2 0 9 0 0 Menschenhandel 0 0 0 * 1. Mose 37, 28 Als aber die Kaufleute vorbeikamen, verkauften sie ihn für 20 Silberstücke. Weltweit gibt es mehr als 20,9 Millionen Opfer von Menschenhandel In die Welt für die Welt Kolummne Magazin der Vereinten Evangelischen Mission 1/ 2015 Editorial Menschenhandel 2 Liebe Leserin, lieber Leser, sie sind jung, sehr jung, die meisten unter 18 Jahre alt: Mädchen und junge Frauen, aber auch kleine Jungen werden mit falschen Versprechungen gelockt und oft mit Gewalt gefügig gemacht. Sie werden versklavt, indem sie gezwungen werden, für nichts oder nur für einen Hungerlohn und unter Androhung von Strafe zu arbeiten: im Haushalt, auf dem Bau, als Prostituierte, Sexsklaven, Ehepartner, Kindersoldaten – ohne Rechte und ohne Freiheiten. Ein durchaus lukratives Geschäft für die modernen Sklavenhändler und -händlerinnen, die nichts weiter sind als Verbrecher. Für Menschenrechte gibt es keinen Platz. Und so viel ist klar: Das Geschäft blüht – bis heute. Schier unerschöpflich scheint weltweit der »Rohstoff Mensch« zu sein: Arme Menschen gibt es überall auf der Welt. Sie sind billig und leicht zu ersetzen, das Strafmaß für diese Menschenhändler in vielen Ländern nicht abschreckend genug. Hinzu kommt, dass diese Menschen oft aus Angst nicht gegen die Täter aussagen. Gerade das macht das Geschäft mit der Ware Mensch so attraktiv. Die Sklavenhändler dieser Tage verdienen viel mit dem Rohstoff Mensch. Sehr viel. Und eines ist auch klar: Die bestehenden Gesetze gehen nicht weit genug. Hier ist die internationale Staatengemeinschaft gefordert mit schärferen Gesetzen und härteren Strafen gegen die modernen Menschenhändler vorzugehen. Die Anstrengungen beim Schutz für die Opfer von Menschenhandel müssen noch weiter intensiviert werden. Menschenrechtsorganisationen und kirchliche Gemeinschaften wie die Vereinte Evangelische Mission fordern dies seit langem. Viel Freude bei der Lektüre wünscht Ihnen 22 Filmische Dokumentation des Familientreffens im süd afrikanischen Komaggas der internationalen Nachkommen der Missionare Hinrich und Zara Schmelen: Dreharbeiten mit Ursula Trüper Brunhild von Local Titel: Jola Fiedler / MediaCompany – Agentur für Kommunikation GmbH, Foto Hand: © John Woodworth – gettyimages Fotos Seite 2: Volkmar Knoch/ Hanfgarn & Ufer Filmproduktion GbR Porträt Seite 2 (Mitchell Harley) In die Welt für die Welt 1 / 2015 Seite 3: Anneliese Hahn Wong / VEM, Malte Hausmann / VEM Inhalt Inhalt März 2015 Biblisches Wort 6 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Brennpunkt Menschenhandel geht uns alle an . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Thema Menschenhandel »Wenn etwas zu billig ist, hat schon jemand dafür bezahlt.« Im Interview mit André Thielmann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Thema Menschenhandel Viel schaffen für wenig Geld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 Thema Menschenhandel »Die Dinge klar beim Namen nennen« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 Thema Menschenhandel Ausgenutzt und weggeschickt Arbeitsmigrantinnen in Hongkong . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 Stimme des Generalsekretärs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 Meditation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 Partnerschaft Wie geht eigentlich Partnerschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 Projekte & Spenden Die Lust am Lesen wieder entdecken ............................... 21 Porträt Die »unsichtbare Frau« wird sichtbar Ausflug mit Migrantinnen des Kotkiho Shelters, der Dachorganisation verschiedener Unionen indonesischer Migrantinnen Hinrich und Zara Schmelen als Sprachpioniere und Stammeltern gefeiert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 Die Klasse 9a/b des Bielefelder Gymnasiums Brackwede hat 250 Euro für ein Projekt der VEM in Ruanda gesammelt. Entwicklung »So geht Nächstenliebe praktisch!« 250 Euro für die Bildungsarbeit in Ruanda . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 Evangelisation Über das Fremde zum Eigenen Austauschprogramm zum Thema Kindergottesdienst . . . . . . 26 24 Buchtipp Spannend und anrührend . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 Schwesterngemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 Service, Impressum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 Projekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 In die Welt für die Welt 1 / 2015 3 4 »Menschenhandel ist ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit« Von Sylvia Bukowski M öchte man sich im Internet über Menschenhandel, bzw. Sklaverei informieren, stößt man an erster Stelle auf einen Eintrag mit der provokanten Überschrift: »Die Bibel befürwortet Sklaverei«, gepostet von bibelkritik.ch, einer website, die mit Hilfe von Bibel zitaten gegen Bibel und Kirche polemisiert. Zum Thema Sklaverei werden vor allem Regeln aus dem sogenannten »Sklavengesetz« (Exodus 21) zitiert, um zu bewei- In die Welt für die Welt 1 / 2015 sen, wie brutal Sklaven im Alten Testament offiziell behandelt werden durften. Mit zynischem Bedauern wird festgestellt, dass aber auch Jesus und seine Nachfolger nicht die Abschaffung der Sklaverei gefordert hätten. Im Gegenteil: In verschiedenen Briefen werden die Sklaven zu absolutem Gehorsam aufgefordert, auch gegenüber den »unberechenbar grausamen« (1. Petrus 2,18). Die zitierten Bibelstellen sind in der Tat erschreckend. Genauso erschreckend ist, dass sich Christen immer wieder auf diese oder ähnliche Bibelstellen berufen haben, um ihre menschenverachtende Behandlung Abhängiger zu rechtfertigen, sei es im Zuge der Eroberung und Kolonisation fremder Kontinente, sei es im groß angelegten Sklavenhandel. In den Illustration: Juan González / MediaCompany GmbH Das gelingt nur, wenn man einzelne Verse aus ihrem historischen und gesamtbiblischen Zusammenhang reißt. Auf diese Weise lassen sich auch in anderen Fällen eigene, vorgefasste Meinungen bestätigen, ich nenne nur Homosexualität, die Stellung der Frau oder die Haltung zu Krieg und Gewalt. Aber die Bibel enthält keine zeitlosen Wahrheiten, sondern spricht in konkrete soziale und politische Gegebenheiten hinein, in diesem Fall: in eine Gesellschaft, in der Sklaverei und Menschenhandel üblich waren, wie heute verursacht von Armut, Verschuldung und militärischen Konflikten. Und nicht anders als heute gab es auch damals Leute, die aus der Notlage anderer Profit zu machen wussten. Dass Gott das Elend der Armen und Ausgebeuteten nicht hinnimmt, wird durch Jesus bekräftigt. Nun kann man aus heutiger Sicht beklagen, dass es in der Bibel überhaupt ein »Sklavengesetz« gibt, statt dass grundsätzlich die Abschaffung dieses Systems gefordert wird. Aber man darf nicht übersehen, dass immerhin schon hier das Besitzrecht gegenüber dem Recht der Person der Sklavinnen und Sklaven eingeschränkt wird. So lässt sich die Forderung nach der Freilassung eines durch herrschaftliche Gewalt dauerhaft geschädigten Sklaven nicht nur damit erklären, dass es eben unrentabel sei, einen »beschädigten Sklaven durchzufüttern« (bibelkritik.ch). Wer sich gegenüber einem Abhängigen nicht zügeln kann, verwirkt sein Besitzrecht. Und das gilt schon, wenn dem Betreffenden ein Zahn ausgeschlagen wird! (Exodus 21,26). Wie viele philippinische Hausmädchen, wie viele Zwangsprostituierte, wie viele moderne Arbeitssklaven kämen auf der Basis dieser Regelung frei! Die Ausbeutung Abhängiger wird zudem zeitlich begrenzt. In den Zehn Geboten gilt die Sabbatruhe ausdrücklich auch für die Sklaven und Fremdlinge (Gastarbeiter). Hebräische Sklaven, die sich wegen ihrer Schulden verkaufen mussten, müssen nach sechs Jahren frei gelassen werden, und zwar mit einer reichlichen Ausstattung an Tieren, Nahrungsmitteln und Wein (!). Wie viele moderne Arbeitssklaven schuften dagegen jahrelang, ohne jemals wohlhabend in ihre Heimat zurückkehren zu können! Nach biblischem Recht darf Unfreiheit nur etwas Vorübergehendes bleiben! Auch da, wo im Neuen Testament der Umgang mit Sklavinnen und Sklaven thematisiert wird, tritt zu der Forderung nach deren absolutem Gehorsam an einigen Stellen auch die ausdrückliche Verpflichtung der Herren, ihre Untergebenen als Bruder zu betrachten (Philemon 15f) und zu behandeln: »Ihr Herren, erweist den Sklavinnen und Sklaven das Gerechte und die Gleichheit, weil ihr wisst, dass auch ihr einen Herrn im Himmel habt« (Kolosser 4,1BiGS). Während die ethischen Regelungen dem System Sklaverei zwar Grenzen setzen, es jedoch nicht grundsätzlich in Frage stellen, gehen die Propheten deutlich weiter. Sie greifen das Problem der Ausbeutung und Missachtung der Armen an der Wurzel, an der grenzenlosen Habgier der Reichen an. Auch von deren zur Schau gestellter Frömmigkeit lassen sie sich nicht blenden. Amos verurteilt die Gottesdienste, die sich über das herrschende Unrecht hinwegsetzen, aufs schärfste (Amos 5, 21ff). Jesaja richtet Gottes Botschaft aus: »Das ist ein Fasten, an dem ich Gefallen habe: Lass los, die du mit Unrecht gebunden hast, lass ledig, auf die du das Joch gelegt hast! Gib frei, die du bedrückst, reiß jedes Joch weg! « (Jesaja 58,6) Dass Gott das Elend der Armen und Ausgebeuteten nicht hinnimmt, wird durch Jesus bekräftigt. Er lädt die »Mühseligen und Beladenen« ein, gibt Prostituierten ihre Würde zurück, und macht sich selbst zum Diener aller, um neues Leben zu eröffnen (Philipper, 2,5f). In ihm »ist nicht Jude noch Grieche, nicht Sklave noch Freier, nicht Mann noch Frau«; »allesamt sind einer in Christus« (Galater 3,28). Nur, wer außer Acht lässt, dass der Gott der Bibel sein Wesen darin offenbart, dass er Israel aus der Knechtschaft geführt hat, nur wer übersieht, dass Jesus diesen Gott repräsentiert und alle Menschen zur Freiheit befreit, nur der kann behaupten, die Bibel befürworte die Sklaverei, sie habe nichts gegen Menschenhandel einzuwenden. Wer die biblische Botschaft in ihrem Zusammenhang hört und gelten lässt, kann nur wie Papst Franziskus sagen: »Menschenhandel ist eine Wunde, eine Wunde! – im Körper der heutigen Menschheit, eine Wunde im Fleisch Christi. Menschenhandel ist ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit.« Sylvia Bukowski ist Pfarrerin i. R. in Wuppertal, schreibt Predigten- und Gebetbücher und engagiert sich seit vielen Jahren im christlich-jüdischen Dialog. In die Welt für die Welt 1 / 2015 Biblisches Wort Missionsarchiven finden sich dafür beklemmende Zeugnisse. Aber kann die Bibel tatsächlich für das Leid unzähliger Opfer von Versklavung und gnadenloser Ausbeutung verantwortlich gemacht werden? 5 »Menschenhandel geht uns alle an« Brennpunkt Von Christoph Wand 6 M enschenhandel: Gibt es den wirklich noch? Vor einigen hundert Jahren haben Menschen andere Menschen auf Sklavenmärkten verkauft – ja, natürlich. Aber das ist doch vorbei, oder? Leider nicht: Mehr als 20 Millionen Menschen – Kinder, Frauen und Männer – sind weltweit Opfer von Menschenhandel. Sie werden verkauft und gehandelt und schuften als Sklaven in Steinbrüchen, arbeiten als Haushaltshilfen, in der Landwirtschaft, als Zwangsprostituierte, in Pflegediensten, auf Werften, Baustellen oder werden Opfer von Organentnahme. Die VEM setzt sich seit vielen Jahren für die Rechte von Frauen und Kindern ein. Seit Mitte der 1990er-Jahre arbeiten beispielweise Kirchen in Indonesien und Hongkong gemeinsam daran, die Situation von indonesischen Haushaltshilfen in Hongkong zu verbessern. Während ihrer Vollversammlung in Wuppertal im Juli 2014 haben sich die Mitglieder der In die Welt für die Welt 1 / 2015 VEM dazu verpflichtet, gemeinsam konkrete Schritte und Initiativen gegen Menschenhandel in Asien, Afrika und Deutschland zu unterstützen. Hohe Dunkelziffer In Deutschland? Ja, auch hier gibt es Menschenhandel. Beispiel Zwangsprostitution: Frauen aus den verschiedensten Ländern werden in Deutschland gezwungen, sexuelle Dienstleistungen zu erbringen. Wehren sie sich, werden sie und ihre Familien in ihren Heimatländern bedroht oder zusammengeschlagen, im schlimmsten Fall sogar getötet. Aus Angst trauen sich die wenigsten, ihre Fälle anzuzeigen oder vor Gericht gegen ihre Peiniger auszusagen – dass dennoch mehrere hundert Fälle von Menschenhandel vor deutsche Gerichte kommen, spricht leider nur dafür, dass die tatsächlichen Fälle in die tausende gehen. Noch höher ist die Dunkelziffer beim Menschenhandel in der Arbeitswelt. In einem Jahr sind es zwanzig Fälle, die in Deutschland vor Gericht landen, in einem Jahr fünfzig. Aber auch hier gehen Schätzungen von mehreren tausend Fällen im Jahr aus. Es ist dabei nicht immer leicht, eine scharfe Grenze zu ziehen zwischen ausbeuterischen Arbeitsverhältnissen und Menschenhandel – sicherlich ein Grund, warum sich die Behörden in Deutschland so schwer tun, die Straftat Menschenhandel immer konsequent als solche zu verfolgen. Aber wer hört, dass Menschen hohe Vermittlungsgebühren dafür bezahlen, nach Deutschland kommen zu dürfen, um hier zu arbeiten, dass ihnen dann hier das Pass abgenommen wird und sie für einen Hungerlohn arbeiten müssen, der wird es schwer haben, hier nicht über Menschenhandel zu reden. Und: Jeder und jede in Deutschland, der ein Bockwürstchen isst oder ein neu gebautes Gebäude betritt, kann das möglicherweise nur, weil in der Herstellung Menschen unter ausbeuterischen Bedingungen gearbeitet haben: Deswegen: Menschenhandel geht uns alle an. Hier vor Ort. Christoph Wand ist Leiter des Teams Kommunikation und Medien der VEM. Montage: © tropicalpix / www.gettyimages.com / Jola Fiedler – MediaCompany GmbH Thema Menschenhandel »Wenn etwas zu billig ist, hat schon jemand dafür bezahlt.« Im Interview mit André Thielmann André Thielmann ist Diplom-Soziologe und arbeitet bei der Diakonie Wuppertal im Projekt UNSICHTBAR – Bündnis gegen Menschenhandel zur Arbeitsausbeutung. Mit CHRISTOPH WAND sprach er über die Probleme, den Opfern von Menschenhandel zu ihrem Recht zu verhelfen. 7 André Thielmann Herr Thielmann, für Zwangsprostituierte gibt es zum Glück eine ganze Reihe von Anlauf- und Beratungsstellen, für Opfer von Menschenhandel in anderen Bereichen der Arbeitswelt kaum. Woran liegt das? Unter anderem an der Frage der Zuständigkeit. Für den Bereich der Zwangsprostitution ist das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zuständig, und da hat sich in den Angeboten für die Opfer viel getan seit Anfang der 1990er Jahre. Für andere Bereiche der Arbeitswelt fehlt das noch bisher. Es trifft sich jetzt aber zum ersten Mal eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe zu dem Thema, von der wir uns einiges erhoffen. Was genau erhoffen Sie sich? Wenn sich ein Ministerium dafür zuständig erklärt, hoffen wir zum Beispiel auf die Finanzierung von Beratungsstellen. Denn wenn es die nicht gibt, wissen die Opfer von Menschenhandel überhaupt nicht, wohin sie sich wenden sollten. Auf Bundesebene hoffen wir auf Fortschritte im Aufenthaltsrecht, damit die Menschen nicht direkt nach möglichen Prozessen abgescho- Foto: Christoph Wand / VEM ben werden. Und natürlich ist der konkrete Opferschutz notwendig. Die Leute brauchen ein Dach über dem Kopf, etwas zu essen, rechtliche Beratung und psychologische Betreuung. Das alles kostet Geld und dafür braucht es Strukturen. Berührt uns das Thema eigentlich auch im Alltag? Der Menschenhandel ist uns viel näher als wir vielleicht denken. Die Zwangsmechanismen bleiben oft unsichtbar, Arbeitsausbeutung lässt sich jedoch erkennen. Wir profitieren von billigem Fleisch, von billigem Bau, von billiger Altenpflege im privaten Haushalt. Beim Bau zum Beispiel ist das ein Riesenproblem. Da hat der Bauunternehmer ein Subunternehmen, das hat wieder Subunternehmen und wieder und wieder, bis zu zwölf in einer Kette. Wenn ich also privat baue, sollte ich schon mal nachfragen, wer denn da am Ende wirklich die Arbeit macht. Oder beim Fleisch: Wenn das so billig ist wie es ist, sind Menschen in dem Arbeitsprozess mit großer Wahrscheinlichkeit ausgebeutet worden. Es gibt einen Satz: ›Wenn etwas zu billig ist, hat schon je- mand dafür bezahlt.‹ Der ist sehr wahr. Außerdem hilft konkretes Hinsehen: Ein Fall von einer brasilianischen Haushaltshilfe, die hier unter menschenunwürdigen Bedingungen arbeiten musste, haben aufmerksame Nachbarn ins Rollen gebracht. Vielen Dank für das Gespräch. Fremde sind Leute, die später gekommen sind als wir: in unser Haus, in unseren Betrieb, in unsere Straße, unsere Stadt, unser Land. Die Fremden sind frech; die einen wollen so leben wie wir, die anderen wollen nicht so leben wie wir. Beides ist natürlich widerlich. Alle erheben dabei Ansprüche auf Arbeit, auf Wohnung und so weiter, als wären sie normale Einheimische. Manche wollen unsere Töchter heiraten, und manche wollen sie sogar nicht heiraten, was noch schlimmer ist. Fremdsein ist ein Verbrechen, dass man nie wieder gutmachen kann. Seit die Leibeigenschaft aufgehoben ist, gibt es überall viele Fremde. In den großen Städten sind sie schlecht zu erkennen, weil sie sich als normale Menschen zu tarnen verstehen … Gabriel Laub, tschechischer Flüchtling in der Ausgabe 09 der Wochenzeitschrift »Die Zeit« von 1970 In die Welt für die Welt 1 / 2015 Thema Menschenhandel 8 Viel schaffen für ganz wenig Geld Menschenhandel zur Ausbeutung der Arbeitskraft in Fleischfabriken, auf Baustellen oder in der Gastronomie. Das sollte es eigentlich in einem reichen Land wie Deutschland nicht geben. Das Projekt UNSICHTBAR – Bündnis gegen Menschenhandel zur Arbeitsausbeutung bei der Diakonie in Wuppertal macht das Ausmaß von Menschenhandel in der Arbeitswelt in Nordrhein-Westfalen sichtbar, deckt die Strukturen auf, die die Ausbeutung fördern und zeigt auf, welche Vorbeugungs- und Beratungsstrukturen vorhanden, sinnvoll und nötig sind. zahlung komme noch. Aber sie kam nicht. Auch die Arbeitszeiten und der Arbeitsschutz spotteten jeder Beschreibung. Als sie sich beschwerten, schickte der sogenannte Arbeitsvermittler einen Schlägertrupp in die Unterkunft der Bauarbeiter und ließ Darian Ionescu zusammenschlagen. Daraufhin flohen die sechs, schliefen nächtelang im Park – und ihre Frauen in Rumänien bekamen anonyme Anrufe. Ihre Männer sollten besser am nächsten Tag auf der Baustelle erscheinen, sonst würden sie entweder im Rollstuhl oder tot in Plastiksäcken nach Hause kommen. Von Christoph Wand Es klingt wie ein schlechter Film, und ist dennoch so passiert. André Thielmann arbeitet im Projekt UNSICHTBAR – Bündnis gegen Menschenhandel zur Arbeitsausbeutung, dessen regionale Koordination bei der Diakonie in Wuppertal angesiedelt ist. Das Beispiel von Darian Ionescu sei sicherlich ein besonders drastisches, sagt er, aber es sei kein Einzelfall. Ob in Fleischfabriken, auf Baustellen oder in der Gastronomie – immer wieder höre er von Fällen von extremer Arbeitsausbeutung oder sogar Menschenhandel. Helfen tut diesen Menschen kaum jemand. Die Strafverfolgungsbehörden täten sich noch immer schwer, Menschenhandel in der Arbeitswelt zu verfolgen. Das liege unter anderem an mangelndem Wissen über den Straftatbestand bei Polizei und Staatsanwaltschaften, aber auch daran, dass der Opferschutz so mangelhaft sei. Beratungsstellen für Opfer gebe es kaum – selbst bei der Diakonie in Wuppertal ist sie nur mit geringen Mitteln ausgestattet und in einem größeren Projekt eingebunden, Hilfe gibts kaum A ls André Thielmann von der Diakonie Wuppertal die Geschichte von Darian Ionescu* hörte, mochte er kaum glauben, was ihm da erzählt wurde. Zusammen mit fünf anderen rumänischen Landsleuten hatte sich Ionesu ins ferne Wuppertal aufgemacht, weil ihm ein Vermittler hier gute Arbeit für gutes Geld versprochen hatte. Auf Baustellen sollten die sechs in Deutschland arbeiten, und dafür einen für rumänische Verhältnisse sehr guten Lohn bekommen. Allein, die Realität sah anders aus. Ganz anders. Die sechs Bauarbeiter unterschrieben hier Arbeitsverträge, so glaubten sie. In Wirklichkeit meldeten sie mit den Papieren ein eigenes Gewerbe an. So arbeiteten sie mehrere Monate, bekamen nur so viel, dass sie nicht verhungerten und dachten, die große Lohnaus* Name von der Redaktion geändert In die Welt für die Welt 1 / 2015 Foto: © Gina Sanders – Fotolia Die Diakonie Wuppertal versucht auf mehreren Ebenen zu helfen: unter anderem mit mehrsprachigen Flyern, einer guten Vernetzung mit anderen Beratungsstellen und – ganz neu – mit kompletten Unterrichtseinheiten für die Integrationskurse. »Da erreichen wir viele Menschen, die wiederum andere kennen, die vielleicht in solche Abhängigkeiten geraten«, sagt André Thielmann. päischen Ländern ihr Glück gesucht – hoffentlich zu besseren Bedingungen. Christoph Wand ist Leiter des Teams Kommunikation und Medien bei der Vereinten Evangelischen Mission. Risikogruppen und Verletzlichkeitsmerkmale Risikogruppe – Betroffen von Menschenhandel / Arbeitswelt Verletzlichkeiten Armutszuwanderer In den Herkunftsländern existieren strukturelle Armut, Arbeitslosigkeit und fehlende soziale Absicherung. In NRW struktureller Bedarf an billigen oder unangemeldeten Arbeitskräften in diversen Branchen. Auch Diskriminierungen aufgrund der Zugehörigkeit zu ethnischen Minderheiten werden als Ursache genannt, die Arbeitsmigration zu wagen. Angeworbene und entsandte Arbeiter Fehlende oder unklare rechtliche Rahmenbedingungen, Abhängigkeit von Vermittelnden, unzureichende Regelungen zur Bestimmung von Verantwortlichkeiten z. B. in Subunternehmerketten und fehlende oder unzureichende Sicherstellung der Auszahlung von Löhnen. Arbeiter im Niedriglohnbereich Starke Konkurrenz und Verdrängungswettbewerb in diversen Branchen. Personen ohne Armutsmarktzugang Für die Betroffenen bestehen teilweise nicht verständliche und ungünstige Bedingungen der Aufenthalts- und Beschäftigungsregelungen. Undokumentierte / »illegale« Menschen Hier treffen alle Verletzlichkeitsdimensionen zu. Fehlende legale Möglichkeiten zum Lohnerwerb setzen Personen unter hohen Druck, jede Arbeit anzunehmen. Ungesicherter Aufenthaltstitel Druck durch rechtliche Regelungen. Der Aufenthalt muss durch nachweisbare sozialversicherungspflichtige Beschäftigung verstetigt werden, da ansonsten Abschiebung droht. Bewusstsein bilden Gleichzeitig arbeitet die Diakonie mit anderen Partnern daran, dass das Thema auch bei den Strafverfolgungsbehörden in Deutschland stärker bewusst wird, dass es beispielsweise spezialisierte Staatsanwälte dafür gibt. Außerdem würde eine längerfristige Aufenthaltsberechtigung für die Opfer von Menschenhandel sicherlich helfen, dass mehr Fälle zur Anzeige gebracht würden. »Und schließlich brauchen wir Hilfe vor Ort: für die Beratung von Menschen, für ihre Unterbringung im Notfall und auch für ihre psychosoziale Betreuung«, sagt André Thielmann. Viel zu tun in einem Bereich, den es eigentlich in einem reichen Land wie Deutschland nicht geben sollte. Und der gerade deswegen vielleicht so wenig beachtet wird. Die rumänischen Bauarbeiter übrigens sind nach Rumänien zurückgekehrt und haben sich dort einen Anwalt genommen. Sie versuchen auf diesem Weg im Nachhinein noch an ihr Recht zu kommen. Einige haben auch in anderen euro- Quelle: Konzept nach Cyrus/de Boer 2011, eigene Darstellung Von Menschenhandel betroffene Branchen Abfallwirtschaft Zeitarbeit Verkauf / Einzelhandel Metallindustrie Spedition / Lager Gärtnerei Fleischindustrie Sexgewerbe Haushalt / Kinderbetreuung Pflege Landwirtschaft Gastronomie / Hotel Bau 0 Quelle Infografiken: Diakonie Wuppertal 2 4 6 8 10 12 14 16 18 In die Welt für die Welt 1 / 2015 Thema Menschenhandel das zeitlich begrenzt ist. Wer aber nirgendwo Informationen über seine Rechte bekommt, kann sie auch nicht wahrnehmen. Außerdem trauen sich viele nicht, Anzeige zu erstatten, entweder aus Angst vor den Menschenhändlern oder weil sie fürchten müssen, nach einem Prozess sofort abgeschoben zu werden. Für Nicht-EU-Bürger jedenfalls ist das die Regel, wenn sie keinen Aufenthaltstitel haben. 9 Thema Menschenhandel 10 »Die Dinge klar beim Namen nennen« Insgesamt waren es sechs Frauen, fünf haben die Klage dann aber zurückgezogen. Wahrscheinlich weil man ihnen gedroht oder sie bezahlt hat. Der Fall ging – wie nicht anders zu erwarten – verloren. Mehr als 20 Millionen Männer, Frauen und Kinder sind weltweit Opfer des Menschenhandels. Laut Berichten der UNO werden weltweit jährlich schätzungsweise 700.000 Frauen als moderne Arbeitssklavinnen missbraucht, sexuell ausgebeutet oder zwangsweise verheiratet. Im Gespräch mit ANNETTE LÜBBERS berichtet IRENE GIRSANG, seit 2008 Referentin für interregionale Frauenprogramme, über ihre Erfahrungen. Schon in der Mitte des 19. Jahrhunderts wurden erste zwischenstaatliche Abkommen zur Verhinderung des Handels mit Frauen und Mädchen abgeschlossen. Wo liegen aus Ihrer Sicht die Gründe dafür, dass dieser globale Handel anscheinend ungebremst weitergeht? Ich denke, dass die Gründe dafür sich über die Jahrzehnte nicht verändert haben: Geschäftemacher nutzen die Zwangslagen, in denen sich viele Frauen befinden, für ihre Zwecke: Armut, Perspektivlosigkeit, mangelhafte Bildung, die hohe Arbeitslosigkeit und ihren eingeschränkten Zugang zu Informationen. Dazu kommt, dass Frauen in patriarchalisch strukturierten Gesellschaften noch immer als Menschen zweiter Klasse und damit als verfügbare ›Ware‹ betrachtet werden. Wie sieht die Situation in Ihrem Heimatland Indonesien aus? Indonesien stellt einen großen Anteil der Arbeitsmigrantinnen und -migranten. Etwa 70 Prozent davon Frauen. Der überwiegende Teil arbeitet in Malaysia, den arabischen Emiraten und in Hongkong. Viele Agenturen verdienen gutes Geld mit der Vermittlung von Arbeitskräften ins Ausland. Womit werden die Frauen und Mädchen gelockt? Im Regelfall wird erklärt, dass die Frauen und Mädchen gute Jobs als Haushaltshilfen erhalten werden. Oft wird ihnen der Verdienst in Rupien vorgerechnet. Das hört sich dann nach sehr viel Geld an. Tatsächlich ist die Bezahlung vor Ort viel weniger wert. Über die tatsächlichen Lebensbedingungen wird In die Welt für die Welt 1 / 2015 geschwiegen: die langen Arbeitszeiten, die miserable Bezahlung, die schlechten Unterkünfte, das ›auf sich allein gestellt sein‹. Dabei haben die Frauen noch Glück, wenn sie tatsächlich im Haushalt Arbeit finden. Andere werden stattdessen in Bordelle verkauft. Das stimmt. Während einer Besuchsreise in Indonesien im Jahr 2008 haben wir in der Nähe von Pematangsiantar ein Dorf besucht, dessen Namen Bukit Maraja nur hinter vorgehaltener Hand ausgesprochen wird. Hier arbeiten – auf regierungseigenem Grund zwischen Palmölplantagen und Wäldern – etwa 250 Prostituierte. Die Häuser sind klein und dunkel. Die Frauen leben dort mit ihren Kindern – und ihren Zuhältern. Nach dreijähriger ›Arbeit‹ werden die Frauen zwangsweise in ein anderes Dorf gebracht, damit neue ›Ware‹ untergebracht werden kann. Ist diesen Frauen eine Rückkehr in die Gesellschaft überhaupt möglich? Kaum. Sowohl Christinnen als auch Muslima gelten – wenn sie als Prostituierte gearbeitet haben – als unrein. Unabhängig davon, ob es ihre freie Entscheidung war oder ob sie gezwungen worden sind. Welche Chancen haben Zwangs prostituierte in Indonesien, die Verkäufer ›menschlicher Ware‹ zu verklagen? Ohne anwaltliche Hilfe so gut wie keine. Aber einen Anwalt können sich nur wenige leisten. Ich habe eine ehemalige Zwangsprostituierte kennengelernt, die tatsächlich ihre Agentur verklagt hat. Welche Strafe erwartet einen Menschenhändler, wenn er angezeigt wird? Leider eine sehr geringe. 2008 lernte ich in einem indonesischen Gefängnis eine Frau aus Malaysia kennen, die gerade mal zu einem Jahr verurteilt worden war. Sie erzählte mir, dass sie kein Problem damit hat, im Monat etwa 50 Frauen in die arabischen Emirate zu verkaufen. Im gleichen Gefängnis saß ein 13-jähriges Mädchen, das zwei Jahre absitzen musste, weil sie bereits vom Baum gefallene Palmölfrüchte ausgesammelt hatte. Da stellt sich natürlich die Frage nach der Verhältnismäßigkeit in der Rechtsprechung. Die VEM hat das Thema Menschenhandel bereits seit etwa 20 Jahren auf der Tagesordnung. Was tun die Mitglieds kirchen, um den betroffenen Frauen zu helfen? Obwohl die Kirchen in Afrika und Asien größeren Einfluss auf ihre Gesellschaften haben als etwa die Kirchen in Deutschland: Aus eigener Kraft können sie diesen Handel natürlich nicht unterbinden. Aber es ist hilfreich, dass einige Kirchen – etwa die GKJW (Christliche Kirche in Ostjava) in Indonesien – sehr klar formulieren: Diese Frauen sind Mitglieder unserer Gemeinden. Wir sind mitverantwortlich dafür, was mit ihnen geschieht. Die Dinge klar beim Namen nennen, die Arbeitsverhältnisse vor Ort wahrheitsgemäß beschreiben und die Frauen aufklären: Das hilft schon viel. Annette Lübbers ist freie Journalistin in Wuppertal. Fotos: Ilse Straube / VEM, Anneliese Hahn Wong / VEM Therapie durch Kunst: Migrantinnen im Diese beiden Migrantinnen Kotkiho Shelter, der Dachorganisation üben für den Handarbeitsunter- verschiedener Unionen indonesischer richt im Trainingszentrum der Migrantinnen. Die meisten Migrantinnen Chinesisch-Rheinischen Kirche sind Muslime. in Hongkong. Hongkong: Ziel vieler Arbeitsmigrantinnen In die Welt für die Welt 1 / 2015 Thema Menschenhandel Ausgenutzt und weggeschickt 12 Arbeitsmigrantinnen in Hongkong Von Mariyam Magdalena S eit nunmehr drei Jahren betreue ich als Pastorin und Seelsorgerin Migrantinnen in der asiatischen Metropole Hongkong. Zu Beginn hatte ich viele Selbstzweifel: Zuhause in Indonesien betreute ich eine christliche Gemeinde, nun sollte ich einer Frauengruppe helfen, die zu 95 Prozent aus Musliminnen bestand. Natürlich schossen mir damals viele Fragen durch den Kopf: Werden diese Frauen mich überhaupt brauchen? Und wenn sie mich brauchen, werde ich ihnen helfen können? Werden sie meine Betreuung annehmen? Die Migrantinnen aus Indonesien haben viele Probleme. Mein erster Eindruck: Die Lebensrealität der Migrantinnen ist eine andere, als ich sie bis dahin gewohnt war: Ihre Kleidung ist moderner. Sie kommunizieren mit teuren elektronischen Markenprodukten. Ihr Selbstbewusstsein ist größer. Ihre indonesische Höflichkeit weicht im Laufe ihres Aufenthaltes einer größeren Direktheit. Und viele sprechen die hier gesprochene Sprache – Kantonesisch – schon sehr gut. Trotz aller Anpassungsleistung: Die Migrantinnen aus Indonesien haben viele Probleme. Da war zum Beispiel Erwinia. Sie war damals 23 Jahre und stammte aus Ostjava. Im Januar 2014 kehrte sie nach acht Monaten Arbeit als Haushaltshilfe nach Hause zurück – ohne jede Gehaltszahlung. Außerdem war sie sehr krank. Ihr Gesicht, ihre Arme und Beine waren mit Krätze bedeckt. Sie war unterernährt, litt an offenen Wunden und ihre Haut war mit Blutergüssen übersät, weil ihr Arbeitgeber sie ständig verprügelt hatte. In der Nacht durfte sie nur drei Stunden schlafen. Bevor er sie nach Hause schickte, erhielt sie 75 Cent und ihr Arbeitgeber drohte damit, ihre Familie zu töten, falls sie ihn bei der Polizei anzeigen sollte. Eine andere Migrantin – nennen wir sie Maria – wurde dagegen von ihrem Ehemann in der Heimat und dessen Familie Diese Übung soll die Persönlich keitsbildung der jungen Frauen fördern. In die Welt für die Welt 1 / 2015 Fotos: Mariyam Magdalena An Köpfen aus Pappmaché lernen die Migrantinnen im CRC-Trainingszentrum Grundlagen des Friseurhandwerks. Stolz präsentieren die jungen Frauen ihre selbstgekochten kulinarischen Köstlichkeiten des Kochkurses im CRC- Trainingszentrum. ausgenutzt. Er und seine Eltern hatten Maria zur Arbeit nach Hongkong geschickt, damit sie dort die Schulden ihres Mannes abzahlen sollte. Jeden Monat musste sie ihr mühsam verdientes Geld nach Hause schicken, obwohl sie wusste, dass ihr Ehemann sich von ihr trennen wollte, sobald sie die Schulden abbezahlt hätte. Immer wieder wurde sie gedemütigt. Die Familie ihres Mannes behauptete, sie besäße keinen guten Charakter. Dabei lernte ich Maria als treue und geduldige Frau kennen. Gegen Ende unseres Gespräches sagte Maria: »Ich fühle mich nun gelöst und ruhig, vielen Dank. Bitte bete weiter für mich, damit ich stark werde.« Hongkong von ihren Familien und ihren Ehepartnern getrennt. Natürlich ist eine wahrhaftige Ehe nicht an Ort und Distanz gebunden ist. Aber viele Migrantinnen fühlen sich einsam und alleine. Das sind besondere Herausforderungen, an denen viele scheitern. Die Folge: zerrüttete Ehen und viele Scheidungen. Mit der Zeit kamen immer mehr Migrantinnen mit ganz ähnlichen Problemen zu mir. Ich versuche, ihnen mit Feinfühligkeit und Verständnis zu begegnen. Schließlich weiß ich, wie hart das Leben im Ausland sein kann. Mein eigener Mann, den ich im Dezember 2013 heiratete, arbeitet weiterhin in Indonesien. Wie ich sind die meisten Migrantinnen in Meine größte Herausforderung als Seelsorgerin für muslimische Migrantinnen besteht allerdings darin, den besonderen Anforderungen ihrer Spiritualität gerecht zu werden. Ich achte ihre Religion, und ich möchte, dass ihnen Zeit für ihre Spiritualität bleibt. Jedes Zusammenkommen beginnen wir mit einem interkonfessionellen Gebet. Die Versammlungen werden abwechselnd von einem Muslim und einem Christen geleitet. Die Lieder, die wir singen, sind muslimisch und christlich. Andere Formen der Entwicklung suchen wir im spirituellen Tanzen. Das mögen die Migrantinnen sehr. Damit können sie ihre Gefühle ausdrücken, ohne viel zu reden. Wenig Rechte für Arbeitsmigrantinnen in Hongkong In der chinesischen Sonderverwaltungszone Hongkong arbeiten derzeit etwa 300.000 Arbeitsmigrantinnen als Hausangestellte. Die allermeisten sind Filipinas und Indonesierinnen. Die Frauen mussten bislang in der Regel den Gegenwert von drei bis sechs Monatslöhnen als Gebühren an ihre Rekrutierungsbüros zahlen, obwohl nach geltendem Recht die Agentur nur eine Gebühr von höchstens 10 Prozent des ersten Monatslohns erheben darf. Im September 2013 wurde der Mindestlohn für Hausangestellte von 3740 HK-Dollar (ca. 483 US-Dollar) auf 3920 HK-Dollar (ca. 506 US-Dollar) pro Monat erhöht. Vielen Migrantinnen und Migranten wird dieser Mindestlohn allerdings nicht ausgezahlt. Der überwiegende Teil lebt in winzigen Zimmern in den Räumlichkeiten des Arbeitgebers. Auch der gesetzlich verpflichtende eine freie Tag pro Woche wird ihnen oft nicht gestattet. Die Frauen arbeiten im Durchschnitt etwa 17 Stunden pro Tag. Etwa ein Viertel wird verbal oder physisch belästigt und etwa ein Fünftel sexuell missbraucht. Mariyam Magdalena ist als Süd-SüdMitarbeiterin der VEM Pastorin und Seelsorgerin für Migrantinnen in der asiatischen Metropole Hongkong. 2007 hat sie an dem VEMProgramm Ökumeni sche Wohngemein schaft teilgenommen. Quelle: Amnesty International, Welt-Sichten und »20 Minuten AG«, Zürich In die Welt für die Welt 1 / 2015 13 Stimme des Generalsekretärs 14 »Nehmt einander an, wie Christus euch angenommen hat zu Gottes Lob« Von Fidon Mwombeki W as für eine Herausforderung! Das Wort Gottes fordert uns – durch Paulus – auf, dass wir einander akzeptieren, aufnehmen und willkommen heißen. Warum? Weil wir verschieden sind! Gott hat uns unterschiedliche Gaben aller Art gegeben. Jeder von uns hat ein anderes Gesicht, eine andere Körpergröße, Augenform, andere Haare. Unsere Hautfarbe ist verschieden. Wir haben unterschiedliche Sprachen, Kulturen, Bildungsniveaus und Weltanschauungen. Paulus bezieht sich hier auf Unterschiede in den theologischen Überzeugungen (Römer 14), insbesondere im Hinblick darauf, welche Nahrungsmittel Christen zu sich nehmen dürfen. Ihm geht es vor allem darum, dass keiner von uns nur sich selbst im Blick haben sollte, sondern vielmehr die anderen, besonders diejenigen, die Hilfe brauchen (14,7, 15,1). Er ermahnt alle, nicht über Meinungen zu streiten (14,1) oder einander zu verurteilen (14,13). Man sollte sogar vermeiden, etwas zu tun, was man für richtig hält, wenn andere daran Anstoß nehmen könnten (14,15, 14,21). Die Stärkung der Gemeinschaft ist wichtiger In die Welt für die Welt 1 / 2015 als der individuelle, eigene Genuss oder theologische Überzeugungen. Nehmt einander an, wie Christus euch angenommen hat! Das ist der Maßstab! Die Frage ist: Wie hat Christus uns akzeptiert oder angenommen? Gerade so, wie wir sind! Mit all unseren Unterschieden, Ungleichheiten, Unvollkommenheiten und mit all unseren Zweifeln – wir sind am Kreuz willkommen! Gott entscheidet sich dafür, unsere zahlreichen Fehler zu übersehen, die wir immer wieder machen, und nimmt uns in Christus an – in das Leben in Freiheit. Gott, in Christus, legt uns keine Stolpersteine in den Weg, sodass wir fallen, sondern er richtet uns auf, damit wir die Schwierigkeiten, denen wir auf unserem Weg begegnen, überwinden und weitergehen. Niemand möchte sein Heimatland verlassen… Wenn wir uns in diesem Jahr mit diesem Vers beschäftigen, müssen wir uns fragen, wie wir miteinander umgehen, auch unter und in den Kirchen. Es gibt Kirchen, die wegen unterschiedlicher theologischer Überzeugungen in ethischen Fragen die Beziehungen zu ihren ökumenischen Partnern abgebrochen haben. Kirchen in Deutschland fällt es schwer, in ihren Beziehungen zu Christen mit Migrationshintergrund Gastfreundschaft zu gewähren. Diese wiederum finden es schwierig, Teil der Volkskirche zu werden! Als Mitglied des Rates der EKD freue ich mich, die neue Dynamik im »Verbindungsmodell« zu erkennen, das Unterschiede zwischen der VELKD und der UEK relativieren soll – Unterschiede, die überall sonst auf der Welt überholt sind. Ich gehörte der globalen Kommission von Lutheranern und Katholiken an, die das Buch Vom Konflikt zur Gemeinschaft herausgegeben hat, um Möglichkeiten zu finden, das 500-jährige Jubiläum der Reformation gemeinsam zu feiern, was ich für einen sehr positiven Schritt halte. Wir sind alle Christen. Wir finden einander am Kreuz und sind dazu berufen, einander einfach zu akzeptieren und zu lieben. Derzeit hören wir hitzige Debatten über Zuwanderung und Integration. Viele äußern sich besorgt wegen der zunehmenden Fremdenfeindlichkeit in zahlreichen europäischen Ländern. Während wir allzu oft die Bilder von Schiffen mit verängstigten Menschen im Mittelmeer sehen, beobachten wir z ugleich die wachsende politische Popularität derjenigen, die die Türen Europas vor Neuankömmlingen verschließen wollen. Manchmal denke ich, vielen Menschen in Europa ist nicht klar, dass die meisten Flüchtlinge in der Welt tatsächlich nicht einmal davon träumen, nach Europa zu kommen. Die meisten sind Vertriebene in ihrem eigenen Land oder in Nachbarländern, wo sie Zuflucht suchen. Ich erinnere mich, dass sehr viele Menschen während des Völkermords in Ruanda über die Grenze in mein Heimatland Tansania kamen und in der Nähe der Grenze eine »Flüchtlingsstadt« im Busch entstand, die innerhalb von zwei Wochen zur drittgrößten »Stadt« des Landes wurde. Jahrelang lebten dort mehr als 300.000 Menschen. Mein Heimatland Tansania Stimme des Generalsekretärs hat über Jahrzehnte Tausenden von Flüchtlingen eine Zuflucht geboten – Flüchtlingen aus den Nachbarländern Ruanda, Kongo, Südafrika, Mosambik, Uganda, Burundi etc. Erst im vergangenen Jahr wurden mehr als 160.000 Langzeitflüchtlinge aus Burundi, die nicht zurückkehren wollten, in Tansania eingebürgert. Daher überraschen mich die Diskussionen in Deutschland, bei denen es um die Aufnahme von 5000 Flüchtlingen aus Syrien geht! Die meisten syrischen Flüchtlinge halten sich im benachbarten Libanon und anderen Ländern auf und nur wenige können sich vorstellen, nach Europa zu kommen. … wenn die Lebensumstände ausreichend sind. Dass wir einander als Menschen akzeptieren, ist eine entscheidende Voraussetzung für das Zusammenleben in unserer Welt. Wir sind nicht aufgerufen, nur Christen anzunehmen, sondern alle Menschen, denn wir glauben an einen Gott und dass Jesus für alle Menschen gestorben ist. Daher müssen wir uns an die Seite derjenigen stellen, die darum ringen, ein menschenwürdiges Leben führen zu können, und ihnen durch unsere anwaltschaftliche Arbeit und Entwicklungshilfe helfen, dies zu erreichen. Niemand möchte sein Heimatland verlassen, wenn die Lebensbedingungen ausreichend sind. Aber alle Menschen versuchen, ihre Lebensumstände zu verbessern. Aus diesem Grunde haben die Europäer in den vergangenen zwei Jahrhunderten Kontinente und Länder kolonisiert, wie Nord-, Mittel- und Südamerika, Afrika Foto: Ilse Straube / VEM 15 Dr. Fidon Mwombeki und die pazifischen Inseln. Häufig haben sie bei ihrer egoistischen Suche nach Freiheit und einem guten Leben die einheimische Bevölkerung ausgelöscht. Ich frage mich, wie viele Europäer sich in Brasilien, Argentinien, Chile, den USA, Kanada, Namibia, Kenia, Australien, in der Karibik und auf den pazifischen Inseln angesiedelt haben. Europäische Kirchen haben sogar Geistliche für die Betreuung der Siedler im Ausland entsandt, aber gleichzeitig sind die Menschen aus diesen Ländern in Europa nicht willkommen – nur ihre Rohstoffe dürfen einreisen! Vor einigen Jahren brachte die VEM ein Poster heraus mit dem Titel »Christus hat viele Gesichter«. Es hängt in meinem Büro, um mich immer daran zu erinnern, dass ich in den Menschen mit ihren unterschiedlichen Bedürfnissen und Lebenssituationen Jesus treffe und diene. Wenn wir Menschen, die in Not sind, willkommen heißen und unser Bestes tun, um ihnen zu helfen, dann dienen wir dem Herrn. Darum geschieht dies zur Ehre Gottes. Jesus sagt in Matthäus 25,37– 40: Dann werden ihm die Gerechten antworten und sagen: Herr, wann haben wir dich hungrig gesehen und dir zu essen gegeben, oder durstig und haben dir zu trinken gegeben? Wann haben wir dich als Fremden gesehen und haben dich aufgenommen, oder nackt und haben dich gekleidet? Wann haben wir dich krank oder im Gefängnis gesehen und sind zu dir gekommen? Und der König wird antworten und zu ihnen sagen: Wahrlich ich sage euch: Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan. … Wahrlich, ich sage euch: Was ihr nicht getan habt einem von diesen Geringsten, das habt ihr mir auch nicht getan. Dr. Fidon Mwombeki ist Generalsekretär der Vereinten Evangelischen Mission. In die Welt für die Welt 1 / 2015 illionen Opfer von Menschenhandel Als aber die Kaufleute vorbeikamen, verkauften sie ihn für 20 Silberstücke. 1. Mose 37, 28 9 0 0 0 0 0 * Für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung Rudolfstraße 137 · 42285 Wuppertal · www.vemission.org KD-Bank eG · IBAN: DE 45 3506 0190 0009 0909 08 · Stichwort »Menschenrechte« Gegen Menschenhandel. Für Menschenrechte. 2 0 Gestaltung: Jola Fiedler / MediaCompany – Agentur für Kommunikation GmbH, Foto Hand: © John Woodworth – gettyimages Weltweit gibt es mehr als 20,9 Partnerschaft 18 Wie geht eigentlich Partnerschaft? Von Regine Buschmann E in bisschen mutet der Titel durchaus als Frage nach einem Rezept an. Vielleicht geht Partnerschaft so: 500 Gramm freundschaftliche Beziehungen, 150 Gramm interkulturelles Verständnis, 6 Reisen, 150 Gramm Geduld und Langmut, 2 Teelöffel Kenntnisse der jeweiligen Sprache und Geld nach Geschmack. Das Ganze gut miteinander vermengen und mindestens 20 Jahre bei 35 Grad auf mittlerer Schiene im Backofen garen. Das Ergebnis: ein meistens leckerer Kuchen aus verschiedenen Farben wird in unterschiedlich große Stücke geteilt und über die Jahre und Jahrzehnte verzehrt. Und was bleibt am Ende: ein Teller mit Krümeln? So einfach geht es wohl nicht – aber so frustrierend ist es zum Glück am Ende in den meisten Fällen auch nicht. Wo kommen wir her, was sind unsere Wurzeln? Als vor 35 bis 40 Jahren die Idee der ökumenischen Patenschaften (und ich schreibe bewusst »Patenschaft« und noch nicht »Partnerschaft«) aufkam, ging es den Missionswerken darum, die Beziehungen und Kontakte der Landeskirchen über das Missionswerk in die Kirchen des Südens zu intensivieren. Ich nenne es zu der Zeit noch Paten-/Partnerschaften, weil es deutliche Tendenzen von Pateneltern im Norden und Patenkindern im Süden gab. Durch diese Paten/Partnerschaften sollten ökumenische Beziehungen Gesichter bekommen. Auf beiden Seiten im Norden wie im Süden. Nicht mehr Oberkirchenräte und Präsides, nicht mehr Mitglieder der Ökumene-Ausschüsse, sondern Gemeindeglieder von der Basis der Kirchen in Deutschland und in Afrika und Asien In die Welt für die Welt 1 / 2015 sollten sich begegnen können. Das Wort »Augenhöhe« war damals noch nicht geboren. Es ging darum, dass Gemeinden und Kirchenkreise in Deutschland Mitverantwortung für die Gemeinden im Süden übernehmen sollten. Der Gedanke der Süd-Nord-Bewegung hat damals noch keine Rolle gespielt. Natürlich ging es auch ums liebe Geld, das wir in gemeinsamer Verantwortung miteinander teilen wollten. Aber für Menschen, die ich kenne, für Kirchengebäude, in denen ich schon Gottesdienst gefeiert habe, gebe ich doch noch viel lieber etwas ab als für anonyme Projekte. Da können diese noch so gut aufbereitet und kommuniziert sein. Die ökumenischen Paten-/Partnerschaften entstanden in einer Zeit der hohen Aufmerksamkeit für Afrika. Besonders die Boykottbewegung: »Keine Früchte aus Südafrika« hat den schwarzen Kontinent immer wieder in den Fokus der Medien und damit der Menschen in Deutschland gebracht. Viele meiner Generation und der Generation meiner Eltern sind über diese Boykottbewegung in der Mission, heute sagen wir lieber in der ökumenischen Zusammenarbeit, gelandet. »Dem Fremden begegnen« war der Titel eines der ersten Partnerschaftsseminare, das ich in den 1980er Jahren besucht habe. Auseinandersetzung mit der fremden Kultur, Verständnis für die fremde Kultur und das Entdecken von Unterschieden und Gemeinsamkeiten waren die hauptsächlichen Lern erfahrungen. Sie waren der Beginn der partnerschaftlichen Arbeit, des partnerschaftlichen Wahrnehmens der Gemeinsamkeiten und Unterschiede. Meine ersten Begegnungen mit solchen Paten-/Partnerschaften fanden 1982/83 statt. Damals Foto: Ramona Hedtmann / VEM Allerdings waren schon damals die Paten-/Partnerschaften nicht nur Programme der missionarischen Arbeit, sondern auch der Entwicklungszusammenarbeit. Unter dem Dach der weltweiten Kirche gemeinsam am Aufbau und der Ausbreitung des Evangeliums mitwirken – so könnte man, und so kann man bis heute, den Sinn von ökumenischen Partnerschaften beschreiben. Da ging es damals – und geht es vielfach heute noch – um das Teilen der Finanzen, um den Aufbau von Gemeinden und Kirchen, um die Aus-, Fort- und Weiterbildung der Mitarbeitenden. Damals nur im Süden, heute immer mehr auch hier im Norden. Ein Aspekt noch: Der Gemeindedienst für Weltmission, besser seine Mitarbeitenden, war damals noch in den Händen der Vereinigten Evangelischen Mission und ganz maßgeblich an der Initiierung und dem Aufbau der Paten-/Partnerschaften beteiligt. Über 100 Paten-/Partnerschaften sind seitdem in der VEM entstanden. Das ist ein Erfolgsmodell für missionarische Entwicklungszusammenarbeit. Schon zu Anfang der 1980er Jahre waren es dann Menschen wie Dietrich Hempel, die mit ihren Ideen von »Partnerschaft auf Augenhöhe« neue Wege gehen wollten und neue Konzepte entwickelt haben. Das Freiwilligenprogramm der VEM war ein solches Konzept. Dietrich Hempel sagte zu mir, als er mich während meiner Diakoninnen-Ausbildung werben wollte für ein solches Jahr: »Wir wollen den Afrikanern zeigen, dass wir nicht nur unsere Experten nach Tansania schicken, sondern auch unsere Auszubildenden. Afrika hat viel beizutragen, und Du wirst das Jahr nicht bereuen«. Wie recht er haben sollte, ist mir dann erst viel später klar geworden. Hempel und seine Mitstreiter haben die Partnerschaftsarbeit grundlegend verändert. Vom Verhältnis Patenonkel – Patenkind ging es zur Entwicklung von Verhältnissen und Beziehungen gleichberechtigter Menschen zueinander. Entscheidungen der jeweiligen Seite sollten respektiert werden. Die Afrikaner hatten zu entscheiden, wofür in Deutschland gesammeltes Geld auszugeben war. Es wurden Partnerschaftsverträge entwickelt, die beide Seiten in die Pflicht nehmen sollten. Bei Besuchen aus dem Süden nach Deutschland waren es zu Anfang revolutionäre Gedanken, dass die Afrikaner etwas zur Finanzierung ihrer Reise beitragen sollten. Ich erinnere mich an Besuchergruppen, die tansanisches Kunsthandwerk im Gepäck hatten, welches hier dann in den Weltläden verkauft wurde. Das waren und sind lange und schwierige Prozesse, aber am Ende lohnen sie sich immer. Die Zutaten zum Partnerschaftskuchen haben wir langsam gefunden, das Rezept hat sich über die Jahre entwickelt, ist verändert – und verbessert worden. Wir glauben, dass wir jetzt wissen wie es geht! Schauen wir doch noch mal genau hin! Wo stehen wir? Was haben wir erlebt und welche Schlüsse ziehen wir daraus? Platz für eine Bildunterschrift Im Schnitt 30 + X Jahre später stehen die Partnerschaften aus meiner Sicht heute an einem Scheideweg. Wahrscheinlich sind es sogar mehrere. Die Aufbaujahre und ihre oft abenteuerliche Entwicklung sind vorbei. Man hat sich gesettlet, man kennt sich, man weiß, wie der oder die andere tickt. An manchen Stellen stellt sich Langeweile ein. Das ist wie mit einer alten Freundschaft: Manchmal wird die Pflege derselben mit den Jahren mühsam. Manchmal lebt man sich auseinander. Manchmal gehen persönliche Entwicklungen in ganz gegensätzliche Richtungen. Das gilt es wahrzunehmen und zu respektieren. Vor allem Tansania hat in den vergangenen 30 Jahren eine rasante Entwicklung genommen. Dabei mitzukommen, wenn man 9.000 Kilometer entfernt lebt, ist nicht so ganz leicht. Es ist aber auch ein großer Schatz einen so langen Teil des Lebensweges miteinander geteilt zu haben. Viele Mitglieder in Partnerschaftsgruppen auf der deutschen Seite sind in die Jahre gekommen. Oft hat jüngerer Nachwuchs nur wenige Chancen hineinzukommen in die alten Strukturen und Abläufe. In manchen Partnerschaftskreisen sind gute persönliche Beziehungen entstanden, die man durch neue Leute nicht aufs Spiel setzen möchte. Und die Ideen der jungen Leute werden manchmal abgebügelt mit Sätzen wie: »Das haben wir vor Jahren alles schon probiert – damit sind wir durch.« Dabei sollten wir den jungen Menschen, die sich engagieren möchten, doch zugestehen, ihre eigenen Erfahrungen zu machen. Sie werden nie genau die gleichen sein wie diejenigen, die wir selber vor Jahren gemacht haben. Sie werden jeder Partnerschaft neue Nuancen und Perspektiven, manchmal sogar neue Ideen und Richtungen geben. Und dass die jungen Menschen sich nicht mehr so lange binden wollen im ehrenamtlichen Engagement wie wir das getan haben? Was soll’s? Neue Menschen auf der deutschen Seite mobilisieren auch neue Menschen in Tansania, und darin liegt die große Chance und Zukunft. Das liebe Geld in Deutschland wird weniger, an vielen Stellen in Tansania wird es mehr. Wir haben aus Daressalam zum Beispiel eine Besuchsreise nach Hongkong gehabt, die haben die Daressalamer aus eigener Tasche bezahlt. Das würde manche von uns hier finanziell schon überfordern. Es ist aber In die Welt für die Welt 1 / 2015 Partnerschaft habe ich als eine der ersten VEM-Freiwilligen in der Karagwe Diözese im Nordwesten Tansanias Dienst getan. Die Unterstützung von Projekten war ein großes Thema. Meist entschieden die deutschen Partner, welche Projekte aus ihrer Sicht förderungswürdig waren, und die Afrikaner hatten sie dann umzusetzen. Viel Sinn ist da gefördert worden, aber mindestens genau so viel Unsinn. Ich erinnere mich an einen Container voll mit medizinischen Geräten für ein Krankenhaus in Tansania. Alles abhängig von Elektrizität und fließendem Wasser. Beides gab es Anfang der achtziger Jahre noch lange nicht überall in der bedachten Region. Aus automatisch zu spülenden Bettpfannen wurden Kochtöpfe, die teuersten, die es dort jemals gegeben hat. Tragischerweise ist die Liste solcher Beispiele lang und sie finden sich sowohl in Afrika wie auch in Asien. Den guten Willen habe ich nie infrage gestellt, die Sinnhaftigkeit mancher Projekte jedoch wohl! 19 Partnerschaft 20 ein ganz neuer Blick auf die tansanische Seite. Gemeinden in Daressalam bauen riesige Kirchen für tausende von Euro. Ich habe 2012 in einer Gemeinde gepredigt, wo die sonntägliche Kollekte mindestens bei umgerechnet 10.000 Euro liegt. In einem ganz normalen Gottesdienst. Das stellt für viele von uns unser Weltbild auf den Kopf – und damit unser Bild von Partnerschaft. Bitte nicht falsch verstehen: Der größere Teil der tansanischen Kirchengemeinden ist nach wie vor bitter arm, aber es gibt die andere Seite inzwischen eben auch. Aber wie kann unsere Partnerschaft aussehen, wenn Projektfinanzierung nicht mehr eine große Rolle spielt? Wie wollen wir dann unsere Partnerschaft gestalten? Für manche Partnerschaften ist die Kündigung des Partnerschaftsvertrages die einzige Perspektive. Sie sind in einer Sackgasse gelandet. Es gibt, vor allem in Deutschland, keine Menschen mehr, die sich engagieren wollen und können, die sich begeistern lassen. Vor wenigen Jahren wäre das noch undenkbar gewesen. So wie Mission im Horizont der Ewigkeit stattfindet, so sind Partnerschaften auf Lebenszeit angelegt. Wessen Lebenszeit denn? Wir müssen uns erlauben offen und ehrlich hinzuschauen und dann Entscheidungen zu treffen. Manchmal sind sie schmerzhaft, manchmal aber auch erlösend. Wir dürfen sie hier in Deutschland nicht alleine treffen, sondern uns mit unseren Partnern auf den Weg zur Lösung machen. Aber wenn es wirklich nicht weiter geht, dann sollen wir dazu ehrlich stehen. Und nach Möglichkeit woanders einen neuen Anfang suchen. Die modernen Kommunikationsmittel erleichtern manches. Mail und SMS sind an der Tagesordnung, der Süden der Welt ist über facebook und whatsapp weit besser vernetzt als der Norden. Die junge Generation hält damit ganz einfach eine Kommunikationsfrequenz aufrecht, die mir jedenfalls immer wieder Respekt abnötigt, der ich mich aber auch nicht unterordnen möchte. Dennoch: Zephania Kameeta, mein Vorgänger als Moderator der VEM und Alt-Bischof in Namibia, hat bei einem Gottesdienst in der Zionskirche in Bethel einmal gesagt: »Du kannst einen Computer nicht umarmen.« Und damit hat er für mich ganz deutlich gemacht, dass auch die Zukunft ökumenischer Beziehungen in der Begegnung von Menschen liegt. mationen bei. Sie sind ein deutlich sichtbares Zeichen dafür, dass die Kirche Gottes eine weltumspannende ist und dass die Geschwisterschaft innerhalb dieser Kirche eine Wirklichkeit ist, ohne die Kirche und ihre Mission nicht vollständig und denkbar wäre. Sie sichern die Teilhabe an Gottes Reich und das Teilen der uns von Gott gegebenen Gaben. Ohne die Partnerschaften ist für mich Mission im 21. Jahrhundert nicht vorstellbar. In den Partnerschaften und durch sie findet evangelische Entwicklungszusammenarbeit statt. Das ist klassische Projektfinanzierung ebenso wie die Unterstützung in der Qualifizierung von haupt-, ehren- oder nebenamtlich Mitarbeitenden. Das ist Personalaustausch in alle Richtungen und auch in den unterschiedlichen Berufen. Für Deutschland ist das außerhalb des Pfarramtes aus Visumsgründen leider noch nicht möglich, aber ich hoffe, dass wir in der nicht allzu weit entfernten Zukunft Menschen anderer Berufsgruppen nach Deutschland einladen können und unser Wissen und unsere Expertise miteinander teilen können. Den Aspekt der Mission im neuen Gewand möchte ich hier nicht vergessen. In Partnerschaften wird die Bibel geteilt. Wir teilen uns gegenseitig unsere Auffassung und unser Verständnis des Wortes Gottes mit. Wir können füreinander und miteinander beten und die Kraft des Gebetes als lebendiges Zeichen der Verbundenheit erleben. Wir bauen miteinander an Gottes Reich. In einer sich immer weiter verweltlichenden Alltagswirklichkeit legen wir Zeugnis ab von der weltumspannenden Gemeinschaft der Christen. Und das ist gut so! Die Herausforderungen sind da. Moderne und rasante Kommunikation, volle Terminkalender, das immer schneller werdende Leben nicht nur hier in Deutschland, sondern auch in Afrika und Asien, die sich verschiebenden wirtschaftlichen Ausgangslagen. All dem und vielem mehr müssen Partnerschaften sich stellen und kreative neue Ideen entwickeln und den Mut haben, diese mit ihren Partnern zu kommunizieren und umzusetzen. Ein neues Rezept? Habe ich nicht im Gepäck. Und das wäre auch nicht gut, denn die Zutaten sind in jeder Partnerschaft ein bisschen anders. Aber lassen Sie den Ofen nicht ausgehen, die Backform ist stabil und die Zutaten kennen Sie gut. Für mich ist die Partnerschaftsarbeit eines der größten und spannendsten Abenteuer, auf das Menschen in der Kirche sich einlassen können. Und immer wieder gibt es was Leckeres zum Essen! Viel Freude beim Backen wünsche ich! Wo wollen wir hin? Wie könnte die Zukunft von ökumenischen Partnerschaften aussehen? Zurück zu meinem Partnerschaftskuchenrezept vom Anfang. Bleibt am Ende wirklich nur ein Teller mit Krümeln? Ich bin davon überzeugt, dass das nicht so ist! Wir haben das Rezept und wir wissen inzwischen sogar, wie wir es den neuen Zeiten und Gegebenheiten anpassen können. Wenn also nur noch Krümel auf dem Partnerschaftsteller liegen, dann wird es höchste Zeit einen frischen Kuchen zu backen. Warum? Die über 100 Partnerschaften sind das Rückgrat eines Missionswerkes wie der VEM. Sie sichern und gestalten die Beziehungen zwischen Gemeinden und Kirchenkreisen. Sie tragen deutlich zum Fluss von notwendigen und wichtigen Infor- In die Welt für die Welt 1 / 2015 Diakonin Regine Buschmann ist seit 2008 Moderatorin (Vorsitzende) der Vereinten Evangelischen Mission und in der Öffentlichkeitsarbeit der v. Bodelschwingh schen Stiftungen Bethel in Bielefeld zuständig für Ökumene und Ö ffentlichkeitsarbeit. Die Lust am Lesen wieder entdecken Projekte und Spenden VEM unterstützt Hausaufgabenbetreuung Von Brunhild von Local 21 Die Vereinte Evangelische Mission hat im vergangenen Jahr die Hausaufgaben betreuung des »Christlichen Vereins junger M enschen« CVJM Adlerbrücke in Wuppertal unterstützt. Damit haben sich die Chancen auf Bildung der AdlerbrückenKinder erhöht. »Gleiche Chancen für alle. Bildung ist ein Menschenrecht.« So hieß die Menschenrechtsaktion der Vereinten Evangelischen Mission 2013/2014, die gleichermaßen auch das Ziel der kostenlosen Hausaufgabenbetreuung beim CVJM Adlerbrücke im Wuppertaler Stadtteil Barmen beschreibt. Die Adlerbrücken-Kinder kommen aus osteuropäischen, arabischen und afrikanischen Ländern nach Deutschland und sprechen und verstehen teilweise nur gebrochen deutsch. Die schulischen Anforderungen sind sehr hoch, und die Schülerinnen und Schüler oft mit den Hausaufgaben heillos überfordert. Die Eltern können ihren Kindern meist auch nicht helfen, weil ihnen selbst die nötigen Deutschkenntnisse fehlen. Diese Kinder müssen gefördert werden. »Ziel unserer Arbeit ist es, im Rahmen der Hausaufgaben, die die Schülerinnen in der Schule aufgetragen bekommen, sie bestmöglich zu unterstützen und ihnen Mittel und Wege zu zeigen, wie sie sich selbst Inhalte erarbeiten und erschließen können«, sagt die Leiterin der Hausaufgabenbetreuung Christine Voigt. Foto: Ramona Hedtmann / VEM Christine Voigt, die Leiterin der Hausaufgabenbetreuung, hilft einem Adlerbrücken-Kind bei den Hausaufgaben. VEM erfüllt Wünsche Mit dem Geld der VEM konnte unter anderem ein digitaler Bilderrahmen, ein großer Materialschrank, Büro- und Arbeitsutensilien wie Stifte, Füller, Karteikarten, Radiergummis und vieles mehr angeschafft werden. Und zwei lang gehegte Wünsche konnten schließlich auch erfüllt werden. Eine Leseecke für die Adlerbrücken-Kinder: Ein Ohrensessel mit ein paar Hockern lädt zum Schmökern und Verweilen ein. Die Bücher mit kurzen und längeren Geschichten warten im Regal darauf, gelesen zu werden. Aber auch einige Wissensbücher zu bestimmten Themen konnten von dem Geld gekauft werden, sei es um spezielle Interessen bei den Kindern zu wecken oder sei es um sie bei themenbezogenen Hausaufgaben hinzuziehen zu können. Mit dieser gemütlichen Leseecke sollen die Kinder die Lust am Lesen wieder- oder ganz neu entdecken – auch unabhängig von ihren Hausauf- gaben. »Gerade der gemütliche Sessel, der wie ein Thron anmuten könnte, verführt zum Lesen und Verweilen«, sagt Christine Voigt. Auch der zweite Wunsch konnte erfüllt werden: Ein Grundstock an Montessori-Arbeitsmaterialien für die Fächer Mathematik, Deutsch und Sachkunde steht jetzt für die Besucherinnen und Besucher des CVJM Adlerbrücke bereit. Das pädagogische Material nach Maria Montessori ist sehr gut geeignet, um die Schülerinnen selbstständig arbeiten zu lassen. »Es muss nicht erklärt werden, sondern zielt vielmehr darauf ab, dass Kinder sich Inhalte und Gegenstände handlungsorientiert und eigenständig erschließen«, so Christine Voigt, ganz nach dem Prinzip »learning by doing«. Die Investition in die Bildung dieser jungen Generation erhöht die Zukunftschancen für ein selbstständiges Leben. www.cvjm-adlerbrücke.de In die Welt für die Welt 1 / 2015 22 Die Berliner Historikerin Ursula Trüper ist Nachfahrin in der 6. Generation der späteren Schmelen-Kleinschmidt-Familie. Die »unsichtbare Frau« wird sichtbar Hinrich und Zara Schmelen als Sprachpioniere und Stammeltern gefeiert Von Bettina von Clausewitz Hinrich und Zara Schmelen waren ein ungewöhnliches Paar: der weiße M issionar aus Deutschland und die schwarze Nama-Frau aus Südafrika. Beide haben schon vor 200 Jahren am Kap eine bikulturelle Ehe geführt, wie man heute sagen würde – selbst in der jetzigen globalisierten Welt ist das nicht alltäglich. In dem von Rassentrennung zerrissenen südlichen Afrika passte es erst recht nicht ins Bild. Unvergessen aber sind die beiden auch durch ihre Bibelübersetzung in die Nama-Sprache, ein wichtiger Fundus für Forscher bis heute. Grund genug, sich an Zara und Hinrich Schmelen zu erinnern, deren weitverzweigte multikulturelle Familie im September 2014 erstmals gemeinsam ein großes Fest gefeiert hat. A uch wenn es seinerzeit niemand so gesehen hat: Eine bescheidene Hochzeit auf der Reise mit dem Ochsenkarren durchs Namaland im Jahr 1814 ist bis heute ein Meilenstein der Missionsgeschichte. Damals heiratete der 36-jährige deutsche Missionar Johann Hinrich Schmelen die kluge und anerkannte junge Nama-Frau Zara In die Welt für die Welt 1 / 2015 Hendrichs. Er (1777–1848) stammte aus dem dörflichen Kassebruch bei Bremen und war seit 1811 Missionar der Londoner und Rheinischen Mission in der nord-westlichen Kapkolonie. Sie war mit etwa 20 Jahren deutlich jünger als er (um 1795 in Steinkopf geboren) und wohl kurz zuvor erst von ihm getauft worden, bevor sie ihn auf eine mehrmonatige Reise begleitete – als Ersatz für den erkrankten Diener. Wenig romantisch und schon gar nicht aus Liebe fand diese Hochzeit vermutlich statt, eher aus dem nüchternen Kalkül nicht als unzüchtig zu erscheinen: »... deshalb beschloss ich zuletzt, bevor ich in irgendeinen Verdacht kommen könnte, ihr meinen Antrag zu machen«, schreibt Schmelen in einem seiner Briefe an die Londoner Mission. Über die Hochzeit informierte er seinen Arbeitgeber erst 1817. »Er hat sie drei Jahre lang verheimlicht«, sagt die Berliner Historikerin Ursula Trüper, »auf dem Land gab es zwar mehrere Missionare, die Khoikhoi-Frauen geheiratet hatten, aber in Kapstadt waren solche Ehen zwischen Weißen und Schwarzen verpönt«. Auf ihrer Synode 1817 habe dann auch die Londoner Mission eine Rassentrennung befürwortet. Ursula Trüper ist selbst Nachfahrin in 6. Generation der späteren SchmelenKleinschmidt-Familie. Im Jahr 2000 hat sie ein Buch veröffentlicht, mit dem sie Zara und der vorkolonialen Missions- Fotos: Volkmar Knoch / Hanfgarn & Ufer Filmproduktion GbR Und doch steht Zara heute im Mittelpunkt einer lange verdrängten und vergessenen südafrikanischen Geschichte. Sie ist die Stammmutter einer weit verzweigten Familie, deren Mitglieder bis in die 8. Generation überall auf der Welt verstreut sind: im kleine Ort Komaggas in der heutigen Provinz Nordkap, wo Zara und Hinrich mit ihren vier Kindern Anna, Hanna, Frederika und Nikolas gelebt haben, im benachbarten Namibia, in Deutschland, England, den USA und sogar in Finnland. Wissenschaftliche Bedeutung jedoch hat sie als »Assistentin« ihres Mannes bei der Übersetzung der vier Evangelien in die Sprache der Nama erlangt, die zur Sprachfamilie der Khoikhoi gehört; außerdem entwickelten sie eine Grammatik. »Assistentin« ihres Mannes Diese Sprache galt bis dahin wegen ihrer zahllosen Klicklaute für Europäer als nicht erlernbar. Ohne einheimische »Gehilfen«, die weit wichtiger waren als der Name vermuten lässt, wären die Missionare unfähig gewesen das Evangelium zu verbreiten. Schmelen selbst hat die Sprache niemals richtig gelernt, wie er 1823 freimütig bekennt, als die Übersetzungsarbeiten beginnen: »Ich kann nur sagen, dass ich weit davon entfernt bin, zu sprechen. Ich kann ein wenig plaudern, aber sehr wenig.« Eine weit verzweigte Familie, deren Mitglieder bis in die 8. Generation überall auf der Welt verstreut sind. So ist es nicht verwunderlich, dass es nach Zaras frühem Tod 1831 keine weiteren Übersetzungen gab. Für Urusla Trüper machen die historischen Quellen klar, dass die lange Zeit nur ihrem Mann zugeschriebene sprachwissenschaftliche Pionierleistung ebenso Zara Schmelen zuzurechen ist. Wer wem dabei mehr »geholfen« hat, darüber lässt sich spekulieren. Tochter Hanna, die ihre schwerkranke, an »Auszehrung« leidende Mutter zur Drucklegung in Kapstadt begleitete, schrieb: »...als der Drucker das letzte Blatt durchgeschickt und Vater und Mutter dies durchgesehen hatten, sagte Mutter: ›Nun habe ich mein Werk beendet hier auf Erden, nun kann ich sterben‹.« Hanna, die später den deutschen Missionar Franz Heinrich Kleinschmidt von der Rheinischen Mission heiratete, setzte die Arbeit im Groß-Namaland fort. Dort in Komaggas fand Ende September 2014 das erste internationale Familientreffen der Schmelen-Kleinschmidts und der Hendrichs-Nachfahren statt, mit rund 50 Teilnehmenden aus acht Generationen. Undenkbar zu Apartheidzeiten! Äußerer Anlass war der 200. Hochzeitstag von Zara und Hinrich. Tatsächlich aber ging es um viel mehr, wie der ehemalige ANC-Aktivist und Mitorganisator Horst Kleinschmidt erklärte. In einem Land, in dem sich viele Menschen immer noch als weiß oder schwarz oder farbig klassifizierten, sei es wichtig zu zeigen: »Heute sind wir alle eine Familie.« Optisch sichtbar machte das ein Stammbaum, in den sich jeder eintragen konnte, wie Ursula Trüper erzählt: »Das war sehr beeindruckend, um zu begreifen: Wir gehören zusammen, egal wo in der Welt.« Bettina v. Clausewitz ist freie Journalistin in Essen. www.horstkleinschmidt.co.za »Heute sind wir alle eine Familie.« Optisch sichtbar machte das ein Stammbaum, in den sich jeder eintragen konnte. In die Welt für die Welt 1 / 2015 Porträt zeit ein Denkmal setzte: »Die Hottentottin. Das kurze Leben der Zara Schmelen (ca. 1793 –1831). Missionsgehilfin und Sprachpionierin in Südafrika.« Der Titel der 2006 erschienen englischen Ausgabe lautet prägnant: »The Invisible Woman« – die unsichtbare Frau. Denn von Zara Schmelen selbst gibt es nichts: keinen Brief, kein Bild, kein Tagebuch. Nur die eher förmlich gehaltenen Berichte ihres Mannes: »...sie hatte einen ausgezeichneten Ruf unter dem Volk, unter dem sie lebte. Ich glaube jetzt wirklich, dass ich eine bessere Lebenspartnerin in meiner jetzigen Lebenssituation nicht hätte finden können.« 23 »So geht Nächstenliebe praktisch!« Entwicklung 250 Euro für die Bildungsarbeit in Ruanda 24 Von Annette Lübbers Öffentlichkeitsarbeit einmal anders: Schülerinnen und Schüler am Brackweder Gymnasium in Bielefeld studierten das Projektheft der Vereinten Evangelischen Mission – und spendeten anschließend 250 Euro – selbst erarbeitet – für die Bildungsarbeit in Ruanda. E ine ungewöhnliche Bitte flattert Maxie Kordes, Studienleiterin im Zentrum für Mission und Diakonie (CMD) der Vereinten Evangelischen Mission im Oktober 2014 auf den Schreibtisch. Anka Hillringhaus, Religionslehrerin am Brackweder Gymnasium in Bielefeld, bittet um schriftliches Material über die Arbeit der Vereinten Evangelischen Mission. Sie wolle in ihrer neunten Klasse mit VEM-Veröffentlichungen das Thema »Leben im Geiste der Seligpreisungen – gibt es heute noch Menschen, die so leben?« bearbeiten. Vorbildiches Projekt für den Religionsunterricht Maxie Kordes kann nicht genau einordnen, was die Lehrerin genau benötigt. Also packt sie eine Kiste: mit Ausgaben der Zeitschrift »In die Welt für die Welt« – und mit dem aktuellen Projektheft der VEM. »Ich bin davon ausgegangen, dass die Schülerinnen und Schüler sich das Heft ansehen und dann so etwas wie eine Blattkritik machen«, erinnert sich Maxie Kordes. »Das Thema fand ich spannend, die Herangehensweise auch – normalerweise werde ich ja eher eingeladen, um Vorträge über die Arbeit der VEM zu halten. Hier wollten 16 Schülerinnen und Schüler selbst aktiv werden. Das fand ich eine prima Idee.« Was die jungen Leute dann tatsächlich machten – das hat die Studienleiterin dann doch überrascht. Die Schülerinnen und Schüler teilten sich in sieben Gruppen auf, schnappten sich das Projektheft der VEM und studierten die Projekte, die die Vereinte Evangelische Mission in Asien und Afrika unterstützt oder mitfinanziert: Bildung fördern in Ruanda, Kinder und Jugendliche mit Behinderungen in Indonesien voranbringen, kranken Menschen in Tansania helfen, die Leiden der Überlebenden nach einem Taifun in den Philippinen lindern, den Frieden zwischen Christen und Muslimen in Indonesien fördern, Bibelübersetzungen in Westpapua anregen, In die Welt für die Welt 1 / 2015 die Frauenarbeit unterstützen und die alternative Energiegewinnung in Indonesien ausbauen. Viele Themenbereiche und Weltregionen, mit denen die Jugendlichen niemals zuvor konfrontiert waren. Maxie Kordes: »Ich muss gestehen, dass die Arbeit der jungen Leute weit über das hinausging, was ich mir so vorgestellt hatte. Selbst so schwierige und belastende Geschichten wie der Genozid in Ruanda oder die Aidsproblematik in WestPapua haben sie nicht ausgespart, sondern sich mutig und unerschrocken den Themen genähert. Sie haben Hintergrundrecherchen im Internet gemacht, Referate geschrieben, Powerpoint-Präsentationen erstellt und sich viele, viele Gedanken gemacht. Eine Supergeschichte.« Wie man eine Schulklasse begeistern kann Doch die Schülerinnen und Schüler wollten es nicht bei der Theorie belassen. In den Herbstferien verpflichteten sie sich, selbst aktiv zu werden. Die einen räumten eine Lagerhalle auf, andere machten einen Friedhof wetterfest, einige Schülerinnen und Schüler traten zum Autoputzen an. 250 Euro verdienten die jungen Leute in den Ferien – und spendeten das Geld umgehend für die Bildungsarbeit in Ruanda. Maxie Kordes ist der Meinung, dass dieses Projekt im Religionsunterricht vorbildlich dafür ist, wie man theoretische Informationen praxisnah an Schülerinnen und Schüler heranbringt: »So geht Nächstenliebe praktisch. Selbst die Muslime in der Klasse haben an dieser Thematik im christlichen Religionsunterricht mitgearbeitet. Und auch ich habe dabei viel gelernt: Wie man Schülerinnen und Schüler begeistert. Und natürlich eine ganz neue Form der vorausschauenden Öffentlichkeitsarbeit. Denn die jungen Leute werden auch später, wenn sie längst selbst im Beruf stehen, mit dem Stichwort VEM Positives verbinden.« Ein bisschen Blattkritik leisteten die Jugendlichen ganz nebenbei aber auch noch. Die einhellige Meinung: »Gute Basisinformationen, spannend aufbereitet, gut zu bearbeiten.« www.brackwedergymnasium.de Annette Lübbers ist freie Journalistin in Wuppertal. Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums Brackwede mit ihrer Religionslehrerin Anka Hillringhaus und dem Schulleiter Dr. Andreas Siekmann Saliha Josefine Chantal Janne »Wir wollten soziale Arbeit leisten und für ein Projekt einer evangelischen Organisation spenden. Wir haben uns für ein Projekt der VEM in Ruanda entschieden. Durch die Hilfe im Haushalt oder Gartenarbeit haben wir 250 Euro zusammenbekommen. Wir danken der VEM für die ganzen Materialien, denn ohne diese hätten wir nicht so viele Auswahlmöglichkeiten gehabt. Mir hat das ganze natürlich sehr Spaß gemacht. Ich würde mich auf ein neues Projekt freuen. :)« »Die Arbeit mit den VEM-Materialien war sehr gut und hat uns bei den Projekten außerordentlich geholfen. Wir alle haben unseren Eltern, Großeltern und Verwandten im Haushalt geholfen, wie Fensterputzen, Staubsaugen, Gartenarbeit o. ä. Insgesamt hat es uns viel Freude gemacht, weil wir wussten, dass wir für eine gute Sache gearbeitet haben.« »Der Religionskurs der 9 a/b hatte die Idee, im Zusammenhang mit unserem Unterrichts thema: ›Das Leben im Geist der Bergpredigt‹, ein soziales Projekt zu unterstützen. Im Unterricht erstellten verschiedene Gruppen Präsentationen, mit Hilfe von VEM-Materialien. Nachdem wir uns mit jedem Projekt intern auseinander gesetzt hatten, wurden die Projekte in Ruanda als ›Sieger‹ gekürt. Sie hatten eindeutig die meisten berührt, da in Ruanda der Schatten des Völkermords immer noch über dem Land liegt. Zeitnah fingen wir an zuhause, bei Nachbarn oder bei Freunden zu arbeiten, um Spenden zu sammeln, die nach Ruanda gingen. Wir machten den Garten winterfest, halfen unseren Großeltern beim Einkauf oder im Haushalt. Am 24. Oktober 2014 besuchte uns Maxie Kordes, eine VEM-Mit arbeiterin. Wir überreichten ihr in Anwesenheit des Schulleiters den Scheck über unsere Spende. »Die VEM-Materialien waren für das Referat meiner Gruppe sehr hilfreich, sodass wir den größten Teil unserer Informationen aus diesen Materialien entnommen haben. Vor allem die Projekte waren super beschrieben, da man an jedem Projekt genau den Grund und das Ziel erkennen konnte. Weil wir die Projekte in Ruanda unterstützen und für diese Spenden sammeln wollten, haben wir uns Arbeit in den Freundesbzw. Familienkreisen gesucht. Durch den Gedanken im Hinterkopf, dass diese Arbeit für einen guten Zweck ist, war die Motivation natürlich doppelt so groß! Auch im Nachhinein bin ich sehr stolz darauf, was wir mit unseren Einsätzen bezweckt haben und ich finde, dass es sich auf alle Fälle lohnt sich so für eine Sache ins Zeug zu legen, wenn man weiß, dass man den Menschen damit helfen kann und eine Chance auf ein besseres Leben schenkt.« »Leben im Geist der Bergpredigt – Das Projekt der VEM« titelt eine Collage. Fotos: Jahn Regehr / Gymnasium Brackwede, Malte Hausmann / VEM In die Welt für die Welt 1 / 2015 Über das Fremde zum Eigenen Evangelisation Austauschprogramm zum Thema Kindergottesdienst 26 Von Annette Lübbers Über fünf Jahre besuchten sich Kindergottesdienstmitarbeitende aus der Evangelischen Kirche in Kamerun (EEC), aus der Evangelischen Kirche in Westfalen (die EKvW ist Partnerkirche der EEC), der Evangelischen Kirche im Rheinland und der Nordkirche gegenseitig. Das von der Vereinten Evangelischen Mission finanzierte Programm wird nun ausgewertet. E in Kindergottesdienst in einer Gemeinde der Evangelischen Kirche in Kamerun (EEC): Zwischen 70 und mehr als 400 Kinder werden von vier bis etwa 40 ehrenamtlich tätigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Gemeinde betreut. »Schon an der Anzahl der Kinder merkt man, dass Kinder in Kamerun nicht als Armutsrisiko gesehen werden, sondern als ein besonderer Reichtum. Wie anders ist das bei uns in Deutschland«, sagt Pfarrerin Kerstin Othmer-Haake, Dozentin und Beauftragte für Kindergottesdienst und Gottesdienst mit Kindern am Institut für Aus-, Fort- und Weiterbildung der Evangelischen Kirche von Westfalen im Haus Villigst in Schwerte. Aber diese Erkenntnis ist nur eine von vielen, die sie in den vergangenen fünf Jahren sammeln konnte. Kritisch auf den eigenen Gottesdienst blicken 2010 entwarf ein Initiativkreis um Kerstin Othmer-Haake ein Austauschprojekt zum Thema Kindergottesdienst mit der EEC. Zu diesem Initiativkreis gehörten auch Matthias Elsermann, damals Pfarrer im Amt für Mission, Ökumene und kirchliche Weltverantwortung der EKvW und heute Berufschulpfarrer in Siegen, und Sadrack Djiokou, Pfarrer In die Welt für die Welt 1 / 2015 aus Kamerun im Kirchenkreis Soest. Bis zum Jahr 2014 sollten Delegationen aus der Evangelischen Kirche in Deutschland und der EEC sich gegenseitig besuchen und ihre jeweiligen Kindergottesdienst-Konzepte kennenlernen. Gleichzeitig sollte mit diesem Programm die seit 30 Jahren bestehende Partnerschaft zwischen der EKvW und der EEC auf Kirchenkreis- und Gemeindeebene bekannt und gestärkt werden. Eine kleine Gruppe aus sechs Leuten – ehrenamtlich mitarbeitende Laien, Theologiestudierende und eine Pastorin – flogen nach Kamerun. In den beiden jeweils darauffolgenden Jahren besuchte die kamerunische Delegation Westfalen. 14 Tage lang arbeiteten, feierten, tanzten, sangen und beteten die Kindergottesdienstmitarbeitenden aus Deutschland und Kamerun gemeinsam. Kerstin Othmer-Haake: »Am meisten überrascht waren wir – neben der Anzahl der Kinder – darüber, dass der Kindergottesdienst in Kamerun sehr verschult ist. Die Kinder müssen viel auswendig lernen und rezitieren. Die Dele- gation aus Kamerun konnte dagegen kaum glauben, wie kreativ und – in ihren Augen – undiszipliniert unsere Kinder sich im Kindergottesdienst verhalten.« Ihre eigene Gruppe versuchte den Mitarbeitenden in Kamerun zu vermitteln, wie man spielerisch mit Kindern biblische Geschichten veranschaulichen und feiern kann: »Es gibt kein Spielzeug? OK. Was habt Ihr? Bohnen. Super. Damit kann man Kindern zum Beispiel die Geschichte von den Talenten, mit denen wir wuchern sollen, nahebringen.« Für dieses Programm stellte die Vereinte Evangelische Mission 62.000 Euro zur Verfügung. Um die Kosten gering zu halten, wurden die Reisestandards gesenkt: »Wir haben lieber mehr Leute mitgenommen und dafür auf Matratzen geschlafen. Kein eigener Bus, kein Chauffeur, keine teuren Hotels. Stattdessen haben wir versucht, Delegationsmitglieder – in Deutschland wie in Kamerun – privat unterzubringen. Das hat am Ende super geklappt«, erinnert sich Othmer-Haake. 27 Seminar der Kindergottesdienstmitarbeiten den, hier üben sie Spiele für die Kinder ein. Besonders für die jüngeren Delegationsteilnehmer waren die Reisen nach Kamerun ein spannendes Erlebnis. Etwa für den 17-jährigen Schüler Philipp Horstmeier: »Ein faszinierender Einblick in eine andere Methode, Gottesdienste zu feiern und mit Kindern zu arbeiten. Und eine gute Möglichkeit, auf den eigenen Gottesdienst zu blicken und kritisch vergleichen zu können, welche Vor- und Nachteile die eigene Arbeitsweise ebenso wie die Arbeitsweise der Kameruner aufweisen und daraus dann zu versuchen, dass Beste unserer Methoden dort zu lassen und das Beste ihrer Gottesdienste in den deutschen Kindergottesdienst mit einzubringen.« Noch arbeitet die deutsche Delegation an der Evaluation des Austauschpro- Foto: Sadrack Djiokou / VEM gramms, aber schon jetzt weiß die Kindergottesdienstbeauftragte einige Punkte zu nennen, über die sie weiter nachdenken möchte: »In den Augen unserer kamerunischen Freunde sind unsere Kindergottesdienste auf einem anspruchslosen Niveau und zu wenig zielorientiert. Stimmt das? Und wie können wir den Bedürfnissen, aber auch der Spiritualität von Kindern besser gerecht werden?« Sie selbst erlebt im Austausch mit Kindern immer wieder so etwas wie »heilige« Momente. »Da erzähle ich Kindern vom Turmbau zu Babel: Damals wollten die Menschen so sein wie Gott, sage ich. Und dann sitzt da dieses kleine Mädchen und sagt: Das will ich auch. Ein Satz, der mich nachdenklich macht. Oder ich erzähle: Gott blickt auf die Welt. Und dann entgegnet ein kleiner Knirps: Das stimmt nicht. Gott guckt nicht auf die Welt, Gott ist die Welt. Das sind Augenblicke, die mir sagen: Wir müssen stärker einüben, mit Kindern zu ›theologisieren‹, das heißt: gottesdienstliche Räume zu öffnen und überall in der Kirche mit Kindern Situationen zu schaffen, wo Kinder ihre theologischen Erfahrungen zum Ausdruck bringen können.« www.institut-afw.de www.kindergottesdienst-westfalen.de Annette Lübbers ist freie Journalistin in Wuppertal. In die Welt für die Welt 1 / 2015 Spannend und anrührend Buchtipp Von Marion Unger 28 V or vielen Jahrzehnten verließen Frauen ihre Heimat in der sicheren Hoffnung, Menschen in Afrika und Asien durch das Evangelium Hilfe und Trost zu bringen. Die Gründung der Schwesternschaft der Vereinten Evangelischen Mission, die sich im vergangenen Jahr zum 125. Mal jährte, war Anlass zur Herausgabe des Buches »Glauben – Leben – Hoffnung«, einer Sammlung von (Lebens-)Geschichten aus der Mission. Sie lässt heute hoch betagte Frauen zu Wort kommen, enthält aber auch Streiflichter aus der jüngeren Vergangenheit und der Gegenwart, immer aus der speziellen Frauenperspektive. Als Pionierinnen der Mission haben die Schwestern einiges auf sich genommen. Manche gingen bis an die Grenzen ihrer physischen und psychischen Belastbarkeit, bisweilen auch darüber hinaus. Ihre tiefe innere Überzeugung, das Richtige zu tun, half ihnen, manche Klippe zu überwinden, sei es das ungewohnte Klima, körperliche Strapazen oder Nahrung, die ihnen fremd war. Die Sammlung enthält Berichte von persönlich Erlebtem der Schwestern und Lebensläufe, die von der Wuppertaler Journalistin Annette Lübbers sensibel nacherzählt werden. So ergibt sich eine abwechslungsreiche Folge von Texten, die mit unterschiedlichen Stilmitteln arbeiten. Die nüchterne Reportage ist ebenso zu finden wie die individuelle Erinnerung an eigene Erlebnisse. Die Geschichten sind spannend und anrührend und verzichten glücklicherweise auf Romantisierung. So schildert In die Welt für die Welt 1 / 2015 Glauben – Leben – Hoffen Lebensgeschichten aus der Mission Hrsg. von Irene Girsang und Julia Besten in Zusammenarbeit mit der Arbeitsgruppe Frauen in der Mission Reihe: Mission und Gegenwart Band 10 Rüdiger Köppe Verlag, Köln 2014 179 Seiten ISBN 978-3-89645-760-8 19,80 Euro Käthe Glücks, wie sie im Hochland von Papua in den 1970er Jahren eine Mutter-Kind-Beratungsstelle aufbaute und eine junge Frau zur Hebamme ausbildete. Die inzwischen verstorbene Renate Jasper berichtet, wie sie 1955 mit 22 Jahren einen jungen Theologen heiratete, den sie kaum kannte. Sie ging mit ihm in den Missionsdienst in Tansania. Die Hoffnung spricht aus allen Geschichten: Hoffnung auf Versöhnung nach dem Völkermord in Ruanda, auf das selbstbestimmte Leben eines Kindes mit Behinderung in Deutschland oder auf Gerechtigkeit für politisch Verfolgte in den Gefängnissen in den Philippinen. Die Sprache, zunächst geprägt von einem Pathos, das uns heute fremd erscheint und vom sprichwörtlichen »missionarischen Eifer« beseelt, wandelt sich. Theologische Grundüberzeugungen richten sich auf politische Ziele aus. Die Frauen gewinnen an Selbstbewusstsein, kämpfen für ihre Rechte. Wie ein roter Faden zieht sich ein Dreiklang durch nahezu alle Lebensporträts: Evangelisation, medizinische Hilfe und Bildung sind die drei wesentlichen Elemente von Mission. Daran hat sich bis heute nichts geändert, auch wenn Mission heute Zusammenarbeit auf Augenhöhe ist. Marion Unger ist freie Journalistin. Schwesterngemeinschaft Menschenhandel und Gewalt gegen Frauen Nach der 125-Jahr-Feier der VEM-Schwestern gemeinschaft besuchte eine internationale Schwesterngruppe im Oktober 2014 unter anderem die Frauenberatungsstelle für Opfer von Menschenhandel »Nadeschda«. Von Newstar Mwombeki W Sie haben Nadeschda besucht, v.l.: Elizabeth Fry, Lertina Saragih, Newstar Mwombeki und Dorothea Lutterjohann. ir, das sind fünf Schwestern der Schwesterngemeinschaft in der Vereinten Evangelischen Mission aus Deutschland, Indonesien und Afrika, besuchten eine Einrichtung in Herford namens Nadeschda. Während unserer gemeinsamen Reise nach Herford zu Nadeschda hatten wir viel Freude miteinander. Wir waren eben nicht nur als Schwestern zehn Tage gemeinsam unterwegs, sondern auch als eine Familie in Jesus Christus. stützen, die nach Hause in ihr Heimatland fahren möchten: Die Fahrtkosten werden für sie bezahlt, und sie bekommen Taschengeld für Notfälle unterwegs. Frauen, die in die Beratungsstelle kommen, werden aufgeklärt über »Nebenwirkungen« der Prostitution und wie sie sich vor Krankheiten schützen können. Ausstiegswege aus der Prostitution werden ihnen angeboten. Es gibt auch die Möglichkeit, gebrauchte Kleidung zu bekommen. Nadeschda ist eine Frauenberatungsstelle für Opfer von Menschenhandel. Sie hilft Frauen, die in die Prostitution gezwungen werden und/oder Opfer von Menschenhandel sind. Ich war neugierig, was auf uns dort wartete. Gleichzeitig hatte ich in meinem Inneren ein schlechtes Gefühl, denn das Wort »Prostituierte« allein zu hören oder zu lesen schmerzt mich. Es hört sich gar nicht gut an! Nadeschda beschreibt ihre Ziele so: »Unser Ziel ist, dass Prostituierte ein gesundes, selbstbestimmtes, eigenverantwortliches Leben in Sicherheit führen können, angstfrei und ohne finanzielle und emotionale Abhängigkeiten. Ein Ausstieg aus der Prostitution und die Entwicklung einer neuen Lebensperspektive sind zu unterstützen. Opfern von Menschenhandel muss die Chance gegeben werden zu Beratung und medizinischer Versorgung, zur Klärung ihres Aufenthaltsstatus und zur Erstattung einer Anzeige. Ein vor Menschenhändlern sicheres Umfeld ist dafür eine Mindestvoraussetzung.« In Herford trafen wir Corinna Dammeyer. Sie ist DiplomSozialarbeiterin und Diakonin. Sie freute sich über unseren Besuch, zeigte uns die Beratungsstelle und stellte uns zwei Kolleginnen vor. Nadeschda wurde 1997 in Herford von der Evangelischen Frauenhilfe in Westfalen gegründet. Der Name Nadeschda kommt aus dem Russischen und heißt »Hoffnung«. Corinna Dammeyer erklärte uns, wie sie Frauen helfen, die zwangsweise in die Prostitution gelangen. Und wie sie und ihre zwei Kolleginnen Frauen helfen, die als Prostituierte arbeiten müssen, misshandelt oder vergewaltigt worden sind. Viele der Frauen kämen aus Afrika oder OstEuropa, besonders aus Nigeria und Polen. Ihre Ausführungen fand ich sehr interessant, aber gleichzeitig sehr schmerzhaft zu hören. Eine weitere Aufgabe der Beratungsstelle ist die Hilfe bei der Beschaffung von Ausweispapieren. Wenn die Frauen in Deutschland ankommen, haben die Frauen immer ihre eigenen gültigen Pässe. Aber die Menschen, die die Frauen »besitzen«, nehmen sie ihnen weg, damit sie nicht weglaufen können. Frau Dammeyer erklärte uns, wie sie Frauen unter- Foto: Elizabeth Fry / VEM »Jede Frau hat das Recht auf ein Leben ohne körperliche und seelische Gewalt und Misshandlung, unabhängig von ihrer Nationalität und ihrem Aufenthaltsstatus«, dieser Grundsatz ist für Arbeit von Nadeschda sehr wichtig. Zum Abschluss verteilte Frau Dammeyer Broschüren mit weiteren Informationen über Nadeschda und Theodora, der Beratungsstelle für Mädchen und junge Frauen, die aus der Prostitution aussteigen möchten, die im selben Haus angesiedelt ist. Der Besuch bei Nadeschda war für mich eine völlig neue Erfahrung! Überall auf der Welt haben Frauen noch einen langen Weg der Revolution vor sich! www.nadeschda-owl.de www.frauenhilfe-westfalen.de Newstar Mwombeki wurde 2012 als erste Afrikanerin Mitglied der Schwesterngemeinschaft in der VEM. In die Welt für die Welt 1 / 2015 29 Marion Wallace Veye Taah (Hg.) Von den Anfängen bis 1990 Mit einem Beitrag von John Kinahan Brandes & Apsel Frankfurt am Main 2015 Basler Afrika Bibliographien 2015 562 Seiten ISBN 978-3-95558-063-6 29,90 Euro Mediale Abbilder und Zerrbilder eines Kontinents im Wandel Medien: Forschung und Wissenschaft Lit Verlag Berlin 2014 174 Seiten ISBN 978-3-643-12573-6 24,90 Euro 1990 erlangte Namibia, das ehemalige Deutsch-Südwestafrika, als letzte afrikanische Kolonie die Unabhängigkeit. Mit diesem Buch liegt erstmals eine umfassende Einführung in die Geschichte dieses faszinierenden Vielvölkerstaates in deutscher Sprache vor. Die Historikerin Marion Wallace (London) und der Archäologe John Kinahan (Windhuk) bieten einen fundierten Überblick über die historischen Epochen und gesellschaftlichen Entwicklungen seit den ersten Niederlassungen von Menschen in den Savannen und Wüsten des südwestlichen Afrikas. Die vielschichtige Darstellung der deutschen und der von Apartheidpolitik und Befreiungskampf geprägten südafrikanischen Kolonialzeit schließt mit einer Einschätzung von Gesellschaft, Politik und Wirtschaft des unabhängigen Namibias. Der zweitgrößte Kontinent mit seinen mehr als 50 Staaten und über einer Milliarde Menschen wird in den Medien oft pauschal gesehen. Regionale Krisensymptome werden auf ganz Afrika übertragen, die kulturelle Vielfalt und ökonomische Entwicklungen finden zu wenig Beachtung. Der vorliegende Band zeigt verzerrte Sichtweisen auf und plädiert für eine differenzierte Betrachtung der Probleme wie auch der Chancen zwischen Kairo und Kapstadt – eben in »Afrika 3.0« jenseits von Stereotypen. Journalisten und Kommunikationswissenschaftler, Politologen und Politiker, Ethnologen und Künstler werfen Schlaglichter auf das Afrikabild deutscher Medien, auf die Möglichkeiten alternativer Medien in der Afrikaberichterstattung, auf journalistische Arbeitsmöglichkeiten in Afrika selbst, auf das Zusammenspiel von Medien und Hilfsorganisationen und anderes mehr. Dokumentiert wird damit eine Tagung, die im Juni 2013 aus Anlass des 15. Geburtstages des Magazins Africa Positive in Dortmund stattgefunden hat. Service Geschichte Namibias 30 Marion Wallace ist Afrika-Kuratorin an der British Library in London und eine weithin anerkannte Spezialistin für namibische Geschichte. John Kinahan ist Archäologe und lebt in Namibia. M. Moustapha Diallo (HG.) Visionäre Afrikas Der Kontinent in ungewöhnlichen Porträts Peter Hammer Verlag Wuppertal 2014 366 Seiten ISBN 978-3-7795-0487-0 29,90 Euro In über 40 Porträts erzählen afrikanische Autorinnen und Autoren von außergewöhnlichen Menschen ihres Kontinents. Von Frauen und Männern, die sie bewundern, weil sie eine Vision hatten, von der sie nicht ließen, und die so das Leben in Afrika veränderten und bereicherten. Als Erfinder oder Universitätsgründer, als Widerstandskämpferin oder Popmusiker, als Umweltaktivist oder Schriftstellerin. Ein facettenreiches Buch über besondere Menschen Afrikas, gesehen mit afrikanischen Augen. In die Welt für die Welt 1 / 2015 Afrika 3.0 VEM-Projektheft 2015 / 2016 erschienen Ausgewählte Projekte von VEM-Mitgliedern in Afrika, Asien und Deutschland werden in diesem Heft vorgestellt. Die 24-seitige Broschüre können Sie anfordern – auch digital – bei Dagmar Böhlefeld, Team Projekte und Spenden bei der Vereinten Evangelischen Mission, E-Mail: [email protected] Telefon (02 02) 8 90 04 -196 Bezug: Vereinte Evangelische Mission (VEM) AllerWelt(s)laden, Rudolfstraße 137 42285 Wuppertal, Telefon (0202) 890 04 -125 [email protected] Hellmut Lemmer Charlotte Wiedemann Vom Versuch, nicht weiß zu schreiben Roman Brockmeyer Verlag Bochum 2014 ISBN 978-3-8196-0965-7 372 Seiten 17,90 Euro In Südwestafrika, der ehemals deutschen Kolonie, lebte vor hundert Jahren die Familie des Missionars Karl Skär und seiner Frau Wilhelmine, zu der insgesamt zehn Kinder gehörten. Über dreißig Jahre hinweg können wir hautnah die Geschichte des Landes, die Arbeit des Missionars, seine Sorgen und Probleme, Hoffnungen und Erfolge sowie das quirlige Familienleben in diesem Land miterleben. Der Roman beinhaltet Kolonialgeschichte, Missionsgeschichte und Familiengeschichte. Das Panorama des ehemaligen Südwest, das Leben der Menschen dort vor hundert Jahren, die Aufgaben und Ziele der Mission und der Kolonialherren, die Verdienste und die Schuld, werden vor den Augen des Lesers lebendig. Und man wird Zeuge, wie der Autor recherchiert hat, begleitet ihn auf Spaziergängen mit betagten Familienmitgliedern, ins Kirchenarchiv in Windhuk, zu den unwirtlichsten Stellen der Wüste oder auf den Friedhof in Unterbarmen. Für jeden, der das heutige Namibia besucht hat oder besuchen will, ist dieser Roman ein eindrucksvoller Schlüssel zum Verständnis des Landes und seiner Bewohner. Hellmut Lemmer hat unter anderem im Archiv der Archiv- und Museumsstiftung der VEM recherchiert. Oder: Wie Journalismus unser Weltbild prägt PapyRossa Verlag Köln 2014 186 Seiten ISBN 978-3-89438-494-4 12,90 Euro Service Der Sand der Namib 31 Dies ist der Werkstatt-Bericht einer langjährigen Journalistin, die an ihren Erfahrungen, Irrtümern, Zweifeln teilhaben lässt. Charlotte Wiedemann nimmt ihre Leser und Leserinnen mit auf eine Reise durch Kulturen und Kontinente, vom Iran über Afrika bis Indonesien, Thailand und Neuguinea. Und sie lässt hinter die Kulissen der Arbeit einer Auslandsreporterin blicken. Wie entsteht unser Weltbild? Was trägt der Journalismus hierzu bei? Was können Journalistinnen und Journalisten überhaupt begreifen von der »Fremde«? Wie beeinflussen ihre Arbeitsbedingungen ihre Berichterstattung? Wie wahrhaftig ist ihr Bild von der Wirklichkeit? Der Versuch, nicht weiß zu schreiben: Das ist die Suche nach einem Blick auf die Welt, der sich von der Enge des Eurozentrismus befreit. Ein Plädoyer für einen Journalismus des Respekts. Respekt auch vor den Mediennutzern, die durch den täglichen Ansturm kontextloser Nachrichten mehr verdummt und überwältigt als aufgeklärt werden. Das Buch wendet sich an alle, denen dabei unwohl ist. Und die endlich wissen wollen: Warum. Impressum Herausgeber: Vereinte Evangelische Mission Gemeinschaft von Kirchen in drei Erdteilen Rudolfstraße 137, 42285 Wuppertal Postfach 2019 63, 42219 Wuppertal Fon ( 0202 ) 890 04-0 Fax ( 0202 ) 890 04-179 [email protected] www.vemission.org Mitglied des Gemeinschaftswerks der Evangelischen Publizistik ( gep ) »In die Welt für die Welt. Magazin der Vereinten Evangelischen Mission« erscheint viermal im Jahr im Verlag der Vereinten Evangelischen Mission Jahresbeitrag: 6,50 Euro, durch Spenden abgegolten. Redaktion: Brunhild von Local (V.i.S.d.P.) Fon ( 02 02 ) 890 04-133 Adressänderungen: Michael Lippkau E-Mail: [email protected] Fon (0202) 890 04-194 Gestaltung: MediaCompany GmbH Juan González Auguststraße 29, 53229 Bonn Druck: Bonifatius GmbH, Paderborn März 2015; Auflage: 19.200 Diese Zeitschrift ist auf 100% Recyclingpapier gedruckt. 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Ohne familiäre Unterstützung und schulische Bildung landen diese Kinder auf der Straße und müssen sich durchschlagen. Die Baptistische Kirche in Zentralafrika, eine Mitgliedskirche der VEM, nimmt sich in Goma dieser Kinder und jungen Erwachsenen an. Sie betreut sie psychologisch, ermöglicht ihnen eine handwerkliche Berufsausbildung, zum Beispiel als Schreiner, und steht ihnen auch bei der Lösung persönlicher Probleme zur Seite. und Opfer von Menschenhandel. Haupt- und ehrenamtliche Mitarbeiterinnen beraten die Mädchen und Frauen, auch auf der Straße. Die Mitternachtsmission versorgt die Opfer des Menschenhandels mit Lebensmitteln und Kleidung, stellt ärztliche Hilfe sicher, kümmert sich um eine sichere Unterbringung, psychosoziale Betreuung und klärt unter anderem die Kosten für die Versorgung während des Aufenthaltes. Besonders wichtig ist die Begleitung von Opferzeuginnen bei Gerichtsprozessen. Beispiel Hongkong In Hongkong arbeiten Tausende junge Frauen aus den Philippinen, Indonesien und anderen Ländern als Haushaltshilfen. Sie berichten, dass sie ihren Lohn nicht erhalten, keinen eigenen Schlafplatz haben, gedemütigt, geschlagen oder gar sexuell missbraucht werden. Manche fliehen aus Verzweiflung, können sich aber kaum selbst weiterhelfen, weil sie die Landessprache nicht sprechen. Mit Unterstützung der VEM beschäftigt die Chinesisch-Rheinische Kirche eine indonesische Mitarbeiterin, die den betroffenen Frauen hilft. Die Chinesisch-Rheinische Kirche hat darüber hinaus ein Begegnungszentrum eingerichtet, in dem sich die jungen Frauen an ihrem freien Tag treffen können, Sprachunterricht erhalten und Nähen oder andere handwerkliche Fähigkeiten lernen können. Beispiel Dortmunder Mitternachtsmission Drei Beispiele, die zeigen, wie sich die VEM im Rahmen ihrer Arbeit gegen Menschenhandel einsetzt. Die Materialien zur VEM-Menschenrechtsaktion können Sie hier www.vemission.org/menschenhandel herunterladen. Auch in Deutschland gibt es Opfer von Menschenhandel. Seit fast einem Jahrhundert ist die Dortmunder Mitternachtsmission Anlaufstelle für Prostituierte, ehemalige Prostituierte Bitte helfen Sie mit Ihrer Spende den Opfern von Menschenrechtsverletzungen. VEM-Programm für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung Rudolfstraße 137 42285 Wuppertal BIC: GENO DE D1 DKD IBAN: DE 45 3506 0190 0009 0909 08 Stichwort: Menschenrechte Deutsches Zentralinstitut für soziale Fragen (DZI) Zeichen für Vertrauen Gestaltung: Jola Fiedler / MediaCompany – Agentur für Kommunikation GmbH, Foto Hand: © John Woodworth – gettyimages 1. Mose 37, 28 Weltweit gibt es mehr als 20,9 Millionen Opfer von Menschenhandel »Als aber die Kaufleute vorbeikamen. Verkauften sie ihn für 20 Silberstücke« (1. Mose 37,28). Unter diesem Motto steht die diesjährige Aktion für Menschenrechte der VEM. Auf ihrer Vollversammlung in Wuppertal im Juli 2014 haben sich die Kirchen der VEM-Gemeinschaft dazu verpflichtet, gemeinsam Initiativen gegen Menschenhandel in Asien, Afrika und Deutschland zu unterstützen. Als aber die Kaufleute vorbeikamen, verkauften sie ihn für 20 Silberstücke. GEGEN MENSCHENHANDEL. FÜR MENSCHENRECHTE. Gestaltung: Jola Fiedler / MediaCompany – Agentur für Kommunikation GmbH, Foto: © John Woodworth – gettyimages 32
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