Parlamentswahlen in Spanien - Deutscher Industrie

04 | 2015
18.12.2015
Parlamentswahlen in Spanien
04 | 1
18.12.2015
Parlamentswahlen in Spanien
Mit den Parlamentswahlen am 20. Dezember in
Spanien wird sich zeigen, wie stark der Rückhalt
der Bevölkerung für die konsequente Spar- und
Reformpolitik der vergangenen Jahre, mit der die
konservative Regierung des Partido Popular (PP)
unter Ministerpräsident Mariano Rajoy das Land
aus der Rezession geführt hat, ist.
Spanien im zweiten Jahr des Wirtschaftsaufschwungs
Rajoy kann das kräftige Wirtschaftswachstum als
seinen Erfolg verbuchen. Als er Ende 2011, mit
einer absoluten Mehrheit ausgestattet, antrat,
steckte das Land mitten in der Krise. Das Ende der
14-jährigen Boomphase, die ab 2008 einsetzende
globale Finanz- und Wirtschaftskrise sowie die
spanische Staatsverschuldung und Bankenkrise
hatten zu einem tiefen Einbruch der Wirtschaftsaktivität geführt. Die Regierung Rajoy konnte 2012
den Staatsbankrott abwenden und die Hilfen des
Europäischen Stabilitätsmechanismus auf den Finanzsektor begrenzen. Sie hat den Weg zur Sanierung der Staatsfinanzen energisch fortgesetzt und
das Vertrauen der Anleger zurückgewonnen. Vier
Jahre später hat Spaniens Wirtschaft die Rezessionsjahre überwunden und wächst wieder dynamisch. Im dritten Quartal 2015 ist die spanische
Wirtschaft um 3,4 % gegenüber dem Vorjahr gewachsen. Wachstumstreiber war vor allem die Binnennachfrage. Die EU-Kommission geht in ihrer
Herbstprognose von einem realen Zuwachs des BIP
um 3,1 % im Jahr 2015 aus sowie von 2,7 % für
2016.
Konsequente Linie bei den Reformen
Rajoy verordnete dem Land harte Sparhaushalte
und setzte einschneidende Strukturreformen durch.
Kernstücke des wirtschaftlichen Reformprogramms
waren die Reformen im Arbeitsrecht hin zu mehr
Flexibilität und Unternehmensnähe sowie im Bildungswesen hin zu mehr Praxisorientierung. Hinzu
kamen umfangreiche Verwaltungsreformen und
zahlreiche Maßnahmen zum Bürokratieabbau und
zur Vereinheitlichung des spanischen Binnenmarktes. Dies alles ging nicht ohne Widerstand, Demonstrationen und Generalstreiks im Land vonstatten; zudem mussten die Spanier Steuererhöhungen
sowie Einschnitte im Gesundheits- und Bildungsbereich hinnehmen.
Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit zieht Investoren an
Spaniens Wettbewerbsfähigkeit hat sich durch
umfangreiche interne Anpassung sowie das Herunterschrauben von Lohnkosten und Preisen kontinuierlich verbessert, was die Internationalisierungsprozesse begünstigt. Zudem zeigt die Zunahme der
Investitionsprojekte ausländischer Akteure in Spanien ein wieder gewachsenes Vertrauen in die spanische Wirtschaft. Nach Angaben der staatlichen
Investitionsförderungsstelle zählte Spanien im letzten Jahr zum attraktivsten Standort für ausländische Investoren hinter Großbritannien, Deutschland
und Frankreich. Insgesamt wurden 232 Projekte
realisiert, 5 % mehr als 2013. Zur Förderung von
Wettbewerbsfähigkeit und Wirtschaftswachstum in
Spanien hat die Regierung zudem Finanzhilfen und
Steuervergünstigungen für ausgewählte Industriezweige aufgelegt, von denen wichtige Impulse für
die gesamte Volkswirtschaft ausgehen. Dazu zählen
Forschung und Entwicklung sowie technische Innovation. Als strategische Sektoren des Landes gelten
die Bereiche erneuerbare Energien, Biotechnologie,
Pharma- und Lifesciences, Umwelttechnik, Kfz,
sowie Luft- und Raumfahrt.
Deutsche Unternehmen nutzen Geschäftschancen
04 | 2
18.12.2015
Deutsche Unternehmen profitieren von der wiederbelebten Nachfrage nach Ausrüstungsgütern und
langlebigen Konsumgütern. Die deutschen Exporte
nach Spanien zogen nach einem kräftigen Plus in
2014 (+11,4 % im Verhältnis zu 2013) 2015 weiter an. Der Nachholbedarf bei Unternehmensinvestitionen und privatem Konsum dürfte sich 2016
fortsetzen, so dass die Aussichten für Deutschland
als wichtigstem Lieferland Spaniens weiterhin
günstig sind. Dies bestätigt auch eine Umfrage vom
Oktober 2015 unter den Mitgliedern der AHK Spanien: Laut "AHK World Business Outlook" rechnen
56 % der Befragten mit besseren Geschäftsperspektiven im kommenden Jahr. Nur fünf Prozent
erwarten eine Verschlechterung. Neben der KfzIndustrie und dem Anlagen- und Maschinenbau
geben die Erholungstendenzen in der Chemieindustrie und in der Bau- sowie Elektronikbranche
zusätzliche Impulse. Aber auch in der Umwelt- und
Medizintechnik liegen wieder mehr Chancen. Potenziale im Dienstleistungsbereich birgt vor allem
die wieder boomende Tourismusbranche.
landschaft hinterlassen. Neben der konservativwirtschaftsliberalen Partido Popular (PP) und der
sozialdemokratischen Partido Socialista Obrero
Español (PSOE), auf die sich in den vergangenen
vier Jahrzehnten jeweils die Wählerstimmen konzentrierten, konnten sich zwei sogenannte Protestparteien positionieren: die liberale Bürgerplattform
Ciudadanos und die links-alternative Podemos.
Diese haben – nicht zuletzt auch vor dem Hintergrund der zahlreichen Korruptionsaffären bei PP
und PSOE – an Zustimmung gewonnen. Ende November wurde ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen
PP, PSOE und Ciudadanos prognostiziert; inzwischen liegt laut jüngsten Umfragen die PP leicht
vorne. Spekuliert wurde auch schon über die möglichen Koalitionsoptionen der Ciudadanos.
Wermutstropfen Arbeitslosigkeit
Entscheidend für den weiteren Erholungskurs Spaniens sind Stabilität und das Vertrauen der Anleger.
Es ist dem Land daher zu wünschen, dass der Ausgang der Parlamentswahlen eine zügige Regierungsbildung erlauben wird, die den eingeschlagenen Reform- und Konsolidierungskurs fortsetzen
wird. Das Haushaltsdefizit muss konsequent weiter
reduziert werden. Die Rückführung von fast
10 % zu Beginn der Legislaturperiode auf etwas
über 4 % – so der Plan für dieses Jahr – wäre ein
großer Erfolg. Es bedarf aber weiterer Haushaltsdisziplin und Sparanstrengungen, um diesen Kurs
beizubehalten. Eine große Herausforderung liegt
ferner im Konflikt um die Unabhängigkeitsbestrebung der Region Katalonien. Die sich zuspitzenden
Spannungen zwischen Zentralstaat und Katalonien
sowie die Ungewissheit über eine handlungsfähige
Regierung in Katalonien stellen nicht nur die Region, sondern das derzeitige Staats- und Wirtschaftsmodell Spaniens vor eine Reihe politischer
und wirtschaftlicher Fragen. Es gilt, ein neues
Gleichgewicht zwischen Regionen und Zentralstaat
zu finden. Relevante Projekte für die Wirtschaft
sind der Ausbau der Infrastruktur des Güterschie-
Die Arbeitslosigkeit in Spanien geht angesichts der
kräftigen Wirtschaftserholung zurück. Von Ende
2010 bis Ende 2013 war die Zahl der Jobsuchenden von 4,7 Millionen auf 5,9 Millionen dramatisch angestiegen. Danach sank sie wieder, zuletzt
mit einem Rückgang um 27.071 gegenüber dem
Vormonat auf 4,15 Millionen – der größte Rückgang, der jemals in einem November verzeichnet
wurde, wie das Arbeitsministerium am 2. Dezember
verkündete. Trotz der spürbaren Konjunkturerholung liegt die Arbeitslosenquote in Spanien mit
über 21 % aber immer noch rund doppelt so hoch
wie im Durchschnitt der Euro-Zone. Davon betroffen sind mit einer Quote von über 50 % insbesondere junge Menschen zwischen 16 und 24.
Wahlausgang ungewiss
Die wirtschaftlichen Auswirkungen und sozialen
Einschnitte aufgrund der Krise für die Gesellschaft
haben ihre Spuren auch in der spanischen Parteien-
Die Wähler werden es entscheiden – es bleibt
spannend.
Herausforderungen für die neue
Regierung
04 | 3
18.12.2015
nenverkehrs, der der hervorragenden Infrastruktur
im Straßen- und Personenschienenverkehr hinterherhinkt. Für die Anbindung an Europa ist ebenfalls
der Ausbau des Elektrizitätsnetzes über Frankreich
entscheidend, um überschüssige Energie nach Mitteleuropa verkaufen zu können. Last but not least
liegt es auch im Interesse der Wirtschaft, dass die
Entwicklung und Förderung der 2013 initiierten
dualen Berufsausbildung weitergeführt wird, um
der nach wie vor zu hohen Jugendarbeitslosigkeit
entgegenzuwirken.
Ansprechpartnerin:
Beke-Maria Stöver
Tel.: 030 20308-2304
E-Mail: [email protected]
Deutscher Industrie- und Handelskammertag e.V.
Breite Str. 29, 10178 Berlin
Der DIHK informiert mit "DIHK International Aktuell" zeitnah über internationale Entwicklungen,
die für die deutsche Wirtschaft von Bedeutung
sind. Dieses Format enthält die Einschätzung des
DIHK und erläutert in knapper Form den aktuellen
Stand und die Hintergründe.
Der Text ist direkt gegenüber Presseanfragen zitierfähig.