18 Region MONTAG, 7. SEPTEMBER 2015 Szenische Lesung Mit Parzival unterwegs zum Stein der Weisheit VON MARLISE STÖCKLI SCHAFFHAUSEN «Jeder sucht nach seinem Gral, jeder Mensch ist Parzival.» Dieses Aufsatzthema, das vor 50 Jahren ein Deutschlehrer einer Klasse der Kantonsschule Schaffhausen vorlegte, scheint noch immer aktuell zu sein. Aus Anlass des 65. Gründungsjahres nimmt sich der Johannes-von-MüllerZweig der Anthroposophischen Gesellschaft dieser Thematik an. Roy Pagno (vorne links) und Pino Ciaccio (vorne rechts) geben letzte Instruktionen für die Teilnehmer an der Golf-Charity-Trophy beim Schloss Langenstein. Bilder Eric Bührer Putten für einen guten Zweck Beim Schloss Langenstein ist Golf im Texas-ScrambleModus für einen Kindergarten in Armenien gespielt worden. VON WOLFGANG SCHREIBER SCHLOSS LANGENSTEIN «Und der Gewinner ist …» – die Startliste umfasste 63 Golfspielerinnen und Golfspieler. Sie haben am Samstag die 18 Löcher des Golf-Clubs Schloss Langenstein in der deutschen Nachbarschaft bespielt. Die Gewinner jedoch sind die Kinder der Gemeinde Aygehovit in Armenien. Ihr Kindergarten wird renoviert. Denn die Golfspielerinnen und Golfspieler haben an einer CharityTrophy der Schaffhauser Stiftung Armenien-Hilfe teilgenommen, bei der es nicht auf die sportliche Rangliste angekommen ist. Die Trophy hat der Stiftung 90 000 Franken eingebracht, die Kaspar Ottiger, neuer Präsident der Stiftung, mit einem symbolischen Check von den Organisatoren Roy Pagno und Pino Ciaccio überreicht wurden. Mit 90 000 Franken liegt der Betrag um 10 000 Franken höher als vor zwei Jahren. Das kommt daher – so teilte der Stiftungsrat mit –, weil Jessica und Martin Blumer eine grossherzige Spende von 50 000 Franken für die Gestaltung des Gartens um den Kindergarten in Aygehovit gesprochen haben. Die Blumers haben zuvor für die Renovation der Innenräume bereits einen gleich grossen Betrag gespendet. Der Golfspieler René Bhend, Geschäftsführer der Alno (Schweiz) AG, hat die Küche des Kindergartens ausgestattet. Die GolfCharity hat im Gedenken an den verstorbenen Stiftungspräsidenten Norbert Neininger, Verleger und Chefredaktor der Schaffhauser Nachrichten, stattgefunden. Nach dem Spiel und einer bewegenden Gedenkminute erinnerte Stiftungsrat Mike Baronian an Neininger. Er sei ein aussergewöhnlicher Mensch gewesen, dem die Armenien-Stiftung und das Land sehr am Herzen gelegen seien. Ruedi Neininger, Neiningers Bruder, sowie dessen Schwiegersohn Jan Sulzer sind an der Golf-Charity ebenfalls willkommen geheissen worden. Reiner Horlacher, Marco Hasler, Diane Thümmes und Roy Pagno (v.l.) brauchten die wenigsten Schläge. Rolf Schubiger, Thomas Lenz und Remo Fehr (v.l.) haben die 18 Löcher bei Tee 8 in Angriff genommen. Peter Wirz, Elvira Wirz, Jessica Blumer und Martin Blumer (v.l.) fühlten sich wohl auf dem Golfplatz. Angelika Ciaccio und Anna Fontana (v.l.) sorgten mit stets guter Laune für die Zwischenverpflegung. Axel Graf Douglas, früherer Schlossherr auf Langenstein, ist ein interessierter Beobachter der Golf-Charity geblieben. Ruedi Neininger, Pino Ciaccio, Jan Sulzer, Kaspar Ottiger, Manfred Hirt, Roy Pagno und Mike Baronian (vl.) mit dem Check. «Mitten durch das Tal» Zwei szenische Lesungen im Museum – vorgestern und am 12. September – sowie eine analoge Veranstaltung am 19. September im Kesslerloch sollen nicht zuletzt auch junge Leute ansprechen. Dazu findet immer am Dienstag nach den Lesungen jeweils im Bachschulhaus ein Vortrag des Philosophen, Publizisten und Musikers Marcus Schneider statt. Der Vortrag spannt den Bogen zur Problematik von heute und soll auch Basis für die anschliessende Diskussion sein. «Mitten durch das Tal» bedeutet der Name Parzival. Im 16 Bücher starken Werk lässt Wolfram von Eschenbach teilhaben am Lebensweg des Knaben Parzival. Der Schauspieler Thomas S. Ott hat das ganze Werk mit einer Gruppe von Schauspielern erarbeitet und vorgestern im Museum das dritte Buch zusammen mit der Schauspielerin Katja Axe dem Publikum nahe gebracht. Lebendige Sprache, farbige Bilder Das erlebten die wenigen jungen Anwesenden ebenso eindrücklich wie die vielen Junggebliebenen. Ohne äussere Ablenkung vermochten die klaren Texte, die präzise Sprache und der lebendige Vortrag die je eigenen Bilder zur vorgetragenen Geschichte zu aktivieren, sodass wohl alle die gleiche Geschichte hörten, aber nicht alle dieselbe Geschichte erlebten. Wie einst die Märchen für die einen Kinder voller Gefahren, für die andern aber spannende, fantastische Geschichten waren, so konnte auch dieses mittelalterliche Epos unterschiedlich aufgenommen werden. Wolfram von Eschenbach soll sie zur Ermahnung geschrieben haben – in einer Zeit, da der Mensch immer unverschämter und dekadenter wurde. Bei der dramatischen Erzählung vorgestern Samstag wurde bald klar, dass diese Eigenschaften weniger an eine Zeit als vielmehr an den Menschen als solchen gebunden sind. Torheit, Stolz und zu späte Reue Parzivals Kindheit und Jugend, sein Aufbruch ins Leben und der törichte Wunsch, um jeden Preis «Ritter» werden zu wollen, kann unschwer auch auf den heutigen Menschen übertragen werden. Zu oft sind bis heute Begehrlichkeit, Stolz, Ruhm, Ehre, vermeintliche Ehrverletzung, Wut und brutale Rache die Triebfedern menschlichen Handelns. Dass Parzival nicht wünschen will, sondern fordert und nötigenfalls auch tötet, um das Begehrte zu haben, sollte er später bitter bereuen. Torheit oder Naivität schützt möglicherweise vor vorsätzlicher Schuld, nicht aber vor Reue. «Später wäre es ihm lieber gewesen, er hätte es nicht getan», deklamiert Thomas Ott, bevor der Applaus den zwei Lesenden für den erlebnisreichen Abend dankt. Vom Umgang mit den Medien Mit seinem Referat am kommenden Dienstag im Bachschulhaus knüpft Marcus Schneider an die Lesung an. «Vom naiven Umgang mit den Medien – der Tor als erste Stufe» soll zeigen, dass der heutige Mensch ein Tor im Umgang mit den Medien ist. Ob er ihnen die Reue eines Parzivals ersparen kann, werden die Teilnehmenden selber erkennen können.
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