M 31 Förderung der Motivation in der Lehr-Lernbeziehung Die Berücksichtigung der Gefühle und Bedürfnisse während des Lernprozesses spielt eine zentrale Rolle für den Lernerfolg. Wenn starke Gefühle und wichtige Bedürfnisse über längere Zeit nicht bewusst wahrgenommen und ausgedrückt werden, und damit eine Chance auf Berücksichtigung bekommen, entsteht ein innerer Zustand, der zusammengefasst als frustriert bezeichnet werden kann. Dieses Phänomen trifft nicht nur auf Kinder und Jugendliche, sondern auch auf Lehrpersonen zu. „Gefühle sind die Sprache der Bedürfnisse.“ Dieser Satz von Marshall Rosenberg, dem Begründer der Gewaltfreien Kommunikation, stellt dar, dass unseren Gefühlen die wichtige Aufgabe zukommt, anzuzeigen, ob grundlegende Bedürfnisse im Moment erfüllt oder unerfüllt sind. Unglücklicherweise ist unser Wortschatz, Gefühle differenzierter auszudrücken, im allgemeinen sehr gering, bei vielen Jugendlichen besteht er sogar nur aus zwei Varianten: „Mir geht’s gut.“ oder „Ich fühl mich schlecht (beschissen).“ LehrerInnen haben zwar möglicherweise eine größere Auswahl an Wörtern, die Gefühle beschreiben, häufig ist ihnen dennoch die Vorstellung fremd, ihren SchülerInnen gegenüber davon zu sprechen, wie sie sich gerade fühlen und auf welche Bedürfnisse diese Gefühle hindeuten. Sie befürchten, ihre Autorität zu verlieren, nicht ernst genommen zu werden, vielleicht sogar verspottet zu werden. Sie tun sich schwer, darauf zu vertrauen, dass der Austausch über Gefühle und Bedürfnisse die Beziehung zwischen Ihnen und den Schülern stärken und vertiefen wird und damit ein menschliches Klima fördert, das entspanntes Lernen stark unterstützt. Zur Inspiration unseres Wortschatzes im Folgenden eine Liste der Empfindungen, die wir haben können, wenn unsere Bedürfnisse erfüllt sind: abenteuerlustig absorbiert aktiv angeregt aufgeregt behaglich belebt berührt bewegt dankbar energievoll enthusiastisch erfüllt erleichtert erlöst erregt erstaunt erwartungsvoll fasziniert freudig friedlich froh fröhlich gebannt geborgen gelassen glücklich herzig gutmütig heiter herzvoll hoffnungsvoll interessiert involviert lebhaft liebevoll lustig mitteilsam motiviert munter mutig neugierig optimistisch ruhig sanft selig sicher sorglos stolz überglücklich überrascht überschwänglich unbekümmert unternehmungslustig vertrauensvoll wach weich zärtlich zufrieden Empfindungen, die wir haben können, wenn unsere Bedürfnisse nicht erfüllt sind: Abscheu einsam miserabel unruhig abwesend ängstlich ärgerlich alarmiert angespannt angstvoll apathisch bekümmert belastet besorgt betrübt bestürzt bitter deprimiert desinteressiert durcheinander düster elend entsetzt erschöpft erschreckt faul feindselig furchtsam frustriert gehemmt gelangweilt gemein gleichgültig Hass hilflos irritiert melancholisch müde kalt kleinmütig konfus krank kribbelig Kummer lethargisch matt mutlos neidisch nervös niedergeschlagen passiv pessimistisch ungeduldig unsicher unstet schlecht Scham schuldig schwermütig träge traurig überlastete verdrossen verloren verwirrt verzagt verzweifelt widerwillig wütend zornig All diese Gefühle und Empfindungen zeigen an, in welchem erfüllten oder unerfüllten Zustand sich die mit den Gefühlen korrespondierenden Bedürfnisse aktuell befinden. In diesem Sinne liefern gerade auch die so genannten „schlechten“ Gefühle wertvolle Hinweise über Missstände, die sich erst ändern lassen, wenn sie bewusst werden. Ansonsten kommen sowohl LehrerInnen als auch SchülerInnen nicht über das unspezifische Klagen und Beschweren hinaus, dass die Gesamtsituation einfach frustrierend sei. Das Bewusstsein, um welche Bedürfnisse es sich jeweils handelt, wenn dieses oder jenes Gefühl auftaucht, ist meistens ebenso wenig entwickelt, wie der Gefühls/Bedürfnis-Wortschatz. Laut Marshall Rosenberg sind Bedürfnisse universell. Das heißt, die Bedürfnisse verschiedener Menschen stehen sich nie entgegen. Auf der Ebene der Bedürfnisse gibt es keinen Konflikt zwischen den eigenen Belangen und denen anderer Menschen. Wir alle, also auch Lehrerinnen und Schüler teilen mehr oder weniger stark die selben Bedürfnisse. Die Wege, die Menschen zur Erfüllung ihrer Bedürfnisse gehen oder ausprobieren sind hingegen äußerst unterschiedlich. Jeder Mensch entwickelt in seinem Leben eigene Strategien zur Bedürfnisbefriedigung und diese können mitunter im Konflikt mit den Strategien anderer Menschen stehen. Der erste Schritt der Klärung einer strittigen Situation besteht folglich in einer Differenzierung zwischen Bedürfnis und Strategie. Die Kunst besteht dann darin, Strategien zu finden, die sowohl die eigenen, als auch die Bedürfnisse anderer berücksichtigen. Dieser Vorgang eröffnet im Kontext der Lehr-Lernbeziehung völlig neue Perspektiven, da die Bedürfnisse von Lehrern und Schülern nur auf den ersten Blick konträr zu sein scheinen. Ein möglicher Weg, mehr Bewusstheit über die Bedürfnisse sowohl der LehrerInnen als auch der SchülerInnen zu erzeugen ist, in einer gemeinsamen Übung das folgende Schaubild auszufüllen und sich anschließend darüber auszutauschen: Wie erfüllt sind diese Grundbedürfnisse aktuell in meinem Leben? Verbundenheit Entwicklung Kreativität Anerkennung Lebendigkeit Harmonie Kontakt/Nähe Selbstbestimmung Zugehörigkeit Ruhe Sinn Sicherheit Wirksamkeit Die Erforschung motivierten Handelns bezieht sich im Wesentlichen auf drei Energiequellen: Physiologische Bedürfnisse, Emotionen und psychologische Bedürfnisse. In der Selbstbestimmungstheorie von Deci/Ryan werden dreierlei angeborene psychologische Bedürfnisse als besonders relevant hervorgehoben: Zwei davon, das Bedürfnis nach Kompetenz oder Wirksamkeit und das Bedürfnis nach Autonomie oder Selbstbestimmung müssen in hohem Maße erfüllt sein, damit intrinsisch motiviertes Handeln möglich ist. Extrinsisch motiviertes Handeln orientiert sich zusätzlich an der Erfüllung des Bedürfnisses nach sozialer Eingebundenheit oder sozialer Zugehörigkeit. Eine Grundannahme von Marshall Rosenberg, die als Basis für die Gewaltfreie Kommunikation gilt, lautet: „Alles, was ein Mensch jemals tut, ist ein Versuch, sich Bedürfnisse zu erfüllen.“ Das bedeutet, unsere Handlungen sind immer nachvollziehbar motiviert; um jegliches menschliche Verhalten nachvollziehen zu können, ist es lediglich nötig, das jeweilige Bedürfnis zu sehen, das der Betreffende versucht, sich zu erfüllen. Es bedeutet darüber hinaus, dass Menschen ständig Strategien wählen, um zu versuchen, das Bedürfnis, das ihnen in diesem Moment besonders wichtig erscheint, zu befriedigen. Der Grad der Bewusstheit dieser Entscheidungen ist allerdings individuell sehr unterschiedlich. Ein Schüler beispielsweise, der den vom Lehrer vorgetragenen Stoff ignoriert und unter der Bank eine unterrichtsfremde Zeichnung anfertigt, ist nicht unbedingt lernunwillig, sondern versucht sich möglicherweise unbewusst, sein Bedürfnis nach Autonomie- und Kompetenzerleben auf einer anderen Ebene zu erfüllen. Es findet ebenfalls motiviertes Lernen statt, lediglich anders, als vom Lehrer geplant. Wenn wir verstehen, dass hinter jeglichem Verhalten Bedürfnisse stehen, und uns bemühen, diese nachzuvollziehen, hat das beträchtliche Auswirkungen auf unseren Umgang miteinander. Im schulischen Alltag werden tagtäglich viele Bedürfnisse berührt. Je mehr Bewusstheit Lehrerinnen und Schüler darüber erlangen, desto leichter wird es, gemeinsam über Strategien zu beraten, die der Erfüllung dieser Bedürfnisse dienen. Im Folgenden werden einige dieser Bedürfnisse kurz angerissen. Wenn z.B. das Bedürfnis nach Autonomie im Kontext schulischen Lernens erfüllt werden soll, so ist es unter anderem hilfreich, wenn die SchülerInnen ihre Lernziele und die nötigen Schritte, diese Ziele zu erreichen, gemeinsam mit als Lernberatern fungierenden LehrerInnen bestimmen. Es wäre hilfreich, wenn alle schulischen Bereiche daraufhin überprüft würden, inwieweit SchülerInnen an den Entscheidungen über das „Was?“ „Wann?“ „Wo?“ „Wie?“ beteiligt werden können. An vielen Schulen besteht eine enorme Kluft, zwischen der Selbstständigkeit, die die Kinder und Jugendlichen haben möchten und der begrenzten Zahl von Entscheidungen, die ihnen Erwachsene zubilligen. Das Bedürfnis der SchülerInnen nach Kompetenzerleben steht nicht im Widerspruch zu einer Rückmeldung über den Lernfortschritt. Erfolgt dieser jedoch in Form von Noten, die der Lehrer gibt, wird in vielen Fällen Angst induziert, die für effektives Lernen absolut kontraproduktiv ist. Wenn Schüler lernen, ihre Leistungen selbst zu bewerten, können sie sich ihren bisherigen Lernerfolg angstfrei selber rückmelden. Hierzu ein Zitat von M. Csikszentmihaly/U. Schiefele aus ihrer Arbeit: „Die Qualität des Erlebens und der Prozeß des Lernens“ in der zeitschrift für pädagogik, heft 2/3 1993: „Was die Rückmeldungen angeht, so haben Lehrer traditionell eher kontrollierende anstelle von informativen Rückmeldungen gegeben. Diese Unterscheidung ist sehr wichtig. Während kontrollierende Rückmeldungen die intrinsische Motivation beeinträchtigen und den Handelnden von extrinsischen Belohnungen abhängig machen, sind informative Rückmeldungen unverzichtbar für das Aufrechterhalten intrinsischer Motivation (vgl. hierzu die Ausführungen von DECI/RYAN in diesem Heft). Aus pädagogischer Sicht wäre es vermutlich ideal, auf Noten ganz zu verzichten und die Schüler zu lehren, ihre Leistungen selbst zu bewerten. Dann könnten sie sich selbst mit Rückmeldungen versorgen. Genau dies ist es, was Experten in den verschiedensten Bereichen gelernt haben, zu tun.“ Die Erfüllung des Bedürfnisses nach Sinn setzt voraus, dass SchülerInnen jederzeit klar ist, was ihnen die Aneignung eines bestimmten Stoffes nützt, andernfalls nimmt die dem Menschen angeborene Neugierde auf alles Neue recht schnell ab und sie verlieren das Interesse. Ein weiteres Zitat aus demselben Artikel: „So weiß man z. B. in Latein, dass die nächsten zwei Wochen für die dritte Deklination von Hauptwörtern reserviert sind und eine Prüfung darüber bevorsteht. Auf eine bestimmte Art sind die Ziele und Rückmeldungen in diesem Fall klar. Dennoch haben die meisten Schüler keine Ahnung, warum es so wichtig ist, die dritte Deklination zu lernen. Die eigentlichen Ziele des Lernens bleiben im Dunkeln. Um jedoch bei einer Tätigkeit stark innerlich beteiligt zu sein, müssen sowohl die kurz- als auch die langfristigen Ziele klar sein. Lehrer neigen dazu zu vergessen, dass sie zwar genau wissen, warum etwas Bestimmtes gelehrt werden muss, dass aber ihren Schülern (oder Studenten) dieses Wissen fehlt und sie nur widerwillig lernen.“ Das Bedürfnis nach Kreativität wird unter anderem dann erfüllt, wenn Lernen als aktives Erforschen von Neuem erlebt wird und erforderliche Informationen und Materialien gemeinsam mit den LehrerInnen besorgt werden können, die ihr knowhow zur Verfügung stellen, ohne ihre SchülerInnen durch ausgetretene „LernTrampelpfade“ zu scheuchen. Dem Bedürfnis nach Authentizität kommt in der Lehrer-Schüler Beziehung eine große Bedeutung zu. Sie stellt die Grundlage für eine präsente Form des Umgangs miteinander dar und im Folgenden soll versucht werden, den Zusammenhang aufzuzeigen, in dem Authentizität zum Lernvorgang steht. Viele Schüler empfinden Groll und Wut gegen ihre Lehrer und der Grund liegt in der Unechtheit der Beziehung. Die Schüler sehnen sich danach, dass ihre Lehrer als Menschen da sind, anstatt eine Rolle zu spielen, mag diese auch noch so kompetent und gewissenhaft ausgefüllt sein. Noch ein kurzes Zitat aus benanntem Artikel: „Als einflussreich erwiesen sich nicht die Lehrer mit den meisten Auszeichnungen, mit dem höchsten Prestige, mit der größten Macht oder gar mit dem meisten Wissen. Statt dessen wurden immer wieder zwei Merkmale genannt, die für den einflussreichen Lehrer typisch sind. Ein Merkmal war, dass sie ein persönliches Interesse an dem Schüler entwickelten, ihn näher kennen lernten und sich um ihn kümmerten.“ LehrerInnen spielen gewohnheitsmäßige Rollen, wenn sie im Unterricht mit ihren SchülerInnen umgehen. Durch die Tatsache, dass sie zeitweilig mehr wissen oder älter sind als diese, verfallen Sie leicht dem Irrtum, die Schüler seien ihnen nicht ebenbürtig. Eine Wertigkeits-Asymmetrie in der Lehr-Lern Beziehung wirkt sich jedoch äußerst negativ auf die Lern-Motivation und damit auch auf den Lernerfolg aus. Wenn LehrerInnen ihre starre Identifikation mit der Lehrerrolle bewusst wird und sie Zugang zu einer anderen Form, ihre Funktion zu erfüllen bekommen, kann Raum entstehen für eine wirkliche, authentische Beziehung. Präsenz für den Lernprozess der Schüler tritt an die Stelle von Dominanz und Kontrolle. Die Bedürfnisse der SchülerInnen werden von der Lehrerin klarer erkannt und dies ermöglicht ihr, in der Funktion als Gastgeberin des Lernens die Lern-Umgebung Bedürfnis-orientiert zu gestalten. Lehrer tun vielleicht sogar alles mögliche, um ihre Schüler zu fördern, der Schlüssel zur Echtheit in der Beziehung liegt jedoch nicht so sehr im Tun sondern vielmehr im Sein. Was heißt das? Lehrer können ihre Aufmerksamkeit auf zweierlei Arten widmen: Form-orientierte oder Form-lose Aufmerksamkeit. Form-orientierte Aufmerksamkeit steht immer mit Tun und Bewerten in Verbindung. „Holt eure Hefte raus, wer hat seine Hausaufgaben nicht gemacht, sei doch mal leiser, schreibt das jetzt von der Tafel ab, ja, das Ergebnis ist richtig, bis morgen hat jeder das nächste Kapitel gelesen…. „ etc. „Was müssen wir als nächstes tun?“ Diese Frage fasst gut zusammen, was den Schulalltag normalerweise bestimmt. Form-orientierte Aufmerksamkeit ist natürlich notwendig und hat ihren festen Platz im Unterrichtsgeschehen, aber wenn sie alles ist, was die Beziehung zwischen Lehrern und Schülern ausmacht, dann fehlt die wichtigste Dimension, das Sein. Was genau ist damit gemeint? Lehrer, die die Dimension des Seins in die Lehr-Lern Beziehung einbringen, sind, während sie ihren Schülern zuhören, sie beobachten oder Ihnen bei diesem und jenem helfen, wach, innerlich still und vollkommen präsent. Sie widmen ihnen ihre ungeteilte, Form-lose Aufmerksamkeit. Sie wünschen sich in diesem Moment nichts anderes als den Augenblick, so wie er ist. In Reinhard Kahls Film „Treibhäuser der Zukunft“ wird diese Präsenz sehr schön bei einem Lehrer der Sek.I der Bodensee-Schule deutlich: Dieser Lehrer genießt in innerer Stille das intensive Lernen seiner Schüler während einer Freiarbeitsphase, bereit zu unterstützen, wenn es nötig sein sollte, ansonsten versunken in teilhabender Präsenz im Hintergrund. So unspektakulär dieses Element des Seins scheinen mag, so wichtig erscheint es mir für einen Lernprozess, der gelingt. Ein Lehrer, der wirklich gegenwärtig ist, ist in diesem Augenblick nicht mit seiner LehrerRolle identifiziert, sondern wird zur Wachsamkeit, zur Präsenz, die zuhört, schaut oder auch spricht. Dadurch öffnet sich der Raum für Selbstwirksamkeit und selbstbestimmtes Lernen wird unterstützt. Präsenz und Authentizität können im Rahmen von Lehrerfortbildungen trainiert werden. Das Bedürfnis nach Nähe bezieht sich im Schulalltag sowohl auf die Beziehung der SchülerInnen untereinander, als auch auf die Beziehung zwischen LeherInnen und SchülerInnen. Für Schüler, die sich als isoliert von ihren Mitschülern erleben ist eine Grundvorraussetzung für entspanntes Lernen nicht gegeben. Sie brauchen, um sich auf Lernstoff konzentrieren zu können, zunächst Aufmerksamkeit für ihre soziale Situation. Das Bedürfnis nach Geborgenheit (emotionale Sicherheit) liegt dem Nähebedürfnis sehr nahe. Sind die Bedürfnisse nach Würde und Respekt erfüllt, kann auch Geborgenheit erlebt werden. Wenn die Beziehung zwischen Lehrern und Schülern gestört ist, vielleicht sogar von beiden Seiten als feindselig erlebt wird, ist es für beide Seiten unmöglich, das volle Potenzial, das in einer sozial stimmigen Lehr-Lern Beziehung angelegt ist, zu entfalten. Die Leiterin der Montessori Schule Potsdam, Ulrike Kegler, betont in einem Interview zu der Frage, was die Kriterien für effektives Lernen seien: „Die Schüler dürfen nicht beschämt werden. Das zu lernen, ist schon mal ein wichtiger Schritt. Wir (Lehrer) haben sehr viel Macht und wir können Schüler auf leichte Weise beschämen, ohne dass uns daraus ein Nachteil erwächst. Das ist mal das erste. Das ist eine wirkliche Innovation, dass Schülerinnen und Schüler das Gefühl haben, sie werden respektiert. Wir müssen erst mal eine respektvolle Lernumgebung schaffen, sonst können sie gar nichts lernen. Sie können nicht lernen, wenn sie das Gefühl haben, ich kann hier jederzeit ausgelacht werden. Das ist die wesentlichste Innovation in Deutschland. Wenn man diese respektvolle Lernumgebung geschaffen hat, dass man dann auch kreative Handlungsspielräume schafft, dass die Schülerinnen und Schüler auf dem ihnen eignen Niveau aktiv werden können und das das anerkannt wird.“ Das Bedürfnis nach Anerkennung wird nicht durch Lob oder gute Noten befriedigt. Lob als Gegenteil von Tadel hat immer einen bitteren Beigeschmack. Lob untermauert die Ungleichheit der Beziehung zwischen Lobendem und Gelobtem. Gute Noten mögen die Angst vor schlechten Noten kurzzeitig aufschieben helfen, auf lange Sicht unterwandern sie jedoch die Freude am Lernen, wie aus Studien zu intrinsischer Motivation klar hervorgeht. Das Bedürfnis richtet sich eher auf (an)erkannt werden im Sinne von gesehen werden. Dieses gesehen werden kann erfüllt sein, indem Schülerinnen ihren eigenen Lernfortschritt selbst einschätzen, oder indem sie spüren, dass ihre LehrerInnen ihr Lernen mit Freude und Interesse verfolgen. Abschließend sei noch das Bedürfnis nach Lebendigkeit erwähnt. Damit Lernen Spaß macht, muss es dringend mit der Lebenswelt des(r) Lernenden verknüpft sein. Diese Lebenswelt ist den LehrerInnen häufig fremd. Die Gesellschaft befindet sich in einem derart rasanten Wandel, dass wir nicht mehr davon ausgehen können, Erwachsene wüssten, was für Kinder und Jugendliche in 10 Jahren wichtig sein wird. Leben findet immer jetzt statt, wir können Kinder und Jugendliche nicht auf ein Leben nach der Schule vertrösten, auf das wir sie vorbereiten wollen. Lebendigkeit heißt unter anderem, gemeinsam in einem lebendigen Austausch darüber zu stehen, wie ich meine Lebenssituation aktuell erlebe und was ich brauche, um sie vielfältiger und erfüllender zu gestalten. In einer partnerschaftlichen Lehr-Lern Umgebung ist es auch für Lehrpersonen möglich, ihr Bedürfnis nach Lebendigkeit auszudrücken, und mit ihren SchülerInnen effektive Strategien der Erfüllung zu erforschen. Die Liste der Bedürfnisse, die im Schulalltag für LehrerInnen und SchülerInnen gleichermaßen relevant werden, ließe sich noch erweitern. Wenn wir eine LehrLernkultur entwickeln, die diesen Bedürfnissen Rechnung trägt, kann sich das feindselige Klima, das vielerorts als Schulrealität gilt, in eine friedliche Lernumgebung verwandeln. Dann gehören Sätze wie dieses Zitat eines Lehrers einer Brandenburgischen Gesamtschule bald der Vergangenheit an: „Schüler und Lehrer sind wie Feuer und Wasser. Das war schon immer so und wird auch so bleiben.“
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