Zum Begriff des „Individuums“ und der „Masse“ bei Merkel

Zum Begriff des „Individuums“ und der „Masse“ bei Merkel
Rede von Bundeskanzlerin Merkel beim 23. Ordentlichen Gewerkschaftstag der
Industriegewerkschaft Metall am 21. Oktober 2015
„Aber jetzt stehen wir alle vor einer großen Aufgabe, die durch die vielen, vielen
Menschen, die zu uns kommen, im Augenblick natürlich die politische
Diskussion bestimmt. Ich möchte mich, Herr Hofmann, ganz herzlich dafür
bedanken, dass Sie hier unterstützend noch einmal in Erinnerung gerufen
haben, wie wir uns gegenüber Menschen, die zu uns kommen, zeigen sollten.
Ich glaube, wir können gar nicht hoch genug schätzen, wie wichtig es ist, dass
diese Menschen – wir haben es ja nicht mit anonymen Massen und Zahlen zu
tun, sondern es kommen einzelne Menschen, Individuen, zu uns – auf eine
Gesellschaft treffen, die nicht nur im Grundgesetz in Artikel 1 stehen hat: „Die
Würde des Menschen ist unantastbar”, sondern die das im realen Leben, wenn
ein Mensch in Not zu uns kommt, auch zeigt. Deutschland hat das gezeigt.
Deshalb möchte ich Ihnen für dieses Herangehen an die Aufgabe ganz herzlich
danke sagen.“
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Rede/2015/10/2015-10-21-rede-igmetall.html
Hofmann kam ihr mit folgenden Äußerungen zu pass:
Rassistische Hetze hat in deutschen Unternehmen nichts verloren. Gegen
Rassismus müsse es "null Toleranz" geben, sagt Hofmann im
Deutschlandfunk. Wenn man in Betrieben zusammenarbeite, oft mit Menschen
aus vielen Ländern, dann könne man nicht dulden, wenn die Belegschaften mit
rassistischen Pöbeleien, mit Fremdenfeindlichkeit gespalten würden. "Wer
hetzt, fliegt. Und das muss auch jedem klar sein." Die Unternehmen könnten bei
solchen Entlassungen mit der Billigung seiner Gewerkschaft rechnen.
http://www.heute.de/ig-metall-gegen-rassissmus-in-betrieben-der-neue-chefjoerg-hofmann-fordert-null-toleranz-40701436.html
Herrliche Allianzen der bunten Weltanschauung zwischen Arbeitgebern,
Gewerkschaften und Politik, gegen den Einzelnen, mag man dazu nur noch sagen.
Die Aussage, dass „wir es nicht mit anonymen Massen“ zu tun hätten, sondern mit
„Individuen“ und „einzelnen Menschen“ ist nicht nur unwahr, sondern eine
hochgradig gefährliche Verdrehung der herrschenden Tatsachen.
Schon vor über 60 Jahren stellte Marx Horkheimer den philosophischen Begriff des
„Individuums“ unter den damals herrschenden Bedingungen und des unmittelbar
Gewesenen auf Schärfste in Frage.
Individualität setzt das freiwillige Opfer unmittelbarer Befriedigung voraus
zugunsten von Sicherheit, materieller und geistiger Erhaltung der eigenen
Existenz. Sind die Wege zu einem solchen Leben versperrt, so hat einer wenig
Anreiz, sich momentane Freuden zu versagen. Die Individualität ist demzufolge
bei den Massen weit weniger integriert und beständig als bei der sogenannten
Elite. Freilich ist die Elite schon mehr von der Strategie in Anspruch genommen
worden, Macht zu erwerben und zu behalten. Gesellschaftliche Macht ist heute
mehr denn je durch Macht über die Dinge vermittelt. Je intensiver das Interesse
eines Individuums an der Macht über die Dinge ist, desto mehr werden die
Dinge es beherrschen, desto mehr werden ihm wirklich individuelle Züge fehlen,
desto mehr wird sein Geist sich in einen Automaten der formalisierten Vernunft
verwandeln. (Horkheimer, KdiV, S. 125)
Horkheimer sagt nichts anderes, als dass die einen, die den Verzicht auf
unmittelbare Befriedung nicht leisten können, bei denen notwendig „zuerst das
Fressen und dann die Moral kommt“ (Brecht) überhaupt nicht dazu in der Lage sind,
sich zu individuieren. Die, die es vermögen könnten, mögen es nicht tun, der
schieren Macht willen. So sind die meisten hier nur noch Handlanger einer
gigantischen „Megamaschine“ (Louis Mumford) und Merkel ist in und an Ihr bloß die
Chefingenieurin. Selbst die Gewerkschaften, die einst vorgaben, die Interessen ihrer
Mitglieder zu vertreten, sind schierer Schein, tatsächlich ein wichtiger Teil der
„Megamaschine“.
Horkheimer rekurriert auf den philosophischen Begriff des Individuums bei Kant und
den Aufklärern, auf den die von Merkel zitierten Menschrechte basieren. Merkels
Begriff des „Individuums“ ist der auf absolut gesetzte Begriff der Aufklärung als reiner
Schein. Wie der in sich kalte, leblose Mond am nächtlichen Himmel nicht selbst
erstrahlt, sondern nur Reflektionsfläche der Sonne gibt, so ist der Merkelsche Begriff
des „Individuums“ nur die schwache Reflektion des Begriffs des Individuums der
Aufklärung.
Die „Megamaschine“ erscheint regelmäßig als „Breites Bündnis gegen Rechts“,
welches sich betont gewaltfrei präsentiert, das aber mit seinem betont gewaltsamen
Pendant „Antifa“ der NGO-Arm der herrschenden bunten Republik ist – UND – das
dazu dient, kritisches Denken von den Straßen zu verbannen.
Nie waren die Menschen vereinzelter, isolierter und einsamer als heute, so dass für
den größten Teil der hiesigen Bevölkerung der Begriff „Individuum“, wie er einst
gefasst war, schon gar nicht mehr passt. Was passt ist der Begriff des sozialen
Atoms, wie ihn T.W. Adorno in seinen Minimal Moralia, Aph. 147, beschrieb:
Längst ward dargetan, daß die Lohnarbeit die neuzeitlichen Massen geformt, ja
den Arbeiter selbst hervorgebracht hat. Allgemein ist das Individuum nicht bloß
das biologische Substrat, sondern zugleich die Reflexionsform des
gesellschaftlichen Prozesses, und sein Bewußtsein von sich selbst als einem
an sich Seienden jener Schein, dessen es zur Steigerung der Leistungsfähigkeit
bedarf, während der Individuierte in der modernen Wirtschaft als bloßer Agent
des Wertgesetzes fungiert. Die innere Komposition des Individuums an sich,
nicht bloß dessen gesellschaftliche Rolle wäre daraus abzuleiten.
Nein Frau Merkel, hierher kommen einzelne, und sie kommen nicht vereinzelt
sondern in großen Zahlen und in Massen. Auch die wirklichen Individuen unter den
Vielen, werden spätestens in den Zeltlagern der Erstaufnahmen, wo ihnen jegliche
Individualität abhandenkommen muss, zu entindividuierten „sozialen Atomen“, ohne
Bindung und damit ohne Verbindlichkeiten.
Sie treffen hier auch nicht auf ein gesamtgesellschaftliches „Wir“, sondern auf eine
Gesellschaft aus entindividuierten 80 Millionen Einzelnen, denen von oben jegliches
Heranbilden eines „Wir-Gefühls“ seit Jahrzehnten abgewürgt wurde. Wahre
Individuation setzt immer ein starkes „Wir“ voraus. Auf der Ebene des Staates heißt
der Begriff dafür: Nation. Die letzten Reste gemeinschaftlichen Beisammenseins, der
Bindungen der Möglichkeit zu einer konkreten Wir-Bildung, in den Vereinen wird
noch dadurch getilgt, das die Stätten der Versammlung, Turnhallen und
Vereinsheime, zu Lagerstätten umgewidmet werden. Allein daran, dass alles
Vereinsleben absterben muss, macht die Verheißung der kommenden schnellen
großen Integration der Vielen zu weniger als einer reinen Phrase, sie entlarvt die
gigantische Lüge, die hinter allem steckt.
Die gutmenschliche Flüchtlingspolitik und die höchst kritische Lage, die sich jetzt
eingestellt hat und sich ganz offensichtlich noch dramatisch verschärfen wird, ist
nicht von ethisch-sittlichen Überlegungen geleitet, sondern allein subjektiv moralisch
intendiert. Der Fokus der Medien ist immer auf die Geschichte Einzelner, besonders
Kinder und Frauen gerichtet, während die Masse der Ankommenden, Jungmänner
sind. Die Fokussierung auf das Unwahre macht die Moralisierung der
Flüchtlingspolitik erst überhaupt möglich.
Den durchgegenderten bunten Sozialwissenschaften, die sich nur noch in
Nanosoziologie ergehen, die den Finanziers ihrer Drittmittel nicht auf die Füße treten
kann, bleiben die sozialen Wechselwirkungen, die sich jetzt notwendig einstellen
müssen, verborgen, sonst würden aus dieser Richtung laute Aufschreie zu
vernehmen sein, denn die Mechanismen der Massenbildung sind längst hinreichend
bekannt.
Vor mehr als 100 Jahren veröffentlichte Gustave Le Bon seine „Psychologie der
Massen“.
Vom psychologischen Gesichtspunkt bedeutet der Ausdruck "Masse" etwas
ganz anderes. Unter bestimmten Umständen, und nur unter diesen Umständen,
besitzt eine Versammlung von Menschen neue, von den Eigenschaften der
einzelnen, die diese Gesellschaft bilden, ganz verschiedene
Eigentümlichkeiten. Die bewußte Persönlichkeit schwindet, die Gefühle und
Gedanken aller einzelnen sind nach derselben Richtung orientiert. Es bildet sich
eine Gemeinschaftsseele, die wohl veränderlich, aber von ganz bestimmter Art
ist. Die Gesamtheit ist nun das geworden, was ich mangels eines besseren
Ausdrucks als organisierte Masse oder, wenn man lieber will, als
psychologische Masse bezeichnen werde. Sie bildet ein einziges Wesen und
unterliegt dem Gesetz der seelischen Einheit der Massen (loi de l'unité mentale
des foules). Die Tatsache, dass viele Individuen sich zufällig zusammenfinden,
verleiht ihnen noch nicht die Eigenschaften einer organisierten Masse. Tausend
zufällig auf einem öffentlichen Platz, ohne einen bestimmten Zweck
versammelte einzelne bilden keineswegs eine Masse im psychologischen
Sinne. Damit sie die besonderen Wesenszüge der Masse annehmen, bedarf es
des Einflusses gewisser Reize, deren Wesensart wir zu bestimmen haben.
Das Schwinden der bewußten Persönlichkeit und die Orientierung der Gefühle
und Gedanken nach einer bestimmten Richtung, die ersten Vorstöße der Masse
auf dem Weg, sich zu organisieren, erfordern nicht immer die gleichzeitige
Anwesenheit mehrerer einzelner an einem einzigen Ort. Tausende von
getrennten einzelnen können im gegebenen Augenblick unter dem Einfluß
gewisser heftiger Gemütsbewegungen, etwa eines großen nationalen
Ereignisses, die Kennzeichen einer psychologischen Masse annehmen.
Irgendein Zufall, der sie vereinigt, genügt dann, dass ihre Handlungen sogleich
die besondere Form der Massenhandlungen annehmen. In gewissen
historischen Augenblicken kann ein halbes Dutzend Menschen eine
psychologische Masse ausmachen, während hunderte zufällig vereinigte
Menschen sie nicht bilden können. Andererseits kann bisweilen ein ganzes Volk
ohne sichtbare Zusammenscharung unter dem Druck gewisser Einflüsse zur
Masse werden. Le Bon, S. 10 f
Merkel tut alles Menschenmögliche, nicht um eine unkontrollierte Massenbildung zu
verhindern, sondern nach besten Kräften diese zu fördern und zwar nach zwei Seiten
hin: einmal, indem sie gegen kritische Meinungen der eigenen Bürger kämpfen,
diese massiv ausgrenzen lässt und andererseits sie in kürzester Zeit unkontrollierbar
viele Fremde mit nicht einhaltbaren Versprechungen ins Land gelockt hat und die in
Massenunterkünften ganz von selbst zu psychologischen Massen werden müssen.
Es besteht die allergrößte Gefahr, dass sich die sozialen Atome zu verschiedene
Massen zusammengären und wie chemische Reagenzien gegenseitig zu agieren
beginnen. Die als nationalsozialistische Bewegung diskreditierten Pegida
Versammlungen sind mehr das letzte Aufbäumen eines „residualen Wirs“ und mehr
von älteren Bürgern aus dem Osten Deutschlands getragen, als eine Bewegung der
Jungen, weil sie noch die Solidarität, geboren aus der DDR Mangelwirtschaft,
erfahren haben. Die Jugend ist bereits durch die gegenderte bunte Pädagogik so
gehirngewaschen, dass sie sich nur noch zum sozialen Atom und damit zur
Massenbildung bestens eignet. Die gefährliche Massenbildung i.S. Le Bons erscheint
daher auch nicht auf dem Demonstrationen von Pegida oder der AfD, sondern in den
Gegendemonstrationen dazu. Auch wenn die MSM nicht müde werden, deren
Friedfertigkeit heftig zu propagieren. Fest steht, dass meistens die Gewalt von dort
ausgeht. Ohne „die als friedlich propagierten“ Gegendemonstrationen gäbe es weder
bei Pegida noch bei AfD Demonstrationen überhaupt Gewalt in irgendeiner Form.
Man hat und mag es wieder tun, Le Bon vorgeworfen, er sei ein Rassist, man kann
und wird wahrscheinlich dem Verfasser dieses Artikels vorwerfen er sei deshalb ein
Rassist, wie auch immer, doch Le Bon beschreibt, wie kein anderer, soziale
Mechanismen, die gleich Naturgesetzen in ihrer Kausalität eine ungeheure
zerstörerische Wirkung entfalten, wenn nur genügend Rahmenbedingen zusammen
gekommen sind.
Benjamin Heinrichs schrieb 1983 in der ZEIT über Le Bon
Einen Rassisten hat man Le Bon geschimpft, weil er, ziemlich dunkel zumeist,
von der „Rassenseele“ raunt; vielleicht auch, weil er sich eifrig an so obskuren
wissenschaftlichen Unternehmungen wie der Vermessung von Schädeln
beteiligt hat. Eine Schule der Diktatoren könnte man die „Psychologie der
Massen“ nennen, ein Lehrbuch der Demagogie – mit hundert praktischen
Hinweisen darauf, wie ein skrupelloser Politiker, allein durch die dämonische
Kunst der Rede, eine Masse in den Massenwahn treiben kann.Dann also wäre
die „Psychologie der Massen“ auch nur eine jener zahllosen philosophischen
Kuriositäten und Obszönitäten, die das 19. Jahrhundert hervorgebracht hat? So
ist es gerade nicht: Gustave Le Bon war ein enttäuschter Aufklärer, ein
skeptischer Demokrat, ein Liberaler in des Wortes alter, unvergenscherter
Bedeutung.
„Die Zeit“, schreibt Le Bon, „ist der wahre Schöpfer und große Zerstörer ...
unsere wahre Meisterin.“ Hat die Zeit Le Bon widerlegt? Oder hat sie ihn nur
noch nicht eingeholt?
Benjamin Henrichs
http://www.zeit.de/1983/42/psychologie-der-massen/komplettansicht
2015 scheint die Zeit Le Bon eingeholt und bestätigt zu haben. Die Politiker, schreibt
Henrichs in dem Artikel, interessieren sich nicht mehr für Le Bon, dafür umso mehr
die Medien, die auf der Klaviatur der Volksverdummung, virtuos zu spielen gelernt
haben. Die Partituren dafür liefert Le Bon ebenso, wie die politischen
Vermeidungsstrategien, die allerdings vollkommen missachtet werden.