Menschenhandel, Ausgabe 01-2015

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Menschenhandel
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1. Mose 37, 28
Als aber die Kaufleute vorbeikamen,
verkauften sie ihn für 20 Silberstücke.
Weltweit gibt es mehr als 20,9 Millionen Opfer von Menschenhandel
In die Welt für die Welt
Kolummne
Magazin der
Vereinten
­Evangelischen
Mission
1/ 2015
Editorial
Menschenhandel
2
Liebe Leserin, lieber Leser,
sie sind jung, sehr jung, die meisten unter 18 Jahre alt:
Mädchen und junge Frauen, aber auch kleine Jungen werden
mit falschen Versprechungen gelockt und oft mit Gewalt
gefügig gemacht. Sie werden versklavt, indem sie gezwungen werden, für nichts oder nur für einen Hungerlohn und
unter Androhung von Strafe zu arbeiten: im Haushalt, auf
dem Bau, als Prostituierte, Sexsklaven, Ehepartner, Kindersoldaten – ohne Rechte und ohne Freiheiten. Ein durchaus
lukratives Geschäft für die modernen Sklavenhändler und
-händlerinnen, die nichts weiter sind als Verbrecher. Für
­Menschenrechte gibt es keinen Platz. Und so viel ist klar:
Das Geschäft blüht – bis heute.
Schier unerschöpflich scheint weltweit der »Rohstoff
Mensch« zu sein: Arme Menschen gibt es überall auf der
Welt. Sie sind billig und leicht zu ersetzen, das Strafmaß
für diese Menschenhändler in vielen Ländern nicht abschreckend genug. Hinzu kommt, dass diese Menschen oft
aus Angst nicht gegen die Täter aussagen.
Gerade das macht das Geschäft mit der Ware Mensch so
attraktiv. Die Sklavenhändler dieser Tage verdienen viel mit
dem Rohstoff Mensch. Sehr viel. Und eines ist auch klar: Die
bestehenden Gesetze gehen nicht weit genug. Hier ist die
internationale Staatengemeinschaft gefordert mit schärferen Gesetzen und härteren Strafen gegen die modernen
Menschenhändler vorzugehen. Die Anstrengungen beim
Schutz für die Opfer von Menschenhandel müssen noch
weiter intensiviert werden. Menschenrechtsorganisationen
und kirchliche Gemeinschaften wie die Vereinte Evangelische Mission fordern dies seit langem.
Viel Freude bei der Lektüre
wünscht Ihnen
22
Filmische Dokumentation des Familientreffens im süd­
afrikanischen Komaggas der internationalen Nachkommen
der Missionare Hinrich und Zara Schmelen: Dreharbeiten
mit Ursula Trüper
Brunhild von Local
Titel: Jola Fiedler / MediaCompany – Agentur für Kommunikation GmbH,
Foto Hand: © John Woodworth – gettyimages
Fotos Seite 2: Volkmar Knoch/ Hanfgarn & Ufer Filmproduktion GbR
Porträt Seite 2 (Mitchell Harley)
In die Welt für die Welt 1 / 2015
Seite 3: Anneliese Hahn Wong / VEM, Malte Hausmann / VEM
Inhalt
Inhalt
März 2015
Biblisches Wort
6
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4
Brennpunkt
Menschenhandel geht uns alle an . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6
Thema Menschenhandel
»Wenn etwas zu billig ist, hat schon jemand
dafür bezahlt.«
Im Interview mit André Thielmann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7
Thema Menschenhandel
Viel schaffen für wenig Geld
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
8
Thema Menschenhandel
»Die Dinge klar beim Namen nennen« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10
Thema Menschenhandel
Ausgenutzt und weggeschickt
Arbeitsmigrantinnen in Hongkong . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12
Stimme des Generalsekretärs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14
Meditation
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
16
Partnerschaft
Wie geht eigentlich Partnerschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18
Projekte & Spenden
Die Lust am Lesen wieder entdecken
...............................
21
Porträt
Die »unsichtbare Frau« wird sichtbar
Ausflug mit Migrantinnen des Kotkiho Shelters,
der Dachorganisation verschiedener Unionen
indonesischer Migrantinnen
Hinrich und Zara Schmelen als Sprachpioniere
und Stammeltern gefeiert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22
Die Klasse 9a/b des Bielefelder Gymnasiums Brackwede hat
250 Euro für ein Projekt der VEM in Ruanda gesammelt.
Entwicklung
»So geht Nächstenliebe praktisch!«
250 Euro für die Bildungsarbeit in Ruanda . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24
Evangelisation
Über das Fremde zum Eigenen
Austauschprogramm zum Thema Kindergottesdienst . . . . . . 26
24
Buchtipp
Spannend und anrührend . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28
Schwesterngemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29
Service, Impressum
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
30
Projekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32
In die Welt für die Welt 1 / 2015
3
4
»Menschenhandel ist ein Verbrechen
gegen die Menschlichkeit«
Von Sylvia Bukowski
M
öchte man sich im Internet über Menschenhandel, bzw. Sklaverei informieren,
stößt man an erster Stelle auf einen Eintrag mit der provokanten Überschrift:
»Die Bibel befürwortet Sklaverei«, gepostet von bibelkritik.ch, einer website, die mit Hilfe von Bibel­
zitaten gegen Bibel und Kirche polemisiert.
Zum Thema Sklaverei werden vor allem Regeln aus dem sogenannten »Sklavengesetz« (Exodus 21) zitiert, um zu bewei-
In die Welt für die Welt 1 / 2015
sen, wie brutal Sklaven im Alten Testament offiziell behandelt werden durften. Mit zynischem Bedauern wird festgestellt, dass aber auch Jesus und seine Nachfolger nicht die
Abschaffung der Sklaverei gefordert hätten. Im Gegenteil: In
verschiedenen Briefen werden die Sklaven zu absolutem Gehorsam aufgefordert, auch gegenüber den »unberechenbar
grausamen« (1. Petrus 2,18).
Die zitierten Bibelstellen sind in der Tat erschreckend. Genauso erschreckend ist, dass sich Christen immer wieder auf
diese oder ähnliche Bibelstellen berufen haben, um ihre
menschenverachtende Behandlung Abhängiger zu rechtfertigen, sei es im Zuge der Eroberung und Kolonisation fremder
Kontinente, sei es im groß angelegten Sklavenhandel. In den
Illustration: Juan González / MediaCompany GmbH
Das gelingt nur, wenn man einzelne Verse aus ihrem historischen und gesamtbiblischen Zusammenhang reißt. Auf diese
Weise lassen sich auch in anderen Fällen eigene, vorgefasste
Meinungen bestätigen, ich nenne nur Homosexualität, die
Stellung der Frau oder die Haltung zu Krieg und Gewalt.
Aber die Bibel enthält keine zeitlosen Wahrheiten, sondern
spricht in konkrete soziale und politische Gegebenheiten hinein, in diesem Fall: in eine Gesellschaft, in der Sklaverei und
Menschenhandel üblich waren, wie heute verursacht von
Armut, Verschuldung und militärischen Konflikten. Und
nicht anders als heute gab es auch damals Leute, die aus der
Notlage anderer Profit zu machen wussten.
Dass Gott das Elend der Armen und Ausgebeuteten
nicht hinnimmt, wird durch Jesus bekräftigt.
Nun kann man aus heutiger Sicht beklagen, dass es in der
Bibel überhaupt ein »Sklavengesetz« gibt, statt dass grundsätzlich die Abschaffung dieses Systems gefordert wird. Aber
man darf nicht übersehen, dass immerhin schon hier das
Besitzrecht gegenüber dem Recht der Person der Sklavinnen
und Sklaven eingeschränkt wird.
So lässt sich die Forderung nach der Freilassung eines durch
herrschaftliche Gewalt dauerhaft geschädigten Sklaven nicht
nur damit erklären, dass es eben unrentabel sei, einen »beschädigten Sklaven durchzufüttern« (bibelkritik.ch). Wer
sich gegenüber einem Abhängigen nicht zügeln kann, verwirkt sein Besitzrecht. Und das gilt schon, wenn dem Betreffenden ein Zahn ausgeschlagen wird! (Exodus 21,26). Wie
viele philippinische Hausmädchen, wie viele Zwangsprostituierte, wie viele moderne Arbeitssklaven kämen auf der Basis dieser Regelung frei!
Die Ausbeutung Abhängiger wird zudem zeitlich begrenzt. In
den Zehn Geboten gilt die Sabbatruhe ausdrücklich auch für
die Sklaven und Fremdlinge (Gastarbeiter). Hebräische Sklaven, die sich wegen ihrer Schulden verkaufen mussten, müssen nach sechs Jahren frei gelassen werden, und zwar mit
einer reichlichen Ausstattung an Tieren, Nahrungsmitteln
und Wein (!). Wie viele moderne Arbeitssklaven schuften
dagegen jahrelang, ohne jemals wohlhabend in ihre Heimat
zurückkehren zu können!
Nach biblischem Recht darf Unfreiheit
nur etwas Vorübergehendes bleiben!
Auch da, wo im Neuen Testament der Umgang mit Sklavinnen und Sklaven thematisiert wird, tritt zu der Forderung
nach deren absolutem Gehorsam an einigen Stellen auch die
ausdrückliche Verpflichtung der Herren, ihre Untergebenen
als Bruder zu betrachten (Philemon 15f) und zu behandeln:
»Ihr Herren, erweist den Sklavinnen und Sklaven das Gerechte und die Gleichheit, weil ihr wisst, dass auch ihr einen
Herrn im Himmel habt« (Kolosser 4,1BiGS).
Während die ethischen Regelungen dem System Sklaverei
zwar Grenzen setzen, es jedoch nicht grundsätzlich in Frage
stellen, gehen die Propheten deutlich weiter. Sie greifen das
Problem der Ausbeutung und Missachtung der Armen an der
Wurzel, an der grenzenlosen Habgier der Reichen an. Auch
von deren zur Schau gestellter Frömmigkeit lassen sie sich
nicht blenden. Amos verurteilt die Gottesdienste, die sich
über das herrschende Unrecht hinwegsetzen, aufs schärfste
(Amos 5, 21ff). Jesaja richtet Gottes Botschaft aus: »Das ist ein
Fasten, an dem ich Gefallen habe: Lass los, die du mit Unrecht
gebunden hast, lass ledig, auf die du das Joch gelegt hast! Gib
frei, die du bedrückst, reiß jedes Joch weg! « (Jesaja 58,6)
Dass Gott das Elend der Armen und Ausgebeuteten nicht
hinnimmt, wird durch Jesus bekräftigt. Er lädt die »Mühseligen und Beladenen« ein, gibt Prostituierten ihre Würde zurück, und macht sich selbst zum Diener aller, um neues Leben zu eröffnen (Philipper, 2,5f). In ihm »ist nicht Jude noch
Grieche, nicht Sklave noch Freier, nicht Mann noch Frau«;
»allesamt sind einer in Christus« (Galater 3,28).
Nur, wer außer Acht lässt, dass der Gott der Bibel sein Wesen
darin offenbart, dass er Israel aus der Knechtschaft geführt
hat, nur wer übersieht, dass Jesus diesen Gott repräsentiert
und alle Menschen zur Freiheit befreit, nur der kann behaupten, die Bibel befürworte die Sklaverei, sie habe nichts gegen
Menschenhandel einzuwenden.
Wer die biblische Botschaft in ihrem Zusammenhang hört
und gelten lässt, kann nur wie Papst Franziskus sagen: »Menschenhandel ist eine Wunde, eine Wunde! – im Körper der
heutigen Menschheit, eine Wunde im Fleisch Christi. Menschenhandel ist ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit.«
Sylvia Bukowski ist Pfarrerin i. R. in Wuppertal, schreibt
Predigten- und Gebetbücher und engagiert sich seit
vielen Jahren im christlich-jüdischen Dialog.
In die Welt für die Welt 1 / 2015
Biblisches Wort
Missionsarchiven finden sich dafür beklemmende Zeugnisse.
Aber kann die Bibel tatsächlich für das Leid unzähliger Opfer
von Versklavung und gnadenloser Ausbeutung verantwortlich gemacht werden?
5
»Menschenhandel geht uns alle an«
Brennpunkt
Von Christoph Wand
6
M
enschenhandel: Gibt es
den wirklich noch? Vor
einigen hundert Jahren
haben Menschen andere
Menschen auf Sklavenmärkten verkauft – ja, natürlich. Aber das ist doch
vorbei, oder? Leider nicht: Mehr als 20
Millionen Menschen – Kinder, Frauen
und Männer – sind weltweit Opfer von
Menschenhandel. Sie werden verkauft
und gehandelt und schuften als Sklaven in Steinbrüchen, arbeiten als Haushaltshilfen, in der Landwirtschaft, als
Zwangsprostituierte, in Pflegediensten,
auf Werften, Baustellen oder werden
Opfer von Organentnahme.
Die VEM setzt sich seit vielen Jahren für
die Rechte von Frauen und Kindern ein.
Seit Mitte der 1990er-Jahre arbeiten beispielweise Kirchen in Indonesien und
Hongkong gemeinsam daran, die Situation von indonesischen Haushaltshilfen
in Hongkong zu verbessern. Während
ihrer Vollversammlung in Wuppertal im
Juli 2014 haben sich die Mitglieder der
In die Welt für die Welt 1 / 2015
VEM dazu verpflichtet, gemeinsam konkrete Schritte und Initiativen gegen
Menschenhandel in Asien, Afrika und
Deutschland zu unterstützen.
Hohe Dunkelziffer
In Deutschland? Ja, auch hier gibt es
Menschenhandel. Beispiel Zwangsprostitution: Frauen aus den verschiedensten Ländern werden in Deutschland
gezwungen, sexuelle Dienstleistungen
zu erbringen. Wehren sie sich, werden
sie und ihre Familien in ihren Heimatländern bedroht oder zusammengeschlagen, im schlimmsten Fall sogar
getötet. Aus Angst trauen sich die wenigsten, ihre Fälle anzuzeigen oder vor
Gericht gegen ihre Peiniger auszusagen
– dass dennoch mehrere hundert Fälle
von Menschenhandel vor deutsche Gerichte kommen, spricht leider nur dafür, dass die tatsächlichen Fälle in die
tausende gehen.
Noch höher ist die Dunkelziffer beim
Menschenhandel in der Arbeitswelt. In
einem Jahr sind es zwanzig Fälle, die in
Deutschland vor Gericht landen, in einem Jahr fünfzig. Aber auch hier gehen
Schätzungen von mehreren tausend
Fällen im Jahr aus. Es ist dabei nicht
immer leicht, eine scharfe Grenze zu
ziehen zwischen ausbeuterischen Arbeitsverhältnissen und Menschenhandel – sicherlich ein Grund, warum sich
die Behörden in Deutschland so schwer
tun, die Straftat Menschenhandel immer konsequent als solche zu verfolgen.
Aber wer hört, dass Menschen hohe
Vermittlungsgebühren dafür bezahlen,
nach Deutschland kommen zu dürfen,
um hier zu arbeiten, dass ihnen dann
hier das Pass abgenommen wird und
sie für einen Hungerlohn arbeiten müssen, der wird es schwer haben, hier
nicht über Menschenhandel zu reden.
Und: Jeder und jede in Deutschland, der
ein Bockwürstchen isst oder ein neu
gebautes Gebäude betritt, kann das
möglicherweise nur, weil in der Herstellung Menschen unter ausbeuterischen Bedingungen gearbeitet haben:
Deswegen: Menschenhandel geht uns
alle an. Hier vor Ort.
Christoph Wand ist Leiter des Teams
­Kommunikation und Medien der VEM.
Montage: © tropicalpix / www.gettyimages.com / Jola Fiedler – MediaCompany GmbH
Thema Menschenhandel
»Wenn etwas zu billig ist, hat
schon jemand dafür bezahlt.«
Im Interview mit André Thielmann
André Thielmann ist Diplom-Soziologe
und arbeitet bei der Diakonie Wuppertal im Projekt UNSICHTBAR – Bündnis
gegen Menschenhandel zur Arbeitsausbeutung. Mit CHRISTOPH WAND sprach
er über die Probleme, den Opfern von
Menschenhandel zu ihrem Recht zu
verhelfen.
7
André Thielmann
Herr Thielmann, für Zwangsprostituierte
gibt es zum Glück eine ganze Reihe von
Anlauf- und Beratungsstellen, für Opfer
von Menschenhandel in anderen Bereichen der Arbeitswelt kaum. Woran liegt
das?
Unter anderem an der Frage der Zuständigkeit. Für den Bereich der
Zwangsprostitution ist das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen
und Jugend zuständig, und da hat sich
in den Angeboten für die Opfer viel getan seit Anfang der 1990er Jahre. Für
andere Bereiche der Arbeitswelt fehlt
das noch bisher. Es trifft sich jetzt aber
zum ersten Mal eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe zu dem Thema, von der wir
uns einiges erhoffen.
Was genau erhoffen Sie sich?
Wenn sich ein Ministerium dafür zuständig erklärt, hoffen wir zum Beispiel
auf die Finanzierung von Beratungsstellen. Denn wenn es die nicht gibt,
wissen die Opfer von Menschenhandel
überhaupt nicht, wohin sie sich wenden sollten. Auf Bundesebene hoffen
wir auf Fortschritte im Aufenthaltsrecht, damit die Menschen nicht direkt
nach möglichen Prozessen abgescho-
Foto: Christoph Wand / VEM
ben werden. Und natürlich ist der konkrete Opferschutz notwendig. Die Leute
brauchen ein Dach über dem Kopf, etwas zu essen, rechtliche Beratung und
psychologische Betreuung. Das alles
kostet Geld und dafür braucht es Strukturen.
Berührt uns das Thema
eigentlich auch im Alltag?
Der Menschenhandel ist uns viel näher
als wir vielleicht denken. Die Zwangsmechanismen bleiben oft unsichtbar,
Arbeitsausbeutung lässt sich jedoch erkennen. Wir profitieren von billigem
Fleisch, von billigem Bau, von billiger
Altenpflege im privaten Haushalt. Beim
Bau zum Beispiel ist das ein Riesenproblem. Da hat der Bauunternehmer ein
Subunternehmen, das hat wieder Subunternehmen und wieder und wieder,
bis zu zwölf in einer Kette. Wenn ich
also privat baue, sollte ich schon mal
nachfragen, wer denn da am Ende
wirklich die Arbeit macht. Oder beim
Fleisch: Wenn das so billig ist wie es ist,
sind Menschen in dem Arbeitsprozess
mit großer Wahrscheinlichkeit ausgebeutet worden. Es gibt einen Satz:
›Wenn etwas zu billig ist, hat schon je-
mand dafür bezahlt.‹ Der ist sehr wahr.
Außerdem hilft konkretes Hinsehen:
Ein Fall von einer brasilianischen Haushaltshilfe, die hier unter menschenunwürdigen Bedingungen arbeiten musste, haben aufmerksame Nachbarn ins
Rollen gebracht.
Vielen Dank für das Gespräch.
Fremde sind Leute, die später gekommen
sind als wir: in unser Haus, in unseren
Betrieb, in unsere Straße, unsere Stadt, unser
Land. Die Fremden sind frech; die einen
wollen so leben wie wir, die anderen wollen
nicht so leben wie wir. Beides ist natürlich
widerlich. Alle erheben dabei Ansprüche auf
Arbeit, auf Wohnung und so weiter, als wären
sie normale Einheimische. Manche wollen
unsere Töchter heiraten, und manche wollen
sie sogar nicht heiraten, was noch schlimmer
ist. Fremdsein ist ein Verbrechen, dass man
nie wieder gut­machen kann. Seit die
Leibeigenschaft aufgehoben ist, gibt es
überall viele Fremde. In den großen Städten
sind sie schlecht zu erkennen, weil sie sich
als normale Menschen zu tarnen verstehen …
Gabriel Laub, tschechischer Flüchtling
in der Ausgabe 09 der Wochenzeitschrift
»Die Zeit« von 1970
In die Welt für die Welt 1 / 2015
Thema Menschenhandel
8
Viel schaffen für ganz wenig Geld
Menschenhandel zur Ausbeutung der Arbeitskraft in
Fleischfabriken, auf Baustellen oder in der Gastronomie.
Das sollte es eigentlich in einem reichen Land wie
Deutschland nicht geben. Das Projekt UNSICHTBAR –
Bündnis gegen Menschenhandel zur Arbeitsausbeutung
bei der Diakonie in Wuppertal macht das Ausmaß von
Menschenhandel in der Arbeitswelt in Nordrhein-Westfalen sichtbar, deckt die Strukturen auf, die die Ausbeutung
fördern und zeigt auf, welche Vorbeugungs- und Beratungsstrukturen vorhanden, sinnvoll und nötig sind.
zahlung komme noch. Aber sie kam nicht. Auch die Arbeitszeiten und der Arbeitsschutz spotteten jeder Beschreibung.
Als sie sich beschwerten, schickte der sogenannte Arbeitsvermittler einen Schlägertrupp in die Unterkunft der Bauarbeiter und ließ Darian Ionescu zusammenschlagen. Daraufhin
flohen die sechs, schliefen nächtelang im Park – und ihre
Frauen in Rumänien bekamen anonyme Anrufe. Ihre Männer sollten besser am nächsten Tag auf der Baustelle erscheinen, sonst würden sie entweder im Rollstuhl oder tot in Plastiksäcken nach Hause kommen.
Von Christoph Wand
Es klingt wie ein schlechter Film, und ist dennoch so passiert.
André Thielmann arbeitet im Projekt UNSICHTBAR – Bündnis gegen Menschenhandel zur Arbeitsausbeutung, dessen
regionale Koordination bei der Diakonie in Wuppertal angesiedelt ist. Das Beispiel von Darian Ionescu sei sicherlich ein
besonders drastisches, sagt er, aber es sei kein Einzelfall. Ob
in Fleischfabriken, auf Baustellen oder in der Gastronomie –
immer wieder höre er von Fällen von extremer Arbeitsausbeutung oder sogar Menschenhandel. Helfen tut diesen Menschen kaum jemand. Die Strafverfolgungsbehörden täten
sich noch immer schwer, Menschenhandel in der Arbeitswelt
zu verfolgen. Das liege unter anderem an mangelndem Wissen über den Straftatbestand bei Polizei und Staatsanwaltschaften, aber auch daran, dass der Opferschutz so mangelhaft sei. Beratungsstellen für Opfer gebe es kaum – selbst bei
der Diakonie in Wuppertal ist sie nur mit geringen Mitteln
ausgestattet und in einem größeren Projekt eingebunden,
Hilfe gibts kaum
A
ls André Thielmann von der Diakonie Wuppertal die Geschichte von Darian Ionescu* hörte,
mochte er kaum glauben, was ihm da erzählt
wurde. Zusammen mit fünf anderen rumänischen Landsleuten hatte sich Ionesu ins ferne
Wuppertal aufgemacht, weil ihm ein Vermittler hier gute Arbeit für gutes Geld versprochen hatte. Auf Baustellen sollten
die sechs in Deutschland arbeiten, und dafür einen für rumänische Verhältnisse sehr guten Lohn bekommen. Allein, die
Realität sah anders aus. Ganz anders. Die sechs Bauarbeiter
unterschrieben hier Arbeitsverträge, so glaubten sie. In Wirklichkeit meldeten sie mit den Papieren ein eigenes Gewerbe
an. So arbeiteten sie mehrere Monate, bekamen nur so viel,
dass sie nicht verhungerten und dachten, die große Lohnaus* Name von der Redaktion geändert
In die Welt für die Welt 1 / 2015
Foto: © Gina Sanders – Fotolia
Die Diakonie Wuppertal versucht auf mehreren Ebenen zu
helfen: unter anderem mit mehrsprachigen Flyern, einer guten Vernetzung mit anderen Beratungsstellen und – ganz neu
– mit kompletten Unterrichtseinheiten für die Integrationskurse. »Da erreichen wir viele Menschen, die wiederum andere kennen, die vielleicht in solche Abhängigkeiten geraten«, sagt André Thielmann.
päischen Ländern ihr Glück gesucht – hoffentlich zu besseren Bedingungen.
Christoph Wand ist Leiter des Teams Kommunikation
und Medien bei der Vereinten Evangelischen Mission.
Risikogruppen und Verletzlichkeitsmerkmale
Risikogruppe –
­Betroffen von
­Menschenhandel /
Arbeitswelt
Verletzlichkeiten
Armutszuwanderer
In den Herkunftsländern existieren strukturelle Armut,
­Arbeitslosigkeit und fehlende soziale Absicherung. In NRW
struktureller Bedarf an billigen oder unangemeldeten
­Arbeitskräften in diversen Branchen. Auch Diskriminierungen
aufgrund der Zugehörigkeit zu ethnischen Minderheiten
­werden als Ursache genannt, die Arbeitsmigration zu wagen.
Angeworbene und
entsandte Arbeiter
Fehlende oder unklare rechtliche Rahmenbedingungen,
­Abhängigkeit von Vermittelnden, unzureichende Regelungen
zur Bestimmung von Verantwortlichkeiten z. B. in
­Subunternehmerketten und fehlende oder unzureichende
Sicherstellung der Auszahlung von Löhnen.
Arbeiter im
Niedriglohnbereich
Starke Konkurrenz und Verdrängungswettbewerb in ­
diversen Branchen.
Personen ohne
­Armutsmarkt­zugang
Für die Betroffenen bestehen teilweise nicht verständliche
und ungünstige Bedingungen der Aufenthalts- und
­Beschäftigungsregelungen.
Undokumentierte /
»illegale« ­Menschen
Hier treffen alle Verletzlichkeitsdimensionen zu. Fehlende
legale Möglichkeiten zum Lohnerwerb setzen Personen
unter hohen Druck, jede Arbeit anzunehmen.
Ungesicherter
Aufenthaltstitel
Druck durch rechtliche Regelungen. Der Aufenthalt muss
durch nachweisbare sozialversicherungspflichtige Beschäftigung verstetigt werden, da ansonsten Abschiebung droht.
Bewusstsein bilden
Gleichzeitig arbeitet die Diakonie mit anderen Partnern daran, dass das Thema auch bei den Strafverfolgungsbehörden
in Deutschland stärker bewusst wird, dass es beispielsweise
spezialisierte Staatsanwälte dafür gibt. Außerdem würde
eine längerfristige Aufenthaltsberechtigung für die Opfer
von Menschenhandel sicherlich helfen, dass mehr Fälle zur
Anzeige gebracht würden. »Und schließlich brauchen wir
Hilfe vor Ort: für die Beratung von Menschen, für ihre Unterbringung im Notfall und auch für ihre psychosoziale Betreuung«, sagt André Thielmann. Viel zu tun in einem Bereich,
den es eigentlich in einem reichen Land wie Deutschland
nicht geben sollte. Und der gerade deswegen vielleicht so wenig beachtet wird.
Die rumänischen Bauarbeiter übrigens sind nach Rumänien
zurückgekehrt und haben sich dort einen Anwalt genommen. Sie versuchen auf diesem Weg im Nachhinein noch an
ihr Recht zu kommen. Einige haben auch in anderen euro-
Quelle: Konzept nach Cyrus/de Boer 2011, eigene Darstellung
Von Menschenhandel betroffene Branchen
Abfallwirtschaft
Zeitarbeit
Verkauf / Einzelhandel
Metallindustrie
Spedition / Lager
Gärtnerei
Fleischindustrie
Sexgewerbe
Haushalt / Kinderbetreuung
Pflege
Landwirtschaft
Gastronomie / Hotel
Bau
0
Quelle Infografiken: Diakonie Wuppertal
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In die Welt für die Welt 1 / 2015
Thema Menschenhandel
das zeitlich begrenzt ist. Wer aber nirgendwo Informationen
über seine Rechte bekommt, kann sie auch nicht wahrnehmen. Außerdem trauen sich viele nicht, Anzeige zu erstatten,
entweder aus Angst vor den Menschenhändlern oder weil sie
fürchten müssen, nach einem Prozess sofort abgeschoben zu
werden. Für Nicht-EU-Bürger jedenfalls ist das die Regel,
wenn sie keinen Aufenthaltstitel haben.
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Thema Menschenhandel
10
»Die Dinge klar
beim Namen nennen«
Insgesamt waren es sechs Frauen, fünf
haben die Klage dann aber zurückgezogen. Wahrscheinlich weil man ihnen
gedroht oder sie bezahlt hat. Der Fall
ging – wie nicht anders zu erwarten –
verloren.
Mehr als 20 Millionen Männer, Frauen und Kinder sind weltweit
Opfer des Menschenhandels. Laut Berichten der UNO werden
weltweit jährlich schätzungsweise 700.000 Frauen als moderne
Arbeitssklavinnen missbraucht, sexuell ausgebeutet oder zwangsweise verheiratet. Im Gespräch mit ANNETTE LÜBBERS berichtet
IRENE GIRSANG, seit 2008 Referentin für interregionale Frauenprogramme, über ihre Erfahrungen.
Schon in der Mitte des 19. Jahrhunderts
wurden erste zwischenstaatliche
Abkommen zur Verhinderung des Handels
mit Frauen und Mädchen abgeschlossen.
Wo liegen aus Ihrer Sicht die Gründe
dafür, dass dieser globale Handel
anscheinend ungebremst weitergeht?
Ich denke, dass die Gründe dafür sich
über die Jahrzehnte nicht verändert
haben: Geschäftemacher nutzen die
Zwangslagen, in denen sich viele Frauen befinden, für ihre Zwecke: Armut,
Perspektivlosigkeit, mangelhafte Bildung, die hohe Arbeitslosigkeit und
ihren eingeschränkten Zugang zu Informationen. Dazu kommt, dass Frauen
in patriarchalisch strukturierten Gesellschaften noch immer als Menschen
zweiter Klasse und damit als verfügbare ›Ware‹ betrachtet werden.
Wie sieht die Situation in Ihrem
­Heimatland Indonesien aus?
Indonesien stellt einen großen Anteil
der Arbeitsmigrantinnen und -migranten. Etwa 70 Prozent davon Frauen. Der
überwiegende Teil arbeitet in Malaysia,
den arabischen Emiraten und in Hongkong. Viele Agenturen verdienen gutes
Geld mit der Vermittlung von Arbeitskräften ins Ausland.
Womit werden die Frauen und Mädchen
gelockt?
Im Regelfall wird erklärt, dass die Frauen und Mädchen gute Jobs als Haushaltshilfen erhalten werden. Oft wird
ihnen der Verdienst in Rupien vorgerechnet. Das hört sich dann nach sehr
viel Geld an. Tatsächlich ist die Bezahlung vor Ort viel weniger wert. Über die
tatsächlichen Lebensbedingungen wird
In die Welt für die Welt 1 / 2015
geschwiegen: die langen Arbeitszeiten,
die miserable Bezahlung, die schlechten Unterkünfte, das ›auf sich allein gestellt sein‹.
Dabei haben die Frauen noch Glück, wenn
sie tatsächlich im Haushalt Arbeit finden.
Andere werden stattdessen in Bordelle
verkauft.
Das stimmt. Während einer Besuchsreise in Indonesien im Jahr 2008 haben
wir in der Nähe von Pematangsiantar
ein Dorf besucht, dessen Namen Bukit
Maraja nur hinter vorgehaltener Hand
ausgesprochen wird. Hier arbeiten – auf
regierungseigenem Grund zwischen
Palmölplantagen und Wäldern – etwa
250 Prostituierte. Die Häuser sind klein
und dunkel. Die Frauen leben dort mit
ihren Kindern – und ihren Zuhältern.
Nach dreijähriger ›Arbeit‹ werden die
Frauen zwangsweise in ein anderes
Dorf gebracht, damit neue ›Ware‹ untergebracht werden kann.
Ist diesen Frauen eine Rückkehr in die
Gesellschaft überhaupt möglich?
Kaum. Sowohl Christinnen als auch
Muslima gelten – wenn sie als Prostituierte gearbeitet haben – als unrein. Unabhängig davon, ob es ihre freie Entscheidung war oder ob sie gezwungen
worden sind.
Welche Chancen haben Zwangs­
prostituierte in Indonesien, die Verkäufer
›menschlicher Ware‹ zu verklagen?
Ohne anwaltliche Hilfe so gut wie keine. Aber einen Anwalt können sich nur
wenige leisten. Ich habe eine ehemalige
Zwangsprostituierte kennengelernt, die
tatsächlich ihre Agentur verklagt hat.
Welche Strafe erwartet einen Menschenhändler, wenn er angezeigt wird?
Leider eine sehr geringe. 2008 lernte ich
in einem indonesischen Gefängnis eine
Frau aus Malaysia kennen, die gerade
mal zu einem Jahr verurteilt worden
war. Sie erzählte mir, dass sie kein Problem damit hat, im Monat etwa 50
Frauen in die arabischen Emirate zu
verkaufen. Im gleichen Gefängnis saß
ein 13-jähriges Mädchen, das zwei Jahre absitzen musste, weil sie bereits vom
Baum gefallene Palmölfrüchte ausgesammelt hatte. Da stellt sich natürlich
die Frage nach der Verhältnismäßigkeit
in der Rechtsprechung.
Die VEM hat das Thema Menschenhandel
bereits seit etwa 20 Jahren auf der
Tagesordnung. Was tun die Mitglieds­
kirchen, um den betroffenen Frauen zu
helfen?
Obwohl die Kirchen in Afrika und Asien größeren Einfluss auf ihre Gesellschaften haben als etwa die Kirchen in
Deutschland: Aus eigener Kraft können
sie diesen Handel natürlich nicht unterbinden. Aber es ist hilfreich, dass einige Kirchen – etwa die GKJW (Christliche Kirche in Ostjava) in Indonesien
– sehr klar formulieren: Diese Frauen
sind Mitglieder unserer Gemeinden.
Wir sind mitverantwortlich dafür, was
mit ihnen geschieht. Die Dinge klar
beim Namen nennen, die Arbeitsverhältnisse vor Ort wahrheitsgemäß beschreiben und die Frauen aufklären:
Das hilft schon viel.
Annette Lübbers ist freie
­Journalistin in Wuppertal.
Fotos: Ilse Straube / VEM, Anneliese Hahn Wong / VEM
Therapie durch Kunst: Migrantinnen im
Diese beiden Migrantinnen
Kotkiho Shelter, der Dachorganisation
üben für den Handarbeitsunter-
verschiedener Unionen indonesischer
richt im Trainingszentrum der
Migrantinnen. Die meisten Migrantinnen
Chinesisch-Rheinischen Kirche
sind Muslime.
in Hongkong.
Hongkong: Ziel vieler Arbeitsmigrantinnen
In die Welt für die Welt 1 / 2015
Thema Menschenhandel
Ausgenutzt und weggeschickt
12
Arbeitsmigrantinnen in Hongkong
Von Mariyam Magdalena
S
eit nunmehr drei Jahren betreue ich als
Pastorin und Seelsorgerin Migrantinnen in
der asiatischen Metropole Hongkong. Zu
Beginn hatte ich viele Selbstzweifel: Zuhause in Indonesien betreute ich eine
christliche Gemeinde, nun sollte ich einer
Frauengruppe helfen, die zu 95 Prozent aus
Musliminnen bestand. Natürlich schossen
mir damals viele Fragen durch den Kopf: Werden diese Frauen mich überhaupt brauchen? Und wenn sie mich brauchen,
werde ich ihnen helfen können? Werden sie meine Betreuung annehmen?
Die Migrantinnen aus Indonesien haben viele Probleme.
Mein erster Eindruck: Die Lebensrealität der Migrantinnen
ist eine andere, als ich sie bis dahin gewohnt war: Ihre Kleidung ist moderner. Sie kommunizieren mit teuren elektronischen Markenprodukten. Ihr Selbstbewusstsein ist größer.
Ihre indonesische Höflichkeit weicht im Laufe ihres Aufenthaltes einer größeren Direktheit. Und viele sprechen die hier
gesprochene Sprache – Kantonesisch – schon sehr gut. Trotz
aller Anpassungsleistung: Die Migrantinnen aus Indonesien
haben viele Probleme. Da war zum Beispiel Erwinia. Sie war
damals 23 Jahre und stammte aus Ostjava. Im Januar 2014
kehrte sie nach acht Monaten Arbeit als Haushaltshilfe nach
Hause zurück – ohne jede Gehaltszahlung. Außerdem war sie
sehr krank. Ihr Gesicht, ihre Arme und Beine waren mit Krätze bedeckt. Sie war unterernährt, litt an offenen Wunden und
ihre Haut war mit Blutergüssen übersät, weil ihr Arbeitgeber
sie ständig verprügelt hatte. In der Nacht durfte sie nur drei
Stunden schlafen. Bevor er sie nach Hause schickte, erhielt
sie 75 Cent und ihr Arbeitgeber drohte damit, ihre Familie zu
töten, falls sie ihn bei der Polizei anzeigen sollte.
Eine andere Migrantin – nennen wir sie Maria – wurde dagegen von ihrem Ehemann in der Heimat und dessen Familie
Diese Übung
soll die
Persönlich­
keitsbildung
der jungen
Frauen
fördern.
In die Welt für die Welt 1 / 2015
Fotos: Mariyam Magdalena
An Köpfen aus Pappmaché lernen die Migrantinnen im
CRC-Trainingszentrum Grundlagen des Friseurhandwerks.
Stolz präsentieren die jungen Frauen ihre selbstgekochten
kulinarischen Köstlichkeiten des Kochkurses im CRC-­
Trainingszentrum.
ausgenutzt. Er und seine Eltern hatten Maria zur Arbeit nach
Hongkong geschickt, damit sie dort die Schulden ihres Mannes abzahlen sollte. Jeden Monat musste sie ihr mühsam
verdientes Geld nach Hause schicken, obwohl sie wusste,
dass ihr Ehemann sich von ihr trennen wollte, sobald sie die
Schulden abbezahlt hätte. Immer wieder wurde sie gedemütigt. Die Familie ihres Mannes behauptete, sie besäße keinen
guten Charakter. Dabei lernte ich Maria als treue und geduldige Frau kennen. Gegen Ende unseres Gespräches sagte Maria: »Ich fühle mich nun gelöst und ruhig, vielen Dank. Bitte
bete weiter für mich, damit ich stark werde.«
Hongkong von ihren Familien und ihren Ehepartnern getrennt. Natürlich ist eine wahrhaftige Ehe nicht an Ort und
Distanz gebunden ist. Aber viele Migrantinnen fühlen sich
einsam und alleine. Das sind besondere Herausforderungen,
an denen viele scheitern. Die Folge: zerrüttete Ehen und viele Scheidungen.
Mit der Zeit kamen immer mehr Migrantinnen mit ganz ähnlichen Problemen zu mir. Ich versuche, ihnen mit Feinfühligkeit und Verständnis zu begegnen. Schließlich weiß ich,
wie hart das Leben im Ausland sein kann. Mein eigener
Mann, den ich im Dezember 2013 heiratete, arbeitet weiterhin in Indonesien. Wie ich sind die meisten Migrantinnen in
Meine größte Herausforderung als Seelsorgerin für muslimische Migrantinnen besteht allerdings darin, den besonderen
Anforderungen ihrer Spiritualität gerecht zu werden. Ich
achte ihre Religion, und ich möchte, dass ihnen Zeit für ihre
Spiritualität bleibt. Jedes Zusammenkommen beginnen wir
mit einem interkonfessionellen Gebet. Die Versammlungen
werden abwechselnd von einem Muslim und einem Christen
geleitet. Die Lieder, die wir singen, sind muslimisch und
christlich. Andere Formen der Entwicklung suchen wir im
spirituellen Tanzen. Das mögen die Migrantinnen sehr. Damit können sie ihre Gefühle ausdrücken, ohne viel zu reden.
Wenig Rechte für Arbeitsmigrantinnen in Hongkong
In der chinesischen Sonderverwaltungszone Hongkong arbeiten
derzeit etwa 300.000 Arbeits­migrantinnen als Hausangestellte.
Die allermeisten sind Filipinas und Indonesierinnen. Die Frauen
mussten bislang in der Regel den Gegenwert von drei bis sechs
Monatslöhnen als Gebühren an ihre Rekrutierungsbüros zahlen,
obwohl nach geltendem Recht die Agentur nur eine Gebühr von
höchstens 10 Prozent des ersten Monatslohns erheben darf.
Im September 2013 wurde der Mindestlohn für Hausangestellte
von 3740 HK-Dollar (ca. 483 US-Dollar) auf 3920 HK-Dollar (ca.
506 US-Dollar) pro Monat erhöht. Vielen Migrantinnen und Migranten wird dieser Mindestlohn allerdings nicht ausgezahlt.
Der überwiegende Teil lebt in winzigen Zimmern in den Räumlichkeiten des Arbeitgebers. Auch der gesetzlich verpflichtende eine
freie Tag pro Woche wird ihnen oft nicht gestattet. Die Frauen arbeiten im Durchschnitt etwa 17 Stunden pro Tag. Etwa ein Viertel
wird verbal oder physisch belästigt und etwa ein Fünftel sexuell
missbraucht.
Mariyam Magdalena
ist als Süd-SüdMitarbeiterin der
VEM Pastorin und
Seelsorgerin für
Migrantinnen in der
asiatischen Metropole
Hongkong. 2007 hat
sie an dem VEMProgramm Ökumeni­
sche Wohngemein­
schaft teilgenommen.
Quelle: Amnesty International, Welt-Sichten und »20 Minuten AG«, Zürich
In die Welt für die Welt 1 / 2015
13
Stimme des Generalsekretärs
14
»Nehmt einander an, wie Christus euch
­angenommen hat zu Gottes Lob«
Von Fidon Mwombeki
W
as für eine Herausforderung! Das Wort Gottes
fordert uns – durch Paulus – auf, dass wir einander akzeptieren, aufnehmen und willkommen heißen. Warum? Weil wir
verschieden sind! Gott hat uns unterschiedliche Gaben aller Art gegeben.
Jeder von uns hat ein anderes Gesicht,
eine andere Körpergröße, Augenform,
andere Haare. Unsere Hautfarbe ist verschieden. Wir haben unterschiedliche
Sprachen, Kulturen, Bildungsniveaus
und Weltanschauungen.
Paulus bezieht sich hier auf Unterschiede in den theologischen Überzeugungen
(Römer 14), insbesondere im Hinblick
darauf, welche Nahrungsmittel Christen
zu sich nehmen dürfen. Ihm geht es vor
allem darum, dass keiner von uns nur
sich selbst im Blick haben sollte, sondern vielmehr die anderen, besonders
diejenigen, die Hilfe brauchen (14,7,
15,1). Er ermahnt alle, nicht über Meinungen zu streiten (14,1) oder einander
zu verurteilen (14,13). Man sollte sogar
vermeiden, etwas zu tun, was man für
richtig hält, wenn andere daran Anstoß
nehmen könnten (14,15, 14,21). Die
Stärkung der Gemeinschaft ist wichtiger
In die Welt für die Welt 1 / 2015
als der individuelle, eigene Genuss oder
theologische Überzeugungen.
Nehmt einander an, wie Christus euch
angenommen hat! Das ist der Maßstab!
Die Frage ist: Wie hat Christus uns akzeptiert oder angenommen? Gerade so,
wie wir sind! Mit all unseren Unterschieden, Ungleichheiten, Unvollkommenheiten und mit all unseren Zweifeln – wir sind am Kreuz willkommen!
Gott entscheidet sich dafür, unsere
zahlreichen Fehler zu übersehen, die
wir immer wieder machen, und nimmt
uns in Christus an – in das Leben in
Freiheit. Gott, in Christus, legt uns keine Stolpersteine in den Weg, sodass wir
fallen, sondern er richtet uns auf, damit
wir die Schwierigkeiten, denen wir auf
unserem Weg begegnen, überwinden
und weitergehen.
Niemand möchte sein
Heimatland verlassen…
Wenn wir uns in diesem Jahr mit diesem Vers beschäftigen, müssen wir uns
fragen, wie wir miteinander umgehen,
auch unter und in den Kirchen. Es gibt
Kirchen, die wegen unterschiedlicher
theologischer Überzeugungen in ethischen Fragen die Beziehungen zu ihren
ökumenischen Partnern abgebrochen
haben. Kirchen in Deutschland fällt es
schwer, in ihren Beziehungen zu Christen mit Migrationshintergrund Gastfreundschaft zu gewähren. Diese wiederum finden es schwierig, Teil der
Volkskirche zu werden! Als Mitglied des
Rates der EKD freue ich mich, die neue
Dynamik im »Verbindungsmodell« zu
erkennen, das Unterschiede zwischen
der VELKD und der UEK relativieren
soll – Unterschiede, die überall sonst
auf der Welt überholt sind. Ich gehörte
der globalen Kommission von Lutheranern und Katholiken an, die das Buch
Vom Konflikt zur Gemeinschaft herausgegeben hat, um Möglichkeiten zu finden,
das 500-jährige Jubiläum der Reformation gemeinsam zu feiern, was ich für
einen sehr positiven Schritt halte. Wir
sind alle Christen. Wir finden einander
am Kreuz und sind dazu berufen, einander einfach zu akzeptieren und zu
lieben.
Derzeit hören wir hitzige Debatten über
Zuwanderung und Integration. Viele
äußern sich besorgt wegen der zunehmenden Fremdenfeindlichkeit in zahlreichen europäischen Ländern. Während wir allzu oft die Bilder von Schiffen mit verängstigten Menschen im
Mittelmeer sehen, beobachten wir
z ugleich die wachsende politische
­
­Popularität derjenigen, die die Türen
Europas vor Neuankömmlingen verschließen wollen. Manchmal denke ich,
vielen Menschen in Europa ist nicht
klar, dass die meisten Flüchtlinge in der
Welt tatsächlich nicht einmal davon
träumen, nach Europa zu kommen. Die
meisten sind Vertriebene in ihrem eigenen Land oder in Nachbarländern, wo
sie Zuflucht suchen. Ich erinnere mich,
dass sehr viele Menschen während des
Völkermords in Ruanda über die Grenze in mein Heimatland Tansania kamen
und in der Nähe der Grenze eine
»Flüchtlingsstadt« im Busch entstand,
die innerhalb von zwei Wochen zur
drittgrößten »Stadt« des Landes wurde.
Jahrelang lebten dort mehr als 300.000
Menschen. Mein Heimatland Tansania
Stimme des Generalsekretärs
hat über Jahrzehnte Tausenden von
Flüchtlingen eine Zuflucht geboten –
Flüchtlingen aus den Nachbarländern
Ruanda, Kongo, Südafrika, Mosambik,
Uganda, Burundi etc. Erst im vergangenen Jahr wurden mehr als 160.000
Langzeitflüchtlinge aus Burundi, die
nicht zurückkehren wollten, in Tansania eingebürgert. Daher überraschen
mich die Diskussionen in Deutschland,
bei denen es um die Aufnahme von
5000 Flüchtlingen aus Syrien geht! Die
meisten syrischen Flüchtlinge halten
sich im benachbarten Libanon und anderen Ländern auf und nur wenige
können sich vorstellen, nach Europa zu
kommen.
… wenn die Lebensumstände
­ausreichend sind.
Dass wir einander als Menschen akzeptieren, ist eine entscheidende Voraussetzung für das Zusammenleben in unserer Welt. Wir sind nicht aufgerufen,
nur Christen anzunehmen, sondern
alle Menschen, denn wir glauben an
einen Gott und dass Jesus für alle Menschen gestorben ist. Daher müssen wir
uns an die Seite derjenigen stellen, die
darum ringen, ein menschenwürdiges
Leben führen zu können, und ihnen
durch unsere anwaltschaftliche Arbeit
und Entwicklungshilfe helfen, dies zu
erreichen. Niemand möchte sein Heimatland verlassen, wenn die Lebensbedingungen ausreichend sind. Aber alle
Menschen versuchen, ihre Lebensumstände zu verbessern. Aus diesem
Grunde haben die Europäer in den vergangenen zwei Jahrhunderten Kontinente und Länder kolonisiert, wie
Nord-, Mittel- und Südamerika, Afrika
Foto: Ilse Straube / VEM
15
Dr. Fidon Mwombeki
und die pazifischen Inseln. Häufig haben sie bei ihrer egoistischen Suche
nach Freiheit und einem guten Leben
die einheimische Bevölkerung ausgelöscht. Ich frage mich, wie viele Europäer sich in Brasilien, Argentinien, Chile, den USA, Kanada, Namibia, Kenia,
Australien, in der Karibik und auf den
pazifischen Inseln angesiedelt haben.
Europäische Kirchen haben sogar
Geistliche für die Betreuung der Siedler
im Ausland entsandt, aber gleichzeitig
sind die Menschen aus diesen Ländern
in Europa nicht willkommen – nur ihre
Rohstoffe dürfen einreisen!
Vor einigen Jahren brachte die VEM ein
Poster heraus mit dem Titel »Christus
hat viele Gesichter«. Es hängt in meinem Büro, um mich immer daran zu
erinnern, dass ich in den Menschen mit
ihren unterschiedlichen Bedürfnissen
und Lebenssituationen Jesus treffe und
diene. Wenn wir Menschen, die in Not
sind, willkommen heißen und unser
Bestes tun, um ihnen zu helfen, dann
dienen wir dem Herrn. Darum geschieht dies zur Ehre Gottes. Jesus sagt
in Matthäus 25,37– 40:
Dann werden ihm die Gerechten antworten und sagen: Herr, wann haben wir dich
hungrig gesehen und dir zu essen
gegeben, oder durstig und haben dir zu
trinken gegeben? Wann haben wir dich
als Fremden gesehen und haben dich
aufgenommen, oder nackt und haben
dich gekleidet? Wann haben wir dich
krank oder im Gefängnis gesehen und
sind zu dir gekommen? Und der König
wird antworten und zu ihnen sagen:
Wahrlich ich sage euch: Was ihr getan
habt einem von diesen meinen geringsten
Brüdern, das habt ihr mir getan. …
Wahrlich, ich sage euch: Was ihr nicht
getan habt einem von diesen Geringsten,
das habt ihr mir auch nicht getan.
Dr. Fidon Mwombeki ist
Generalsekretär der Vereinten
Evangelischen Mission.
In die Welt für die Welt 1 / 2015
illionen Opfer von Menschenhandel
Als aber die Kaufleute vorbeikamen,
verkauften sie ihn für 20 Silberstücke.
1. Mose 37, 28
9 0 0
0 0 0 *
Für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung
Rudolfstraße 137 · 42285 Wuppertal · www.vemission.org
KD-Bank eG · IBAN: DE 45 3506 0190 0009 0909 08 · Stichwort »Menschenrechte«
Gegen Menschenhandel.
Für Menschenrechte.
2 0
Gestaltung: Jola Fiedler / MediaCompany – Agentur für Kommunikation GmbH, Foto Hand: © John Woodworth – gettyimages
Weltweit gibt es mehr als 20,9
Partnerschaft
18
Wie geht eigentlich
Partnerschaft?
Von Regine Buschmann
E
in bisschen mutet der Titel durchaus als Frage nach einem Rezept an. Vielleicht geht
Partnerschaft so: 500 Gramm freundschaftliche Beziehungen, 150 Gramm interkulturelles Verständnis, 6 Reisen, 150 Gramm
Geduld und Langmut, 2 Teelöffel Kenntnisse
der jeweiligen Sprache und Geld nach Geschmack. Das Ganze gut miteinander vermengen und mindestens 20 Jahre bei 35 Grad auf mittlerer Schiene im Backofen garen. Das Ergebnis: ein meistens leckerer Kuchen
aus verschiedenen Farben wird in unterschiedlich große Stücke
geteilt und über die Jahre und Jahrzehnte verzehrt. Und was bleibt
am Ende: ein Teller mit Krümeln? So einfach geht es wohl nicht –
aber so frustrierend ist es zum Glück am Ende in den meisten
Fällen auch nicht.
Wo kommen wir her, was sind unsere Wurzeln?
Als vor 35 bis 40 Jahren die Idee der ökumenischen Patenschaften (und ich schreibe bewusst »Patenschaft« und noch
nicht »Partnerschaft«) aufkam, ging es den Missionswerken
darum, die Beziehungen und Kontakte der Landeskirchen
über das Missionswerk in die Kirchen des Südens zu intensivieren. Ich nenne es zu der Zeit noch Paten-/Partnerschaften,
weil es deutliche Tendenzen von Pateneltern im Norden und
Patenkindern im Süden gab. Durch diese Paten/Partnerschaften sollten ökumenische Beziehungen Gesichter bekommen.
Auf beiden Seiten im Norden wie im Süden. Nicht mehr
Oberkirchenräte und Präsides, nicht mehr Mitglieder der
Ökumene-Ausschüsse, sondern Gemeindeglieder von der
Basis der Kirchen in Deutschland und in Afrika und Asien
In die Welt für die Welt 1 / 2015
sollten sich begegnen können. Das Wort »Augenhöhe« war
damals noch nicht geboren. Es ging darum, dass Gemeinden
und Kirchenkreise in Deutschland Mitverantwortung für die
Gemeinden im Süden übernehmen sollten. Der Gedanke der
Süd-Nord-Bewegung hat damals noch keine Rolle gespielt.
Natürlich ging es auch ums liebe Geld, das wir in gemeinsamer Verantwortung miteinander teilen wollten. Aber für
Menschen, die ich kenne, für Kirchengebäude, in denen ich
schon Gottesdienst gefeiert habe, gebe ich doch noch viel lieber etwas ab als für anonyme Projekte. Da können diese noch
so gut aufbereitet und kommuniziert sein.
Die ökumenischen Paten-/Partnerschaften entstanden in einer Zeit der hohen Aufmerksamkeit für Afrika. Besonders die
Boykottbewegung: »Keine Früchte aus Südafrika« hat den
schwarzen Kontinent immer wieder in den Fokus der Medien
und damit der Menschen in Deutschland gebracht. Viele
meiner Generation und der Generation meiner Eltern sind
über diese Boykottbewegung in der Mission, heute sagen wir
lieber in der ökumenischen Zusammenarbeit, gelandet.
»Dem Fremden begegnen« war der Titel eines der ersten Partnerschaftsseminare, das ich in den 1980er Jahren besucht
habe. Auseinandersetzung mit der fremden Kultur, Verständnis für die fremde Kultur und das Entdecken von Unterschieden und Gemeinsamkeiten waren die hauptsächlichen Lern­
erfahrungen. Sie waren der Beginn der partnerschaftlichen
Arbeit, des partnerschaftlichen Wahrnehmens der Gemeinsamkeiten und Unterschiede. Meine ersten Begegnungen mit
solchen Paten-/Partnerschaften fanden 1982/83 statt. Damals
Foto: Ramona Hedtmann / VEM
Allerdings waren schon damals die Paten-/Partnerschaften
nicht nur Programme der missionarischen Arbeit, sondern
auch der Entwicklungszusammenarbeit. Unter dem Dach der
weltweiten Kirche gemeinsam am Aufbau und der Ausbreitung des Evangeliums mitwirken – so könnte man, und so
kann man bis heute, den Sinn von ökumenischen Partnerschaften beschreiben. Da ging es damals – und geht es vielfach heute noch – um das Teilen der Finanzen, um den Aufbau von Gemeinden und Kirchen, um die Aus-, Fort- und
Weiterbildung der Mitarbeitenden. Damals nur im Süden,
heute immer mehr auch hier im Norden.
Ein Aspekt noch: Der Gemeindedienst für Weltmission, besser seine Mitarbeitenden, war damals noch in den Händen
der Vereinigten Evangelischen Mission und ganz maßgeblich
an der Initiierung und dem Aufbau der Paten-/Partnerschaften beteiligt. Über 100 Paten-/Partnerschaften sind seitdem
in der VEM entstanden. Das ist ein Erfolgsmodell für missionarische Entwicklungszusammenarbeit.
Schon zu Anfang der 1980er Jahre waren es dann Menschen
wie Dietrich Hempel, die mit ihren Ideen von »Partnerschaft
auf Augenhöhe« neue Wege gehen wollten und neue Konzepte entwickelt haben. Das Freiwilligenprogramm der VEM
war ein solches Konzept. Dietrich Hempel sagte zu mir, als er
mich während meiner Diakoninnen-Ausbildung werben
wollte für ein solches Jahr: »Wir wollen den Afrikanern zeigen, dass wir nicht nur unsere Experten nach Tansania schicken, sondern auch unsere Auszubildenden. Afrika hat viel
beizutragen, und Du wirst das Jahr nicht bereuen«. Wie recht
er haben sollte, ist mir dann erst viel später klar geworden.
Hempel und seine Mitstreiter haben die Partnerschaftsarbeit
grundlegend verändert.
Vom Verhältnis Patenonkel – Patenkind ging es zur Entwicklung von Verhältnissen und Beziehungen gleichberechtigter
Menschen zueinander. Entscheidungen der jeweiligen Seite
sollten respektiert werden. Die Afrikaner hatten zu entscheiden, wofür in Deutschland gesammeltes Geld auszugeben
war. Es wurden Partnerschaftsverträge entwickelt, die beide
Seiten in die Pflicht nehmen sollten. Bei Besuchen aus dem
Süden nach Deutschland waren es zu Anfang revolutionäre
Gedanken, dass die Afrikaner etwas zur Finanzierung ihrer
Reise beitragen sollten. Ich erinnere mich an Besuchergruppen, die tansanisches Kunsthandwerk im Gepäck hatten,
welches hier dann in den Weltläden verkauft wurde.
Das waren und sind lange und schwierige Prozesse, aber am
Ende lohnen sie sich immer. Die Zutaten zum Partnerschaftskuchen haben wir langsam gefunden, das Rezept hat sich
über die Jahre entwickelt, ist verändert – und verbessert worden. Wir glauben, dass wir jetzt wissen wie es geht! Schauen
wir doch noch mal genau hin!
Wo stehen wir? Was haben wir erlebt und welche Schlüsse
ziehen wir daraus?
Platz für eine Bildunterschrift
Im Schnitt 30 + X Jahre später stehen die Partnerschaften aus
meiner Sicht heute an einem Scheideweg. Wahrscheinlich
sind es sogar mehrere. Die Aufbaujahre und ihre oft abenteuerliche Entwicklung sind vorbei. Man hat sich gesettlet, man
kennt sich, man weiß, wie der oder die andere tickt. An manchen Stellen stellt sich Langeweile ein. Das ist wie mit einer
alten Freundschaft: Manchmal wird die Pflege derselben mit
den Jahren mühsam. Manchmal lebt man sich auseinander.
Manchmal gehen persönliche Entwicklungen in ganz gegensätzliche Richtungen. Das gilt es wahrzunehmen und zu respektieren. Vor allem Tansania hat in den vergangenen 30
Jahren eine rasante Entwicklung genommen. Dabei mitzukommen, wenn man 9.000 Kilometer entfernt lebt, ist nicht
so ganz leicht. Es ist aber auch ein großer Schatz einen so
langen Teil des Lebensweges miteinander geteilt zu haben.
Viele Mitglieder in Partnerschaftsgruppen auf der deutschen
Seite sind in die Jahre gekommen. Oft hat jüngerer Nachwuchs nur wenige Chancen hineinzukommen in die alten
Strukturen und Abläufe. In manchen Partnerschaftskreisen
sind gute persönliche Beziehungen entstanden, die man
durch neue Leute nicht aufs Spiel setzen möchte. Und die
Ideen der jungen Leute werden manchmal abgebügelt mit
Sätzen wie: »Das haben wir vor Jahren alles schon probiert –
damit sind wir durch.« Dabei sollten wir den jungen Menschen, die sich engagieren möchten, doch zugestehen, ihre
eigenen Erfahrungen zu machen. Sie werden nie genau die
gleichen sein wie diejenigen, die wir selber vor Jahren gemacht haben. Sie werden jeder Partnerschaft neue Nuancen
und Perspektiven, manchmal sogar neue Ideen und Richtungen geben. Und dass die jungen Menschen sich nicht mehr
so lange binden wollen im ehrenamtlichen Engagement wie
wir das getan haben? Was soll’s? Neue Menschen auf der
deutschen Seite mobilisieren auch neue Menschen in Tansania, und darin liegt die große Chance und Zukunft.
Das liebe Geld in Deutschland wird weniger, an vielen Stellen
in Tansania wird es mehr. Wir haben aus Daressalam zum
Beispiel eine Besuchsreise nach Hongkong gehabt, die haben
die Daressalamer aus eigener Tasche bezahlt. Das würde
manche von uns hier finanziell schon überfordern. Es ist aber
In die Welt für die Welt 1 / 2015
Partnerschaft
habe ich als eine der ersten VEM-Freiwilligen in der Karagwe
Diözese im Nordwesten Tansanias Dienst getan. Die Unterstützung von Projekten war ein großes Thema. Meist entschieden die deutschen Partner, welche Projekte aus ihrer
Sicht förderungswürdig waren, und die Afrikaner hatten sie
dann umzusetzen. Viel Sinn ist da gefördert worden, aber
mindestens genau so viel Unsinn. Ich erinnere mich an einen
Container voll mit medizinischen Geräten für ein Krankenhaus in Tansania. Alles abhängig von Elektrizität und fließendem Wasser. Beides gab es Anfang der achtziger Jahre noch
lange nicht überall in der bedachten Region. Aus automatisch
zu spülenden Bettpfannen wurden Kochtöpfe, die teuersten,
die es dort jemals gegeben hat. Tragischerweise ist die Liste
solcher Beispiele lang und sie finden sich sowohl in Afrika
wie auch in Asien. Den guten Willen habe ich nie infrage gestellt, die Sinnhaftigkeit mancher Projekte jedoch wohl!
19
Partnerschaft
20
ein ganz neuer Blick auf die tansanische Seite. Gemeinden in
Daressalam bauen riesige Kirchen für tausende von Euro. Ich
habe 2012 in einer Gemeinde gepredigt, wo die sonntägliche
Kollekte mindestens bei umgerechnet 10.000 Euro liegt. In
einem ganz normalen Gottesdienst. Das stellt für viele von
uns unser Weltbild auf den Kopf – und damit unser Bild von
Partnerschaft. Bitte nicht falsch verstehen: Der größere Teil
der tansanischen Kirchengemeinden ist nach wie vor bitter
arm, aber es gibt die andere Seite inzwischen eben auch. Aber
wie kann unsere Partnerschaft aussehen, wenn Projektfinanzierung nicht mehr eine große Rolle spielt? Wie wollen wir
dann unsere Partnerschaft gestalten?
Für manche Partnerschaften ist die Kündigung des Partnerschaftsvertrages die einzige Perspektive. Sie sind in einer
Sackgasse gelandet. Es gibt, vor allem in Deutschland, keine
Menschen mehr, die sich engagieren wollen und können, die
sich begeistern lassen. Vor wenigen Jahren wäre das noch
undenkbar gewesen. So wie Mission im Horizont der Ewigkeit stattfindet, so sind Partnerschaften auf Lebenszeit angelegt. Wessen Lebenszeit denn? Wir müssen uns erlauben offen und ehrlich hinzuschauen und dann Entscheidungen zu
treffen. Manchmal sind sie schmerzhaft, manchmal aber
auch erlösend. Wir dürfen sie hier in Deutschland nicht alleine treffen, sondern uns mit unseren Partnern auf den Weg
zur Lösung machen. Aber wenn es wirklich nicht weiter geht,
dann sollen wir dazu ehrlich stehen. Und nach Möglichkeit
woanders einen neuen Anfang suchen.
Die modernen Kommunikationsmittel erleichtern manches.
Mail und SMS sind an der Tagesordnung, der Süden der Welt
ist über facebook und whatsapp weit besser vernetzt als der
Norden. Die junge Generation hält damit ganz einfach eine
Kommunikationsfrequenz aufrecht, die mir jedenfalls immer
wieder Respekt abnötigt, der ich mich aber auch nicht unterordnen möchte. Dennoch: Zephania Kameeta, mein Vorgänger als Moderator der VEM und Alt-Bischof in Namibia, hat
bei einem Gottesdienst in der Zionskirche in Bethel einmal
gesagt: »Du kannst einen Computer nicht umarmen.« Und
damit hat er für mich ganz deutlich gemacht, dass auch die
Zukunft ökumenischer Beziehungen in der Begegnung von
Menschen liegt.
mationen bei. Sie sind ein deutlich sichtbares Zeichen dafür,
dass die Kirche Gottes eine weltumspannende ist und dass
die Geschwisterschaft innerhalb dieser Kirche eine Wirklichkeit ist, ohne die Kirche und ihre Mission nicht vollständig
und denkbar wäre. Sie sichern die Teilhabe an Gottes Reich
und das Teilen der uns von Gott gegebenen Gaben. Ohne die
Partnerschaften ist für mich Mission im 21. Jahrhundert nicht
vorstellbar. In den Partnerschaften und durch sie findet evangelische Entwicklungszusammenarbeit statt. Das ist klassische Projektfinanzierung ebenso wie die Unterstützung in der
Qualifizierung von haupt-, ehren- oder nebenamtlich Mitarbeitenden. Das ist Personalaustausch in alle Richtungen und
auch in den unterschiedlichen Berufen. Für Deutschland ist
das außerhalb des Pfarramtes aus Visumsgründen leider
noch nicht möglich, aber ich hoffe, dass wir in der nicht allzu
weit entfernten Zukunft Menschen anderer Berufsgruppen
nach Deutschland einladen können und unser Wissen und
unsere Expertise miteinander teilen können.
Den Aspekt der Mission im neuen Gewand möchte ich hier
nicht vergessen. In Partnerschaften wird die Bibel geteilt. Wir
teilen uns gegenseitig unsere Auffassung und unser Verständnis des Wortes Gottes mit. Wir können füreinander und miteinander beten und die Kraft des Gebetes als lebendiges Zeichen
der Verbundenheit erleben. Wir bauen miteinander an Gottes
Reich. In einer sich immer weiter verweltlichenden Alltagswirklichkeit legen wir Zeugnis ab von der weltumspannenden
Gemeinschaft der Christen. Und das ist gut so! Die Herausforderungen sind da. Moderne und rasante Kommunikation, volle Terminkalender, das immer schneller werdende Leben nicht
nur hier in Deutschland, sondern auch in Afrika und Asien, die
sich verschiebenden wirtschaftlichen Ausgangslagen. All dem
und vielem mehr müssen Partnerschaften sich stellen und
kreative neue Ideen entwickeln und den Mut haben, diese mit
ihren Partnern zu kommunizieren und umzusetzen. Ein neues Rezept? Habe ich nicht im Gepäck. Und das wäre auch nicht
gut, denn die Zutaten sind in jeder Partnerschaft ein bisschen
anders. Aber lassen Sie den Ofen nicht ausgehen, die Backform
ist stabil und die Zutaten kennen Sie gut. Für mich ist die Partnerschaftsarbeit eines der größten und spannendsten Abenteuer, auf das Menschen in der Kirche sich einlassen können.
Und immer wieder gibt es was Leckeres zum Essen! Viel Freude beim Backen wünsche ich!
Wo wollen wir hin? Wie könnte die Zukunft von
­ökumenischen Partnerschaften aussehen?
Zurück zu meinem Partnerschaftskuchenrezept vom Anfang.
Bleibt am Ende wirklich nur ein Teller mit Krümeln? Ich bin
davon überzeugt, dass das nicht so ist! Wir haben das Rezept
und wir wissen inzwischen sogar, wie wir es den neuen Zeiten und Gegebenheiten anpassen können. Wenn also nur
noch Krümel auf dem Partnerschaftsteller liegen, dann wird
es höchste Zeit einen frischen Kuchen zu backen. Warum?
Die über 100 Partnerschaften sind das Rückgrat eines Missionswerkes wie der VEM. Sie sichern und gestalten die Beziehungen zwischen Gemeinden und Kirchenkreisen. Sie tragen
deutlich zum Fluss von notwendigen und wichtigen Infor-
In die Welt für die Welt 1 / 2015
Diakonin Regine Buschmann ist seit 2008 Moderatorin
(Vorsitzende) der Vereinten Evangelischen Mission
und in der Öffentlichkeitsarbeit der v. Bodelschwingh­
schen Stiftungen Bethel in Bielefeld zuständig für
Ökumene und Ö
­ ffentlichkeitsarbeit.
Die Lust am Lesen wieder entdecken
Projekte und Spenden
VEM unterstützt Hausaufgabenbetreuung
Von Brunhild von Local
21
Die Vereinte Evangelische
Mission hat im vergangenen
Jahr die Hausaufgaben­
betreuung des »Christlichen
Vereins junger ­M enschen«
CVJM Adlerbrücke in Wuppertal unterstützt. Damit
haben sich die Chancen auf
Bildung der AdlerbrückenKinder erhöht.
»Gleiche Chancen für alle. Bildung ist
ein Menschenrecht.« So hieß die Menschenrechtsaktion der Vereinten Evangelischen Mission 2013/2014, die gleichermaßen auch das Ziel der kostenlosen Hausaufgabenbetreuung beim
CVJM Adlerbrücke im Wuppertaler
Stadtteil Barmen beschreibt. Die Adlerbrücken-Kinder kommen aus osteuropäischen, arabischen und afrikanischen
Ländern nach Deutschland und sprechen und verstehen teilweise nur gebrochen deutsch. Die schulischen Anforderungen sind sehr hoch, und die Schülerinnen und Schüler oft mit den Hausaufgaben heillos überfordert. Die Eltern
können ihren Kindern meist auch nicht
helfen, weil ihnen selbst die nötigen
Deutschkenntnisse fehlen. Diese Kinder
müssen gefördert werden. »Ziel unserer
Arbeit ist es, im Rahmen der Hausaufgaben, die die Schülerinnen in der Schule
aufgetragen bekommen, sie bestmöglich zu unterstützen und ihnen Mittel
und Wege zu zeigen, wie sie sich selbst
Inhalte erarbeiten und erschließen können«, sagt die Leiterin der Hausaufgabenbetreuung Christine Voigt.
Foto: Ramona Hedtmann / VEM
Christine Voigt, die Leiterin der Hausaufgabenbetreuung,
hilft ­einem Adlerbrücken-Kind bei den Hausaufgaben.
VEM erfüllt Wünsche
Mit dem Geld der VEM konnte unter
anderem ein digitaler Bilderrahmen,
ein großer Materialschrank, Büro- und
Arbeitsutensilien wie Stifte, Füller, Karteikarten, Radiergummis und vieles
mehr angeschafft werden. Und zwei
lang gehegte Wünsche konnten
schließlich auch erfüllt werden. Eine
Leseecke für die Adlerbrücken-Kinder:
Ein Ohrensessel mit ein paar Hockern
lädt zum Schmökern und Verweilen
ein. Die Bücher mit kurzen und längeren Geschichten warten im Regal darauf, gelesen zu werden.
Aber auch einige Wissensbücher zu bestimmten Themen konnten von dem
Geld gekauft werden, sei es um spezielle Interessen bei den Kindern zu wecken oder sei es um sie bei themenbezogenen Hausaufgaben hinzuziehen zu
können. Mit dieser gemütlichen Leseecke sollen die Kinder die Lust am Lesen wieder- oder ganz neu entdecken –
auch unabhängig von ihren Hausauf-
gaben. »Gerade der gemütliche Sessel,
der wie ein Thron anmuten könnte,
verführt zum Lesen und Verweilen«,
sagt Christine Voigt.
Auch der zweite Wunsch konnte erfüllt
werden: Ein Grundstock an Montessori-Arbeitsmaterialien für die Fächer
Mathematik, Deutsch und Sachkunde
steht jetzt für die Besucherinnen und
Besucher des CVJM Adlerbrücke bereit.
Das pädagogische Material nach Maria
Montessori ist sehr gut geeignet, um die
Schülerinnen selbstständig arbeiten zu
lassen. »Es muss nicht erklärt werden,
sondern zielt vielmehr darauf ab, dass
Kinder sich Inhalte und Gegenstände
handlungsorientiert und eigenständig
erschließen«, so Christine Voigt, ganz
nach dem Prinzip »learning by doing«.
Die Investition in die Bildung dieser
jungen Generation erhöht die Zukunftschancen für ein selbstständiges Leben.
www.cvjm-adlerbrücke.de
In die Welt für die Welt 1 / 2015
22
Die Berliner Historikerin Ursula Trüper ist Nachfahrin in der 6. Generation der späteren Schmelen-Kleinschmidt-Familie.
Die »unsichtbare Frau« wird sichtbar
Hinrich und Zara Schmelen als Sprachpioniere und Stammeltern gefeiert
Von Bettina von Clausewitz
Hinrich und Zara Schmelen waren ein ungewöhnliches Paar: der weiße
­M issionar aus Deutschland und die schwarze Nama-Frau aus Südafrika.
Beide haben schon vor 200 Jahren am Kap eine bikulturelle Ehe geführt,
wie man heute sagen würde – selbst in der jetzigen globalisierten Welt ist
das nicht alltäglich. In dem von Rassentrennung zerrissenen südlichen
Afrika passte es erst recht nicht ins Bild. Unvergessen aber sind die beiden
auch durch ihre Bibelübersetzung in die Nama-Sprache, ein wichtiger
Fundus für Forscher bis heute. Grund genug, sich an Zara und Hinrich
Schmelen zu erinnern, deren weitverzweigte multikulturelle Familie im
September 2014 erstmals gemeinsam ein großes Fest gefeiert hat.
A
uch wenn es seinerzeit
niemand so gesehen
hat: Eine bescheidene
Hochzeit auf der Reise
mit dem Ochsenkarren
durchs Namaland im
Jahr 1814 ist bis heute ein Meilenstein
der Missionsgeschichte. Damals heiratete der 36-jährige deutsche Missionar
Johann Hinrich Schmelen die kluge
und anerkannte junge Nama-Frau Zara
In die Welt für die Welt 1 / 2015
Hendrichs. Er (1777–1848) stammte
aus dem dörflichen Kassebruch bei
Bremen und war seit 1811 Missionar
der Londoner und Rheinischen Mission
in der nord-westlichen Kapkolonie. Sie
war mit etwa 20 Jahren deutlich jünger
als er (um 1795 in Steinkopf geboren)
und wohl kurz zuvor erst von ihm getauft worden, bevor sie ihn auf eine
mehrmonatige Reise begleitete – als
Ersatz für den erkrankten Diener.
Wenig romantisch und schon gar nicht
aus Liebe fand diese Hochzeit vermutlich statt, eher aus dem nüchternen
Kalkül nicht als unzüchtig zu erscheinen: »... deshalb beschloss ich zuletzt,
bevor ich in irgendeinen Verdacht
kommen könnte, ihr meinen Antrag zu
machen«, schreibt Schmelen in einem
seiner Briefe an die Londoner Mission.
Über die Hochzeit informierte er seinen
Arbeitgeber erst 1817. »Er hat sie drei
Jahre lang verheimlicht«, sagt die Berliner Historikerin Ursula Trüper, »auf
dem Land gab es zwar mehrere Missionare, die Khoikhoi-Frauen geheiratet
hatten, aber in Kapstadt waren solche
Ehen zwischen Weißen und Schwarzen
verpönt«. Auf ihrer Synode 1817 habe
dann auch die Londoner Mission eine
Rassentrennung befürwortet.
Ursula Trüper ist selbst Nachfahrin in
6. Generation der späteren SchmelenKleinschmidt-Familie. Im Jahr 2000 hat
sie ein Buch veröffentlicht, mit dem sie
Zara und der vorkolonialen Missions-
Fotos: Volkmar Knoch / Hanfgarn & Ufer Filmproduktion GbR
Und doch steht Zara heute im Mittelpunkt einer lange verdrängten und vergessenen südafrikanischen Geschichte.
Sie ist die Stammmutter einer weit verzweigten Familie, deren Mitglieder bis
in die 8. Generation überall auf der Welt
verstreut sind: im kleine Ort Komaggas
in der heutigen Provinz Nordkap, wo
Zara und Hinrich mit ihren vier Kindern
Anna, Hanna, Frederika und Nikolas gelebt haben, im benachbarten Namibia,
in Deutschland, England, den USA und
sogar in Finnland. Wissenschaftliche
Bedeutung jedoch hat sie als »Assistentin« ihres Mannes bei der Übersetzung
der vier Evangelien in die Sprache der
Nama erlangt, die zur Sprachfamilie der
Khoikhoi gehört; außerdem entwickelten sie eine Grammatik.
»Assistentin« ihres Mannes
Diese Sprache galt bis dahin wegen ihrer zahllosen Klicklaute für Europäer
als nicht erlernbar. Ohne einheimische
»Gehilfen«, die weit wichtiger waren als
der Name vermuten lässt, wären die
Missionare unfähig gewesen das Evangelium zu verbreiten. Schmelen selbst
hat die Sprache niemals richtig gelernt,
wie er 1823 freimütig bekennt, als die
Übersetzungsarbeiten beginnen: »Ich
kann nur sagen, dass ich weit davon
entfernt bin, zu sprechen. Ich kann ein
wenig plaudern, aber sehr wenig.«
Eine weit verzweigte Familie, deren Mitglieder bis in die 8. Generation
überall auf der Welt verstreut sind.
So ist es nicht verwunderlich, dass es
nach Zaras frühem Tod 1831 keine weiteren Übersetzungen gab. Für Urusla
Trüper machen die historischen Quellen klar, dass die lange Zeit nur ihrem
Mann zugeschriebene sprachwissenschaftliche Pionierleistung ebenso Zara
Schmelen zuzurechen ist. Wer wem
dabei mehr »geholfen« hat, darüber
lässt sich spekulieren. Tochter Hanna,
die ihre schwerkranke, an »Auszehrung« leidende Mutter zur Drucklegung
in Kapstadt begleitete, schrieb: »...als
der Drucker das letzte Blatt durchgeschickt und Vater und Mutter dies
durchgesehen hatten, sagte Mutter:
›Nun habe ich mein Werk beendet hier
auf Erden, nun kann ich sterben‹.«
Hanna, die später den deutschen Missionar Franz Heinrich Kleinschmidt von
der Rheinischen Mission heiratete,
setzte die Arbeit im Groß-Namaland
fort. Dort in Komaggas fand Ende September 2014 das erste internationale
Familientreffen der Schmelen-Kleinschmidts und der Hendrichs-Nachfahren statt, mit rund 50 Teilnehmenden
aus acht Generationen. Undenkbar zu
Apartheidzeiten! Äußerer Anlass war
der 200. Hochzeitstag von Zara und
Hinrich. Tatsächlich aber ging es um
viel mehr, wie der ehemalige ANC-Aktivist und Mitorganisator Horst Kleinschmidt erklärte. In einem Land, in
dem sich viele Menschen immer noch
als weiß oder schwarz oder farbig klassifizierten, sei es wichtig zu zeigen:
»Heute sind wir alle eine Familie.« Optisch sichtbar machte das ein Stammbaum, in den sich jeder eintragen
konnte, wie Ursula Trüper erzählt: »Das
war sehr beeindruckend, um zu begreifen: Wir gehören zusammen, egal wo in
der Welt.«
Bettina v. Clausewitz ist freie
Journalistin in Essen.
www.horstkleinschmidt.co.za
»Heute sind wir alle eine Familie.« Optisch sichtbar machte das
ein Stammbaum, in den sich jeder eintragen konnte.
In die Welt für die Welt 1 / 2015
Porträt
zeit ein Denkmal setzte: »Die Hottentottin. Das kurze Leben der Zara Schmelen
(ca. 1793 –1831). Missionsgehilfin und
Sprachpionierin in Südafrika.« Der Titel
der 2006 erschienen englischen Ausgabe lautet prägnant: »The Invisible Woman« – die unsichtbare Frau. Denn von
Zara Schmelen selbst gibt es nichts: keinen Brief, kein Bild, kein Tagebuch. Nur
die eher förmlich gehaltenen Berichte
ihres Mannes: »...sie hatte einen ausgezeichneten Ruf unter dem Volk, unter
dem sie lebte. Ich glaube jetzt wirklich,
dass ich eine bessere Lebenspartnerin
in meiner jetzigen Lebenssituation
nicht hätte finden können.«
23
»So geht Nächstenliebe praktisch!«
Entwicklung
250 Euro für die Bildungsarbeit in Ruanda
24
Von Annette Lübbers
Öffentlichkeitsarbeit einmal anders:
Schülerinnen und Schüler am Brackweder
Gymnasium in Bielefeld studierten das
Projektheft der Vereinten Evangelischen
Mission – und spendeten anschließend
250 Euro – selbst erarbeitet – für die
Bildungsarbeit in Ruanda.
E
ine ungewöhnliche Bitte flattert Maxie Kordes,
Studienleiterin im Zentrum für Mission und Diakonie (CMD) der Vereinten Evangelischen Mission im Oktober 2014 auf den Schreibtisch. Anka
Hillringhaus, Religionslehrerin am Brackweder
Gymnasium in Bielefeld, bittet um schriftliches
Material über die Arbeit der Vereinten Evangelischen Mission. Sie wolle in ihrer neunten Klasse mit VEM-Veröffentlichungen das Thema »Leben im Geiste der Seligpreisungen –
gibt es heute noch Menschen, die so leben?« bearbeiten.
Vorbildiches Projekt für den Religionsunterricht
Maxie Kordes kann nicht genau einordnen, was die Lehrerin
genau benötigt. Also packt sie eine Kiste: mit Ausgaben der
Zeitschrift »In die Welt für die Welt« – und mit dem aktuellen
Projektheft der VEM. »Ich bin davon ausgegangen, dass die
Schülerinnen und Schüler sich das Heft ansehen und dann
so etwas wie eine Blattkritik machen«, erinnert sich Maxie
Kordes. »Das Thema fand ich spannend, die Herangehensweise auch – normalerweise werde ich ja eher eingeladen, um
Vorträge über die Arbeit der VEM zu halten. Hier wollten 16
Schülerinnen und Schüler selbst aktiv werden. Das fand ich
eine prima Idee.«
Was die jungen Leute dann tatsächlich machten – das hat die
Studienleiterin dann doch überrascht. Die Schülerinnen und
Schüler teilten sich in sieben Gruppen auf, schnappten sich
das Projektheft der VEM und studierten die Projekte, die die
Vereinte Evangelische Mission in Asien und Afrika unterstützt oder mitfinanziert: Bildung fördern in Ruanda, Kinder
und Jugendliche mit Behinderungen in Indonesien voranbringen, kranken Menschen in Tansania helfen, die Leiden
der Überlebenden nach einem Taifun in den Philippinen lindern, den Frieden zwischen Christen und Muslimen in Indonesien fördern, Bibelübersetzungen in Westpapua anregen,
In die Welt für die Welt 1 / 2015
die Frauenarbeit unterstützen und die alternative Energiegewinnung in Indonesien ausbauen. Viele Themenbereiche
und Weltregionen, mit denen die Jugendlichen niemals zuvor konfrontiert waren.
Maxie Kordes: »Ich muss gestehen, dass die Arbeit der jungen
Leute weit über das hinausging, was ich mir so vorgestellt
hatte. Selbst so schwierige und belastende Geschichten wie
der Genozid in Ruanda oder die Aidsproblematik in WestPapua haben sie nicht ausgespart, sondern sich mutig und
unerschrocken den Themen genähert. Sie haben Hintergrundrecherchen im Internet gemacht, Referate geschrieben,
Powerpoint-Präsentationen erstellt und sich viele, viele Gedanken gemacht. Eine Supergeschichte.«
Wie man eine Schulklasse begeistern kann
Doch die Schülerinnen und Schüler wollten es nicht bei der
Theorie belassen. In den Herbstferien verpflichteten sie sich,
selbst aktiv zu werden. Die einen räumten eine Lagerhalle
auf, andere machten einen Friedhof wetterfest, einige Schülerinnen und Schüler traten zum Autoputzen an. 250 Euro
verdienten die jungen Leute in den Ferien – und spendeten
das Geld umgehend für die Bildungsarbeit in Ruanda.
Maxie Kordes ist der Meinung, dass dieses Projekt im Religionsunterricht vorbildlich dafür ist, wie man theoretische Informationen praxisnah an Schülerinnen und Schüler heranbringt: »So geht Nächstenliebe praktisch. Selbst die Muslime
in der Klasse haben an dieser Thematik im christlichen Religionsunterricht mitgearbeitet. Und auch ich habe dabei viel
gelernt: Wie man Schülerinnen und Schüler begeistert. Und
natürlich eine ganz neue Form der vorausschauenden Öffentlichkeitsarbeit. Denn die jungen Leute werden auch später, wenn sie längst selbst im Beruf stehen, mit dem Stichwort
VEM Positives verbinden.«
Ein bisschen Blattkritik leisteten die Jugendlichen ganz
­nebenbei aber auch noch. Die einhellige Meinung: »Gute Basisinformationen, spannend aufbereitet, gut zu bearbeiten.«
www.brackwedergymnasium.de
Annette Lübbers ist freie Journalistin in
Wuppertal.
Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums Brackwede mit ihrer Religionslehrerin Anka Hillringhaus und dem Schulleiter Dr. Andreas Siekmann
Saliha
Josefine
Chantal
Janne
»Wir wollten soziale Arbeit
leisten und für ein Projekt einer
evangelischen Organisation
spenden. Wir haben uns für ein
Projekt der VEM in Ruanda
entschieden. Durch die Hilfe im
Haushalt oder Gartenarbeit
haben wir 250 Euro zusammenbekommen. Wir danken der VEM
für die ganzen Materialien, denn
ohne diese hätten wir nicht so
viele Auswahlmöglichkeiten
gehabt. Mir hat das ganze
natürlich sehr Spaß gemacht.
Ich würde mich auf ein neues
Projekt freuen. :)«
»Die Arbeit mit den VEM-Materialien war sehr gut und hat uns
bei den Projekten außerordentlich
geholfen. Wir alle haben unseren
Eltern, Großeltern und Verwandten im Haushalt geholfen, wie
Fensterputzen, Staubsaugen,
Gartenarbeit o. ä. Insgesamt hat
es uns viel Freude gemacht, weil
wir wussten, dass wir für eine
gute Sache gearbeitet haben.«
»Der Religionskurs der 9 a/b
hatte die Idee, im Zusammenhang mit unserem Unterrichts­
thema: ›Das Leben im Geist der
Bergpredigt‹, ein soziales Projekt
zu unterstützen. Im Unterricht
erstellten verschiedene Gruppen
Präsentationen, mit Hilfe von
VEM-Materialien. Nachdem wir
uns mit jedem Projekt intern
auseinander gesetzt hatten,
wurden die Projekte in Ruanda
als ›Sieger‹ gekürt. Sie hatten
eindeutig die meisten berührt, da
in Ruanda der Schatten des
Völkermords immer noch über
dem Land liegt. Zeitnah fingen
wir an zuhause, bei Nachbarn
oder bei Freunden zu arbeiten,
um Spenden zu sammeln, die
nach Ruanda gingen. Wir
machten den Garten winterfest,
halfen unseren Großeltern beim
Einkauf oder im Haushalt. Am
24. Oktober 2014 besuchte uns
Maxie Kordes, eine VEM-Mit­
arbeiterin. Wir überreichten ihr
in Anwesenheit des Schulleiters
den Scheck über unsere Spende.
»Die VEM-Materialien waren für
das Referat meiner Gruppe sehr
hilfreich, sodass wir den größten
Teil unserer Informationen aus
diesen Materialien entnommen
haben. Vor allem die Projekte
waren super beschrieben, da man
an jedem Projekt genau den
Grund und das Ziel erkennen
konnte.
Weil wir die Projekte in Ruanda
unterstützen und für diese
Spenden sammeln wollten, haben
wir uns Arbeit in den Freundesbzw. Familienkreisen gesucht.
Durch den Gedanken im
Hinterkopf, dass diese Arbeit für
einen guten Zweck ist, war die
Motivation natürlich doppelt so
groß! Auch im Nachhinein bin
ich sehr stolz darauf, was wir mit
unseren Einsätzen bezweckt
haben und ich finde, dass es sich
auf alle Fälle lohnt sich so für
eine Sache ins Zeug zu legen,
wenn man weiß, dass man den
Menschen damit helfen kann und
eine Chance auf ein besseres
Leben schenkt.«
»Leben im Geist der Bergpredigt – Das Projekt der
VEM« titelt eine Collage.
Fotos: Jahn Regehr / Gymnasium Brackwede, Malte Hausmann / VEM
In die Welt für die Welt 1 / 2015
Über das Fremde zum Eigenen
Evangelisation
Austauschprogramm zum Thema Kindergottesdienst
26
Von Annette Lübbers
Über fünf Jahre besuchten sich
Kindergottesdienstmitarbeitende
aus der Evangelischen Kirche in
Kamerun (EEC), aus der Evangelischen Kirche in Westfalen (die EKvW
ist Partnerkirche der EEC), der
Evangelischen Kirche im Rheinland
und der Nordkirche gegenseitig. Das
von der Vereinten Evangelischen
Mission finanzierte Programm wird
nun ausgewertet.
E
in Kindergottesdienst in einer
Gemeinde der Evangelischen
Kirche in Kamerun (EEC): Zwischen 70 und mehr als 400 Kinder werden von vier bis etwa 40 ehrenamtlich tätigen Mitarbeiterinnen und
Mitarbeitern der Gemeinde betreut.
»Schon an der Anzahl der Kinder merkt
man, dass Kinder in Kamerun nicht als
Armutsrisiko gesehen werden, sondern
als ein besonderer Reichtum. Wie anders ist das bei uns in Deutschland«,
sagt Pfarrerin Kerstin Othmer-Haake,
Dozentin und Beauftragte für Kindergottesdienst und Gottesdienst mit Kindern am Institut für Aus-, Fort- und
Weiterbildung der Evangelischen Kirche von Westfalen im Haus Villigst in
Schwerte. Aber diese Erkenntnis ist nur
eine von vielen, die sie in den vergangenen fünf Jahren sammeln konnte.
Kritisch auf den eigenen
Gottesdienst blicken
2010 entwarf ein Initiativkreis um Kerstin Othmer-Haake ein Austauschprojekt zum Thema Kindergottesdienst mit
der EEC. Zu diesem Initiativkreis gehörten auch Matthias Elsermann, damals
Pfarrer im Amt für Mission, Ökumene
und kirchliche Weltverantwortung der
EKvW und heute Berufschulpfarrer in
Siegen, und Sadrack Djiokou, Pfarrer
In die Welt für die Welt 1 / 2015
aus Kamerun im Kirchenkreis Soest. Bis
zum Jahr 2014 sollten Delegationen aus
der Evangelischen Kirche in Deutschland und der EEC sich gegenseitig besuchen und ihre jeweiligen Kindergottesdienst-Konzepte kennenlernen. Gleichzeitig sollte mit diesem Programm die
seit 30 Jahren bestehende Partnerschaft
zwischen der EKvW
und der EEC auf Kirchenkreis- und Gemeindeebene bekannt
und gestärkt werden.
Eine kleine Gruppe aus
sechs Leuten – ehrenamtlich mitarbeitende
Laien, Theologiestudierende und eine Pastorin
– flogen nach Kamerun.
In den beiden jeweils
darauffolgenden Jahren besuchte die kamerunische Delegation Westfalen. 14 Tage
lang arbeiteten, feierten, tanzten, sangen und beteten die Kindergottesdienstmitarbeitenden aus Deutschland
und Kamerun gemeinsam.
Kerstin Othmer-Haake: »Am meisten
überrascht waren wir – neben der Anzahl der Kinder – darüber, dass der Kindergottesdienst in Kamerun sehr verschult ist. Die Kinder müssen viel auswendig lernen und rezitieren. Die Dele-
gation aus Kamerun konnte dagegen
kaum glauben, wie kreativ und – in
ihren Augen – undiszipliniert unsere
Kinder sich im Kindergottesdienst verhalten.« Ihre eigene Gruppe versuchte
den Mitarbeitenden in Kamerun zu
vermitteln, wie man spielerisch mit
Kindern biblische Geschichten veranschaulichen und feiern
kann: »Es gibt kein
Spielzeug? OK. Was
habt Ihr? Bohnen. Super. Damit kann man
Kindern zum Beispiel
die Geschichte von den
Talenten, mit denen wir
wuchern sollen, nahebringen.«
Für dieses Programm
stellte die Vereinte
Evangelische Mission
62.000 Euro zur Verfügung. Um die
Kosten gering zu halten, wurden die
Reisestandards gesenkt: »Wir haben lieber mehr Leute mitgenommen und dafür auf Matratzen geschlafen. Kein eigener Bus, kein Chauffeur, keine teuren
Hotels. Stattdessen haben wir versucht,
Delegationsmitglieder – in Deutschland wie in Kamerun – privat unterzubringen. Das hat am Ende super geklappt«, erinnert sich Othmer-Haake.
27
Seminar der Kindergottesdienstmitarbeiten­
den, hier üben sie Spiele für die Kinder ein.
Besonders für die jüngeren Delegationsteilnehmer waren die Reisen nach
Kamerun ein spannendes Erlebnis.
Etwa für den 17-jährigen Schüler Philipp Horstmeier: »Ein faszinierender
Einblick in eine andere Methode, Gottesdienste zu feiern und mit Kindern zu
arbeiten. Und eine gute Möglichkeit,
auf den eigenen Gottesdienst zu blicken und kritisch vergleichen zu können, welche Vor- und Nachteile die eigene Arbeitsweise ebenso wie die Arbeitsweise der Kameruner aufweisen
und daraus dann zu versuchen, dass
Beste unserer Methoden dort zu lassen
und das Beste ihrer Gottesdienste in
den deutschen Kindergottesdienst mit
einzubringen.«
Noch arbeitet die deutsche Delegation
an der Evaluation des Austauschpro-
Foto: Sadrack Djiokou / VEM
gramms, aber schon jetzt weiß die Kindergottesdienstbeauftragte einige
Punkte zu nennen, über die sie weiter
nachdenken möchte: »In den Augen
unserer kamerunischen Freunde sind
unsere Kindergottesdienste auf einem
anspruchslosen Niveau und zu wenig
zielorientiert. Stimmt das? Und wie
können wir den Bedürfnissen, aber
auch der Spiritualität von Kindern besser gerecht werden?« Sie selbst erlebt
im Austausch mit Kindern immer wieder so etwas wie »heilige« Momente.
»Da erzähle ich Kindern vom Turmbau
zu Babel: Damals wollten die Menschen
so sein wie Gott, sage ich. Und dann
sitzt da dieses kleine Mädchen und sagt:
Das will ich auch. Ein Satz, der mich
nachdenklich macht. Oder ich erzähle:
Gott blickt auf die Welt. Und dann entgegnet ein kleiner Knirps: Das stimmt
nicht. Gott guckt nicht auf die Welt,
Gott ist die Welt. Das sind Augenblicke,
die mir sagen: Wir müssen stärker einüben, mit Kindern zu ›theologisieren‹,
das heißt: gottesdienstliche Räume zu
öffnen und überall in der Kirche mit
Kindern Situationen zu schaffen, wo
Kinder ihre theologischen Erfahrungen
zum Ausdruck bringen können.«
www.institut-afw.de
www.kindergottesdienst-westfalen.de
Annette Lübbers ist freie Journalistin in Wuppertal.
In die Welt für die Welt 1 / 2015
Spannend
und anrührend
Buchtipp
Von Marion Unger
28
V
or vielen Jahrzehnten verließen
Frauen ihre Heimat in der sicheren Hoffnung, Menschen in
Afrika und Asien durch das Evangelium Hilfe und Trost zu bringen. Die
Gründung der Schwesternschaft der
Vereinten Evangelischen Mission, die
sich im vergangenen Jahr zum 125. Mal
jährte, war Anlass zur Herausgabe des
Buches »Glauben – Leben – Hoffnung«,
einer Sammlung von (Lebens-)Geschichten aus der Mission. Sie lässt
heute hoch betagte Frauen zu Wort
kommen, enthält aber auch Streiflichter aus der jüngeren Vergangenheit
und der Gegenwart, immer aus der speziellen Frauenperspektive.
Als Pionierinnen der Mission haben die
Schwestern einiges auf sich genommen. Manche gingen bis an die Grenzen ihrer physischen und psychischen
Belastbarkeit, bisweilen auch darüber
hinaus. Ihre tiefe innere Überzeugung,
das Richtige zu tun, half ihnen, manche
Klippe zu überwinden, sei es das ungewohnte Klima, körperliche Strapazen
oder Nahrung, die ihnen fremd war. Die
Sammlung enthält Berichte von persönlich Erlebtem der Schwestern und
Lebensläufe, die von der Wuppertaler
Journalistin Annette Lübbers sensibel
nacherzählt werden. So ergibt sich eine
abwechslungsreiche Folge von Texten,
die mit unterschiedlichen Stilmitteln
arbeiten. Die nüchterne Reportage ist
ebenso zu finden wie die individuelle
Erinnerung an eigene Erlebnisse.
Die Geschichten sind spannend und
anrührend und verzichten glücklicherweise auf Romantisierung. So schildert
In die Welt für die Welt 1 / 2015
Glauben – Leben – Hoffen
Lebensgeschichten aus der Mission
Hrsg. von Irene Girsang und Julia Besten in
­Zusammenarbeit mit der Arbeitsgruppe
Frauen in der Mission
Reihe: Mission und Gegenwart Band 10
Rüdiger Köppe Verlag, Köln 2014
179 Seiten
ISBN 978-3-89645-760-8
19,80 Euro
Käthe Glücks, wie sie im Hochland von
Papua in den 1970er Jahren eine Mutter-Kind-Beratungsstelle aufbaute und
eine junge Frau zur Hebamme ausbildete. Die inzwischen verstorbene Renate Jasper berichtet, wie sie 1955 mit 22
Jahren einen jungen Theologen heiratete, den sie kaum kannte. Sie ging mit
ihm in den Missionsdienst in Tansania.
Die Hoffnung spricht aus allen Geschichten: Hoffnung auf Versöhnung
nach dem Völkermord in Ruanda, auf
das selbstbestimmte Leben eines Kindes mit Behinderung in Deutschland
oder auf Gerechtigkeit für politisch
Verfolgte in den Gefängnissen in den
Philippinen.
Die Sprache, zunächst geprägt von einem Pathos, das uns heute fremd erscheint und vom sprichwörtlichen
»missionarischen Eifer« beseelt, wandelt sich. Theologische Grundüberzeugungen richten sich auf politische Ziele
aus. Die Frauen gewinnen an Selbstbewusstsein, kämpfen für ihre Rechte.
Wie ein roter Faden zieht sich ein Dreiklang durch nahezu alle Lebensporträts: Evangelisation, medizinische Hilfe
und Bildung sind die drei wesentlichen
Elemente von Mission. Daran hat sich
bis heute nichts geändert, auch wenn
Mission heute Zusammenarbeit auf
Augenhöhe ist.
Marion Unger ist freie Journalistin.
Schwesterngemeinschaft
Menschenhandel und Gewalt gegen Frauen
Nach der 125-Jahr-Feier der VEM-Schwestern­
gemeinschaft besuchte eine internationale
Schwesterngruppe im Oktober 2014 unter
­anderem die Frauenberatungsstelle für Opfer
von Menschenhandel »Nadeschda«.
Von Newstar Mwombeki
W
Sie haben Nadeschda besucht, v.l.: Elizabeth Fry,
Lertina Saragih, Newstar Mwombeki und Dorothea
Lutterjohann.
ir, das sind fünf Schwestern der Schwesterngemeinschaft in der Vereinten Evangelischen Mission aus Deutschland, Indonesien und Afrika, besuchten eine Einrichtung in Herford namens Nadeschda.
Während unserer gemeinsamen Reise nach Herford zu Nadeschda hatten wir viel Freude miteinander. Wir waren eben
nicht nur als Schwestern zehn Tage gemeinsam unterwegs,
sondern auch als eine Familie in Jesus Christus.
stützen, die nach Hause in ihr Heimatland fahren möchten:
Die Fahrtkosten werden für sie bezahlt, und sie bekommen
Taschengeld für Notfälle unterwegs. Frauen, die in die Beratungsstelle kommen, werden aufgeklärt über »Nebenwirkungen« der Prostitution und wie sie sich vor Krankheiten schützen können. Ausstiegswege aus der Prostitution werden ihnen angeboten. Es gibt auch die Möglichkeit, gebrauchte
Kleidung zu bekommen.
Nadeschda ist eine Frauenberatungsstelle für Opfer von
Menschenhandel. Sie hilft Frauen, die in die Prostitution gezwungen werden und/oder Opfer von Menschenhandel sind.
Ich war neugierig, was auf uns dort wartete. Gleichzeitig hatte ich in meinem Inneren ein schlechtes Gefühl, denn das
Wort »Prostituierte« allein zu hören oder zu lesen schmerzt
mich. Es hört sich gar nicht gut an!
Nadeschda beschreibt ihre Ziele so: »Unser Ziel ist, dass Prostituierte ein gesundes, selbstbestimmtes, eigenverantwortliches Leben in Sicherheit führen können, angstfrei und ohne
finanzielle und emotionale Abhängigkeiten. Ein Ausstieg aus
der Prostitution und die Entwicklung einer neuen Lebensperspektive sind zu unterstützen. Opfern von Menschenhandel muss die Chance gegeben werden zu Beratung und medizinischer Versorgung, zur Klärung ihres Aufenthaltsstatus
und zur Erstattung einer Anzeige. Ein vor Menschenhändlern sicheres Umfeld ist dafür eine Mindestvoraussetzung.«
In Herford trafen wir Corinna Dammeyer. Sie ist DiplomSozialarbeiterin und Diakonin. Sie freute sich über unseren
Besuch, zeigte uns die Beratungsstelle und stellte uns zwei
Kolleginnen vor. Nadeschda wurde 1997 in Herford von der
Evangelischen Frauenhilfe in Westfalen gegründet. Der
Name Nadeschda kommt aus dem Russischen und heißt
»Hoffnung«. Corinna Dammeyer erklärte uns, wie sie Frauen
helfen, die zwangsweise in die Prostitution gelangen. Und
wie sie und ihre zwei Kolleginnen Frauen helfen, die als Prostituierte arbeiten müssen, misshandelt oder vergewaltigt
worden sind. Viele der Frauen kämen aus Afrika oder OstEuropa, besonders aus Nigeria und Polen. Ihre Ausführungen
fand ich sehr interessant, aber gleichzeitig sehr schmerzhaft
zu hören.
Eine weitere Aufgabe der Beratungsstelle ist die Hilfe bei der
Beschaffung von Ausweispapieren. Wenn die Frauen in
Deutschland ankommen, haben die Frauen immer ihre eigenen gültigen Pässe. Aber die Menschen, die die Frauen »besitzen«, nehmen sie ihnen weg, damit sie nicht weglaufen
können. Frau Dammeyer erklärte uns, wie sie Frauen unter-
Foto: Elizabeth Fry / VEM
»Jede Frau hat das Recht auf ein Leben ohne körperliche und
seelische Gewalt und Misshandlung, unabhängig von ihrer
Nationalität und ihrem Aufenthaltsstatus«, dieser Grundsatz
ist für Arbeit von Nadeschda sehr wichtig. Zum Abschluss
verteilte Frau Dammeyer Broschüren mit weiteren Informationen über Nadeschda und Theodora, der Beratungsstelle
für Mädchen und junge Frauen, die aus der Prostitution aussteigen möchten, die im selben Haus angesiedelt ist. Der Besuch bei Nadeschda war für mich eine völlig neue Erfahrung!
Überall auf der Welt haben Frauen noch einen langen Weg
der Revolution vor sich!
www.nadeschda-owl.de
www.frauenhilfe-westfalen.de
Newstar Mwombeki wurde 2012 als erste Afrikanerin
Mitglied der Schwesterngemeinschaft in der VEM.
In die Welt für die Welt 1 / 2015
29
Marion Wallace
Veye Taah (Hg.)
Von den Anfängen bis 1990
Mit einem Beitrag von John Kinahan
Brandes & Apsel
Frankfurt am Main 2015
Basler Afrika Bibliographien 2015
562 Seiten
ISBN 978-3-95558-063-6
29,90 Euro
Mediale Abbilder und Zerrbilder
­eines Kontinents im Wandel
Medien: Forschung und
­Wissenschaft
Lit Verlag
Berlin 2014
174 Seiten
ISBN 978-3-643-12573-6
24,90 Euro
1990 erlangte Namibia, das ehemalige Deutsch-Südwestafrika, als letzte
afrikanische Kolonie die Unabhängigkeit. Mit diesem Buch liegt erstmals
eine umfassende Einführung in die Geschichte dieses faszinierenden
Vielvölkerstaates in deutscher Sprache vor. Die Historikerin Marion Wallace (London) und der Archäologe John Kinahan (Windhuk) bieten einen
fundierten Überblick über die historischen Epochen und gesellschaftlichen Entwicklungen seit den ersten Niederlassungen von Menschen in
den Savannen und Wüsten des südwestlichen Afrikas. Die vielschichtige
Darstellung der deutschen und der von Apartheidpolitik und Befreiungskampf geprägten südafrikanischen Kolonialzeit schließt mit einer Einschätzung von Gesellschaft, Politik und Wirtschaft des unabhängigen
Namibias.
Der zweitgrößte Kontinent mit seinen mehr als 50 Staaten und über einer Milliarde Menschen wird in den Medien oft pauschal gesehen. Regionale Krisensymptome werden auf ganz Afrika übertragen, die kulturelle Vielfalt und ökonomische Entwicklungen finden zu wenig Beachtung.
Der vorliegende Band zeigt verzerrte Sichtweisen auf und plädiert für
eine differenzierte Betrachtung der Probleme wie auch der Chancen
zwischen Kairo und Kapstadt – eben in »Afrika 3.0« jenseits von Stereotypen.
Journalisten und Kommunikationswissenschaftler, Politologen und Politiker, Ethnologen und Künstler werfen Schlaglichter auf das Afrikabild
deutscher Medien, auf die Möglichkeiten alternativer Medien in der Afrikaberichterstattung, auf journalistische Arbeitsmöglichkeiten in Afrika
selbst, auf das Zusammenspiel von Medien und Hilfsorganisationen und
anderes mehr.
Dokumentiert wird damit eine Tagung, die im Juni 2013 aus Anlass des 15.
Geburtstages des Magazins Africa Positive in Dortmund stattgefunden hat.
Service
Geschichte Namibias
30
Marion Wallace ist Afrika-Kuratorin an der British Library in London und
eine weithin anerkannte Spezialistin für namibische Geschichte.
John Kinahan ist Archäologe und lebt in Namibia.
M. Moustapha Diallo (HG.)
Visionäre Afrikas
Der Kontinent in
ungewöhnlichen Porträts
Peter Hammer Verlag
Wuppertal 2014
366 Seiten
ISBN 978-3-7795-0487-0
29,90 Euro
In über 40 Porträts erzählen afrikanische Autorinnen und Autoren von
außergewöhnlichen Menschen ihres Kontinents. Von Frauen und Männern, die sie bewundern, weil sie eine Vision hatten, von der sie nicht
ließen, und die so das Leben in Afrika veränderten und bereicherten. Als
Erfinder oder Universitätsgründer, als Widerstandskämpferin oder Popmusiker, als Umweltaktivist oder Schriftstellerin.
Ein facettenreiches Buch über besondere Menschen Afrikas, gesehen mit
afrikanischen Augen.
In die Welt für die Welt 1 / 2015
Afrika 3.0
VEM-Projektheft
2015 / 2016
­erschienen
Ausgewählte Projekte
von VEM-Mitgliedern
in Afrika, Asien und
Deutschland werden in
diesem Heft vorgestellt.
Die 24-seitige Broschüre
können Sie anfordern –
auch digital – bei
Dagmar Böhlefeld,
Team Projekte und Spenden bei der
Vereinten Evangelischen Mission,
E-Mail: [email protected]
Telefon (02 02) 8 90 04 -196
Bezug: Vereinte Evangelische Mission (VEM)
AllerWelt(s)laden, Rudolfstraße 137
42285 Wuppertal, Telefon (0202) 890 04 -125
[email protected]
Hellmut Lemmer
Charlotte Wiedemann
Vom Versuch,
nicht weiß
zu schreiben
Roman
Brockmeyer Verlag
Bochum 2014
ISBN 978-3-8196-0965-7
372 Seiten
17,90 Euro
In Südwestafrika, der ehemals deutschen Kolonie, lebte vor hundert Jahren die
Familie des Missionars Karl
Skär und seiner Frau Wilhelmine, zu der insgesamt zehn
Kinder gehörten. Über dreißig Jahre hinweg können wir hautnah die Geschichte des Landes, die
Arbeit des Missionars, seine Sorgen und Probleme, Hoffnungen und Erfolge sowie das quirlige Familienleben in diesem Land miterleben. Der
Roman beinhaltet Kolonialgeschichte, Missionsgeschichte und Familiengeschichte. Das Panorama des ehemaligen Südwest, das Leben der Menschen dort vor hundert Jahren, die Aufgaben und Ziele der Mission und
der Kolonialherren, die Verdienste und die Schuld, werden vor den Augen des Lesers lebendig. Und man wird Zeuge, wie der Autor recherchiert hat, begleitet ihn auf Spaziergängen mit betagten Familienmitgliedern, ins Kirchenarchiv in Windhuk, zu den unwirtlichsten Stellen der
Wüste oder auf den Friedhof in Unterbarmen. Für jeden, der das heutige
Namibia besucht hat oder besuchen will, ist dieser Roman ein eindrucksvoller Schlüssel zum Verständnis des Landes und seiner Bewohner.
Hellmut Lemmer hat unter anderem im Archiv der Archiv- und Museumsstiftung der VEM recherchiert.
Oder: Wie Journalismus
unser Weltbild prägt
PapyRossa Verlag
Köln 2014
186 Seiten
ISBN 978-3-89438-494-4
12,90 Euro
Service
Der Sand der
­Namib
31
Dies ist der Werkstatt-Bericht einer langjährigen Journalistin, die an ihren Erfahrungen, Irrtümern, Zweifeln teilhaben lässt. Charlotte Wiedemann nimmt ihre Leser und Leserinnen mit auf eine Reise durch Kulturen und Kontinente, vom Iran über Afrika bis Indonesien, Thailand und
Neuguinea. Und sie lässt hinter die Kulissen der Arbeit einer Auslandsreporterin blicken. Wie entsteht unser Weltbild? Was trägt der Journalismus hierzu bei? Was können Journalistinnen und Journalisten überhaupt
begreifen von der »Fremde«? Wie beeinflussen ihre Arbeitsbedingungen
ihre Berichterstattung? Wie wahrhaftig ist ihr Bild von der Wirklichkeit?
Der Versuch, nicht weiß zu schreiben: Das ist die Suche nach einem Blick
auf die Welt, der sich von der Enge des Eurozentrismus befreit. Ein Plädoyer für einen Journalismus des Respekts. Respekt auch vor den Mediennutzern, die durch den täglichen Ansturm kontextloser Nachrichten mehr
verdummt und überwältigt als aufgeklärt werden. Das Buch wendet sich
an alle, denen dabei unwohl ist. Und die endlich wissen wollen: Warum.
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Vereinten Evangelischen Mission« erscheint viermal
im Jahr im Verlag der Vereinten Evangelischen Mission
Jahresbeitrag: 6,50 Euro, durch Spenden abgegolten.
Redaktion: Brunhild von Local (V.i.S.d.P.)
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Druck: Bonifatius GmbH, Paderborn
März 2015; Auflage: 19.200
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In die Welt für die Welt 1 / 2015
Deutsches
Zentralinstitut
für soziale
Fragen (DZI)
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Vertrauen
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Gegen Menschenhandel.
Für Menschenrechte.
Für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung
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Beispiel Demokratische Repblik Kongo
Tausende Kinder wurden in den vergangenen Jahren von
Milizen, Rebellengruppen und Armee-Einheiten in der Demokratischen Republik Kongo verschleppt und als Kindersoldaten rekrutiert oder als Sexsklavinnen der Soldaten
missbraucht. Viele von ihnen wurden durch den Einsatz der
Vereinten Nationen mittlerweile befreit oder konnten fliehen.
Doch damit ist das Elend für sie nicht zu Ende. Ohne familiäre Unterstützung und schulische Bildung landen diese Kinder auf der Straße und müssen sich durchschlagen. Die Baptistische Kirche in Zentralafrika, eine Mitgliedskirche der
VEM, nimmt sich in Goma dieser Kinder und jungen Erwachsenen an. Sie betreut sie psychologisch, ermöglicht ihnen
eine handwerkliche Berufsausbildung, zum Beispiel als
Schreiner, und steht ihnen auch bei der Lösung persönlicher
Probleme zur Seite.
und Opfer von Menschenhandel. Haupt- und ehrenamtliche
Mitarbeiterinnen beraten die Mädchen und Frauen, auch auf
der Straße. Die Mitternachtsmission versorgt die Opfer des
Menschenhandels mit Lebensmitteln und Kleidung, stellt
ärztliche Hilfe sicher, kümmert sich um eine sichere Unterbringung, psychosoziale Betreuung und klärt unter anderem
die Kosten für die Versorgung während des Aufenthaltes. Besonders wichtig ist die Begleitung von Opferzeuginnen bei
Gerichtsprozessen.
Beispiel Hongkong
In Hongkong arbeiten Tausende junge Frauen aus den Philippinen, Indonesien und anderen Ländern als Haushaltshilfen. Sie berichten, dass sie ihren Lohn nicht erhalten, keinen
eigenen Schlafplatz haben, gedemütigt, geschlagen oder gar
sexuell missbraucht werden. Manche fliehen aus Verzweiflung, können sich aber kaum selbst weiterhelfen, weil sie die
Landessprache nicht sprechen. Mit Unterstützung der VEM
beschäftigt die Chinesisch-Rheinische Kirche eine indonesische Mitarbeiterin, die den betroffenen Frauen hilft. Die
Chinesisch-Rheinische Kirche hat darüber hinaus ein Begegnungszentrum eingerichtet, in dem sich die jungen Frauen
an ihrem freien Tag treffen können, Sprachunterricht erhalten und Nähen oder andere handwerkliche Fähigkeiten lernen können.
Beispiel Dortmunder Mitternachtsmission
Drei Beispiele, die zeigen, wie sich die VEM im Rahmen
ihrer Arbeit gegen Menschenhandel einsetzt. Die Materialien zur VEM-Menschenrechtsaktion können Sie hier
www.vemission.org/menschenhandel herunterladen.
Auch in Deutschland gibt es Opfer von Menschenhandel. Seit
fast einem Jahrhundert ist die Dortmunder Mitternachtsmission Anlaufstelle für Prostituierte, ehemalige Prostituierte
Bitte helfen Sie mit Ihrer Spende den Opfern
von Menschenrechtsverletzungen.
VEM-Programm für Gerechtigkeit,
Frieden und Bewahrung der Schöpfung
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Stichwort: Menschenrechte
Deutsches
Zentralinstitut
für soziale
Fragen (DZI)
Zeichen für
Vertrauen
Gestaltung: Jola Fiedler / MediaCompany – Agentur für Kommunikation GmbH, Foto Hand: © John Woodworth – gettyimages
1. Mose 37, 28
Weltweit gibt es mehr als 20,9 Millionen Opfer von Menschenhandel
»Als aber die Kaufleute vorbeikamen.
Verkauften sie ihn für 20 Silberstücke« (1. Mose 37,28). Unter diesem
Motto steht die diesjährige Aktion für
Menschenrechte der VEM. Auf ihrer
Vollversammlung in Wuppertal im Juli
2014 haben sich die Kirchen der
VEM-Gemeinschaft dazu verpflichtet,
gemeinsam Initiativen gegen
Menschenhandel in Asien, Afrika und
Deutschland zu unterstützen.
Als aber die Kaufleute vorbeikamen,
verkauften sie ihn für 20 Silberstücke.
GEGEN MENSCHENHANDEL. FÜR MENSCHENRECHTE.
Gestaltung: Jola Fiedler / MediaCompany – Agentur für Kommunikation GmbH, Foto: © John Woodworth – gettyimages
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