Lösungen zu den Aufgaben in Phoenix 1, Kapitel 7

Lösungen zu den Aufgaben in Kapitel
7771-07
Martial
Der Klassiker des Epigramms
.
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1. Der Gegensatz in Epigramm t7,1 erfasst den Unterschied der beiden Frauen
Thais und Laecania hinsichtlich ihrer Zähne (dentes); Die eine hat schwarze (nigros), die andere hat schneeweiße (niveos). Erklärbar wird dies damit, dass Thais
„gekaufte“, also ein künstliches Gebiss hat, während Laecania noch ihre eigenen,
natürlichen Zähne hat, die aber schon schwarz geworden sind. Beide also sind ob
dieses Defektes bedauerlich. Martial setzt dafür die asynthetische Antithese ein
und sowohl im Hexameter wie auch im Pentameter die chiastische Stellung, die
den Gegensatz am stärksten betont. Dazu sind nigros und niveos mit Alliteration
und Homoioteleuton unmittelbar an der Schnittstelle des Pentameters gegeneinander gestellt.
2. Die Pointe liegt darin, dass der Leser zunächst Thais bedauert und Laecania mehr
zuneigt, dann aber mit den im zweiten Vers gegeneinander gestellten Attributen
emptos – suos die gefühlsmäßige Zuneigung, man kann auch sagen das Bedauern,
umdreht. Die mit dem Gebiss, die Zahnlose ist doch wohl noch mehr zu bedauern als die mit den schwarzen Zähnen. Oder nicht? Die Antwort bleibt offen.
3. EZRA POUND sagt in seiner Version z7,1 zwar dasselbe, wenn auch die hypotaktische Angabe der Begründung anders klingt: „weil sie die Zähne letzte Nacht gekauft hat“. Er hat also den bei Martial gegebenen Dauerzustand auf eine momentane Situation umgestaltet. Dadurch hat er die Antithese entschärft und die raffinierte stilistische Struktur des lateinischen Originals aufgegeben. Die Pointe ist
nicht so scharf und überraschend gesetzt, der Spott weniger treffend.
4. Die Pointe in t7,2 ergibt sich aus der kontrastierenden Stellung der Zahlen unum
und duos. Sie stehen an den beiden Kraftstellen des Verses, am Anfang und am
Schluss. Thais hat ein Auge nicht, ist also zu bedauern, Quintus hat zwei Augen
nicht, ist also noch mehr zu bedauern, weil er gegenüber der körperlichen
Schwäche der Thais blind ist.
5. Aufs Korn genommen wird hier nicht so sehr die Schwäche einer von der Natur
benachteiligten Frau, sondern vielmehr die Blindheit des Mannes, der diese in
seinem Liebesdrang nicht sieht.
1. scio, non nego drückt das Bestätigen und Zugeben einer offensichtlich bekannten
Tatsache aus, nämlich, dass der Toglianus eine Nase, wohl eine Spürnase hat. Von
diesem anerkannten Tatbestand hebt sich die nachfolgende Feststellung ab, dass
er nun aber nichts mehr hat außer diese Nase, es also zu einer extremen Vereinseitigung gekommen ist.
2. Die Pointe liegt darin, dass die anerkannte Tatsache, dass Toglianus eine „gute
Nase“ hat, ins Extrem überzeichnet wird, er hat sonst nichts mehr als diese Nase,
ob sie nun körperlich oder übertragen intellektuell zu verstehen ist.
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3. Die Abbildung der Karikatur von A. GIACOMETTI betont den Aspekt der körperlichen Schwäche einer überdimensionalen, das ganze Gesicht beherrschenden
Nase.
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1. In t7,4 ist das Wortspiel insofern gelungen, als man vom Acker sagt, dass er etwas
bergend in sich aufnimmt (nämlich den Samen) und er dann die Frucht zurückerstattet. Im übertragenen Sinn mit der witzigen Pointe bedeutet dies: Der Acker,
also die Erde, nimmt die Leiche (der Frauen) auf und gibt den Besitz derselben
als Erbe zurück. condere hat nämlich auch die Bedeutung „bestatten“.
2. t7,5 Der Mann mit dem Namen Phileros hat schon die siebte Frau bestattet, er
wäre also sehr zu bedauern, doch die Erde, die seine Frauen aufgenommen hat,
gibt ihm deren Erbe quasi als Frucht zurück. Je mehr Frauen er ins Grab bringt,
desto reicher wird er. Phileros, der „Liebestolle“, sucht die Frauen nicht aus Liebe, sondern aus Besitzgier.
3. Der Spott ist auf die Heiratslust des Phileros gerichtet, der nur deshalb heiratet,
um sich den Besitz der Frauen, die er wohl bald nach der Hochzeit tot im Acker
begräbt, anzueignen. Er heiratet aus Habgier. Sie ist letztlich also der Gegenstand
des Spottes.
4. Diaulus in t7,5 war vor Kurzem noch Arzt, jetzt ist er Leichenträger; er hat also
seine Rolle getauscht. In beiden Rollen hat er freilich dasselbe getan. Zur sprachlichen Gestalt s. Lehrerkommentar S. 136.
5. Ein Spottgedicht liegt insofern vor, als Diaulus auch als Arzt nur Leichen versorgt
hat, er sich also als „Kurpfuscher“ bewährt hat. Kritisiert als Defekt werden hier
wohl die mangelnde Kunst und Sorgfalt des Arztes.
6. Das Leitwort in t7,7 ist bibere (merum); Martial möchte die Sauflust hier einer
Frau anprangern: Ein Frau stinkt nach Alkohol!
7. Das Bild zeigt die Alte mit einem vom Rausch entstellten Gesicht, mit offenem
Mund und verzerrten Augen, in einer unnatürlichen Kopfhaltung. Das Gemeinsame zwischen Text und Bild ist die Vorstellung einer betrunkenen Frau.
1. Satzbau-Analyse von v. 1-3
HS
miraris quererisque litigasque.
GS1
quare non veniam
GS2 ... cum ... voces,
2. Martial prangert die übliche Atmosphäre einer Gesellschaftsveranstaltung, hier
etwa einer Cena, an. Wenn dort nur unbekannte Leute sind, noch dazu in unzählbarer Masse, so fühlt man sich nicht wohl, es kommt allenfalls zu einem
small-talk. Also geht man nicht gern hin. Der Autor übt hier ganz offensichtlich
Gesellschaftskritik.
3. MAX BECKMANNS Bild passt insofern trefflich zum Martial-Epigramm, als auch
hier eine Gesellschaft bei einer Feierveranstaltung zusammen ist, aber unter den
Teilnehmern keine freundliche Atmosphäre herrscht, ja überhaupt keine BeziePhoenix 1 Lehrerkommentar
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hung untereinander erkennbar wird. Jede Figur steht als Individuum in ihrer
snobistischen Eigenart für sich, isoliert und auf die Demonstration seines Egos
bedacht. Allenfalls das Paar links unten „begegnet“ sich in einem gemeinsamen
Grinsen.
4. Lessing hat eine Art Nachdichtung geschaffen; er hat freilich die Zahl der
„Schmauser“ auf zwanzig reduziert, damit die Übertreibung etwas zurückgenommen. Dazu hat er die affektive Steigerung in der Reaktion des Fabullus auf des
Autors Nichterscheinen fast beseitigt: aus „sich wundern“, „sich beklagen“, „sich
streiten“ ist lediglich ein „zürnen“ und „erstaunen“ geworden. Doch ist auch LESSINGS Fassung nicht ohne starke Wirkung auf den Leser.
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1. Stilmittel in t7,9: Chiasmus und asyndetische Antithese: basia das aliis, aliis das
dextram; Alliteration: mavis – malo malum.
2. Der auch heute noch übliche Verhaltensritus ist die Begrüßung der Menschen,
auch der weniger bekannten durch einen Kuss auf die Wange, sog. Bussi-Gesellschaft. Von Martial wird solches Verhalten angeprangert.
3. t7,10 Es ist die Verhaltensnorm, die unter den jungen Männern gilt: Das Mädchen, das man anmachen will, soll nicht zu leicht, aber auch nicht zu schwer zu
erobern sein. Darin erkennt man eine Art von sportlichem Ehrgeiz. Ein Mädchen wird nur aus der Perspektive des Mannes nach dem Kriterium ihres Widerstandsgrades bewertet.
1. Martial erhebt in t7,11 Anspruch auf sein Eigentum, das ihm Fidentinus stiehlt,
meus est <libellus> steht stark betont. Allerdings kann dieser libellus zum Besitz
des Diebes werden, wenn er es durch schlechten Vortrag so entstellt, dass er nicht
mehr als Eigentum des eigentlichen Autors erkannt wird. Durch die Schlussstellung esse tuus kommt dieser Gegensatz scharf zur Geltung. Dadurch wird der Plagiator zugleich als Dichter ironisiert und abgewertet.
2. Martial beklagt das Übel des geistigen, d.h. literarischen Diebstahls, der offensichtlich in der Antike oft vorkam, da es ein Urheberrecht damals nicht gab. Er
verspottet es insofern, als er den Plagiator als untauglichen Dichter hinstellt, sofern er das Gestohlene nicht einmal angemessen vortragen kann.
3. Das Schlüsselwort in t7,12 ist ius. Was man kauft, kann man mit Recht sein
Eigen nennen. Gilt dies auch für literarischen Besitz? Offensichtlich war man in
der Antike solcher Auffassung. Diesen Usus stellt Martial hier an den Pranger.
4. In t7,12 ist ein stark ironischer Ton spürbar, insofern die Gleichsetzung des Kaufes von materiellem Gut mit dem Kauf eines geistigen Gutes so naiv festgestellt
wird, dass man spontan die Richtigkeit der gegenteiligen Aussage begreift.
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1. Martial wurmt in diesem Gedicht sehr, dass nur alte Dichter Bewunderung erfahren, dass nur toten Dichtern Lob und Anerkennung zukommen. Man vermutet, dass ihm als noch lebendem Dichter der erwünschte Ruhm versagt bleibt.
2. Martial sagt dem Vacerra ins Gesicht, dass er die alten Dichter bewundert und
nur die toten rühmt und anerkennt. Doch er widerspricht dessen Einstellung –
sich ironisch entschuldigend: Vacerras Anerkennung ist nicht so viel wert, dass er
dafür stirbt, um ein „toter Dichter“ zu sein.
3. Fritz Graßhoff bringt dieselbe Aussage, allerdings in anderer Form und Sprache,
zu Gehör. Er verwendet den Reim: Klasse – Asse; beißen – scheißen. Zudem:
„Die Abfolge der mit placeam/perire verbundenen Vorstellungen dreht er für eine
neue derbe Pointe um, für die er sich ähnlich wie Martial entschuldigt.“ (HELMUT OFFERMANN, 79) Dadurch erreicht das Gedicht die Gefühls- und Verständnislage des heutigen Menschen unmittelbarer.
1. Vorherrschendes Stilmittel ist die asyndetische Reihung, die jeweils mit einer Klimax verbunden wird: In v. 1 wird dadurch der Umgang Roms mit dem Werk des
Autors zunehmend stark beschrieben: loben, lieben, singen; in v. 3 wird die Reaktion der Leser zunehmend stark herausgestellt: erröten, erblassen, staunen,
gähnen, hassen. Als Stilmittel findet auch das Hyperbaton Verwendung: In v. 1
wird dadurch die enge Verbindung Roms mit dem Werk Martials markiert: Rom
und seine Gedichte erscheinen als eine Einheit.
2. quidam meint einen Leser, einen der von der Aussage des Gerichts betroffen
wird, seine Reaktion zeigt und damit die Wirkung von Martials Kritik. In Gegensatz gestellt ist dieser Jemand dem gesamten Rom. Einzelne reagieren mit Gefühlen von Ärger bis Hass, Rom aber als Ganzes lobt und liebt das Werk. Wenn
einer der Römer erkennt, dass er selber davon betroffen wird, kann seine Liebe
spontan in Hass umschlagen. Diese Spannung bestimmt das Gedicht.
3. Durch laudat und odit wird Anfang und Ende der Gefühlsskala in der Reaktion
auf Martials libelli kontrastiert. Die ganze Stadt liebt es, einzelne aber, die sich
davon betroffen fühlen, hassen es.
4. Der erste Vers lässt erwarten, dass dem Dichter die Anerkennung seines Werkes
durch ganz Rom gefällt. Doch die Schlusswendung zeigt, dass sich erst dann bei
ihm Zufriedenheit mit seinem eigenen Werk einstellt, wenn davon Betroffene
solch negative Reaktionen zeigen. Das Erreichen dieser Absicht (hoc volo) bedingt
sein Gefallen (carmina nostra placent). Darin liegt die Pointe.
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1. Die sich abwechselnd am Versanfang und Versende wiederholende Formel rumpitur invidia bewirkt eine einhämmernde Aufdringlichkeit. Die Wirkung des
Neides auf alle möglichen Vorzüge des Martial ist das Zerplatzen. Dadurch wird
der Leser gewiss provoziert, verärgert und vielleicht sogar zum Hass angeregt, was
Martial ja will. Allerdings wird der Neid als solcher als gesellschaftlicher Fehler
bloßgestellt, sodass die aufreizende Wiederholung durchaus auch zum Nachdenken darüber anhalten kann.
2. Die Umformung der Aussage zu einem Iussiv am Ende hat einen sarkastischen
Zug. Wer immer vor Neid zerplatzt, soll zerplatzen, ihm geschieht recht. Damit
wehrt sich der Dichter gegen seine Neider, er verurteilt aber zugleich den Neid
als Fehler. Doch ist dieser Wunsch nicht ohne Selbstironie, da der Dichter ja
selbst einmal ein Neider war.
3. Der Gegenstand dieser invidia ist Martial selbst; die Gründe dafür sind: weil
Rom seine Werk liest, weil man auf ihn überall aufmerksam macht, weil ihm der
Kaiser das Dreikinderrecht gegeben hat, weil er Landgut und Stadthaus besitzt,
weil er ein beliebter und gern gesehener Gast ist und überall Anerkennung genießt: die Steigerung der Gründe ist unverkennbar: Martial ist ein starkes Mitglied der römischen High Society.
4. Martial hat unter den Kaisern Nerva und Trajan seine Anerkennung verloren, ja
sein Stand in der Gesellschaft ging ihm verloren; er ist im Alter wieder so arm geworden, dass er in seine spanische Heimat zurückkehrte – auf Kosten seines
Freundes Plinius. Er war kein Beneideter mehr. Sein Neid hat ihn anfänglich
hoch gebracht, am Ende war er gewissermaßen das Opfer seiner Neider. Überspitzt formuliert: Er selbst ist zu guter Letzt vor Neid zerplatzt.
5. Auf einen lauten (möglicherweise auch szenisch gestalteten) Vortrag gerade dieses Epigramms sollte keineswegs verzichtet werden.
Der Nachruf sollte folgende Aspekte berücksichtigen: Anerkannt wird der Dichter
bereits in der Antike als talentierter und geistreicher Mann, dessen Werk allerdings
die Zeiten nicht überdauern werde (Plinius) – Martials Grundsatz, Fehler zu tadeln,
Personen aber zu verschonen, also mit seinen Attacken niemanden persönlich zu
verletzen, wird besonders gewürdigt (OWEN). Seine Kunst und die dadurch entstandenen Gedichte hätten dem Römer in der europäischen Literatur eine anerkannte
Stellung erbracht, da er die Gattung Epigramm gewissermaßen hoffähig gemacht
habe. Viele große Dichter, wie etwa Lessing, Schiller und v. Goethe, seien ihm als
Epigrammatiker gefolgt (HELM). Martial sei entgegen antiker Bedenken dauerhaft
in Erinnerung geblieben wegen seiner lebensnahen Epigramme, als deren klassischer
Vertreter er angesehen werden müsse (V. ALBRECHT). In seinen Gedichten sei nicht
nur ein Unterhaltungsangebot enthalten, sie enthielten vielmehr ein höheres geistiges Anliegen, insofern sie eine Moral- und Gesellschaftskritik erkennen ließen
(HOLZBERG).
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