FAZ - Abschied von der Gratis-Tüte

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Abschied von der Gratis-Tüte
BERUF & CHANCE RHEIN-MAIN
Handel und Umwelt
Abschied von der Gratis-Tüte
Tchibo gibt Tragebeutel aus Kunststoff nur noch gegen Gebühr aus - der Umwelt
zuliebe. Andere Händler könnten nachziehen. Dabei ist die Plastiktüte in
ökologischer Hinsicht besser als ihr Ruf.
11.01.2016, von KERSTIN PASEMANN
© DPA
Auslaufmodell Plastiktüte?
ie Tage der Gratis-Plastiktüte könnten gezählt sein. Friedrich
Wagner jedenfalls hält das für gut möglich. Der Präsident des
Landesverbands des Hessischen Einzelhandels glaubt, dass bald ein
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14.01.2016 14:08
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Gesetz gegen die kostenlose Abgabe von Kunststoffbeuteln im
Einzelhandel auf den Weg gebracht wird. „Nicht dieses Jahr, aber
vielleicht schon im nächsten“, lautet seine Prognose. Schließlich gebe es
eine EU-Richtlinie dazu. Deshalb werde die Plastiktüte in diesem Jahr
ohnehin zum Thema.
Schon jetzt hat ein großer Einzelhändler entschieden, mit der
unentgeltlichen Ausgabe von Transportbeuteln Schluss zu machen. Seit
Mitte der Woche kann der Kunde in den deutschen Tchibo-Filialen
seinen Kaffee und andere Produkte zwar noch in Plastiktaschen
verpacken, aber die kosten jetzt 20 Cent je Exemplar.
Wenige Proteste von Kunden
Tchibo will damit etwas für die Umwelt tun, wie eine Sprecherin des
Unternehmens sagt. Dafür nimmt der Einzelhändler in Kauf, dass er
weniger bedruckte Taschen als Werbeträger in Umlauf bringen kann.
Aber auch die Kunden scheint die fehlende Gratistüte nicht zu stören.
In den ersten Tagen nach dem Wechsel war laut der Sprecherin die
Resonanz positiv, Beschwerden über die neue Bezahlpflicht gebe es in
den Frankfurter Geschäften nicht. Zudem hat Tchibo in Österreich
ermutigende Erfahrungen gemacht. In den Filialen im Nachbarland
wurden nach Einführung der Beutel-Gebühr rund 75 Prozent weniger
Einwegtüten ausgegeben.
Außer der Kunststofftasche für 20 Cent will Tchibo demnächst einen
Mehrwegbeutel aus robustem Kunststoff für 1,25 Euro anbieten. Die
Gebühr soll dem Verbraucher zu denken geben: Will er nicht unnötig
Portemonnaie und Umwelt belasten, stattet er sich mit genügend
Beuteln und Falttaschen für alle Eventualitäten aus.
Tchibo ist nicht das erste Unternehmen, das mit den Gratistüten
Schluss macht. Die Drogeriekette dm hat schon im vergangenen Jahr
die dünnen Abreißtüten an der Kasse abgeschafft. Viele Apotheken
verpacken Medikamente inzwischen in kleinen Papiertüten. Und selbst
die Billigmodekette Primark gibt den Kunden die Bekleidung in einer
braunen Papptüte mit.
Auch im Frankfurter Einzelhandel tut sich etwas. Derzeit können sich
Händler von der Zeil, aber auch aus den Stadtvierteln dank einer
Initiative der Stadt über die Plastiktüte und deren Ersatz informieren.
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14.01.2016 14:08
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Nach einem weiteren Treffen im Januar können nach Einschätzung
einer Referentin des Wirtschaftsdezernats erste Geschäfte neue Wege
mit weniger Plastik gehen.
Gewinne durch Tütengebühren
Supermärkte verlangen an den Kassen schon länger Geld für ihre
Tüten. Die „Lebensmittelzeitung“ hat kürzlich am Beispiel Rewe
ausgerechnet, dass sich mit kostenpflichtigen Einwegbeuteln sogar Geld
verdienen lässt. Das Fachblatt nimmt an, dass Rewe bei 160 Millionen
verkauften Tüten im Jahr ungefähr 16 Millionen Euro Umsatz und vier
Millionen Euro Gewinn macht. Tchibo wiederum gibt an, Geld dadurch
zu sparen, dass weniger Tüten über die Theke gehen. Denn außer den
Produktionskosten muss der Handel für die Beutel Entsorgungskosten
des dualen Systems zahlen.
Von Umweltfreunden wird immer wieder beklagt, dass die Plastiktüte
die Natur belaste. Die Losung der achtziger Jahre, „Jute statt Plastik“
ist nach wie vor aktuell. Nun möchte auch die EU mit einer Richtlinie
den europaweiten Verbrauch je Kopf von fast 200 Tüten auf 40 im Jahr
2025 senken. Die Deutschen transportieren ihre Einkäufe schon jetzt
umweltbewusster; der Durchschnittsverbrauch liegt bei 71
Plastiksäckchen. Nicht zu den einzusparenden Beuteln zählen
allerdings die dünnen Tütchen für Obst und Gemüse vom
Wochenmarkt oder aus der Frischabteilung im Supermarkt (siehe
Kasten).
Dem Einzelhandelspräsidenten Friedrich Wagner wäre es nur lieb,
wenn der Plastiktüten-Verbrauch zurückginge. „Die Tüten
verschmutzen die Gewässer, zu leichtfertig werfen die Verbraucher sie
nach der Nutzung weg.“ Gerade einmal 30 Minuten ist ein Beutel
durchschnittlich in Gebrauch, vollständig zersetzt ist er in der Natur
nach 100 bis 500 Jahren. Wagner hofft, dass das Ende der
Gratistäschchen die Verbraucher zum Umdenken bringt. Er rät den
Einzelhändlern, freiwillig auf die Umsonsttüte zu verzichten, bevor der
Gesetzgeber es erzwinge.
Mehr zum Thema
· Das Verbraucherthema: Richtig und falsch
eingetütet
· Einkaufstüten: Die Plastiktüte ist besser als
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Dabei ist die Ökobilanz der
Kunststofftüte nicht
unbedingt schlechter als die
von anderen Tragehilfen.
14.01.2016 14:08
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ihr Ruf
Selbst die Papiertüte, die ein
hervorragendes Öko-Image
genießt, verbraucht bei der Herstellung ähnlich viel Ressourcen wie die
Plastiktüte. Einziger Vorteil: Sie wird in der Natur schneller abgebaut.
Beutel aus Polyester und Mehrwegtaschen aus Kunststoff werden
ressourcenarm produziert und können - theoretisch zumindest - oft
genutzt werden. Auch der Jutebeutel ist zweifellos nachhaltig, doch
stimmt seine Ökobilanz erst nach der fünfundzwanzigsten Nutzung.
Mancher Frankfurter Einzelhändler fragt sich unterdessen, ob sich die
Tütengebühr nachteilig auf seine Geschäftsbilanz auswirken könnte indem sie beim Kunden Unmut weckt. Wer in einem
Bekleidungsgeschäft einen Anzug für mehrere hundert Euro kauft,
könnte verärgert sein, wenn er auch noch für eine Tasche zahlen soll.
Für diese Fälle gelte es, das Personal zu schulen, heißt es. Und noch ein
anderes Problem könnte es geben: Entscheidet sich der Kunde gegen
eine Tüte und spaziert mit dem Anzug über dem Arm der Tür entgegen,
könnte das im ungünstigsten Fall den Hausdetektiv auf den Plan rufen.
Hemdchenbeutel bleibt gratis
Die neue EU-Regelung, die den Verbrauch von Plastiktüten bis zum Jahr 2025 deutlich reduzieren
soll, betrifft nicht alle Einwegtüten: Die sogenannten Hemdchenbeutel, die Händler auf dem
Wochenmarkt, Metzger, Bäcker und Drogerien ausgeben, gehören nicht dazu. Auch können
Supermarktkunden darin weiterhin ihr Obst und Gemüse abpacken. Da diese Beutel nicht unter
die Regelung fallen, muss dafür nichts gezahlt werden, auch wenn der Deutsche von den dünnen
Plastiktüten durchschnittlich 39 Stück im Jahr nutzt. Insgesamt werden in der Bundesrepublik
3,1 Milliarden Beutelchen im Jahr verbraucht, das entspricht 8,6 Tonnen Plastik. Auch die
leichten Hemdchenbeutel können der Umwelt schaden. An der Nordsee wurden je hundert Meter
Küstenlinie drei von ihnen gefunden. Friedrich Wagner, Präsident des Landesverbands der
Hessischen Einzelhändler, hält sie denn auch für das schlimmere Problem. „Auf den
Wochenmärkten wird nahezu alles darin eingepackt.“ Nach Wagners Worten arbeiten auch in
Hessen viele Unternehmen an neuen Verpackungen. Papiertüten kämen in Supermärkten als
Ersatz nicht in Frage, denn die Kassierer müssten die Waren in der Tüte schnell erkennen
können. Eine Möglichkeit wäre, Papiertüten mit Sichtfenster aus Plastik einzuführen. Zwar hätte
man dann nach wie vor Kunststoffanteile in der Verpackung, die wären aber bei weitem nicht so
groß. (kepa.)
Quelle: F.A.Z.
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