Modebranche Abschied von der Steinzeit

22 | Meinungen
Credit Suisse
Die Lehre
von den drei Affen
D
er Grossbank Credit Suisse droht nun
auch ein Fall Adoboli. Der spielt zwar
nicht in einem nüchternen TradingFloor in London, sondern in den edlen
Beratungsbüros in Genf, und ihr Protagonist heisst
P.L. Aber die finanziellen Dimensionen und die
Schwere der Verfehlungen sind vermutlich fast so
gross wie seinerzeit beim ghanaischen UBS-Trader.
Mag man den Dokumenten aus einem laufenden
Verfahren Glauben schenken, in denen sich selbst
die Wirtschaftsforensiker mühsam vorantasten,
dann tun sich in der Rhonestadt Abgründe auf.
So soll CS-Berater P.L. über Jahre hinaus seine
reichen Kunden aus dem ehemaligen Osteuropa
nach Strich und Faden gemolken haben und dabei
ein finanz-alchemistisches Feuerwerk gezündet haben. Dies war wohl nur mit der Infrastruktur einer
Grossbank im Rücken möglich. Am Ende stehen ein
mutmasslicher Schaden von mehreren hundert
Millionen Franken für die schwerreiche Klientel
und geschätzte 150 Millionen an Kommissionserträge für die Credit Suisse sowie ein stattliches Direktorensalär mitsamt Millionenboni für P.L. Angesichts dieser Gemengelage erscheint schon fast
plausibel, dass die Vorgesetzten in all den Jahren
die buddhistische Lehre von den drei Affen allzu
streng befolgt hätten: «Nichts sehen, nichts hören,
nichts sagen.» Ob es tatsächlich so war, kann wohl
nur die F
­ inma abschliessend klären.
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Arbeitsmarkt
Spuren aus der
Vergangenheit
D
as Stakkato treibt dem Höhepunkt entgegen. Entlassung, Deindustrialisierung,
Rezession. Und dann? Es flattern die
Nerven der Vermögensverwalter, die
millionenfach aus der Börse aussteigen und die
­gedrückte Stimmung weiter verstärken. Gestern
Bucher, heute Credit Suisse, morgen Zurich. Sogar
die grundsolide Dividendenperle Swisscom baut in
ihren Callcenter ab.
Klar, die Arbeitslosigkeit wird in den nächsten
Monaten – zum grössten Teil saisonbedingt – ansteigen und schlimmstenfalls die 4-Prozent-Marke
­ankratzen. Und klar, jeder Arbeitsplatz tut weh.
­Allerdings leiden wir weniger am starken Franken,
sondern an Geschäftsmodellen, die nicht mehr zeitgemäss sind. Und wir leiden an der staatlich admini­
strierten Einwanderungspolitik von einst, die Branchen wie Landwirtschaft und Bau süchtig machte.
Wie Analysen des Basler Arbeitsmarktexperten
George Sheldon zeigen, sind es heute vorab Unqualifizierte, die ihren Job verlieren – und danach keine
Stelle mehr finden. Bei den Qualifizierten dagegen
ist ein emsiges Kommen und Gehen im Gang. In der
Regel finden Entlassene innert weniger Monate
­einen neuen Job. Nicht aber die Unqualifizierten,
deren Arbeitsplätze jetzt in Niedriglohnländer
­ausgelagert werden. Betroffen sind davon primär
Ausländer über 50. Sie wanderten in den 1980erund 1990er-Jahren ein, angelockt durch Kontin­
gente. Damals bewilligte Bern den Zugang von bis
zu 174 756 Saisonniers und Jahresaufenthaltern pro
Jahr. Die Krisentauglichkeit hat die Kontingents­
politik von einst nicht bestanden.
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Modebranche
Abschied von der Steinzeit
M
an stelle sich vor, Apple würde ein
neues iPhone ankündigen, die
ganze Welt würde darüber reden,
die Social-Media-Kanäle wären
voll mit Bildern und Videos – und
bei den Konsumenten wäre die angeheizte Lust
­riesig, das Teil zu kaufen. Und man stelle sich vor,
Apple würde das neue Gadget nur ausgewählten
Prominenten zur Verfügung stellen, mit dem Verkauf ans breite Publikum aber warten – mehr als ein
halbes Jahr.
Unvorstellbar? Für Apple ja – und für alle anderen
Konsumgüter-Unternehmen ebenfalls. Niemand
spielt so mit potenziellen Kunden. Doch es gibt eine
grosse Ausnahme: Die Mode-Industrie. Sie funktioniert genau nach diesem Muster: Sie zeigt ihre neuen Kollektionen – aktuell in New York – der Öffentlichkeit, wartet aber bis im Spätsommer mit dem
Verkauf. Im Zeitalter der digitalen Gleichzeitigkeit ist
das ein Geschäftsmodell wie aus der Frühsteinzeit.
Burberry hat den ersten Schritt
gemacht – und eine Lawine losgetreten
Das haben mittlerweile auch Marken wie Bur­
berry, Michael Kors, Paul Smith oder Tom Ford gemerkt. Sie alle haben dieser Tage angekündigt, künf-
Marcel
Speiser
Stv. Chefredaktor
tig die Kollektionen, die sie auf dem Laufsteg zeigen,
umgehend zu verkaufen. Das amerikanische Modehaus Tommy Hilfiger ist bereits so weit: Einzelne Teile, die es diese Woche in New York gezeigt hat, sind
bereits zu haben – «Ready to go» nennt das der
Schweizer Hilfiger-Chef Daniel Grieder. Er und die
anderen Marken, welche sich zum überfälligen
Schritt in die Gegenwart bekannt haben, wollen die
Konsumenten nicht mehr nur heiss auf die neuen
Teile machen, sondern ihre angestachelte Kauflust
auch gleich in Umsätze umwandeln.
Das klingt einfach und einleuchtend. Für die Modebranche aber ist es eine Revolution. Es stellt jahrzehntelang gepflegte Traditionen auf den Kopf. Disruption durch Digitalisierung.
Der bisherige Rhythmus der Modebranche ist vor
allem durch die Omnipräsenz digitaler Medien ob-
solet geworden. Während noch vor wenigen Jahren
Modeschauen Events für Brancheninsider wie Einkäufer, Journalisten und Grosshändler waren, ist
heute die ganze Welt dabei – und zwar live. Auf So­
cial-Media-Kanälen wie YouTube, Instagram, Facebook und Twitter können alle, die wollen, die neuen
Kollektionen sehen – gleichzeitig mit den geladenen
Celebritys vor Ort. Minuten nach der Show sind alle
Teile von allen Designern mit allen Details online.
Die Folge davon: Heute sind neue Kleider schon
Tage nach ihrer Premiere alt und altbekannt.
Zwei Wochen braucht Inditex,
bis ein Entwurf im Laden hängt
Und das ist Gift fürs Geschäft – gerade in einer Industrie, die davon lebt, dass sie sich permanent neu
erfindet, immer neu ist, der Zeit voraus. Heute zahlt
niemand mehr viel Geld für einen vermeintlich neuen Mantel, der schon Monate durchs Netz geistert.
Vor allem aber schadet es den grossen Labels,
weil «Fast Fashion»-Ketten wie Inditex oder H&M in
der alten Welt der Industrie rund sechs Monate Zeit
hatten, die Kollektionen zu adaptieren und ihre Kopien noch vor den grossen Marken zu verkaufen.
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Rückblende
11. Februar 2016
Investor Philippe Gaydoul tritt in
seiner Gaydoul Group auf die
Bremse. Auf Stufe Geschäfts­
leitung und Verwaltungsrat habe
er die Löhne gekürzt, sagt er der
«Handelszeitung». «Bei den TopPositionen um 20 Prozent, beim
Gros der Mitarbeitenden war das
kein Thema, allerdings haben wir
einzelne Stellen nicht mehr besetzt», sagt Gaydoul.
11. Februar 2016
Postfinance lanciert nebst Twint
eine weitere Bezahl-App fürs
Handy. Ein Sprecher bestätigte
gestern eine Vorabmeldung der
«Handelszeitung». Das Produkt
soll in wenigen Monaten auf den
Markt kommen. Der Vorteil der
neuen App ist, dass sie über den
normalen Kreditkartenstandard
und über die NFC-Technologie
funktioniert – und im Gegensatz
zu Twint ohne neue Infrastruktur
und Softwarelösungen auskommt. Die App werde allerdings
nur für Android-Telefone verfügbar sein, heisst es weiter.
10. Februar 2016
Der Schweizer Baukonzern Im­
plenia wird für das Geschäftsjahr
2015 voraussichtlich ein besseres
Ergebnis ausweisen als für 2014.
Implenia-Sprecher Philipp
­Bircher bestätigt das und sagt
­gegenüber der «Handelszeitung»
mit Blick auf die Bilanzmedienkonferenz vom 23. Februar: «Das
operative Ergebnis wird auf vergleichbarer Basis über dem Vorjahr liegen.» Der Auftragsbestand
sei «rekordhoch» und die Liqui­
dität entsprechend gut.
10. Februar 2016
La società zurighese attiva
nell’abbigliamento Gaydoul
Group ha ridotto il salario di
­dirigenti e amministratori del 20%
per contenere le spese. Gli altri
­dipendenti non sono toccati dalla
misura. L’informazione è stata
­annunciata dal proprietario e
­fondatore del gruppo, Philippe
Gaydoul, in un intervista che
­apparirà domani sulla «Handelszeitung».
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10. Februar 2016
Zum Kernbereich der Gruppe
­gehören die Modelabel Navyboot
und Jet Set. Weitere Sparten der
Gaydoul Group sind die Vermögensverwaltung und Immobilien.
Wer nach dem Auszug des Spielwarenhändlers Franz Carl Weber
demnächst in die Liegenschaft
an der Zürcher Bahnhofstrasse
einziehen wird, sei noch offen.
Eine weitere Navyboot-Filiale
werde es aber nicht werden, sagt
Gaydoul im Interview mit der
«Handelszeitung».
5. Februar 2016
Reto Gurtner schliesst nicht aus,
dass für eine Kandidatur um
Olympische Winterspiele 2026
auch Standorte ausserhalb der
Schweiz genutzt werden könnten.
Dies sagte der Vorsitzende der
Geschäftsleitung und Verwaltungsratspräsident der Weisse
Arena Gruppe in einem gestern
in der «Handelszeitung»
erschienenen Interview.