Parzivals Kampf zu sich selbst_Bündner Tagblatt_2012-04-14

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samstag, 14. April 2012
Kultur
Kachelmann mokiert
sich über Theaterstück
Wettermoderator Jörg Kachelmann mokiert
sich über ein Theaterstück zu seinem Gerichtsverfahren und teilt nach allen Seiten aus: «Ich
habe eine lügende Schwetzinger Falschbeschuldigerin ausgehalten, lügende Schwetzinger Polizisten, eine lügende Mannheimer
Staatsanwaltschaft und 132 Tage unschuldig im
Herzogenried. Da kommts mir nun auf Leute,
die mit meinem Namen auf meinem Buckel ein
paar Leute mehr in ihre provinzielle Kleinkunstwelt locken wollen, auch nicht mehr an»,
schreibt Kachelmann in einer Erklärung, die
sein Anwalt der Nachrichtenagentur DPA weiterleitete.
Heute Samstag soll auf einer kleinen Mannheimer Bühne das Theaterstück «Kachelmanns
Rashomon» des Autors Sascha Koal uraufgeführt werden. Darin soll es auch darum gehen,
wie der Fall «von der Umwelt ausgeschlachtet
und vermarktet wird, sei es von Zeitungen, der
Filmbranche oder auch uns Theatermachern»,
heisst es in einer Pressemitteilung des Theaters.
Kachelmann (53) war nach einem Gerichtsverfahren im Mai 2011 nach dem Grundsatz «Im
Zweifel für den Angeklagten» vom Vorwurf der
Vergewaltigung freigesprochen worden. Er
hatte 132 Tage in Untersuchungshaft gesessen.
Eine falsche Beschuldigung konnte seiner ehemaligen Geliebten allerdings nicht nachgewiesen werden. Die Nebenklägerin hatte behauptet, der Moderator habe sie mit einem Messer
bedroht und vergewaltigt.
(sda)
Zürcher Suter rittert um
Studenten-Oscar
Der Filmemacher Lorenz Suter von der Zürcher
Hochschule der Künste (ZHdK) ist im Rennen
um den Studenten-Oscar. Insgesamt wurden
518 US-amerikanische und 51 Beiträge aus
weiteren 29 Ländern eingereicht, wie die Oscar-Akademie in Beverly Hills am Donnerstag
mitteilte. Einziger Schweizer Beitrag ist «Der
ewige Tourist» des Zürchers Lorenz Suter (28),
wie die ZHdK gestern auf Anfrage mitteilte.
Der Film hatte zuvor bereits den Winterthurer
Kurzfilmpreis in Höhe von 12 000 Franken gewonnen.
«Der ewige Tourist» erzählt von einem Hotel-Animateur, der von einer Ferien-Bekanntschaft den Laufpass bekommt und nun eine
Nacht lang anderswo emotionalen Unterschlupf sucht. Seit 1973 der erste StudentenOscar ausgelobt wurde, ist er noch nie an einen
Absolventen einer Schweizer Filmschule gegangen.
(sda)
Kino-hitliste
1. ( 2.) Intouchables, Toledano/Nakache
2. ( 1.) The Hunger Games, Gary Ross
3. ( – ) Titanic - 3D, James Cameron
4. ( 4.) Türkisch für Anfänger, Bora Dagtekin
5. ( 3.) Wrath of the titans, J. Liebesman
6. ( – ) Mirror Mirror, Tarsem Singh
7. ( – ) Iron Sky, Timo Vuorensola
8. ( 6.) The Pirates! Peter Lord
9. ( 5.) The Woman In Black, James Watkins
10. ( 9.) This Means War, McG
11. ( 7.) The Marigold Hotel, John Madden
12. ( – ) Un Cuento Chino, S. Borensztein
13. ( 8.) The Iron Lady, Phyllida Lloyd
14. (14.) Journey 2: The Mysterious, B. Peyton
15. ( – ) Titeuf, Le Film, Zep (alias Chapuis)
16. (11.) The Artist, M. Hazanavicius
17. (10.) Contraband, Baltasar Kormakur
18. ( – ) The Deep Blue Sea, Terence Davies
19. (12.) Safe House, Daniel Espinosa
20. ( – ) Die Wiesenberger, Weber/Schilt
Die Kino-Hitliste des Kinoverbandes nennt den Rang dieser Woche, den Vorwochenrang (in Klammern), den Filmtitel sowie den
Regisseur.
KonzeRtKRitiK
Parzivals Kampf zu sich selbst
Der Verein Junges
Theater Graubünden
inszeniert «Parzival
– die Suche nach dem
Glück». Am Donnerstag
wurde das Stück von 18
Jugendlichen im «Marsöl» in Chur uraufgeführt
und erntete von den gut
200 Zuschauern
wohlverdienten Applaus.
Von Cornelius Raeber
Aus einem farbigen Kinderradio
trällert endlos das Kinderlied
«Alouette, gentille Alouette»,
Pfeif- und Windgeräusche füllen
die Szenerie und verbreiten eine
düstere Stimmung. Parzival, der
mit seiner Mutter fernab der höfischen Welt in der Einöde lebt,
spielt mit einem Vogel, der nicht
fliegen will – auch wenn ihm Parzival schon dreimal den Kopf umgedreht hat! Parzival, ein Junge,
der nichts über das Leben und den
Tod weiss. Da wird die Begegnung
mit einer Ritterschar zum Wendepunkt in seinem Leben. Er will den
Rittern gefallen und auch einer
von ihnen werden, obwohl ihm
seine Mutter die Idee ausreden
will. «Ritter sind eine Drohung des
Todes», sagt sie, Parzival entgegnet: «Wenn mein Vater ein Ritter
war, will ich auch einer werden.»
Jeder von uns ein Parzival
Mit einfachen Mitteln und Requisiten, unterstützt von sphärischen Klängen und Melodien gelingt es den jungen Schauspielern
unter der Leitung von Roman
Weishaupt und Seraina Caminada
die sagenumwobene, mittelalterliche und künstlerisch schon oft bearbeitete Geschichte, bedeutungsvoll zu inszenieren. Wunderbar,
wie mit Hilfe einiger Holzstöcke
Die suche nach dem Glück und nach sich selbst: Parzival begegnet auf seiner suche einer Ritterschar.
(Foto Marco Hartmann)
Schwerter und mit viel Klebeband
Ritterrüstungen werden. Eine Rüstung ist es denn auch, die sich der
von den Rittern zum Narren gemachte Parzival beschaffen muss,
um in deren Kreis aufgenommen
zu werden. Um dieses Ziel zu erreichen, schreckt er nicht vor der
Ermordung des roten Ritters zurück. Wenn im Laufe des gut einstündigen Stückes Parzival immer
wieder in andere Schauspielpersonen schlüpft, wird damit auch seine Verwandlung vom jungen Naivling bis zum Mörder und später
zum König angedeutet.
Doch Parzival will mehr. Auf der
Suche nach dem Sinn des Lebens
(und damit zu sich selbst) irrt er
jahrelang durchs Land, um denjenigen zu finden, der noch stärker
als ein König ist – und wird dabei
vom expressiven und lustvollen
Schauspiel seiner Kollegen begleitet. Auch ein aus dem Tritt ge-
brachter Seiltänzer wird gefragt,
ob er Gott sei. Der diesmal weibliche Parzival bekommt einen
Schreikrampf, als er feststellt, dass
der Seiltänzer nicht Gott ist. Weiter zieht der Held und bekommt zu
hören: «Weil du der Stärkste sein
willst, wirst Du Gott nicht finden,
ändere dich.» Schlussendlich führt
ihn seine Reise auf die geheimnisvolle Gralsburg, wo in Anwesenheit des kranken Königs ein grosszügiges Fest gefeiert wird. Aber
anstatt Antworten (auf nicht gestellte Fragen) zu erhalten steht
Parzival vor neuen Rätseln. «So
reiten wir fröhlich durchs Land,
bis wir den Gral finden», der entsprechende Schlusssatz der Aufführung – oder wie eine Besucherin nach der Vorstellung meinte,
«jede und jeder von uns ist ein Parzival.»
Die Texte von «Parzivals Projekt» beruhen auf der umfangrei-
chen Ausgabe des deutschen Autors und Dramatikers Tankred
Dorst (*1925) und wurden von den
Schauspielerinnen und Schauspielern des Jungen Theater Graubünden zusammen mit den künstlerischen Leiter Weishaupt und Caminada bearbeitet und stark gekürzt.
Seit November des letzten Jahres
beschäftigten sich die 18 Jugendlichen im Alter zwischen 16 und
24 Jahren mit dem mythologischen Stoff.
Ziel des am 1. Oktober des letzten Jahres gegründeten Vereins
Junges Theater Graubünden ist
es, junge Menschen für das zeitgenössische Theater mit seinen
sprachlichen und körperlichen
Ausdrucksmöglichkeiten zu begeistern.
Weitere Aufführungen von «Parzivals Projekt»:
Donnerstag, 3. Mai, 16 Uhr (Schulvorstellung)
und 20 Uhr im Rathaussaal, Ilanz. Tickets sind
unter www.theaterchur.ch erhältlich
theater Chur
«Die Zeit ist reif für eine Operette»
Das Theater Chur und die
Kammerphilharmonie
Graubünden präsentieren
im Mai den ersten Churer
Operettenfrühling. Zwei
Einakter von Franz Lehár
und Arthur Sullivan
sollen die unterschätzte
Gattung wieder
zum Leben erwecken.
Von Piera Cadruvi
Zwischen Kitsch und beissender
Satire, jedoch auf höchstem Niveau
befindet sich die Operette. Im 20.
Jahrhundert kurbelte sie die Unterhaltungsindustrie an und gilt als
Vorreiter der Popkultur wie auch
des Musicals. «Eine Operette sollte
man mit einem Augenzwinkern betrachten und zwischen den Zeilen
lesen, denn da ist das Wesentliche
verborgen», sagte Ute Haferburg,
Direktorin des Theater Chur und
Dramaturgin des Stücks, gestern
vor den Medien. Die Zeit sei reif für
eine Operette.
Gegengewicht zur Schlossoper
«Der Churer Operettenfrühling
soll künftig als Gegengewicht zu
der Schlossoper Haldenstein in den
ungeraden Jahren dienen», erkärte
Sebastian Tewinkel, Leiter der
Kammerphilharmonie Graubünden. Die Idee stamme von ihm und
seinem Orchester. «Ich möchte das
Orchester in alle Richtungen öffnen, um viele Facetten der klassischen Musik abzudecken.» Für die
Operetteneinakter – «Frühling»
vom österreichischen Komponisten
Franz Lehár und «Cox and Box»
vom Briten Arthur Sullivan – werde
eine kammerorchestrale Besetzung, das heisst 20 bis 25 Musiker,
reichen. Begleitet von der Kammerphilharmonie werden vier junge Sängerinnen und Sänger – Johanna Greulich, Anna Pisareva,
Michael Feyfar und Robert Koller –
sowie der schottische Sängerschauspieler Graham F. Valentine.
Eine lose Verbindung
Inszeniert wird der OperettenDoppelabend vom britischen Regisseur sowie Bühnen- und Kostümbildner Nigel Lowery. Mit seiner «ausgefeilten, skurrilen Inszenierung in einer historisch anmutenden Ausstattung wird er die
Bühne zum Blühen bringen», heisst
es. «Die beiden Einakter ‘Frühling’
und ‘Cox and Box’ haben eine lose
Verbindung in ihrer Geschichte»,
es lebe die operette: nigel lowery, Ute haferburg und sebastian
tewinkel (von links) freuen sich auf den operettenfrühling. (ham)
so Lowery. In beiden Stücken gehe
es um zwei Personen, die sich einen
Raum teilen. In «Frühling» teilt
sich Hedwig (Johanna Greulich),
eine junge alleinstehende Romantikerin, mit Lorenz (Michael Feyfar),
dem jungen mittellosen Komponisten, ein Zimmer. Da er in der Nacht
und sie am Tag arbeitet, sehen die
beiden sich nie und beginnen, voneinander zu fantasieren.
«Cox and Box» handelt von zwei
Männern, die sich unbewusst ein
Zimmer teilen. Als Cox (Robert
Koller) eines Tages merkt, dass aus
seinem Zimmer immer wieder Sachen verschwinden und kurz darauf
noch Box (Michael Feyfar) kennenlernt, der Cox’ Zimmer betritt,
stellen die beiden den Vermieter
Sergeant Bouncer (Graham F. Valentine) zur Rede. Ein Streit beginnt, doch beide entdecken ihre
gemeinsame Liebe zur Musik und
singen ein Duett.
Lowery wird Lehárs Operette «in
einer zeitgemässen Inszenierung zu
neuem Leben erwecken». Mit einer
Blümchentapete sei der Raum im
Grunde historisch ausgestattet,
«doch wir möchten keine historische Fassung erstellen. Zwischen
dem 19. Jahrhundert und der Gegenwart soll ein Spannungsfeld
entstehen», so Haferburg.
«Frühling & Cox and Box» feiert am Mittwoch,
2. Mai, um 20 Uhr im Theater Chur Premiere.
Weitere Aufführungen am 3./4./5. Mai. Tickets
unter www.theaterchur.ch