Gottesdienst „Von den anvertrauten Talenten“ 2.8.2015 9.S.n.Trin. Matthäus 25,14-30 Bangkok Predigt in 3 Akten über Mt 25,14-30 Textlesung 25,14-30 14 Denn es ist wie mit einem Menschen, der außer Landes ging: Er rief seine Knechte und vertraute ihnen sein Vermögen an; 15 dem einen gab er fünf Zentner Silber, dem andern zwei, dem dritten einen, jedem nach seiner Tüchtigkeit, und zog fort. 16 Sogleich ging der hin, der fünf Zentner empfangen hatte, und handelte mit ihnen und gewann weitere fünf dazu. 17 Ebenso gewann der, der zwei Zentner empfangen hatte, zwei weitere dazu. 24 Da trat auch herzu, der einen Zentner empfangen hatte, und sprach: Herr, ich wusste, dass du ein harter Mann bist: Du erntest, wo du nicht gesät hast, und sammelst ein, wo du nicht ausgestreut hast; 25 und ich fürchtete mich, ging hin und verbarg deinen Zentner in der Erde. Siehe, da hast du das Deine. 26 Sein Herr aber antwortete und sprach zu ihm: Du böser und fauler Knecht! Wusstest du, dass ich ernte, wo ich nicht gesät habe, und einsammle, wo ich nicht ausgestreut habe? 27 Dann hättest du mein Geld zu den Wechslern bringen sollen, und wenn ich gekommen wäre, hätte ich das Meine wiederbekommen mit Zinsen. 28 Darum nehmt ihm den Zentner ab und gebt ihn dem, der zehn Zentner hat. 18 Der aber einen empfangen hatte, ging hin, grub ein Loch in die Erde und verbarg das Geld seines Herrn. 29 Denn wer da hat, dem wird gegeben werden, und er wird die Fülle haben; wer aber nicht hat, dem wird auch, was er hat, genommen werden. 19 Nach langer Zeit kam der Herr dieser Knechte und forderte Rechenschaft von ihnen. 30 Und den unnützen Knecht werft in die Finsternis hinaus; da wird sein Heulen und Zähneklappern. 20 Da trat herzu, der fünf Zentner empfangen hatte, und legte weitere fünf Zentner dazu und sprach: Herr, du hast mir fünf Zentner anvertraut; siehe da, ich habe damit weitere fünf Zentner gewonnen. Liebe Gemeinde, 21 Da sprach sein Herr zu ihm: Recht so, du tüchtiger und treuer Knecht, du bist über wenigem treu gewesen, ich will dich über viel setzen; geh hinein zu deines Herrn Freude! 22 Da trat auch herzu, der zwei Zentner empfangen hatte, und sprach: Herr, du hast mir zwei Zentner anvertraut; siehe da, ich habe damit zwei weitere gewonnen. 23 Sein Herr sprach zu ihm: Recht so, du tüchtiger und treuer Knecht, du bist über wenigem treu gewesen, ich will dich über viel setzen; geh hinein zu deines Herrn Freude! wenn man die Bibel aufschlägt darf man erwarten, etwas Wegweisendes zu lesen. Hilfreiches fürs eigene Glauben und Handeln. Der Predigttext heute, wir haben ihn in der Lesung gehört, macht mir da Schwierigkeiten. Ein vermögender und strenger Herr, der nur ein Interesse hat: Dass seine Angestellten sein Vermögen vermehren und der unbarmherzig den straft, der das nicht schafft. Soll da etwa von dem Gott die Rede sein, den Jesus verkündigt hat? Dem Gott, der das Kleine und Schwache liebt, der barmherzig und großzügig ist, der schenkt und austeilt, statt zu fordern. Und sich das auch von uns wünscht. Vor allem: der vergibt statt zu strafen und denjenigen eine neue Chance gibt, die versagt haben. Aber hier: Ein Evangelium der Gewinnmaximierung. Und Heulen und Zähneklappern für den, der da nicht mithalten kann. Oder will. Was kann uns also dieses merkwürdige Gleichnis sagen? Muss eine Pfarrerin nicht gegen diesen Text predigen, wenn sie das Evangelium predigen will, für das Jesus sonst steht? Ich will der Versuchung widerstehen, vorschnell zu harmonisieren, was an Widersprüchen in diesem Text steckt. Will stattdessen versuchen, dem Text gerecht zu werden, in dem ich beides tue: Ihn erstmal ernstnehme und ihn dann etwas gegen den Strich bürste. Und schließlich drittens frage, was er uns heute sagen kann für unsere Zeit und unser Tun. Statt einer also drei kurze Predigten. Hier ist die erste – ihr Titel könnte lauten: Riskier was – setz ein, was Du zu bieten hast. Wuchere mit deinen Pfunden. 1. Predigtteil - mit dem Text: Riskiert was! Wuchert mit Euren Pfunden! Liebe Gemeinde, was ist eigentlich so falsch daran, wenn Menschen etwas machen aus ihren Potentialen? Der Name sagt es schon: darin steckt Potenz – Kraft, Macht. Und die darf sich doch entfalten, etwas schaffen, aufbauen, Gutes vermehren. Das kann dann doch vielen nützen oder Freude machen. Egal ob ein Kind seine Gaben und Anlagen zur Freude seiner Eltern entfaltet, gute Noten nach Hause bringt, ein As im Sport wird oder ein Instrument richtig gut zu spielen lernt. Oder ob jemand sein Vermögen einsetzt, mit seinen Pfunden wuchert, investiert, um seinen Betrieb auszubauen, Arbeitsstellen zu schaffen, Dinge zu produzieren, die schön und praktisch oder beides sind. Das Wort „Vermögen“ hat im Deutschen sicher nicht zufällig diese doppelte Bedeutung: Es kann ein Geldvermögen sein oder ein anderes Kapital: Talent, Ideenreichtum, Tatkraft. Umgekehrt heißt die Maßeinheit für das Silber, die Luther mit Zentner übersetzt hat, im Griechischen Text: Talentos. Und Talente, das sind für uns heute ja eher immaterielle Gaben. Aus Gutem mehr Gutes machen zu wollen und zu können, das ist erstmal nichts Falsches. Klar gehört dazu auch Arbeit, Training, Fleiß. Und Unternehmensgeist, Risikobereitschaft. Sich regen bringt Segen. Geistig wie körperlich. Bequemlichkeit oder Faulheit können eine Form der Geringschätzung sein, wenn sie die Möglichkeit verachten, mit eigner Anstrengung etwas Gutes entstehen zu lassen. Potentiale entfalten sich meistens nicht von selbst. Man muss sie schon richtig behandeln. Sie pflegen und einsetzen. So wie die beiden Knechte, die mit ihren 10 und 5 Zentnern Silber erfolgreich handeln. Von nichts kommt nichts. Wo es an Kapital fehlt, nützt außerdem die beste Geschäftsidee nichts. Da ist das Risiko zu groß. Banken kalkulieren da ganz nüchtern und realistisch. Wo es an persönlicher Qualifikation fehlt und jemand in der besten Arbeitsstelle überfordert ist, ist er schnell auf verlorenem Posten und alle anderen ärgern sich, wenn Arbeit nicht ordentlich getan und das Versagen offensichtlich wird. Vor diesem Hintergrund macht es Sinn, dass der strenge Herr, als abgerechnet wird, ein klares Urteil spricht: Die Knechte, die sein Vermögen vermehrt haben, sind tüchtig und treu. Der Knecht, der nicht gewagt hat, zu investieren, ist böse und faul. Klare Sache oder? Nur – ist dieser Herr, der die Begabten und Mutigen und Erfolgreichen belohnt und die Vorsichtigen und Ängstlichen bestraft wirklich der Gott, den Jesus verkündigt hat? Wir nehmen diese Frage mit in die folgenden Liedstrophen: Lied: Ich weiß, mein Gott, dass all mein Tun… 497,1+4+5+7-9 2.Predigt – gegen den Text: Wieviel ist genug? Liebe Gemeinde, „darf‘s ein bisschen mehr sein?“ Natürlich haben wir meistens ja gesagt, wenn die Verkäuferin an der Wursttheke diese Frage stellte – weil sie sich ein bisschen verkalkuliert und das Stückchen Mettwurst etwas zu großzügig abgeschnitten hatte. Ja, in Ordnung, wir würden das schon schaffen. Ein bisschen mehr, als gewollt oder erwartet – warum nicht? Sogar ein unverhofftes Gefühl von ein klein wenig Luxus schwingt da mit. Wenn es denn sein soll darf es auch etwas mehr sein, als wir uns selbst in aller Bescheidenheit gegönnt hätten… Aber in unserem Predigttext wird nicht gekleckert, sondern geklotzt. Verdopplung des Vermögens ist das Ziel. Alles andere ist offenbar zu wenig. Bewahren allein reicht dem hohen Herrn nicht. Es macht Sinn, sich vor Augen zu führen, von welchen Summen hier die Rede ist. Ein Zentner und erst recht fünf oder zehn Zentner Silber – das klingt schon im Deutschen nach nicht wenig. Ein Talentos damals – das war der Wert von 6000 Tageslöhnen eines Arbeiters. Wer das als Vermögen, als Sicherheit besitzt – hat der nicht mehr als genug? Muss der danach streben, diese Summe noch zu vermehren, ja zu vervielfachen? Koste es seine Mitarbeiter, was es wolle? Und wird dieses Profitstreben um jeden Preis nicht an vielen anderen Stellen der Bibel kritisiert? Die Propheten Israels klagen immer wieder die Ungerechtigkeit der Könige und Mächtigen an, die gnadenlosen Ausbeutungsverhältnisse, von der eine kleine reiche Oberschicht profitiert. Und andere ins Elend stürzen. Im Losgesang der Maria haben wir am Anfang eingestimmt in die große Vision von Gottes Gerechtigkeit: „Er stürzt die Mächtigen vom Thron und erhebt die Niedrigen, die Hungrigen füllt er mit Gütern und lässt die Reichen leer ausgehen.“ Und Jesus preist die Armen und Unvermögenden selig. Warnt vor der falschen Sicherheit, in der sich der reiche Kornbauer wähnt. Und er sagt unmissverständlich: „Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon“. Es gibt eine Art, mit dem eigenen Vermögen umzugehen, die Gott widerspricht. Nämlich dann, wenn das eigene Vermögen nur dem eigenen Nutzen dient und wenn seine Vermehrung wichtiger wird, mehr zählt, als alles andere. Dann bleibt schnell die Menschlichkeit auf der Strecke. Und die ist es, die Gott am meisten an uns gefällt. Ich frage also kritisch: Könnte es also sein, dass das Gleichnis von den anvertrauten Zentnern gar nicht von Gott und Gottes Erwartungen an uns spricht? Sondern wie eine entlarvende Karikatur von anderen reichen Herren und ihren Erwartungen und Gesetzen? Kann es sein, dass unser Gleichnis eine Haltung entlarven will, die weit verbreitet ist. Durchaus auch bei Herrinnen. Und die doch nicht gut ist für die meisten. Weil nur wenige von ihr profitieren. Und am meisten die, die es am wenigsten brauchen? „Wer da hat, dem wird gegeben werden, und er wird die Fülle haben.“ heißt es im Text. Das mag man noch positiv hören. Als Belohnung für die, die nicht lahm und passiv als Couch Potatoes herumsitzen bleiben. Ora et labora – bete und arbeite. Das ist ein Kernsatz christlicher Spiritualität, nicht nur für Mönche und Nonnen in Klöstern. Und dass wirtschaftlicher Erfolg und Wohlstand ein sichtbares Zeichen für Gottes Wohlwollen mit einem Menschen und für seinen Segen für ein Lebenswerk sind, das hat seit Jahrhunderten den Glauben und das Handeln von Christen in der ganzen angelsächschen Welt bestimmt. Und auch das vielzitierte deutsche protestantische Arbeitsethos wurzelt hier. Aber zugleich kann niemand ernsthaft bestreiten, dass diesem Segen, der den Kapitalismus vielleicht erst möglich gemacht auf jeden Fall aber ordentlich beflügelt hat, auch ein Fluch anhaftet. Der zweite Teil des Satzes spiegelt das wider – und klingt damit doch einfach nur zynisch: „Wer aber nicht hat, dem wird auch, was er hat, genommen werden.“ Das ist die tägliche Erfahrung von Millionen Menschen. Nicht zuletzt der Flüchtlinge, die in immer größerer Zahl nicht nur in Richtung Europa unterwegs sind. Ihnen blieb nichts als Heulen und Zähneklappern. Und dann im Blick auf den Erfolg, den wir uns natürlich auch wünschen für das, was wir beginnen, vor allem Gottes Segen vertrauen, dem Potential, der lebendig machenden Kraft, die von Gott her zu uns kommen wird – immer wieder neu. Diesen Segen einfach erwarten, mit ihm rechnen, ihm mindestens so viel zutrauen, wie unseren eigenen Plänen und Anstrengungen. Wie war das noch mit dem Losgesang der Maria: …die Hungrigen füllt er mit Gütern und lässt die Reichen leer ausgehen?“ Das klingt ermutigend, entlastend. Ich kann etwas machen. Aber ich muss nicht alles selbst tun. Gott ist am Werk. Auch durch mich. Ja, was denn nun? Was will Gott wirklich von uns? Und es entspricht der Botschaft des Textes, wenn wir noch einen Blick auf den vielsagenden Kontext werfen, in dem er steht in diesem 25. Kapitel des Matthäusevangeliums: Übrigens: Unser Predigttext erwähnt mit keiner Silbe, dass der Herr in der Geschichte Gott sei. Oder die Geschichte das Reich das Reich Gottes anschaulich machen will. Sie beginnt lapidar: „Denn es ist wie mit einem Menschen, der außer Landes ging…“ Also: So wie es dann erzählt wird, so ist es, so geschieht es häufig, damals und heute, so erleben es Menschen immer wieder… Aber ob Gott damit einverstanden ist? Lied: Wer nur den lieben Gott eg 369,1+6+7 3. Predigt: Gottes Vermögen bei uns vermehren! Liebe Gemeinde, was fangen wir also mit unserer Geschichte an? Vielleicht das, was wir gerade gesungen haben: Singen, beten, auf Gottes Wegen gehen – also innerlich und äußerlich, im Denken und Reden und Handeln auf Gott ausgerichtet sein. In Beziehung zu Glott bleiben und uns darin immer wieder stärken zu lassen. Und dann getreu das Unsere verrichten. Aus dieser Orientierung heraus unsere Lebensaufgaben anpacken. Das klingt gut. Klingt nach einer guten Balance aus Besinnung und Tat, aus Aktivität und Muße. Schon allein diese Balance finden viele Menschen heute nur schwer. Er steht nämlich genau zwischen dem Gleichnis von den 10 Jungfrauen und dem vom Weltgericht. Also zwischen der Erinnerung an das eine: Seid wachsam und vorbereitet wie die klugen Jungfrauen, rechnet damit, dass ihr nie wisst, wann Gott zu Euch kommt und Euch zu seinem Fest einlädt und Euer Leben zu dem machen will, wozu Ihr berufen seid. Und der Erinnerung an das andere: Bleibt nicht und sorgt nicht nur für Euch allein. Sondern erkennt in Euren Nächsten das Antlitz Jesu. Ihr seid berufen, in der Spur Jesu Euch denen zuzuwenden, die sich selbst nicht helfen können: Die Hungrigen und Durstigen, die Fremden und die Nackten und Bloßgestellten, die Kranken und die schuldig oder unschuldig Gefangenen. Ihnen das zu tun, was Ihr für Jesus auch tun würdet. Vor diesem Hintergrund höre ich die Geschichte von den anvertrauten Zentnern noch mal ganz neu. Verstehe noch mal ganz anders, welches Vermögen uns tatsächlich anvertraut ist. Nämlich Die Gabe, im Rahmen unserer Kräfte und Möglichkeiten Jesu Kommen vorzubereiten und bis dahin sein Werk fortzuführen. Darauf kommt es an. Dazu reicht es tatsächlich nicht, die Hände in den Schoß zu legen oder unsere Talente zu vergraben – welche Art Vermögen es auch ist. Egal, wieviel uns tatsächlich geschenkt ist, egal wie viel wir selbst uns zutrauen – eins geht immer: Unser Mund kann singen und so das Lob Gottes laut werden lassen, damit es die Welt erfüllt und prägt. Unsere Hände können sich falten, damit wir uns Zeit nehmen, Gottes Willen für unser Tun und Lassen zu erfragen. Und wir können lernen, unsere vielen anderen Talente ohne falsche Scheu einzusetzen. Gerade für die, die Gott uns vor Augen stellt und lieb hat, auch wenn – oder gerade weil – sie selbst scheinbar wenig zu bieten haben. Viele in unserer Gemeinde tun das auch – mit den gefängnisbesuchen hier in Bangkok, mit der manchmal sehr schwierigen Unterstützung und Begleitung von Deutschen, die in ihrem Leben hier in Thailand in eine Sackgasse geraten sind. Oder mit dem Engagement im BZ in Pattaya, dass ohne zuverlässige und treue ehrenamtliche Mitarbeiter nicht bestehen könnte. Mit all dem helfen wir mit, dass die wunderbare Vision Jesu aus der ersten Seligpreisung wahr wird: Glücklich sind die, die arm sind vor Gott und es wissen. Und deshalb alles von Gott erwarten und als Geschenk nehmen. Ihnen gehört das Himmelreich. Und der Friede Gottes… Lied: Meine engen Grenzen eg 589,1-4 Annegret Helmer
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