Beklagten überlassenen 25.000,00 € wie auch
hinsichtlich der übrigen Zahlungen des Klägers und seiner Ehefrau an den Beklagten nach dem Ergebnis
der Beweisaufnahme von der Richtigkeit der Angaben des Klägers überzeugt sei. Das Verhalten des
Beklagten habe jeweils den Tatbestand des Betrugs erfüllt, die geltend gemachten Ansprüche seien daher
gemäß § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 263 StGB begründet. Verjährung sei nicht eingetreten, da der
Kläger und seine Ehefrau erst im September 2013 aufgrund eines Telefonats der Ehefrau mit der getrennt
lebenden Ehefrau des Beklagten von dem eingetretenen Schaden Kenntnis erhalten hätten. Für einen
früheren Verjährungsbeginn sei der Beklagte beweispflichtig.
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Die Klageabweisung im Übrigen hat das Landgericht damit begründet, dass dem Schreiben vom
11.11.2013, mit dem der Kläger den geltend gemachten Anspruch auf Zahlung von insgesamt 150.000,00 €
begründet hatte, keine schuldbegründende Wirkung zukomme. Dieses führe nur zu einer
Beweiserleichterung. Dementsprechend bestehe nur ein Anspruch auf Zahlung in Höhe der tatsächlich an
den Beklagten überlassenen Beträge.
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Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Endurteils
verwiesen.
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Der Beklagte hat gegen das Endurteil des Landgerichts umfassend Berufung eingelegt. Mit Schriftsatz vom
17.9.2015, beim Berufungsgericht eingegangen am 18.9.2015 (Bl. 156/157 d. A.), hat er die Verurteilung zur
Zahlung eines Betrags in Höhe von 25.000,00 € nebst Zinsen hieraus seit 26.11. 2013 sowie anteiliger
vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten zurückgenommen.
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Im Übrigen (soweit keine Rücknahme der Berufung erfolgt ist) beantragt der Beklagte in der Berufung,
unter Abänderung des am 5.2.2015 verkündeten Urteils des Landgerichtes Kempten (Allgäu), Az. 21 O
697/14, die Klage abzuweisen,
hilfsweise das Verfahren an das Landgericht Kempten zurückzuverweisen.
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Zur Begründung der Berufung macht der Beklagte im Wesentlichen geltend, das Landgericht habe den der
Verurteilung zugrunde gelegten Sachverhalt unzutreffend festgestellt. Das Landgericht habe es versäumt,
den Beklagten als Partei zu vernehmen oder ihn zumindest anzuhören. Es habe nicht berücksichtigt, dass
die Zeugin H. ein erhebliches Eigeninteresse am Ausgang des Rechtsstreits habe. Der Vortrag des Klägers
sei unglaubhaft. Auch erhebt er die Einrede der Verjährung.
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Das Berufungsgericht hat beide Parteien angehört und Beweis erhoben durch Einvernahme der Zeuginnen
H. und P. sowie durch schriftliche Einvernahme der Zeugin J.. Wegen des Ergebnisses der
Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 19.11.2015 (Bl. 192/200 d. A.) sowie die schriftliche
Aussage der Zeugin J. vom 10.11.2015 (Bl. 188/190 d. A.) verwiesen.
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Änderungen haben sich nur insofern ergeben, als das Berufungsgericht die Überzeugung gewonnen hat,
dass der Beklagte das als Anlage K14 vorgelegte Schriftstück vom 11.11.2013 nicht aufgrund von
Drohungen oder unter Zwang geschrieben und unterzeichnet hat, was das Landgericht in dem
angefochtenen Endurteil offen gelassen hat. Ansonsten hat die vom Senat durchgeführte Beweisaufnahme
die vom Landgericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen bestätigt, soweit sie nicht ohnehin unstreitig
waren.
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II. Die zulässige Berufung ist, soweit sie nicht bereits zurückgenommen worden ist, unbegründet. Die Klage
ist nach den dem Berufungsurteil zugrunde zu legenden Feststellungen begründet. Das angefochtene Urteil
beruht nicht auf Rechtsfehlern. Die vom Landgericht festgestellten Tatsachen haben sich auch nach
Beweisaufnahme durch den Senat als zutreffend erwiesen. Der Kläger und seine Ehefrau haben gegen den
Beklagten sowohl gemäß § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 263 StGB wie auch gemäß § 667 BGB den vom
Landgericht zugesprochen Anspruch auf Zahlung von 109.500,88 €. Dieser Anspruch ist nicht verjährt.
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Der Kläger hat zum Teil aus eigenem Recht, soweit er selbst 10% seines Einkommens, und zum anderen
Teil aus von seiner Ehefrau abgetretenem Recht, soweit diese 10% ihres Einkommens dem Beklagten
überlassen hat, Anspruch auf Rückzahlung der jeweiligen Beträge gegen den Beklagten gemäß § 823 Abs.
2 BGB i. V. m. § 263 StGB, da der Beklagte den Kläger und dessen Ehefrau, die Zeugin H., durch
Täuschung über die von ihm beabsichtigte Verwendung der an ihn zu überlassenden Beträge zu den
jeweiligen Überweisungen veranlasst hat, und diese einen Schaden in Höhe der jeweiligen Zahlungen
erlitten haben. Der Beklagte hat sich durch Vereinnahmung der überwiesenen Beträge für sich selbst einen
dem Schaden des Klägers und dessen Ehefrau entsprechenden Vermögensvorteil verschafft.
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1. Der Senat ist zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger und seine Ehefrau die streitgegenständlichen
Überweisung an den Beklagten aufgrund dessen Vorspiegelung, er sei dazu in der Lage, das ihm
überlassene Geld an die „Unsterblichen“ zur Verwendung zum Wohl der Menschheit weiterzugeben, und er
werde dies auch tun, vorgenommen haben. Aufgrund des durch diese Täuschung erregten Irrtums haben
sie die jeweiligen Vermögensverfügungen in Form der monatlichen Überweisungen vorgenommen.
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Der Senat ist in Anbetracht der glaubhaften Angaben des Klägers wie auch insbesondere der glaubhaften
Angaben der Zeuginnen H. und P. zu der Überzeugung gelangt, dass der Beklagte gegenüber dem Kläger
und dessen Ehefrau angegeben hat, er werde die Zahlungen in Höhe von jeweils 10% ihres
Bruttoeinkommens an die „Unsterblichen“ weiterleiten, die wiederum das Geld an Stellen weiterleiten
würden, wo tatsächlich Gutes für die Menschheit geschehe. Das Gericht ist überzeugt, dass der Kläger und
die Zeugin H. an diese Angaben glaubten, und dies der Grund für die Geldzahlungen war. Auf diese Weise
wollten der Kläger und seine Ehefrau Gutes tun, um so selbst auf ihrem meditativ-spirituellen Weg
voranzukommen.
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1.1. Sowohl der Kläger selbst wie auch dessen Ehefrau (als Zeugin) bestätigten dies dem Gericht
gegenüber. Zwar ist dem Senat kaum nachvollziehbar, wie jemand daran glauben kann, dass eine physisch
reale Geldübergabe an in Wirklichkeit lange verstorbene Persönlichkeiten erfolgt, auch wenn diese nach der
Überzeugung des Klägers und seiner Ehefrau „unsterblich“ waren. Nach Anhörung des Klägers als Partei
und Einvernahme seiner Ehefrau als Zeugin ist der Senat aber überzeugt, dass diese hieran geglaubt
haben.
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Unstreitig waren der Kläger und dessen Ehefrau „Meisterschüler“ des Beklagten, der sie umfassend lehrte.
Es bestand zwischen ihnen unstreitig eine innige Freundschaft, was letztlich auch dazu geführt hat, dass sie
Trauzeugen bei der Eheschließung des Beklagten mit der Zeugin P. geworden sind. Der Kläger und seine
Ehefrau hatten unstreitig laufenden Kontakt zum Beklagten. In Anbetracht dieser Rahmenumstände und
des persönlichen Eindrucks vom Kläger und seiner Ehefrau, die derartigen metaphysischen Ideen
offensichtlich sehr aufgeschlossen gegenüber standen und stehen, ist der Senat überzeugt, dass sie
wahrheitsgemäß angaben, dass der Beklagte ihnen gegenüber erläutert hat, ihm als „Adept“ sei eine
Kontaktaufnahme mit den „Unsterblichen“ möglich und zwar sogar dergestalt, dass er physisch real mit
diesen in Kontakt treten und ihnen Dinge übergeben könne. Er werde das ihm zu überlassende Geld an
diese übergeben, damit es zum Wohl der Menschheit eingesetzt werde. Beide gaben auch glaubhaft an, an
die Lehren des Beklagten geglaubt zu haben und dass dies der Grund für die Überweisung des „Zehnten“
war. Die Zeugin H. bekundete sogar jetzt noch, viel vom Beklagten gelernt zu haben, was ihr heute noch im
Leben helfe. Nachdem der Kläger und seine Ehefrau unstreitig über Jahre hinweg Meisterschüler des
Beklagten als „Adept“ waren, und dieser sie gelehrt hat, ist es jedenfalls innerhalb dieses Systems (wenn
auch nicht für den Außenstehenden) logisch und nachvollziehbar, dass der Kläger und seine Ehefrau dem
Beklagten all seine Aussagen geglaubt haben.
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In sich nachvollziehbar hat die Zeugin H. daher auch glaubhaft angegeben, für sie eine Welt
zusammengebrochen, als sie erfasst hat, vom Beklagten belogen worden zu sein.
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Das Gericht hat dabei berücksichtigt, dass sowohl der Kläger wie auch seine Ehefrau ein unmittelbares
wirtschaftliches Interesse am Ausgang des Verfahrens haben. Der Senat hält es jedoch für äußerst
fernliegend, dass der Kläger und seine Ehefrau sich zur Begründung ihrer Forderung ausgerechnet einen
derart im Metaphysischen wurzelnden, für Außenstehende kaum nachvollziehbaren Sachverhalt
ausgedacht haben könnten, wenn dieser nicht dem tatsächlichen Geschehen entsprochen hätte.
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1.2. Die Zeugin P. hat glaubhaft bestätigt, dass den von ihr vorgenommenen Rechnungstellungen über
Coaching- oder Beratungsleistungen sowie Suchmaschinenoptimierung keine entsprechenden Leistungen
zugrunde lagen, sondern dass die Zahlungen in Höhe von 10% des jeweiligen Bruttoeinkommens des
Klägers und seiner Ehefrau zur Weitergabe an die „Unsterblichen“ durch den Beklagten als „Adept“ erfolgt
sind. Sie bestätigte, dass es hierzu auch Nachfragen des Klägers und dessen Ehefrau gegeben habe, zu
denen der Beklagte erläutert habe, die Gelder würden an die „Unsterblichen“ gehen.
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Der Senat hat keine Zweifel an der Richtigkeit der Angaben der Zeugin. Sie wirkte völlig authentisch und
schilderte glaubhaft, dass sie selbst nun nicht mehr nachvollziehen könne, dass auch sie geglaubt habe, ihr
getrenntlebender Mann sei ein „Adept“, der mit den „Unsterblichen“ in Kontakt stehe. Sie befinde sich
deswegen seit zwei Jahren in Therapie. Sie könne dies alles nur so erklären, dass es ähnlich sei, wie bei
Personen, die sich auf eine Sekte einließen. Glaubhaft und nachvollziehbar schilderte sie auch ihre
aktuellen Probleme damit, sich mit dieser Vergangenheit auseinanderzusetzen.
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1.3. Die Überzeugung des Gerichts von der Richtigkeit der Angaben des Klägers und dessen Ehefrau
wurde durch die Angaben des Beklagten im Rahmen seiner Anhörung nicht widerlegt. Dieser gab an, das
mit den „Unsterblichen“ sei ein spirituell meditativer Prozess gewesen, der - außer einer nicht
streitgegenständlichen anfänglichen Zahlung bei der Aufnahme des Klägers und seiner Ehefrau in die
„Meisterschülerschaft“ - mit den Zahlungen nichts zu tun gehabt habe. Der Beklagte vermochte nicht, dem
Senat nachvollziehbar darzulegen, wie und bezüglich welcher Leistungen eine Entgeltlichkeit vereinbart
worden sei, sondern schilderte nur pauschal, dass er umfassende Beratung leistete, die sozusagen neben
der Belehrung des Beklagten und dessen Ehefrau als seine Meisterschüler stand. Eine auch nur halbwegs
nachvollziehbare Trennung der beiden Bereiche erläuterte er jedoch nicht.
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Der Beklagte vermittelte dem Gericht auch keinen glaubwürdigen Eindruck. Er versuchte, die Klage als
Ergebnis eines „Rosenkriegs“, den seine von ihm getrennt lebende Ehefrau, die Zeugin P. angezettelt habe,
darzustellen. Diese machte dem Gericht gegenüber aber einen mitgenommenen Eindruck und wirkte
keineswegs so, als wolle sie Auseinandersetzungen mit dem Beklagten führen.
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1.4. Auch die glaubhaften Angaben der Zeugin J. in deren schriftlicher Zeugenaussage führen zu keinem
anderen Ergebnis. Deren Angaben lassen letztendlich nicht den Schluss zu, dass der Beklagte dem Gericht
und ihr gegenüber die Wahrheit gesagt hat. Die Angaben der Zeugin betreffen die Frage, ob der Beklagte
dem Kläger und seiner Ehefrau gegenüber angegeben hat, er werde den von ihnen an ihn abgeführten
„Zehnten“ den „Unsterblichen“ übergeben, nicht. Die Zeugin konnte nämlich nur Angaben dazu machen,
was ihr der Beklagte über das Zustandekommen des Schriftstücks vom 11.11.2013 berichtet hat, und
welchen Eindruck er ihr hierbei gemacht hat. Sie war auch nur zu diesem Beweisthema benannt. Die
Angaben der Zeugin beeinträchtigen aber auch die Glaubwürdigkeit des Klägers und seiner Ehefrau sowie
die Glaubhaftigkeit ihrer Aussagen nicht. Zwar widersprechen die Erläuterungen, die der Beklagte
gegenüber der Zeugin J. zum Zustandekommen seiner schriftlichen Erklärung vom 11.11.2013 gemacht
hat, denen des Klägers und seiner Ehefrau. Beide haben aber dem Gericht gegenüber auch insoweit den
glaubhaften Eindruck vermittelt, dass sie gegenüber dem Beklagten keinen Hass oder Aggression, sondern
in allererster Linie tiefe Enttäuschung empfanden und empfinden. So hat gerade die Zeugin H. klar zum
Ausdruck gebracht, dass sie dem Beklagten noch immer dankbar für viele Dinge sei, die er ihr gelehrt habe.
Sie sei aber zutiefst davon enttäuscht gewesen, dass der Beklagte sie und ihren Ehemann angelogen hatte.
Das Gericht glaubt dem Kläger und seiner Ehefrau aufgrund des persönlichen Eindrucks, dass sie vom
Beklagten zwar klar und eindeutig eine schriftliche Bestätigung verlangt haben, dass er ihnen das
vereinnahmte Geld zuzüglich eines Aufschlags für Verzinsung zurückerstatte, dass sie bei diesem
Verlangen aber keine Drohungen oder Beleidigungen ihm gegenüber ausgesprochen und ihn auch nicht
eingesperrt haben. Dass der Beklagte der Zeugin J. gegenüber angegeben hatte, das Schriftstück vom
11.11.2013 nur unter Zwang unterzeichnet zu haben, belegt nicht, dass dies der Wahrheit entspricht. Es
gibt keinen allgemeinen Erfahrungssatz dahingehend, dass Mandanten ihren jeweiligen Rechtsanwalt mit
der Wahrheit bedienen, auch nicht wenn zwischen ihnen ein besonderes Vertrauensverhältnis besteht.
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Dass der Beklagte im Rahmen der mit der Zeugin J. geführten Telefonate aufgelöst oder gar panisch
gewirkt haben mag, kann zahlreiche Ursachen gehabt haben, und lässt keinen Rückschluss darauf zu, dass
der Beklagte gegenüber der Zeugin die Wahrheit gesagt hat. So kann gerade der Umstand, dass der
Beklagte auch diese Zeugin belogen hat, Ursache dafür sein, dass er aufgeregt war. Der Beklagte kann
auch deswegen aufgelöst und aufgeregt gewesen sein oder gewirkt haben, weil er kurz zuvor von den
Eheleuten H. dabei ertappt worden ist, sie jahrelang belogen zu haben, und er sich nunmehr erheblichen
Forderungen der Eheleute H. ausgesetzt sah.
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2. Der Kläger und seine Ehefrau haben durch die von ihnen getätigten Überweisungen an den Beklagten
einen Schaden in dieser Höhe erlitten, da der Beklagte das ihm überlassene Geld tatsächlich nicht wie von
ihm versprochen an die „Unsterblichen“ weitegeleitet hat, und die Gelder auch nicht - wie ihnen gegenüber
vom Beklagten dargestellt - zum Wohle der Menschheit eingesetzt wurden. Vielmehr hat der Beklagte
unstreitig das Geld für sich verwendet.
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Dem Kläger und seiner Ehefrau ist hierbei ein Schaden i. S. d. § 263 Abs. 1 StGB entstanden. Zwar haben
der Kläger und seine Ehefrau sich bei rein wirtschaftlicher Betrachtung bewusst selbst geschädigt, indem
sie die Überweisungen vornahmen, obwohl ihnen klar war, hierfür keine Gegenleistung zu erhalten.
Allerdings ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch bei einer bewussten
Vermögensbeschädigung ein Schaden i. S. d. § 263 Abs. 1 StGB zu bejahen, wenn der mit der Zahlung
verfolgte soziale Zwecke nicht erreicht wird. In derartigen Fällen wird nach der Vorstellung des Gebenden
seine eigene Leistung durch das Erreichen eines bestimmten, nicht vermögensrechtlichen Zwecks
ausgeglichen. Konkret verfolgten der Kläger und seine Ehefrau den Zweck, mit den dem Beklagten
überlassenen Geldern über die „Unsterblichen“ Gutes für die Menschheit zu tun. Nach ihrer Vorstellung
wurde ihre eigene Leistung durch diesen ideellen, nicht vermögensrechtlichen Zweck ausgeglichen.
Nachdem der Beklagte das Geld für sich verwendete, wurde dieser Zweck verfehlt, die Leistungen des
Klägers und der Beklagten aus ihrer berechtigten Sicht unvernünftig. Sie sind daher in dieser Höhe
geschädigt worden.
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3. Der Vollständigkeit halber ist festzuhalten, dass der Anspruch des Klägers sowohl aus eigenem wie aus
abgetretenem Recht auch gemäß § 667 BGB begründet ist. Da nach der Überzeugung des Gerichts der
Kläger und seine Ehefrau die monatlichen Zahlungen von 10% ihres Bruttoeinkommens an den Beklagten
vereinbarungsgemäß zur Weiterleitung an die „Unsterblichen“ vornahmen, wurde insofern ein
Auftragsverhältnis zwischen dem Kläger und seiner Ehefrau einerseits und dem Beklagten andererseits
dahingehend begründet, dass der Beklagte es übernommen hatte, das ihm überlassene Geld
vereinbarungsgemäß weiterzuleiten. Nachdem er (unstreitig) tatsächlich nicht zu der versprochenen
Weiterleitung in der Lage war und diese nicht ausgeführt hat, ist er gemäß § 667 BGB dazu verpflichtet, das
Geld, das er zur Ausführung des Auftrags erhalten hat, wieder an den Kläger und dessen Ehefrau
zurückzugeben.
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4. Der Beklagte kann die von ihm geschuldete Zahlung nicht gemäß § 214 Abs. 1 BGB verweigern, da die
Ansprüche des Klägers und seiner Ehefrau gegen ihn nicht verjährt sind.
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Die Verjährung der Ansprüche des Klägers hat gemäß § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB erst mit der Kenntnis des
Klägers und seiner Ehefrau im September 2013, dass der Beklagte die ihm überlassenen Gelder nicht an
die „Unsterblichen“ weitergegeben hat, und diese nicht zum Wohl der Menschheit sondern für den
Beklagten verwendet worden sind, zu laufen begonnen. Die dreijährige Verjährungsfrist gemäß 195 BGB,
die gemäß § 199 Abs. 1 BGB am Ende des Jahres 2013 zu laufen begonnen hat, läuft damit nicht vor
Ablauf des Jahres 2016 ab.
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Der Kläger und seine Ehefrau haben auch nicht grob fahrlässig die den Anspruch begründenden Tatsachen
nicht erkannt. Zwar ist zivilrechtlich grundsätzlich nach objektiven Gegebenheiten zu bestimmen, ob der
Kläger und seine Ehefrau aufgrund grober Fahrlässigkeit das Vorliegen der anspruchsbegründenden
Tatsachen nicht erkannt haben, was im vorliegenden Fall durchaus für die Annahme grober Fahrlässigkeit
sprechen könnte, da bei objektiver Betrachtung auf der Hand lag, dass eine Übergabe von Geld an bereits
lange verstorbene Personen nicht möglich ist. Andererseits ist der Beklagte aber als Lehrer und
umfassender Berater des Klägers und seiner Ehefrau tätig geworden. Diese sind deswegen in dem
Vertrauen auf die Richtigkeit der Angaben des Beklagten geschützt (MüKo-Grothe, 7. Auflage, 2015, § 199
BGB, RN 33). Diese für Anlageberater entwickelte Rechtsprechung ist auch im vorliegenden Fall
anzuwenden. Derjenige, der die Beratung eines anderen übernimmt, hat die zentrale Pflicht, den anderen
richtig zu informieren. Jedenfalls innerhalb dieses Verhältnisses handelt der Beratene grundsätzlich nicht
grob fahrlässig, solange er sich auf den Rat des anderen verlässt. Nachdem Gegenstand des Verhältnisses
des Klägers und seiner Ehefrau mit dem Beklagten gerade eine Lehrer-Schüler-Beziehung bezüglich
metaphysischer, logisch und naturwissenschaftlich kaum nachvollziehbarer Vorgänge war, kann dem Kläger
und seiner Ehefrau nicht vorgeworfen werden, dass sie grob fahrlässig den naturwissenschaftlich nicht
nachvollziehbaren Angaben des Beklagten vertraut haben. Auf die im Ergebnis zu bejahende Frage, ob
durch das Schriftstück vom 11.11.2013 (Anlage K 14) ein Neubeginn der Verjährung gemäß § 212 Abs. 1
Nr. 1 BGB stattgefunden hat, kommt es daher nicht an.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ist gemäß §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO erfolgt.
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Die Revision war nicht zuzulassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat, noch die
Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des
Revisionsgerichts erfordert. Im Zentrum des Rechtstreits steht die tatsächliche Frage, ob die Angaben des
Klägers zur Überzeugung des Gerichts nachgewiesen sind oder nicht.