EIN TROPFEN ZEIT - auf dem Simplon

HAUTNAH Trekking Wallis
Trekking Wallis HAUTNAH
Mit einer Säumer-Karawane vom Wallis ins Piemont
EIN TROPFEN ZEIT
Wilde Landschaft, wilde Gesellen.
Der Stockalperweg birgt spannende
Geschichten von Säumern und Schmugglern,
von Gaunern und Goldgräbern. Eine Fussreise
der besonderen Art vom Simplon nach Domodossola.
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Trekking Wallis HAUTNAH
Lukas Escher im Zwischbergental käst noch ganz
traditionell überm Holzfeuer.
Nebel hängt schwer über der Passhöhe. Das Klappern von Hufen auf felsigem Grund, ein Scharren und
Schnaufen dringt geisterhaft hindurch. Ein ahnungsloser Wanderer würde seinen Augen nicht trauen, sich
auf einer Zeitreise wähnen, angesichts des sonderbaren
Zuges, der sich da plötzlich aus dem Nichts schält. Wilde Gesellen in Fellwesten, den Filzhut tief ins Gesicht
gezogen, mit Packtieren im Schlepptau – gekleidet, als
ob seit jener Mode nicht schon Jahrhunderte vergangen
wären. Fast wie zu Stockalpers Zeiten, der im 17. Jahrhundert die Saumstrasse über den Simplon als Handelsweg ausbaute. Gleichzeitig donnern hochmotorisierte
Vierzigtonner über den Pass. Gerade deswegen will eine
Gruppe Verwegener das Kulturerbe wieder aufleben lassen, die grossartige Landschaft neu erlebbar machen.
Jeder Wanderer kann mitmachen. Auch wir schliessen
uns den Säumern an, an diesem klammen Sommertag.
Ein paar Höhenmeter tiefer wird das Wetter prompt
freundlicher. Die Sonne blinzelt durch. Logisch, wir nähern uns dem Süden, die Nebelsuppe bleibt am Simplonpass hängen. Der Alte Spittel taucht auf, den Kaspar
Jodok von Stockalper Mitte des 17. Jahrhunderts bauen
liess. Ein Blickfang in der kargen Hochgebirgslandschaft.
Ein mächtiger Turm, für ewige Zeiten errichtet, die Mauern so dick, dass keine Lawine sie brechen kann. Sie erinnern an damals: Geschäftiges Treiben, Waren werden
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Simplon-Dorf hält die
Erinnerung wach.
verladen, derbe Sprüche hallen durch den Abend, die
Schnapspulle geht rum, man bettet sich für die Nacht ...
Stoff für einen Roman, wie jener der britischen Schriftstellerin Daphne du Maurier, die in «Ein Tropfen Zeit»
einen Probanden mittels Droge ins Mittelalter versetzen
lässt, wo er die Ereignisse hautnah miterlebt. Jetzt liegt
der Alte Spittel verlassen da. Damals diente er als Sust,
als Warenlager und Herberge für die Säumer. Die obersten Etagen waren dem «König des Simplon» als Sommerresidenz vorbehalten. Nach seinem Sturz scheint sich
niemand mehr so recht um den Unterhalt des Gebäudes
gekümmert zu haben. So hält beispielsweise der Reisende Johannes von Müller in seinem Tagebuch anno 1777
den Alten Spittel als «Wohnung für Gespenster» fest.
Kurzzeitig kam der einsam gelegene, trutzige Bau als
Gefängnis für Landesverräter zum Einsatz. 1802 übernahmen die Chorherren des Augustinerordens den verwahrlosten Turm. Geballte Geschichte bunkert der Simplon, den die meisten wohl nur vom Durchfahren kennen.
Mag sein, dass manche fürchten, der Wanderweg würde zu nah an der Strasse entlangführen. Doch man bekommt auf dem Stockalperweg überraschend wenig mit
vom Verkehrslärm. Links bäumt sich die Eisbastion des
Monte Leone, rechts schwingen die Flanken zu den Gletschern des Fletschhorns empor. Zügig wandern wir dem
Engiloch entgegen.
Der Alte Spittel kann heute als Gruppenunterkunft gebucht werden.
Geboren aus einer Stammtischidee
Wir, das sind sechs Säumer, angeführt von Daniel Flühler, dazu etwa die gleiche Anzahl Wanderer – ein Experiment, fast schon eine kleine Expedition. Immer wieder
gilt es, die Route auszukundschaften, um zu sehen, ob
sie mit Saumtieren machbar ist. Schon stellt sich ein Problem in den Weg. Ein knorriger Baum, der sich in dem
von Trockenmauern geschützten Weg breit gemacht hat.
Für die schmalen Esel ist die enge Passage kein Hindernis, doch die Haflingerdame Aleika bleibt mit ihrem
ausladenden Gepäck stecken. «Ruhig!». Säumer Hans
hat das im Griff. Dank seiner Dirigierkunst schrammt
Aleika doch noch durch das Nadelöhr, und mit ein paar
routinierten Handgriffen ist auch die Schieflage des
Bastsattels rasch wieder in Ordnung gebracht.
Anfang der letzten Jahrtausendwende hat sich diese neue Säumerbewegung gebildet, geboren aus einer
Stammtischidee. Der Heimatschutz von Giswil hatte zuvor bei der Renovierung alter Häuser erstaunt Elemente piemontesischer Architektur festgestellt. Historiker
forschten nach und stiessen in Archiven auf interessante Dokumente eines regen Käsehandels und Kulturaustausches mit Italien. Der Sbrinz, ein Hartkäse aus der
Innerschweiz und eine der ältesten Käsesorten Europas,
war der erste transportfähige Käse – ein Exportschlager
im Mittelalter. Auf den oberitalienischen Märkten riss
man sich um den «sbrinzo». Die Historiker sind sich
sicher, dass eben dieser Export dem Käse seinen Namen
einbrachte. Denn Brienz im Berner Oberland war ein
grosser Sammelplatz, bevor es über die Pässe nach Italien ging. Natürlich wurde nicht nur mit Käse gehandelt,
auch mit Salz, Reis, Wein, Tabak, Tuch, Seide, Leder,
Vieh – mit allem, was transportfähig und gefragt war.
«Le Roi du Simplon»
Am Simplon hatte Stockalper den Handel fest im Griff.
Zwar nur für eine kurze Zeitspanne, aber doch so, dass
er sich ein Denkmal setzte. Von wegen Männer könnten
nicht multitasking-fähig sein: Der aus einer betuchten
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Unzählige historische Wegrelikte begegnen einem auf der Route nach Domodossola.
Briger Familie Stammende bewährte sich als Händler,
Spediteur, Bergbauunternehmer, Bauherr, Immobilieninvestor, Monopolbetreiber, Politiker, Diplomat. Er beherrschte sechs Sprachen in Wort und Schrift, pflegte
rege Beziehungen mit den Kirchen- und Königshäusern
und sammelte jede Menge Titel und Orden ein. «Le Roi
du Simplon», wie er am Hofe Ludwigs des XIV. genannt
wurde, hinterliess 14 wuchtige Handels- und Rechnungsbücher, in denen er alles akribisch notierte. Mit
einem ausgefeilten Leih- und Zinssystem machte er die
Menschen abhängig von sich. Viele verloren Grund und
Boden, was letztendlich auch zum Sturz Stockalpers
führte. Vom Landrat wurde ihm Bereicherung auf Kosten des Volkes vorgeworfen. Angeklagt wegen «Hochverrats» floh der damals mit Abstand reichste Mann des
Wallis 1679 für sechs Jahre nach Domodossola ins Exil.
Gefährliches Pflaster
Italienische Kaufleute hatten zuvor ab 1634 ihre Transitgeschäfte in die Hände Stockalpers gelegt. Der Simplon galt damals als kürzeste Verbindung zwischen
Mailand und den Märkten in Nordfrankreich. Über 200
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Säumer standen in Stockalpers Dienst. Eine beschwerliche Arbeit, der Fussmarsch, der bis in den Spätherbst
bei jedem Wetter anstand. Es gab einen fixen Zeitplan,
der nicht nur wegen der Markttage ernst zu nehmen
war, sondern auch, weil auf den oft abenteuerlichen,
schmalen Gebirgspfaden die Säumer kaum aneinander
vorbeikamen. Bisweilen stürzte ein Tier und riss den
ganzen Trupp mit in den Abgrund.
Heute dagegen haben wir den Saumpfad ganz für
uns. Wir müssen auch keine Markttage einhalten. Dass
der Weg so gut erhalten ist, ist der Stiftung «Ecomuseum Simplon» zu verdanken. Der Bau einer Wirtschaftsstrasse hätte für den Stockalperweg in den 1980erJahren beinahe das Aus bedeutet. Doch weitsichtige
Historienkenner konnten das verhindern. Auf manchen
Abschnitten musste viel Erde abgetragen werden, um
die ursprüngliche Pflasterung wieder freizulegen. Italienische Mauerspezialisten rekonstruierten Trockenmauern. Unzählige Erosionsschäden galt es zu beheben, ehe der Weg 1994 neu eingeweiht werden konnte.
In der «Engi» kommen sich Geschichte und Gegenwart
ganz nah. Der Weg führt über Stufen, die Säumer in die
Felsplatten geschlagen haben. Ein Stück weiter passieren wir eine Sust, die noch aus der Zeit vor der Stockal-
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It’s our nature to be good.
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per-Ära stammt. Einen bizarren Kontrast bilden dahinter die dicken Betonpfeiler der Nationalstrasse. Schon
verschlucken uns wieder Wald und Weide. Nach dem
Weiler Maschihuis überschreiten wir die Ägerbrigga,
einen letzten Rest der Napoleonstrasse, die der Kaiser
zwischen 1801 und 1805 bauen liess.
In einem Waldstück bei Egga schlägt die Stimmung
ins Mystische um. Zwischen Bäumen verstreute mächtige Felsbrocken erzählen von einem gewaltigen Gletschersturz, der 1901 vom Rossboden in die Tiefe polterte.
Zwei Hirtinnen begrub er für immer, dazu jede Menge
Vieh und wertvolles Kulturland. Vier bis fünf Jahre sollen die Eismassen im Gelände gelegen haben, bevor sie
abschmolzen und nichts als Steine hinterliessen. Noch
heute gibt es solche Felsstürze, zuletzt in Gondo.
Mit Pferd und Esel unterm
Sternenhimmel
Hinter einem Hügel taucht Simplon-Dorf auf. Mit Granitplatten gedeckte Häuser ducken sich um die Kirche. Das
ganze Dorf rennt zusammen: «Die Säumer kommen.» So
muss es auch damals gewesen sein. Nur die Sust, der
«Alte Gasthof», hat eine andere Bestimmung bekommen.
Er dient heute als Zentrum des Ecomuseums. Ein histori-
Säumer Dres Wyss.
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scher Kilometerstein am «Hotel Post» markiert die halbe
Strecke zwischen Brig und Domodossola. 1810 unter Napoleon als Kaserne erbaut, jahrzehntelang dann zur Pferdewechselstation für Postkutschen umfunktioniert, dient
das «Post» bis heute als Herberge. Auch das «Fletschhorn»
diente schon zu Säumerzeiten als Gasthaus. Jünger ist
das «Grina». Dort wirtschaften die Arnolds. Das Roggenbrot von Amadeo Arnold ist berühmt, weil rar. Seit 1778
stellt die Familie den Sauerteig nach unverändertem Rezept her, so einfach wie köstlich. Ganz ohne Zusatzstoffe.
Was damals das «Brot der Armen» war, ist heute ein Produkt von Slow Food Schweiz.
Während das Gros der Wanderer in weichen Federbetten schlummert, schläft Dres Wyss lieber bei den
Tieren unterm Sternenhimmel. Er geniesst das Draussensein. «Wahrscheinlich war ich in meinem Vorleben
Säumer», sagt der gelernte Zimmermann aus Meiringen
schmunzelnd. Auch Yolanda Eberhard hat sich ganz
der Säumerei verschrieben. Bei jedem Treck ist die Innerschweizerin mit dabei. Das geht auch ohne eigenes
Tier. Yolanda leiht sich eines bei den Freizeitbauern
Dres oder Hans, die einen oder mehr Vierbeiner zu viel
haben. «Das Erlebnis mit den Tieren schweisst zusammen», resümiert sie. «Und es wird einem bewusst, wie
wertvoll es ist, die Heimat zu erhalten und ihr mit Respekt zu begegnen.»
Simplon-Dorf lebte einst vom Säumerwesen.
Als die ersten Gipfelspitzen in der Morgensonne glitzern, sind alle schon wieder auf den Beinen. Satteln und
Zäumen braucht Zeit. Jeder Handgriff muss sitzen, damit
das Gepäck unterwegs nicht verrutscht. Die Route führt
über ein paar grasbewachsene Galerien, unter denen der
Verkehr brummt. Dann schwingt sie sich aber ins stille
Laggintal, um den Feerberg zu erklimmen. Mit jedem Höhenmeter schälen sich Fletsch- und Lagginhorn weiter aus
ihrer Verdeckung und setzen blendende Akzente ins weite
Panorama. Wie ein Tuch breitet sich tief unten die zuvor
durchwanderte Passlandschaft aus. Grosses Kino, auch
für die Eringergesellschaft, deren Mitgliedern vor Überraschung das Gras im Maul stecken bleibt. Nicht etwa wegen
der fantastischen Natur, die sind sie gewöhnt. Doch eine
Säumertruppe haben sie noch nie gesehen. Wie Walliser
Kampfkühe eben so sind, siegt schnell die Neugier. Wollen die schwarzen Monster mit ihren langen Hörnern auf
Tuchfühlung gehen? Vorsichtshalber macht jeder ein paar
schnelle Schritte den letzten Stutz zur Furggu hinauf. Das
Panorama wechselt. Nur noch der tiefe Einschnitt des
Zwischbergentals trennt von Italien.
Nach den schweisstreibenden Höhenmetern freut
sich jeder auf eine Pause. Ganz traditionell am Lagerfeuer natürlich. Pfannen werden ausgepackt, Käse
wird geschmolzen, mit Bier vermengt, über knuspriges
Ruchbrot gegossen.
Ob sich auch die Säumer von damals so ein gluschtiges Chäsbrätel haben schmecken lassen? Ganz bestimmt
ging aber die Weinpulle rum. Das macht müde. Zeit für
ein Nickerchen in der weichen, duftenden Wiese, die
von den Packtieren auf andere Art geschätzt wird. Dres’
Esel Felipe aber sitzt der Schalk im Nacken. Er nutzt die
Gelegenheit, um Brot zu klauen.
Vergangene goldene Zeiten
Knorrige, uralte Lärchen beschatten den Steilabstieg
nach Zwischbergen – eine geschichtsträchtige Talfalte,
Schmugglerhochburg, Goldgräberstadt. Rolf Gruber,
Präsident von Simplon Tourismus und ausgebildeter
Wanderleiter, weiss jede Menge Geschichten zu erzählen. Die Goldminen am Eingang des Zwischbergentals
kannten schon die Römer. Logisch, dass auch Stockalper
versuchte, sie auszubeuten. Doch der eigentliche Boom
fand erst Mitte des 19. Jahrhunderts statt, als französische Aktiengesellschaften den Goldrausch auf den
Höhepunkt trieben. So wurde Gondo die erste Walliser
Gemeinde mit elektrischem Strom. Es gab eine direkte
Postkutschenlinie Paris – Gondo, eine eigene Zeitung,
ein Luxushotel. Rauschende Feste wurden gefeiert. Die
Zeitung schrieb damals von einem «Neuen Kalifornien
Archaische Dörfer, wie Monteossolano, begeistern im Val Bognanco.
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Mystische Wälder, steile Pfade …
in den Walliser Bergen». Heute sind von der «Goldgräber-Stadt» nur Ruinen übrig. So abrupt die Champagnerkorken aus den Flaschenhälsen schossen, so abrupt
kam der Konkurs am 17. Mai 1897. Das Erz gab kein
Gold mehr her. Längst liegt das Zwischbergental wieder
im Abseits.
Davon kann auch «Köbi» Squaratti ein Lied singen.
Er heut gerade am Wegesrand. «Früher gab es noch
zwölf Bauern im Zwischbergental», berichtet er. Heute
ist er der einzige. Die Versuchungen der Stadt, mehr
Geld, mehr Bequemlichkeiten ... Köbi zuckt mit den
Schultern. Er wohnt im Talgrund gleich neben der alten
Schule, die heute ein Ferienhaus ist. Bis 1971 drückte
er da selbst noch die Schulbank, mit 21 Schülern. 1973
musste die Schule schliessen. Über 50 Hektar, 18 Kühe
und ein paar Ziegen sind Köbis Besitz. «Doch ohne
Subventionen könnte ich nicht überleben», sagt er und
wetzt die Sense.
In der Siedlung Bord quartieren wir uns ein. Lukas
Escher schafft dort den Spagat zwischen Gastronomie
und Alpwirtschaft. In der einzigen Herberge des Tals
bietet er seinen Gästen leckere Küche mit lokalen Produkten. Gleichzeitig ist er auch Senn der Alpe Waira.
Er ist stolz darauf, die Alpe Waira seit 38 Jahren vor
dem Zuwuchern zu bewahren. Schüler haben ihm ge-
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… da braucht’s dann mittags schon mal ein Nickerchen.
holfen, die Wiesen immer wieder frei zu schlagen, den
Rest erledigen die Kühe, die ihm im Sommer anvertraut
werden. Lukas lädt uns ein, seine Mitarbeiter beim morgendlichen Käsen – noch ganz traditionell im Kupferkessel über dem Holzfeuer – zu besuchen.
Schmugglerpfade ins Italienische
«Für in der Schweiz erstandenen Kaffee, Schokolade
und Zigaretten konnte man in Italien das Doppelte erzielen», sagt Rolf Gruber. Und Josef Squaratti, der gleich
oberhalb der Pension gelebt hat, schreibt in seinem
Buch «Mein Zwischbergen»: «Manchmal kamen sie in
Scharen, 10 bis 20 und noch mehr Männer zusammen.
Auch ein Frauenteam war hin und wieder vertreten (...).
Gerade im Winter war ihr Beruf sehr gefährlich. Mit einer schweren Last von 30 Kilo pro Schmuggler mussten
sie durch hohe Schneemassen Täler durchziehen und
Bergpässe überqueren. Am 29. Oktober 1914 sind an
der Gattascosa neun Schmuggler in einer Lawine ums
Leben gekommen, alle aus San Lorenzo und alles Familienväter.»
Das Wetter passt zur Geschichte. Nieselregen am
Monscerapass, dem Übergang ins Piemont. Von wegen
sonniges Italien! Doch im nahen Rifugio Gattascosa hellen sich die Gemüter bei Polenta und Prosciutto wieder
auf. Die Gastgeberin besteht darauf, dass wir unbedingt
noch die Zuccherini kosten müssen – in Hochprozentiges eingelegte Zuckerstücke. Dementsprechend fröhlich
gestaltet sich danach der Aufbruch.
Heidelbeerteppiche, Alpenrosen, der Lago di Ragozza
bettet sich verwunschen in einer Kuhle. Tiefer unten hat
ein verlandeter See ein traumhaft schönes Hochmoor
hinterlassen. Der Boden schmatzt bei jedem Schritt. Die
torfigen Wiesenmatten, vollgesogen vom Regen, geben
ordentlich nach. Wasserkanäle gurgeln durch ein bewaldetes Bergsturzgebiet, romantisch in Nebelfetzen gehüllt.
Die Saumtiere meistern die Bäche und Wurzelpfade nicht
immer galant, doch trittsicher. Wären sie Kaffeetrinker,
hätten sie sich die Cappuccino-Pause am Rifugio San
Bernardo wohl verdient. Dem Schutz­patron der Bergsteiger ist die Kapelle um die Ecke geweiht. Drinnen hängt
ein Bild. Es zeigt Bernhard von Menton mit dem Alten
Spittel am Simplonpass. Um 1050 hatte der Heilige das
Hospiz auf dem Grossen Sankt Bernhard Pass gegründet, geführt von den Augustiner-Chorherren, wie eben
auch das Hospiz auf dem Simplon. Mit Blick ins Tal von
Domodossola und auf die Gipfel des Nationalparks Val
Grande steigen wir ins Val Bognanco ab.
Heilbringende Wasser
Steil fallen die Berge in den Talgrund, in dem anno
1863 ein Hirte Heilquellen entdeckte und wo während
der Belle Époque ein rege genutztes Kurzentrum entstand: Fonti di Bognanco. Trotz der kurzen Distanz zu
Domodossola wirkt der Ort heute touristisch vernachlässigt. In Fonti herrscht träge Gelassenheit. Kurgäste
flanieren durch den Park und warten geduldig, bis die
Trinkhalle öffnet. Doch gerade dieser «nostalgische
Charme» macht den Besuch zu etwas Besonderem. Statt
Etappentour in die Vergangenheit
Vor mehr als 300 Jahren baute der Briger Handelsherr
Kaspar Stockalper den Saumpfad über den Simplonpass
aus und legte damit den Grundstein zu seinem Handelsimperium. Mittlerweile wurde der verfallene Weg wieder
restauriert. Die Route ist natürlich auch ohne Lasttiere
begehbar – als viertägige Kulturwanderung auf historischen Spuren. Die Strecke führt über insgesamt 60 Kilometer von Brig nach Domodossola.
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JANEK n° 3754
Auf einer Saumtour wachsen Mensch und Tier zusammen.
im Thermalwasser zu baden, trinkt man es hier. Das
Nass sprudelt aus edlen Messinghähnen dreier gesundheitsfördernder Mineralquellen. Das Mineralwasser von
Bognanco war die erste Quelle Italiens, die vollautomatisch in Flaschen abgefüllt wurde. Das war 1928. Abgesehen von den Kurgästen läuft hier nicht mehr viel:
überwucherte Wiesen, alte Ackertrassen, ein paar pittoreske Weiler – und mittendrin eine Karawane mit wild
aussehenden Menschen und bepackten Tieren. Fast wie
damals, zur Zeit der Säumer.
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Tipps und Informationen
Wer Interesse an der Teilnahme an einer Säumertour hat,
kann diese unter www.simplon-trekking.ch buchen.
Beim OUTDOOR GUIDE kann ein ausführliches Infoblatt zu
Säumertouren im Wallis bezogen werden.
WWW outdoor-guide.ch
MAIL [email protected]
TEXT UND
FOTOS
Iris Kürschner,
Dieter Haas
DIE SCHWEIZER MARKE
FÜR SCHWEIZER WETTER
SEIT 1966
RUKKA.CH
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