Predigt 150 Jahre Evangelisch-methodistische Kirche in Werdau 14.6.2015 Bischöfin Rosemarie Wenner Epheser 2, 17-22 Und er ist gekommen und hat im Evangelium Frieden verkündigt euch, die ihr fern wart, und Frieden denen, die nahe waren. Denn durch ihn haben wir alle beide in einem Geist den Zugang zum Vater. So seid ihr nun nicht mehr Gäste und Fremdlinge, sondern Mitbürger der Heiligen und Gottes Hausgenossen, erbaut auf den Grund der Apostel und Propheten, da Jesus Christus der Eckstein ist, auf welchem der ganze Bau ineinander gefügt wächst zu einem heiligen Tempel in dem Herrn. Durch ihn werdet auch ihr mit erbaut zu einer Wohnung Gottes im Geist. Im Februar war ich zu einer Tagung unserer Kirche in Maputo, der Hauptstadt von Mosambik. Am Sonntag teilten wir uns auf, um mit den Gemeinden Gottesdienst zu feiern. Ich wurde auch zum Predigen eingeladen. Die Gruppe, der ich angehörte, wurde mit einem Minibus in eine Gemeinde am Stadtrand gefahren. Als wir ankamen, war eine große Menschenmenge versammelt. Die meisten Leute standen unter freiem Himmel, es war schon am Vormittag ziemlich heiß, aber Regenschirme helfen auch gegen zu viel Sonne, wie wir letzte Woche beim Kirchentag ebenfalls merkten. Wir Gäste wurden zu Sitzplätzen unter einem Zelt geleitet. Der Gottesdienst nahm seinen Lauf, es gab viel Musik und Tanz und zwei Chöre, Gemeindechor und Jugendchor. Besonders eindrücklich in afrikanischen Gottesdiensten ist für mich die Kollekte. Singend und tanzend kommen die Leute nach vorne, um ihre Gaben einzulegen. Sie scheinen Freude daran zu haben, Gott das Seine zu geben. In jenem Gottesdienst in Maputo war die Kollektenrede sehr eindrücklich. Die Gemeinde, die erst seit Kurzem besteht, will eine Kirche bauen. Der Vorsitzende des Bauausschusses beschrieb anschaulich, wie diese Kirche einmal aussehen soll und welche Schritte nun nötig sind und wofür man Geld braucht. Er unterschied dabei zwischen Plan A – mehr Geld nötig -, und Plan B – wenn weniger Geld eingeht. Später zeigte man uns an einer Tafel auf dem Grundstück die Baupläne und die Projektbeschreibung. Da erfuhren wir auch, dass der Bau bereits begonnen hat, und zwar mit den Stützen für das Fundament. Das Gelände ist sumpfig, folglich ist das Fundament entscheidend. In jenem Gottesdienst in Maputo hatte ich eigentlich über das Gleichnis vom vierfachen Ackerfeld predigen wollen. Als ich die Begeisterung der Gemeinde für den Kirchenbau wahrnahm, wurde ich gedrängt, die Verse zu lesen, die Ihr Werdauer mir für heute als Predigttext gegeben habt. Wir hören sie hier in einer ganz anderen Situation. Obwohl Ihr mit Euren 150 Jahren Gemeindegeschichte in Deutschland eine recht junge Gemeinde seid, seid Ihr doch eine der älteren Gemeinden in unserer Kirche. Das Feuer des Aufbruchs lodert vermutlich nicht mehr ganz so stark wie in jener Gemeinde in Maputo. Ein Gebäude aus Stein, gut gegründet, fest gemauert und gut gepflegt, nennt Ihr schon lange Euer Eigen. „Ebenezer“ habt Ihr Eure Kirche genannt in Erinnerung an den Stein, den der Prophet Samuel als Denkmal und Dankzeichen nach einem Sieg über die Philister errichtete. „Eben-Ezer“ nannte er diesen Stein, das heißt: „Bis hierher hat der Herr geholfen.“ Ihr blickt heute auf eine bewegte Geschichte zurück und dankt Gott dafür, dass er eure Hilfe war. Eure Gemeinde sieht anders aus als die Gemeinde in Maputo, genauso wie unser Alltag hier ganz anders ist als der Alltag der Gemeindeglieder in jener hektischen afrikanischen Stadt in einem Land, das sich von einem langen Bürgerkrieg erholt. Und doch lesen wir dieselben biblischen Texte. Ihre Aussagen gelten uns gleichermaßen. Und so hören wir auf die Worte aus dem Epheserbrief. Sie stellen uns anschauliche Bilder vor Augen. Die Gemeinde Jesu Christi wird mit einem Bau, ja mit dem Tempel Gottes verglichen. Drei Aspekte aus diesem reichen Bibeltext will ich besonders betonen: 1) Alle haben Wohnrecht in Gottes Haus „Ihr seid nicht mehr Gäste und Fremdlinge, sondern Mitbürger der Heiligen und Gottes Hausgenossen“. Dies gilt für alle, liebe Geschwister. Alle, die sich an Gottes Tisch einladen lassen, gehören dazu. Richtig dazu. Die Alteingesessenen finden bei Gott ihr zuhause. Sie haben schon viele Jahre ihren Stammplatz in den Kirchen, ihre Großeltern waren auch schon Methodisten und sie erzählen gern, wie man dies oder jenes vor 30, 50 oder gar 70 Jahren machte. Ihr, die Ihr zu diesen Menschen gehört, Ihr seid willkommen hier. Gott will Euch als Bürger seines Reiches, ja, als seine Hausgenossen. Ich zähle mich selbst auch zu den alt eingesessenen Christinnen. Von Kindheit an bete ich kann mich nicht daran erinnern, nicht an Gott geglaubt zu haben, was nicht bedeutet, dass ich keine Zweifel kenne. Manchmal erscheint es mir wie selbstverständlich, dass ich bei Gott zuhause bin. Dabei ist dies ein großes Privileg. Was immer das Leben als Überraschungen bereit hält, ich weiß, wo ich herkomme und wo ich hingehe. Gott hat mir mein Leben geschenkt und befähigt mich, etwas Gutes daraus zu machen zu seiner Ehre. Fehler werden mir verziehen, Schuld vergeben. Wenn mein irdischer Weg endet, geht das Leben in Gemeinschaft mit Gott weiter. Ich weiß nicht, was mich genau erwarten wird. Aber ich glaube, dass ich an Gottes Zukunft teilhaben werde. Eines darf ich allerdings nie vergessen: Gott hat keine Einzelkinder. Gottes Haus gehört mir nicht allein! Da sind viele andere, manche mag ich, andere ärgern mich. Für „alte“ Gotteskinder ist es oftmals schwer, die jungen Geschwister zu akzeptieren. In der Gemeinde in Ephesus gab es Streit zwischen Gemeindegliedern, die dem jüdischen Glauben angehörten, wie Jesus selbst das ja auch tat, und solchen, die sich aus anderen Religionen bekehrten. Mussten alle auch die jüdischen Riten praktizieren? Waren alle gleichberechtigt? Was hatten die „Neuen“ denn schon verstanden vom „alten“ Glauben? Heute entstehen die Konflikte an anderen Fragen: Wie soll ein „richtiger“ Gottesdienst gestaltet sein? Oder wie haben wir die Bibel zu verstehen? Ist jeder Vers wortwörtlich zu beherzigen? Und wie ist es, wenn Menschen aus verschiedenen Kulturkreisen miteinander Gemeinde bilden? Derzeit kommen viele Flüchtlinge nach Deutschland, etliche davon sind Christen. Wie sehen wir sie? Als Almosenempfänger? Oder als Geschwister, die genauso bei Gott willkommen sind wie jeder und jede der Alteingesessenen? Lernen wir, miteinander Kirche zu sein? Wir Kinder Gottes sind sehr unterschiedlich. Wir kommen aus aller Herren Länder, sprechen viele verschiedene Sprachen, haben unterschiedliche Lebensgeschichten und verschiedene Vorlieben. Doch wir sind alle in gleicher Weise willkommen bei Gott. Gott hat nur Lieblingskinder! Die langjährigen Gemeindeglieder sind so wichtig wie die ganz Neuen; die, denen unsere deutsche Kultur fremd ist, sind genau Hausgenossen wie wir, die wir meinen zu wissen, wo es langgeht. Wir werden uns oft aneinander reiben. Jeder Einzelne bringt Ecken und Kanten mit und keine Gemeinde ist vollkommen. Doch weil wir alle von Gottes Liebe leben, haben wir zu lernen, uns trotz unserer Unterschiede zu lieben. 2) Christus hält den Bau zusammen Wir, die so unterschiedlichen Gotteskinder vergessen leicht, was uns verbindet. Wir haben uns nicht gegenseitig ausgesucht. Sondern wir sind alle von Gott gerufen, uns als lebendige Steine in seinen Bau einzubringen. Dieser Bau wird weder von uns verantwortet noch von uns zusammengehalten. Auch bei diesem Bau kommt es entscheidend auf das Fundament an. Das Fundament legen wir nicht selbst. Im Reich Gottes geht es nicht mit uns los, auch wenn wir uns manchmal so benehmen, als seien wir das Maß aller Dinge. Da waren Menschen vor uns da, die sich von Gott rufen ließen. Wir können die Kette der Zeugen zurückverfolgen. Manche Gemeindeglieder wissen die Reihe der Pastoren und Pastorinnen auswendig, die sie erlebt haben. Diese haben von anderen gelernt, was es mit dem Christsein auf sich hat. Und keiner in dieser Kette kann die Zeugen vernachlässigen, deren Berichte wir in der Bibel nachlesen können. Wir bauen auf dem Grund, den die Apostel und Propheten legten. Die ersten Apostel waren Zeitzeugen Jesu Christi, die weitersagten, was Gott in Jesus tat zum Heil der Welt. Bis heute spielt der apostolische Dienst des Zeugnisgebens eine wichtige Rolle in der Kirche. Profeten waren und sind Gottes Sprachrohr, Mahner, die darauf hinweisen, dass Gott Taten der Liebe und der Gerechtigkeit möchte, und dass dies sehr konkret mit dem zu tun hat, was in der Welt geschieht. Neben dem sich gründen in dieser Botschaft kommt es darauf an, mit Jesus Christus verbunden zu bleiben. In manchen Bibelstellen wird er der Grundstein der Gemeinde genannt. In Epheser 2 wird Jesus als Eckstein bezeichnet. Der Eckstein hält das Gebäude zusammen, so dass es angesichts der Spannungen, die auftreten können, nicht zerbricht. Um Unterschiedlichkeit fruchtbar werden zu lassen, gilt es also, sich in Jesu Nähe zu begeben. Jesus verbindet uns. Er ist ja der, der Gottes Liebe ganz und gar verkörpert. Je näher wir bei Jesus sind, desto näher sind wir beieinander. Und in Jesus werden wir dann auch alle in den Dienst genommen, um Gemeinde zu bauen. 3) Das große Ganze und unser Beitrag Damit bin ich beim dritten Punkt. Gottes Haus ist nicht fertig. Wir leben alle in einer Baustelle. Das wird so bleiben, so lange wir auf Erden sind. Wir sind zum Mitbauen eingeladen. Alle. Mit den ganz verschiedenen Gaben, die Gott uns gab. Um zum Bauen motiviert zu sein, brauchen wir eine Vision. Bei meinem Gemeindebesuch in Maputo habe ich gemerkt, wie gut es ist, wenn eine Gemeinde ein Ziel vor Augen hat, wofür sie sich einsetzt. Auch hier in Deutschland ist es sofort spürbar, wenn eine Gemeinde weiß, wofür sie da ist. Durch sie sollen Menschen von Gottes Einladung zum Leben erfahren und konkret mit Gottes Liebe in Berührung kommen. Wir Christen und Christinnen wirken mit, dass es lebenswert zugeht in unserer Umgebung. Schon hier auf Erden soll es heller, wärmer und gerechter werden, weil Gott es so will. Halten wir diese Vision wach und setzen wir uns für ihre Verwirklichung ein. Wenn wir anfangen, uns selbst zu genügen und nur noch uns und unsere kleine Welt zu sehen, vergessen wir unsere Bestimmung. Gott will mit uns zusammen an seiner Kirche bauen in seiner Welt. Keiner muss da alles machen. Gott ist und bleibt der Bauherr. Doch Gott will uns alle einbeziehen. Wir können fröhlich unsere Bausteine einbringen und gespannt sein, was Gott daraus macht und wie sie sich, obwohl sie unvollkommen sind, mit dem zusammenfügen, was andere zu geben haben. Auch diese Gemeinde mit ihrer 150 jährigen Geschichte hat eine Zukunft, weil sie Teil von Gottes Geschichte ist. Lasst Euch den Blick weiten und lasst Euch anstecken von der Hoffnung, die Jesus in diese Welt hinein brachte. Mich faszinieren große Kirchengebäude, wie sie im Mittelalter errichtet wurden. Wenn ich zum Beispiel in Köln zu tun habe, verweile ich manchmal ein paar Minuten vor dem Kölner Dom. An dieser Kirche wird immer gebaut. Schon seit dem 9. Jahrhundert gibt es an jenem Ort eine Gotteshaus und der Grundstein zu dem heutigen Dom wurde 1248 gelegt. Immer wieder legten viele Menschen Hand an, nicht alle taten dies freiwillig, aber alle wussten sicherlich, dass sie an etwas Großem mitwirkten. Keiner, der im übertragenen Sinne an Gottes großem Bau mitwirkt, tut dies gezwungenermaßen. Gott lädt uns ein in sein Haus. Ob wir uns in Gottes Bau rufen lassen, ist unsere freie Entscheidung. Wenn wir ja sagen, werden wir Teil eines großen Projektes: Gott baut sein Reich. Und wir wirken mit. Ich wünsche es Euch, Ihr lieben Geschwister hier in Werdau, dass ihr an dieser Berufung dran bleibt und ihren Teil beisteuert, damit Gottes Haus wächst.
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