Die Identität des Volkes Gottes

Freie Evangelische Gemeinde Winterthur
Predigt vom 11.10.2015
2.Mose 19.1-6: „Wir sind …“ – Die Identität des Volkes Gottes
Im Flugplatz Zürich stauten sich lange Menschenschlangen vor den Schaltern.
Verschiedene Flüge waren ausgefallen und verspätet angekommen. Es herrschte ein
allgemeines Durcheinander, Unruhe, Ungeduld, Nervosität. Ein Mann mit Anzug und
Krawatte, offensichtlich eine wichtige Person, drängte sich nach vorn an den Schalter
und herrschte die Angestellte an: „Ich warte schon eine halbe Stunde und muss unbedingt an ein Treffen nach Frankfurt. Wissen Sie eigentlich nicht, wer ich bin?“ Die Angestellte nahm seelenruhig das Mikrofon für die Lautsprecherdurchsage und
verkündete: „Bitte ein Psychiater oder eine Psychiaterin zum Schalter 5. Wir haben hier einen Mann, der nicht weiss, wer er ist.“
Dieser Witz führt zum Thema der heutigen Predigt: Identität! Der Mann im Witz
wusste natürlich, wer er war. Wir können auch sagen, wer wir sind: Wir alle sind die
Kinder unserer Eltern, viele von uns sind Schweizerinnen und Schweizer, einige von
uns sind selber Eltern oder sogar Grosseltern; ein grosser Teil hier würde wohl sagen
„wir glauben an Jesus Christus“. Oft geben wir auch unseren Beruf oder unseren
Wohnort an, wenn wir uns identifizieren oder uns bei einem Apéro einer neuen
Person vorstellen.
In der Predigt heute möchte ich mit Ihnen über Identität, über Identität als Volk Gottes
nachdenken, und zwar anhand eines Abschnitts aus dem 2.Mosebuch. Wir gehen in
der Geschichte etwa 3‘500 Jahre zurück. Das Volk Israel ist aus der Sklaverei in Ägypten ausgezogen. Es steht in der Wüste Sinai am Berg Horeb und Gott schliesst
dort mit ihnen einen Bund. Dieser Abschnitt ist eine Schlüsselbegebenheit für die
Identität von Israel als Volk Gottes – und Kernaussagen dieses Texts werden im
Neuen Testament zitiert als Beschreibung der christlichen Kirche, zur Identifikation
derjenigen, die Jesus Christus im neuen Bund nachfolgen als Volk Gottes aus Juden
und Nichtjuden. Insofern sind diese uralten Verse auch bedeutsam für uns heute.
Ich lese 2.Mose 19.1-6
Im dritten Monat nach dem Auszug der Israeliten aus Ägypten kamen sie in der
Wüste Sinai an. Sie waren von Refidim aufgebrochen und kamen in die Wüste Sinai.
Sie schlugen in der Wüste das Lager auf. Dort lagerte Israel gegenüber dem Berg.
Mose stieg zu Gott hinauf. Da rief ihm der HERR vom Berg her zu: Das sollst du dem
Haus Jakob sagen und den Israeliten verkünden: Ihr habt gesehen, was ich den
Ägyptern angetan habe, wie ich euch auf Adlerflügeln getragen und hierher zu mir
gebracht habe. Jetzt aber, wenn ihr auf meine Stimme hört und meinen Bund haltet,
werdet ihr unter allen Völkern mein besonderes Eigentum sein. Mir gehört die ganze
Erde, ihr aber sollt mir ein Königreich von Priestern und ein heiliges Volk sein. Das
sind die Worte, die du den Israeliten mitteilen sollst.
1. „Wir sind …“: Flüchtlinge in der Wüste – bei Gott
Die ersten vier Verse beschreiben die Szenerie für den Bundesschluss Gottes mit
seinem Volk in Vers 5 und 6: Die gewichtige Beschreibung der Identität Israels als
Gottes Eigentum bzw. erwähltes Bundesvolk, als Königreich von Priestern, als
Gottes heiliges Volk. Bevor ich dazu mehr sage, achten wir doch auf diese
Eingangsszene.
Paul Kleiner
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Predigt vom 11.10.2015
Wie schon gesagt, nimmt uns der Abschnitt 3‘500 Jahre zurück in die Geschichte:
Die Nachkommen Abrahams, Isaaks und Jakobs waren wegen einer Hungersnot in
ihrem Land nach Ägypten gezogen. Dort waren sie zuerst gut aufgenommen worden,
anschliessend aber über Jahrhunderte unterdrückt und zu Sklavenarbeit gezwungen
worden. Vor wenigen Monaten hatten sie die sensationelle Befreiung aus der Gewalt
des Pharaos in Ägypten erlebt und waren aus dem Sklavenhaus hinausgezogen.
Jetzt befanden sie sich in der Wüste Sinai am Berg Horeb, wie Vers 1 berichtet. Wer
sind sie? Was ist ihre Identität? Der Text sagt zunächst: Es ist ein grosser Haufen
befreiter Sklaven, Menschen geflohen aus der Unterdrückung, in der Wüste ohne
Heimat. Damit können sich viele Menschen auch heute identifizieren und unsere
Medien waren bis vor kurzem voll von Flüchtlingen. Die wenigsten von uns hier
hingegen würden sich selber wohl so beschreiben: Als Menschen, die geflohen sind
und ohne Heimat.
Der Text macht eine weitere Aussage, wer diese Israeliten sind, nämlich im Vers 4:
Gott sagt, er habe sie „hierher zu mir gebracht“. Diese Identität spricht wahrscheinlich
viele von uns hier an: Wir sind im Gottesdienst, in der Gegenwart Gottes, bei ihm.
Wer sind wir als Volk Gottes? Was ist unsere Identität? Diese Eingangsszene zum
Bundesschluss am Sinai, der Israel als Volk Gottes seine Identität gibt und dann im
1.Petrusbrief für das Volk des neuen Bundes durch den Glauben an Jesus Christus
zitiert wird, macht uns drei Identitätsangebote:
1. Wir sind Befreite, aus der Sklaverei Geflüchtete.
2. Wir sind unterwegs, wir brechen unser Lager ab und schlagen es wieder auf.
3. Auch und gerade in der Wüste sind wir bei Gott, der uns zu sich gebracht hat.
Das Neue Testament nimmt diese dreifache Identität der Israeliten auf für das Volk,
das Jesus nachfolgt:
1. Wir sind Menschen, die von der Sünde befreit sind. Das führe ich nicht weiter aus.
2. Wie die Israeliten damals zwischen Ägypten, Refidim und Sinai, sind wir „Fremde in der Zerstreuung“ (1.Petrus 1.1;; 2.11), auf Pilgerschaft (1.Petrus 2.11) und nicht sesshaft. Auch wenn viele hier einen roten Pass haben, ist unser Heimat- und
Bürgerrecht im Himmel (Philipper 3.20 – das schreibt der römische Bürger Paulus,
der durchaus auf die Privilegien dieser römischen Bürgerschaft pochen konnte).
Auch wenn wir in Winterthur auf der Einwohnerkontrolle angemeldet sind, sind wir
„Hausgenossen Gottes“ (Epheser 2.19) und sitzen mit Christus im Himmel (Epheser 2.5) – also sozusagen in einer Wohngemeinschaft mit Gott zuhause.
Könnte uns diese Identität als Fremde, unterwegs, nicht hier zuhause, sondern in
Gottes WG praktische Anstösse geben, wie wir über die Flüchtlinge in Europa und
der Schweiz nachdenken und reden, wie wir überhaupt ausländischen Menschen bei
uns begegnen? Wollen und können wir uns identifizieren mit Menschen, die
unterwegs sind, die in der Schweiz nicht seit Generationen zuhause sind? Sind wir
willig und fähig zur Pilgerschaft mit andern, die sich in der Schweiz fremd fühlen?
Laden wir gerade heimatlose Menschen in unsere WG mit Gott ein, wo
Masseneinwanderung eigentlich erwünscht wäre und Dichtestress ein Fremdwort ist?
Der Text lädt uns ein: Gottes Volk bricht die Zelte immer wieder ab, wir sind auf der
Durchreise, auf Pilgerschaft, Fremde in der Zerstreuung.
3. Ein drittes Identitätsangebot: Gott hat uns zu sich gebracht, so wie er die Israeliten
zu sich in die Wüste Sinai gebracht hat. Im NT ist Gott in Jesus Christus zu uns
Paul Kleiner
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gekommen: Der „Immanuel“ der Weihnachtsgeschichte ist der Gott bei uns. In der Taufe verbindet sich Gott mit uns: Wir sind mit Christus gestorben und mit ihm
auferweckt (Römer 6). Wir sind bei ihm, Gott ist für uns, nichts kann uns von ihm
trennen (Römer 8.31-39).
Wie auch immer eure, deine Umstände gerade aussehen mögen: Wüste, sengende
Hitze, Öde, kein Leben weit und breit … Wie auch immer eure, deine Verfassung gerade sein mag: Wüste, vertrockneter Mund, orientierungslos und verloren, ohne
Perspektive und Hoffnung – durch Vers 4 erinnert Gott euch: „Ihr habt gesehen, wie
ich euch auf Adlerflügeln getragen und hierher zu mir gebracht habe.“ Eure Identität
ist: „hierher zu mir“. Wo immer ihr seid: Gott ist dort.
Ich brauche „Wüste“ hier als symbolische Aussage. Für die Israeliten damals war es
im wörtlichen Sinn Wüste, und zwar schon wieder Wüste. Wenn wir ein wenig den
Zusammenhang, die vorhergehenden Kapitel unseres Abschnitts ansehen: Nach
dem Auszug aus Ägypten zogen sie in die Wüste Schur, wo es kein Wasser hatte
(2.Mose 15.22). Dann kamen sie in die Wüste Sin, wo es nichts zu essen gab
(2.Mose 16.1). Dann kamen sie nach Refidim, wo es wieder kein Wasser gab
(2.Mose 17.1) und wo sie von Feinden angegriffen wurden (2.Mose 17.8). Jetzt in
unserem Text sind sie wieder in der Wüste, in der Wüste Sinai. Drei Mal heisst es in
Vers 1 und 2 „Wüste, Wüste, Wüste“. Viel deutlicher kann man es nicht sagen. Und
Gott bezeichnet diese Wüste im Vers 4: „hierher zu mir“! Sein Angebot von Identität für sein Volk lautet: „bei mir“. Das sind wir, wo auch immer wir uns gerade befinden.
2. „Wir sind …“: Königreich von Priestern
Ich komme nun zu den Kernaussagen des Bundesschlusses in den Versen 5 und 6,
der grundlegenden Identitätsaussagen für Israel als Volk Gottes – Aussagen, welche
auch das Judentum bis heute prägen, welche ihnen vorgeworfen werden, welche sie
mit Selbstbewusstsein in Anspruch nehmen und gleichzeitig auch erleiden. Ich lese
die beiden Verse nochmals:
„Jetzt aber, wenn ihr auf meine Stimme hört und meinen Bund haltet, werdet ihr unter allen Völkern mein besonderes Eigentum sein. Mir gehört die ganze Erde, ihr aber
sollt mir ein Königreich von Priestern und ein heiliges Volk sein. Das sind die Worte,
die du den Israeliten mitteilen sollst.“
Für uns in der Schweiz im 21. Jahrhundert gehören sowohl Könige wie Priester nicht
zum Alltag, auch wenn wir Königin Elisabeth von England oder tamilische HinduPriester von Adliswil oder Bern aus den Medien kennen mögen. „Königreich von Priestern“ oder „königliche Priesterschaft“ (1.Petrus 2.9) ist vielleicht uns Christinnen
und Christen aus der Bibel geläufig, aber nicht unbedingt etwas aus unserer
Lebenswelt, das uns geläufig ist und uns zu Identität spontan in den Sinn kommt.
Was steckt hinter diesem „Königreich von Priestern“ am Sinai vor 3‘500 Jahren?
Dazu ist ein kurzer Ausflug in den sozialen Aufbau des Volkes der Israeliten nötig.
Bei ihnen gab es zwölf Stämme, die dann später im gelobten Land ihre jeweiligen
Territorien bekamen, so ähnlich unseren 26 Kantonen in der Schweiz. Nur: Ein
Stamm bekam kein Land, nämlich der Stamm Levi; der lebte zerstreut unter den
anderen Stämmen und war mit dem Gottesdienst betraut. In diesem Stamm Levi
wiederum gab es eine besondere Sippe, diejenige von Aaron. Das waren die Priester
der Israeliten. In religiöser Hinsicht also gab es die kleine Gruppe der Priester, die
Paul Kleiner
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Sippe bzw. Nachkommen Aarons aus dem Stamm Levi, dann die etwas grössere
Gruppe des Stammes Levi und dann die anderen elf Stämme des Volkes. Das ganze
Volk hatte eine Beziehung zu Gott und hatte religiöse Aufgaben: Alle elf Stämme
beteten, brachten ihre Opfer, bezahlten ihren Zehnten. Nur der Stamm Levi unterhielt
das Heiligtum (sozusagen der Abwartsdienst im damaligen gate27), stellte später die
Tempelchöre (unsere heutigen Lobpreisteams) und unterstützte die Priester in ihrer
Arbeit. Diese kleinste Gruppe nun bildete die religiöse Scharnierstelle zwischen Gott
und Volk: Die Priester brachten die Opfer des Volkes zu Gott. Die Priester brachten
Gottes Wort zum Volk. Die Priester brachten Gottes Segen zum Volk, das heisst sie
legten seinen Namen auf das Volk.
Für jeden Israeliten war klar, was Priester sind: Scharnier zwischen Gott und Volk, in
beide Richtungen. Verbindung vom Volk zu Gott und von Gott zum Volk. – Und nun
sagt Gott zum ganzen Volk, zu allen Israeliten: „Ihr aber sollt mir ein Königreich von
Priestern sein.“ Da stellt sich doch die unmittelbare Frage: Wenn die Priester das Scharnier zwischen Gott und Volk bilden, und wenn nun das ganze Volk ein
Königreich von Priestern ist, mit wem verbindet dieses Scharnier Gott?
Der Zusammenhang gibt eine naheliegende Antwort: Vers 5 spricht von allen Völkern
und Gott sagt ausdrücklich: „Mir gehört die ganze Erde.“ Also verbinden die Israeliten als Königreich von Priestern Gott mit allen anderen Völkern, mit der ganzen Erde. So
wie die Nachkommen Aarons als Priester das Scharnier zwischen Gott und den elf
Stämmen sind, ist das ganze Volk Gottes als Königreich von Priestern das Scharnier
zwischen Gott und allen Völkern der Erde. Das ist der Sinn, Gottes Eigentum zu sein.
Das ist die Absicht Gottes, wenn er das Volk der Israeliten erwählt. Nicht etwa, weil
dies sein Lieblingsvolk wäre. Nicht etwa, um dieses Volk zu bevorzugen. Nicht etwa,
weil es besser, grösser, frömmer, gehorsamer oder sonst etwas wäre als all die
andern – im Gegenteil: Die erwählten Israeliten waren klein (5.Mose 7.7) und ein
halsstarriges Volk (5.Mose 9.6). Ganz grundsätzlich gilt: Gott erwählt zu seinem
Eigentum, um zu senden. Er erwählt eine einzige Person, den Abram, um durch ihn
alle Völker der Erde zu segnen (1.Mose 12.3). Er erwählt ein einziges Volk, um es als
Priester, als Scharnier, als Verbindung zu allen Völkern zu gebrauchen. Das Königreich von Priestern bringt Gottes Wort zu allen andern, legt Gottes Namen auf alle
andern und segnet sie so. Weil Gott die ganze Erde gehört, wie es in Vers 5 heisst,
darum erwählt er die Israeliten und darum macht er sie zu Priestern – Priester, die
dazu da sind, die ganze Erde Gottes zu segnen. Das ist die Identität von Priestern.
Das ist auch unsere Identität als Christinnen und Christen, als Volk Gottes im neuen
Bund aus Juden und Heiden. Wir sind Gottes Königreich von Priestern. Wir sind
Menschen, die Gottes lebensspendendes Wort mit den andern teilen, die Gottes
heilenden und heiligen Namen auf andere Menschen legen – sie segnen, das heisst
sie mit Gottes Signum, mit dem Zeichen des Kreuzes Jesu Christi verbinden, mit
Gottes Gnade und Wahrheit ansehen und ihnen entsprechend begegnen.
Wer sind wir? Wir haben viele Identitäten. Ich bin Sohn, Bruder, Ehemann. Ich bin
Schulleiter und Dozent. Ich bin wohnhaft in Oberwinterthur und Schweizer Bürger.
Ich bin ein Opel-Fahrer und ein Velo-Fahrer und ein Zug-Fahrer mit GA. Ich bin
manchmal niedergeschlagen, meistens relativ ausgeglichen, zwischendurch empört
und wütend. Ich bin so vieles …
Paul Kleiner
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Vor allem aber bin ich ein Teil dieses Königreichs von Priestern. Zusammen mit euch
und dem ganzen Volk Gottes bin ich Gottes Segen für seine Welt: Mit einem stillen
Gebet für diejenigen, die frühmorgens mit mir auf dem Perron warten. Mit einem
freundlichen Blick für den Kondukteur im Zug und für die Kassierin beim Migrolino,
wo ich das Mittagssandwich kaufe. Manchmal mit einem geistesgegenwärtigen Wort
für einen Mitmenschen, das genau ins Schwarze trifft, oder mit einem mutigen
Verweis auf Jesus, der einfach im Raum stehen bleibt. Wir sind ein Königreich von
Priestern, Scharnier zwischen Gott und Welt: Wir bringen Menschen in der Fürbitte
zu Gott hin und schleppen die Not der Erde zu Gott. Wir bringen Gott auf diese Erde:
Als Leib Christi verkörpern wir seinen liebevollen Blick, seine heilende Berührung,
seine klaren Worte, seine befreiende Einladung, seinen Schmerz, seine Ausdauer
und Geduld angesichts von Gleichgültigkeit, Ablehnung und Unverständnis.
Nach dem Königreich von Priestern ist der zweite zentrale Begriff für die Identität der
Israeliten als Volk Gottes: Heiliges Volk. Dazu liesse sich auch noch viel sagen. Ich
will mit zwei kurzen Gedanken dazu abschliessen:
Erstens: Das heilige Volk ist offensichtlich nicht eine Einzelperson, sondern viele
zusammen. Der ganze Abschnitt steht ja in der Mehrzahl, nicht in der Einzahl. Wir
zusammen sind Gottes Volk – befreit aus der Sklaverei, unterwegs auf Pilgerschaft in
der Fremde, bei Gott (wo auch immer, sogar in der Wüste), als Königreich von
Priestern. Meine und deine Identität machen wir heute vor allem individuell fest, aber
die Identität als Volk Gottes gehört zum Wir: Wir miteinander!
Das führt mich zum Zweiten: Als Gottes heiliges Volk halten wir seinen Bund und
leben unter seiner guten Herrschaft. Wir orientieren uns an seinen lebensdienlichen
Weisungen, die Gerechtigkeit und Freiheit und Frieden und Versöhnung in ihrem
Einzugsgebiet ermöglichen. Gott hält uns durch sein Wort in unserem
individualistischen Egoismus zusammen. Wir sind sein Volk, in seinem Reich. Wir
sind ausgezogen –wie die Israeliten damals aus dem Reich des Pharao– aus dem
Reich des Mammon und Konsums, aus der Herrschaft von Süchten und Bindungen,
aus Fesseln von Groll und Angst. Gottes gutes Wort leitet uns auf unserer
Pilgerschaft und so halten wir den Bund mit Gott: du wirst nicht töten – auch nicht mit
Worten oder Blicken. Du wirst nicht ehebrechen – auch nicht im Herzen. Du wirst
nicht stehlen. Du wirst nicht falsch und schlecht reden gegen deine Nächsten. Du
wirst nicht begehren, neidisch sein, das Gleiche oder mehr haben wollen als andere.
So ein Volk hat Ausstrahlung. Nicht weil es vollkommen ist. Sondern weil es Gottes
heiliges Volk ist, das seine Sünde im Licht Gottes erkennt, bekennt und von ihm
Vergebung und Verwandlung erfährt. Gottes Volk, das nach Gottes Weisungen
wandelt, und wenn es von Gottes Weg abkommt, umkehrt in sein Licht. So wird sich
einst die Vision von Jesaja (2.2-5) erfüllen: Alle Nationen werden strömen und viele
Völker werden hingehen und sagen: „Kommt und lasst uns hinaufziehen zum Berg
des HERRN, zum Haus des Gottes Jakobs, damit er uns in seinen Wegen unterweise und wir auf seinen Pfaden gehen.“ … Und er wird für Recht sorgen zwischen
den Nationen und vielen Völkern Recht sprechen. Dann werden sie ihre Schwerter
zu Pflugscharen schmieden und ihre Speere zu Winzermessern. Keine Nation wird
gegen eine andere das Schwert erheben, und das Kriegshandwerk werden sie nicht
mehr lernen. Haus Jakob, kommt und lasst uns gehen im Licht des HERRN!
Unsere Identität ist: Wir sind miteinander Volk Gottes, wir gehen in seinem Licht, das
ausstrahlt zu allen Völkern, Gerechtigkeit schafft und Frieden bringt.
Paul Kleiner
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