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Roboter auf dem tänzerischen Vormarsch
Roboter auf dem tänzerischen Vormarsch
Zur neuen Tanzproduktion „Silver“ von Nanine Linning in Heidelberg
Veröffentlicht am 16.11.2015, von Isabelle von Neumann-Cosel
Heidelberg - Ein Hauch von Hollywood weht über der neuen Tanzproduktion „Silver“ von Nanine Linning im Heidelberger
Theater. Wenn die Zuschauer am Ende den Saal verlassen, stoßen sie im Foyer auf drei fötal zusammengekrümmte Tänzerkörper,
von dunklem Flüssiglatex übergossen – nur das Heben und Senken der Flanken beweist, dass sie am Leben sind. Es ist der
niederländische Textildesigner Bart Hess, dem diese ebenso eindrucksvollen wie verstörenden Bilder zu verdanken sind. Nanine
Linning hat den unorthodoxen bekennenden High Tech Freak erstmals als Ausstatter einer Tanzproduktion gewinnen können, aber
neu im Showgeschäft ist er keineswegs - Lady Gaga zählt beispielsweise zu seinen Kunden.
Das Thema des neuen Tanzstücks von Nanine Linning, mit ihrer Kompanie seit 2012 fest am Heidelberger Theater beheimatet,
fällt so recht in das Fach von Bart Hess: es ist der Konflikt zwischen lebendigen, individuellen, im besten Sinne sterblichen Körpern
und immer menschenähnlicheren Robotern, die keine Schwächen kennen. Die ferngesteuerten Maschinenwesen hat Bert Hess in
silbern glitzernde futuristische Ritterrüstungen gesteckt, Hartplastikmasken mit blonden Perücken lassen sie zu einer Armee von
Klonen werden. Sie bewegen sich anfangs mit steifer Wirbelsäule und mechanischen zweidimensionalen Arm- und
Beinbewegungen vorwärts wie Computeranimationen – ein bisschen lächerlich und ziemlich bedrohlich. Denn alles Menschliche
ist ihnen fremd, insbesondere ein menschliches Paar – fast nackt und sehr schutzlos, das in Nähe und Zweisamkeit Sicherheit und
Schutz sucht. Vergeblich – mit hartem Zugriff trennen die Roboter die Liebenden.
Michiel Jansen, sozusagen Nanine Linnings Hauskomponist, unterstützt die Dramatik dieses ungleichen Kampfes mit einer
Komposition, in der klassische Musik als Folie immer wieder durchscheint, aber computergenerierte Töne und akzentuierte
Geräusche den Spannungsbogen bis ins kleinste Detail vorgeben.
In einem schwarz ausgeschlagenen Raum, der nur durch drei bewegliche schwarze Quaderobjekte definiert wird, leuchtet die
Choreografie den ungleichen Wettbewerb zwischen Mensch und Maschine aus. Die silbernen Roboter schälen eine zierliche
Tänzerin aus fleischfarbenem Flüssiglatex – ihr Tanz lässt sie die einzigartigen Möglichkeit ihres Körpers entdecken. Mehr
Gemeinsamkeit verordnen die extraordinären plastischen hautfarbenen Applikationen (grotesk verdickte Waden und gekrümmte
Buckel) einer ganzen Gruppe von Tänzern, die sich im Scherenschnitt (Lichtdesign: Philipp Wiechert) wie Neandertaler
ausnehmen. Quasi im Zeitraffer erlernen sie den aufrechten Gang und mit ihm den Tanz. Wieder andere menschliche Figuren
tragen eine Überfülle von hautfarbenen Stofffetzen mit sich herum, die von den Robotern penibel abgestreift werden – nichts
Überflüssiges darf heutzutage an einem lebendigen Körper hängen, weder Fett noch Falten. Ein weiß gefiedertes Fabelwesen
wird im Stroboskoplicht spektakulär geschreddert…
Es ist ein unfairer Wettbewerb, in den Nanine Linning die menschlichen Figuren ihrer zwölfköpfigen, überwiegend neu formierten
und durchweg hoch athletischen Kompanie schickt, denn die Roboter holen immer mehr auf. Ihr Bewegungsrepertoire erweitert
sich zusehends – ganz wie im realen Leben.
Anfangs kämpft ein Tänzer einen vergeblichen Kampf gegen das riesige, vom Schnürboden herabhängende blaue Netz, in das
er sich verheddert hat. Am Ende versucht ein unsichtbarer menschlicher Körper die flexible Wand eines der schwarzen Quader zu
durchbrechen: Nanine Linnings Zukunftsvision hat keinen Raum für Optimismus. Das Heidelberger Publikum allerdings reagierte
keineswegs düster, sondern höchst vergnügt.
"Silver", Dance Company Nanine Linning
© Annemone Taake
"Silver", Demi_Carlin Aarts, Endre Schumicky, Dance Company Nanine Linning
© Annemone Taake
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