PERSONALENTWICKLUNG IN ZEITEN KNAPPER KASSEN Wendy Scholz Deutscher Verein – Forum Fachberatung Kindertagesbetreuung, 06.05.2015 1. AUSGANGSLAGE UND HINTERGRUND 1.1. QUALITATIVER ANSPRUCH VS. DEMOGRAPHISCHE TENDENZEN Qualitativer Anspruch Bildungsprogramme / -pläne Steigende Erwartungen der Eltern Kontextorientierung Demographische Tendenzen Älter werdende Gesellschaft Rückgang der Bevölkerungszahl bis 2060 in Deutschland um 15 – 20% Durch Alterung der starken mittleren Jahrgänge Erhöhung der gesellschaftlichen Altersstruktur (StBA, 2009) Fachkräftemangel in Kitas Durch quantitativen Ausbau besteht seit 2013 ein Fachkräftemangel Freie Stellen können bis 2020 durch Absolventen gedeckt werden, vorausgesetzt sie orientieren sich am Bedarf (Ostdeutschland = Absolventenüberhang; Westdeutschland = Stellenüberhang), (Schilling, 2012) Älter werdende Mitarbeitende < 25 Jahren 25 bis < 40 Jahren Gesamtdeutschland 12,5% West 13,8% Ost 7,8% 34,4% 36,3% 27,5% 40 bis < 55 Jahren 39,3% 37,6% 45,4% 55 Jahre und älter 13,8% 12,3% 19,3% Bertelsmann Stiftung, 2013 Z i e l : Individuelle Leistungsfähigkeit erhalten, d.h. den Menschen ermöglichen bis zum Renteneintrittsalter (und darüber hinaus) arbeitsfähig, gesund und motiviert zu bleiben 1.2. ÄLTER WERDENDE MITARBEITENDE D e n älteren Mitarbeitenden gibt es nicht. Altern ist primär determiniert durch die i n d i v i d u e l l e L e i s t u n g s f ä h i g k e i t (Bäcker et. al., 2009; BMFSJ, 2010). Art und Geschwindigkeit abhängig vom Arbeitskontext Leistungswandlung infolge Alterungsprozess Konsequenz aus gesamter Lebensarbeitszeitspanne 1.3. SPEZIFIK DES ARBEITSFELDES Resilienzfaktoren Selbständigkeit Beteiligung Hohe Arbeitszufriedenheit Verlässlichkeit der Kolleginnen Informationsfluss (Fuchs-Rechlin, 2007; SMS, 2009) Belastungsfaktoren Personalmangel Zeitdruck Geräuschpegel Fehlende Aufstiegschancen Renteneintritt Ø 59. LJ (28%) gesundheitsbedingter Vorruhestand Ø 54. LJ (26%) (Khan, o.J.) Risikofaktoren Termin- und Leistungsdruck Mangelende Motivation & Leistungsbereitschaft Physische & Psychische Belastungen Mangelnde Vor- und Nachbereitungszeit Gruppengröße Lärmpegel (Bäcker et. al., 2009; SMS, 2009; DJI, 2007) Dequalifizierung führt zu Schwierigkeiten bei Implementierung der Bildungsprogramme /-pläne (Heinze und Naegele, 2008; Bartl, 2012) Heben und Tragen sowie ungünstige Körperhaltungen führen zu Muskel- und Skeletterkrankungen (SMS, 2009) 6,7% der Krankheitsfälle psychisch bedingt (BKK, 2010) Je höher die Empfindung von Belastungen desto höher die Erkrankungsrate Je älter desto stärkere Empfindung von Belastungen Wendy Scholz, Deutscher Verein – Forum Fachberatung, 06.05.2015 2 1.4 GETEILTE VERANTWORTUNG Verantwortung des Einzelnen Gesamter Lebenswandel eines Menschen hat Einfluss auf seine Leistungsfähigkeit Entsprechende Lebensführung praktizieren und sich arbeitsfähig halten = „individuelle Demographiefestigkeit“ (Rump, 2012) Wesentliche Faktoren: Gesundheit, Qualifikation und Motivation Verantwortung des Unternehmens Ziel der Maßnahmen: Erhaltung der Arbeitsfähigkeit, Kompetenz und Gesundheit Betriebliche Maßnahmen, sie wirken bewusstseinsbildend Aktivitäten an das Tätigkeitsfeld und den Beschäftigungsgruppen ausrichten Präventive Strategien implementieren, z.B. Lernanreize und Gesundheitsförderung 2. ANSÄTZE ZUR PERSONALENTWICKLUNG 2.1 FÜHRUNG/SKRÄFTE Gutes Führungsverhalten = Einziger hochsignifikanter Faktor für die Verbesserung der Arbeitsfähigkeit. Es wirkt maßgeblich auf Motivation, Leistungsbereitschaft, Arbeitszufriedenheit, Befindlichkeit und Gesundheit der Mitarbeitenden (Ilmarinen und Tempel, 2002). Bedeutung von Mitarbeiterbindung für ein Unternehmen Weniger Fehltage durch Krankheit Treue Empfehlungsmarketing Weniger Kosten, z.B. für Kompensation von Fehlzeiten, Einstellungsverfahren Ursachen Führungskräfte = Kündigungsgrund Nr. 1 Sind alle Bedürfnisse erfüllt = Hohe Bindung (Gallup, 2015) P a r t i z i p a t i v e u n d w e r t s c h ä t z e n d e F ü h r u n g s k u l t u r ( L e i t b i l d ) , dazu gehören: Kommunikation und entsprechende Strukturen Feedback, Lob & Anerkennung Transparenz Intergeneratives/-kulturelles Denken G u t e s F ü h r u n g s v e r h a l t e n drückt sich aus in: Zugänglichkeit Ansprechbar sein Zuständigkeit Wissen um Schwerpunkte des Mitarbeitenden Zielorientierung Stärken des Mitarbeitenden stehen im Zentrum; Hilfe bei Priorisierung Konsequenz: Erfahrung, Qualifikation, Reflexion Wendy Scholz, Deutscher Verein – Forum Fachberatung, 06.05.2015 3 Mitarbeiterbindung 2014 Hohe emotionale Bindung Geringe emotionale Bindung Keine emotionale Bindung 70 15 15 N = 2.034 Arbeitnehmer 2014 (Gallup, 2015) 2.2 SALUTOGENESE – BETRIEBLICHE GESUNDHEITSFÖRDERUNG (BGF) B G F : Schaffung gesunder Arbeitsbedingungen und Förderung aktiver Partizipation der Mitarbeitenden. Zentrales Element: Wissensvermittlung, um Ressourcen der Mitarbeitenden zu stärken und aktiv an der Gestaltung ihrer Arbeitsplätze und gesunder Arbeitsbedingungen mitzuwirken (Berger, 2003). S a l u t o g e n e s e (Antonowsky, 1997) = Konzept der Entstehung von Gesundheit Leitfrage: Wie wird ein Mensch mehr gesund und weniger krank? Zentraler Begriff: Kohärenzgefühl (Stimmigkeit) = Grundhaltung des Menschen gegenüber der Welt, die sich aufgrund von Erfahrungen entwickelt. Drei salutogene Komponenten (Kohärenz) – Fragen für den Arbeitsalltag Wie werden Arbeit und deren Hintergründe verstehbar? - Verstehbarkeit Wie wird Arbeit handhabbar und zu bewältigen? - Handhabbarkeit Wie wird Arbeit bedeutsam und erhält Sinn? - Sinnhaftigkeit Betriebliche Gesundheitsförderung Gesundheitssicherung für Jüngere = Gesundheitsförderung für Ältere Mitarbeitende altern in Unternehmen so, wie dort mit ihnen umgegangen wird und welche Bedingungen sie antreffen Die Geschwindigkeit des Alterungsprozesses ist, durch BGF die Einfluss auf die Arbeitsbedingungen nimmt und Maßnahmen zur Gesundheitsverbesserung bietet, direkt beeinflussbar. Verhaltens- und Verhältnisprävention Wendy Scholz, Deutscher Verein – Forum Fachberatung, 06.05.2015 4 2.3 LERNEN UND KARRIERE Karriere allen Mitarbeitenden entsprechend ihrem individuellen Kontext (Veranlagungen und Begabungen) und ihrer aktuellen privaten Situation ermöglichen (Rump, 2008). Karrierewege Vertikal = Führungskarrieren Achtung! Karriereplateau Horizontal = Fachkarrieren Lebenslanges Lernen Fortlaufende Qualifizierung zur Erweiterung des Einsatzspektrums Achtung! Spezialisierungen können ebenso wirken wie ein Mangel an Qualifikation Mischung von Tätigkeiten Quereinstiege in andere Arbeits-/Fachbereiche Rotationsmodelle Job Rotation = temporärer Stellenwechsel, Ziel: Flexibilität, Qualifikation und Motivation steigern Job Enrichment = Arbeitsbereicherung mit höherwertigen Teilaufgaben, Ziel: höhere Leistung, größere Flexibilität und verbesserte Personaleinsatzplanung Job Enlargement = Arbeitsbereicherung mit gleichwertigen Teilaufgaben (o.g. Ziele) 2.4. WISSENSTRANSFER Wechselseitiger Austausch muss institutionalisiert sein (Hessischer Landtag, 2007), sonst besteht die Gefahr, dass Wissen zum Machterhalt monopolisiert und Wissensmanagement blockiert wird (Kreidenweis und Steincke, 2006). Hintergrund Weitergabe führt zu Reflexion und Vertiefung von Wissen Ältere Generation = sehr gut qualifizierte Gruppe = qualitative Lücke Voraussetzungen Wissenskultur muss als integrativer Teil der Unternehmenskultur gesehen werden, indem Werte wie Lernen und Wissen enthalten sind. Rahmen schaffen: Zeit zum Lernen, Anreize, Bereitschaft zum Teilen von Wissen. Implizites Wissen aller Mitarbeitender binden und auf nachfolgende Generationen bzw. andere Mitarbeitende übertragen = wechselseitiges Austauschverhältnis, „Generationenlernen“ (Bruch et al., 2010). Formen Wissensweitergabe muss geplant und in den Arbeitsalltag implementiert sein. Altersgemischte Teams = Lernen am Modell Zukunftsträchtiges Wissen muss identifiziert und gezielt weiter gegeben werden. Wendy Scholz, Deutscher Verein – Forum Fachberatung, 06.05.2015 5 3. LEBENSPHASENORIENTIERTE PERSONALPOLITIK 3.1 GRUNDGEDANKEN Eine alternsgerechte Unternehmenspolitik zielt darauf ab „Leistungs- und Lernfähigkeit über den gesamten Erwerbsprozess zu fördern […] stets [ist] im Bewusstsein zu behalten, dass bereits in jungen Jahren der Grundstein dafür gelegt wird“ (Rump, 2008, S.17). Orientierung an Lebensphasen erfordert Abwendung vom kalendarischen Alter. Variabilität der personalpolitischen Maßnahmen, passen sich den individuellen Erfordernissen an. Basis = persönlicher Lebenszyklus, aus dem sich unterschiedliche Lebensaufgaben und Potenziale entwickeln Ganzheitlicher Ansatz, der sich auf die o „Förderung und Entwicklung sämtlicher Mitarbeiter eines Unternehmens, o während der gesamten Dauer der Betriebszugehörigkeit [fokussiert und o der] alle informations-, bildungs- und stellenbezogenen Personalentwicklungsmaßnahmen [umfasst]“ (Weymann, 2008, S.24). Er sorgt dafür „dass Motivation und Leistungsfähigkeit nicht im jüngeren und mittleren“ (Rump, 2008, S.16) Erwerbsalter aufgebraucht werden, sondern über den gesamten Lebenszyklus Bestand haben. Wesentlicher Faktor: Vereinbarkeit von Familie und Beruf 3.2 BESTANDTEILE Die genannten Teilaspekte sind nicht isoliert voneinander zu betrachten und können nur im Zusammenspiel eine gesamtbetriebliche Strategie bilden (Heinze und Nägele, 2008). Förderung des lebenslangen Lernens Delegation der Personalentwicklungsverantwortung auf die Ebene Mitarbeitenden bzw. der direkten Vorgesetzen Zielgruppendifferenzierung, d.h. Lebensphase, Qualifikationen, Stärken, Fähigkeiten, Präferenzen und Interessen, Lebensläufe, Aufgabenbereiche und -inhalte berücksichtigen Fokussierung auf überfachliche Kompetenzen („Soft Skills“), z.B. Initiative, Eigenverantwortung, unternehmerisches Denken und Handeln Förderung der physischen und psychischen Leistungsfähigkeit Alternsgerechte Ausrichtung der Personalentwicklung, die altersbedingte Veränderungen der Lernmuster und Kompetenzfelder, aller Mitarbeitenden in den Fokus nimmt Berücksichtigung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie (Rump, 2008) Age-Management-Training (Ilmarinen, 2005; zitiert nach BMFSFJ, 2010) Wendy Scholz, Deutscher Verein – Forum Fachberatung, 06.05.2015 6 QUELLEN Antonovsky, A. (1997). Zur Entmystifizierung der Gesundheit. Tübingen: Verlag Deutsche Gesellschaft für Verhaltenstherapie Bäcker, G.; Brussig, M.; Jansen, A.; Knuth, M.; Nordhause-Janz, J. (2009). Ältere Arbeitnehmer – Erwerbstätigkeit und soziale Sicherheit im Alter. Wiesbaden: Verlag für Sozialwissenschaften Berger, H. (2003). Gesundheitsförderung – Ein neuer Weg in der Psychiatrie. In: Psychiatrische Praxis, 30, Supplement 1, S.14-20 Bertelsmann Stiftung (2013): Ländermonitor – Pädagogisches Personal – Altersstruktur und Beschäftigungszahlen. Zugriff am 10.04.2015. http://www.laendermonitor.de/uebersicht-grafiken/indikator-11d-altersstruktur-undbeschaeftigtenzahlen/indikator/12/indcat/11/indsubcat/ 8/index.nc.html BKK (2010). BKK Gesundheitsreport 2010 – Gesundheit in einer älter werdenden Gesellschaft. Berlin: BKK (Hrsg.). Zugriff am 12.05.2012. http://www.bkk.de/fileadmin /user_upload/PDF/Arbeitgeber/gesundsheitsreport/BKK_Gesundheitsreport_2010.pdf BMFSFJ – Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (2010). Sechster Bericht zur Lage der älteren Generation in der Bundesrepublik Deutschland Altersbilder in der Gesellschaft – Bericht der Sachverständigenkommission. Berlin Bruch, H.; Kunze, F.; Böhm, S. (2010). Generationen erfolgreich führen. Wiesbaden: Gabler Verlag Fuchs-Rechlin, K. (2007). Wie geht’s im Job? – Kita-Studie der GEW. Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft – Hauptvorstand Organisationsbereich Jugendhilfe und Sozialarbeit (Hrsg.), Zugriff am 28.02.10. http://www.gewberlin.de/documents_public /GEW-Kitastudie.pdf Gallup (2014). Engagement Index Deutschland. de/181871/engagement-index-deutschland.aspx Zugriff 10.04.2015. http://www.gallup.com/de- Heinze, R.G.; Naegele, G. (2008). Ältere Arbeitnehmer zwischen neuem Paradigma und traditionellen betrieblichen Personalpraktiken. In: Klauk, B. (Hrsg.), Alternde Belegschaften - der demografische Wandel als Herausforderung für Unternehmen, S.12-33. Lengerich: Pabst Science Publishers Hessischer Landtag (Hrsg.) (2007). Älter – Weniger – Bunter. Bericht der Enquetekommission „Demografischer Wandel – Herausforderung an die Landespolitik“ des Hessischen Landtages. Berlin: Berliner Wissenschaftsverlag Ilmarinen, J.; Tempel, J. (2002). Arbeitsfähigkeit 2010 – Was können wir tun, damit Sie gesund bleiben? Hamburg: VSA Verlag Khan, A. 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Zugriff am 12.07.2012. https://www.destatis.de/DE/Publikationen/Thematisch/Bevoelkerung/VorausberechnungBevoelkerung/Bevoelkeru ng Deutschland2060Presse5124204099004.pdf?__blob=publicationFile Weymann, A. (2008). Lebensphase Erwachsenenalter. In: Abels, H.; Honig, M. S.; Saake, I.; Weymann A. (Hrsg.), Lebensphasen – Eine Einführung, S.158-234. Wiesbaden: Verlag für Sozialwissenschaften Wendy Scholz, Deutscher Verein – Forum Fachberatung, 06.05.2015 7
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