Reisebericht

 WIIS.de Sicherheitspolitisches Seminar
vom 13. bis 16. September 2015 in Brüssel
Abschlussbericht
Russlands hybride Kriegsführung in der Ukraine, der Bürgerkrieg in Syrien und die immensen Flüchtlingsströme in Richtung Europa stehen derzeit im Fokus des deutschen und
europäischen sicherheitspolitischen Diskurses. Auch für die 20 Teilnehmerinnen der
WIIS-Studienreise 2015 standen diese globalen Herausforderungen und insbesondere die
neuen sicherheitspolitischen Strategien der deutschen Bundesregierung, der Europäischen Union und der NATO im Mittelpunkt der interessanten und aufschlussreichen Reise
nach Brüssel.
Vom 13. bis 16. September 2015
konnten die Teilnehmerinnen bei Treffen mit hochrangigen deutschen und
internationalen Vertretern der EU und
der NATO sowie Vertretern aus Wissenschaft und Presse spannenden
Vorträgen folgen, Einblicke in die Arbeitsgebiete der Referenten erhalten
und im direkten Austausch lang gehegte Fragen diskutieren. Mit der
Durchführung Gruppeninterner Briefings und der Moderation der Hintergrundgespräche und Diskussionen
nahmen die Teilnehmerinnen auch in diesem Jahr eine aktive Rolle ein.
NATO – 60 Jahre Deutschland im Bündnis
Nachdem sich die Gruppe bei einem gemeinsamen Abendessen im Herzen von Brüssel
kennenlernen konnte, startete der erste Tag der Studienreise im Hauptquartier der
NATO. Von Analysen bisheriger Entwicklungen
des sicherheitspolitischen Umfelds und abgeleiteten Entscheidungen des Nordatlantikrates,
über aktuelle Kapazitäten und Kooperationen,
hin zu künftig notwendigen politischen und
militärischen Schritten bot der Tag einen breiten und zugleich detaillierten Einblick in die
Herausforderungen denen sich die NATO gegenübersieht. Insbesondere die Rolle Deutschlands in der NATO stand hierbei im Vordergrund.
WIIS.de | c/o DGAP | Rauchstr. 17/18 | 10787 Berlin | [email protected] | www.wiis.de Zum Einstand erläuterte der stellvertretender beigeordneter Generalsekretär der NATO
für neue Sicherheitsherausforderungen Jamie Shea in einem von WIIS-Mitglied Aylin Matlé moderierten Hintergrundgespräch die bereits vorgenommene Maßnahmen in Reaktion
auf die Entwicklungen in Osteuropa. Zudem skizzierte er NATOs Agenda des im Juli
2016 bevorstehenden Treffens in Warschau vor dem Hintergrund aktueller und zukünftiger Sicherheitsherausforderungen.
Auf Grundlage der veränderten Sicherheitslage in Europa und unter Moderation des
WIIS-Mitglieds Dina Nordhoff, stellte auch Botschafter Dr. Hans-Dieter Lucas, ständiger
Vertreter der Bundesrepublik Deutschland beim Nordatlantikrat, Kernpunkte von 60
Jahren deutscher NATO-Politik und deutschen Initiativen innerhalb der NATO, wie das
Framework Nation Konzept, vor. Neben einem Einblick in die Aufgaben des Botschafters
und in die Arbeitsweise der deutschen ständigen Vertretung bei der NATO, profitierten die
Teilnehmerinnen auch von einer Diskussion über die Zukunft transatlantischer Beziehungen und die notwendige Balance politischer und militärischer Konfliktlösung.
Für eine Diskussion der Rolle der NATO lieferten Julia Wörmann und WIIS-Mitglied Isabelle Casel in einem internen Briefing zwei kritische Betrachtungsweisen der Möglichkeiten
der Einflussnahme der NATO auf außen- und sicherheitspolitische Herausforderungen.
In ähnlicher Manier nahm Generalleutnant Hans-Werner Wiermann, der deutsche militärische Vertreter in den Militärausschüssen von NATO und EU, in einem von WIIS-Mitglied
Angelika Niggemeier-Groben moderierten Gespräch zur militärischen Zusammenarbeit im Bündnis eine klare Position ein. Er unterstrich die Alleinstellungsmerkmale des
NATO Bündnisses, unter anderem gegenüber einer Koalition der Willigen und erläuterte
zugleich die strategischen wie technischen Herausforderungen der NATO Truppen im
Übergang von Stabilisierungsoperationen wie Afghanistan zu Verteidigungskapazitäten
wie in der Ukraine. Auch eine Diskussion zur Effektivität der 2014 in Wales beschlossenen
Maßnahmen und notwendigen Voraussetzungen für erfolgreiche Militäreinsätze, beides
vor dem Hintergrund der aktuell relevanten Rolle hybrider Kriegsführung, kam nicht zu
kurz.
Der Umgang mit Formen der asymmetrischen Konfliktführung durchzog den Austausch
mit Dr. Gerlinde Niehus, Leiterin des Referats ‘Engagements’ in NATOs Public Diplomacy
Division, unter Moderation von WIIS-Mitglied Agnes Kolodziej. Dr. Gerlinde Niehus gab
einen umfangreichen Einblick zur strategischen Kommunikation der NATO. Neben
einer allgemeinen Einführung in die Charakteristika des Arbeitsfeldes, erhielten die Teilnehmerinnen einen Überblick zu Möglichkeiten kommunikativer Arbeit der NATO,
der NATO-EU Zusammenarbeit in der
Kommunikation gemeinsamer Werte, Ziele und Narrative, sowie zu Herausforderungen der Umsetzung im Hauptquartier
und im Feld.
Nachdem dieses spannende Programm im
Hauptquartier der NATO wie im Flug vorbei gezogen war, blieb nur eine kurze
Verschnaufpause im Hotel, bevor der Tag
WIIS.de | c/o DGAP | Rauchstr. 17/18 | 10787 Berlin | [email protected] | www.wiis.de mit einer WIIS.de Intern Veranstaltung zu dem Thema Neue Sicherheitsherausforderungen für Europa – Gemeinsam Antworten, Nationale Hausaufgaben abgerundet wurde. In Kooperation mit der Hans-Seidel Stiftung waren Generalleutnant HorstHeinrich Brauß (Beigeordneter Generalsekretär der NATO für Verteidigungspolitik und
Streitkräfteplanung), Helga Maria Schmid (Stellvertretende Generalsekretärin und Politische Direktorin des Europäischen Auswärtigen Diensts), Michael Gahler MdEP (Sicherheitspolitischer Sprecher der EVP-Fraktion) und Dr. Ian Lesser (Geschäftsführender Direktor des German Marshall Fund in Brüssel) zu einer Darlegung der europäischen Sicherheitslage aus NATO/EU/think tank Perspektive geladen. Moderiert von Dr. Magdalena
Kirchner, die als eine der Organisatorinnen der Studienreise den erweiterten WIISVorstand vertrat, wurde zu aktuellen und zukünftigen Rollen der EU, NATO und den USA
in der Bewältigung von Sicherheitsherausforderungen in Europa diskutiert. Dabei
herrschte Einigkeit über die Notwendigkeit der Arbeitsteilung zwischen NATO und EU.
Hierbei wurden vor allem die Bedeutung der Entwicklung autonomer und interoperabler
Verteidigungskapazitäten und sicherheitspolitischer Kooperation innerhalb der EU hervorgehoben.
Europäische Union – Grenzerfahrungen: Europas Außenpolitik
Nach einem intensiven ersten Tag innerhalb
des NATO Hauptquartiers, bot der zweite Tag
durch den Besuch mehrere Institutionen im
Europäischen Viertel auch die Möglichkeit etwas von Brüssel zu sehen. Als thematischen
Einstieg erhielten die Teilnehmerinnen eine
kurze Einführung zu den Aufgaben und zum
Aufbau des Europaparlaments, gekrönt von
einer Führung durch das Europäische Parlament.
Von dort aus ging es weiter zur Ständigen Vertretung der Bundesrepublik Deutschlands
bei der EU, wo die WIIS-Mitglieder Franziska Laudenbach und Aysegül Recberlik in einem
WIIS.de Briefing intern eine Übersicht über die Entwicklung der EU-Außenpolitik im letzten Jahrzehnt und die Möglichkeit eines Austausches zu aktuellen Strategien wie der Europäischen Nachbarschaftspolitik boten.
Mit einem Fokus auf Deutschlands Stimme in der Europäischen Außenpolitik bereitete im Anschluss Flotillenadmiral Jürgen Ehle, Leiter der Abteilung Militärpolitik der
Ständigen Vertretung Deutschlands bei der EU, in einem Hintergrundgespräch und unter
Moderation von Louise Biermanski eine Einführung in das deutsche Engagement in vergangenen und aktuellen EU-Missionen und Operationen. Neben der Besonderheit deutscher Kapazitäten und Beiträge und der Wahrnehmung der sicherheitspolitischen Rolle
Deutschlands durch andere EU Mitgliedsländer, lud der Rahmen zu einem regen Austausch zu innereuropäischer Sicherheits- und Verteidigungskooperation ein.
Im Anschluss bot ein Zwischenstopp in der Bayrischen Landesvertretung neben der Möglichkeit der körperlichen Stärkung der Mitglieder auch eine Einführung in die Rolle eines
Bundeslandes in der Landschaft der EU-Institutionen.
WIIS.de | c/o DGAP | Rauchstr. 17/18 | 10787 Berlin | [email protected] | www.wiis.de Als dritte Etappe des Tages bot sich den
Teilnehmerinnen die besondere Gelegenheit die Arbeitsfelder der EUAußenpolitik im Gespräch mit Vertreterinnen des Europäischen Auswärtigen
Dienstes (EAD) kennenzulernen. Moderiert von Lisa Scholz, einer Mitorganisatorin der Bildungsreise und Mitglied des
erweiterten Vorstandes, gaben Veronica
Cody, Referatsleiterin Horizontale Angelegenheiten im Ministerialdirektorat Asien, Gosia Lachut, Länderreferentin für
Tunesien und Eva Horelova, Länderreferentin für Syrien, basierend auf ihrer persönlichen
Erfahrung zunächst einen Einblick in mögliche Karrierewege für Frauen innerhalb des
Dienstes. Aufbauend auf folgenden Vorträgen zu der Arbeit und konkreten Programmen
des EAD in Tunesien, Syrien und Asien, waren die Möglichkeiten europäischer Außenpolitik in der Bewältigung aktueller Krisen, sowie interner und externer Hemmnisse für Lösungsansätze und Probleme der Position der EU als globaler Akteur, Themen der Diskussion.
Nach kurzer Verschnaufpause wurde das Durchhaltevermögen der Teilehmerinnen mit einem interessanten WIIS.de Afterwork zu Professioneller Weiterentwicklung belohnt. Unter Moderation von Jacqueline von Saldern, Mitglied des erweiterten Vorstandes,
und in Kooperation mit WIIS.de und GMF Brüssel, erhielten die Gäste eine Übersicht zu
Initiativen und Programmen zur Förderung von Frauen in der Sicherheitspolitik. Dabei
standen insbesondere die NATO und der GMF, sowie die Vorstellung eines neuen Mentoringprogramms von WIIS.be im Vordergrund. Im Panel tauschten sich Botschafterin Mariett Schuurman (NATO Sonderbeauftragte für Frauen, Frieden und Sicherheit), Dr. Corinna Hörst (Stellvertretende Direktorin GMF Brüssel, Präsidentin WIIS.be) und Kristel Ba
(GMF Paris, Transatlantic Leadership Program) zudem über die Herausforderungen in der
Karriereentwicklung für Frauen und Möglichkeiten der Stärkung der Rolle von Frauen im
sicherheitspolitischen Feld aus. Als Ausklang des Tages konnten sich die Teilnehmerinnen
informell mit VertreterInnen internationaler Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen bei einem kleinen Empfang vernetzen.
Europas Zivilgesellschaft
Tanks und Medien
–
Think
Auch der dritte und letzte Tag der Studienreise stand im Zeichen der europäischen Außen-, Sicherheits-, und Verteidigungspolitik, diesmal jedoch aus einer
eher externen Perspektive. Zur Einführung informierten Anke Wiedemann und
Inna Maliucova die Teilnehmerinnen in
WIIS.de | c/o DGAP | Rauchstr. 17/18 | 10787 Berlin | [email protected] | www.wiis.de den Räumen der Friedrich-Ebert Stiftung (FES) zur Zivilgesellschaft in der europäischen Sicherheitspolitik und boten eine EU-Definition und Übersicht zu EUFörderansätzen der Zivilgesellschaft.
Offene Fragen konnten anschließend in einem WIIS.de Intern zu Schlüsselfragen der
Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) und ihrer zivilgesellschaftlichen Begleitung unter der Leitung der WIIS-Mitglieder Nina Steinitz und
Janina Wackernagel angesprochen werden. Nach einem Überblick zur Arbeit der FES in
Brüssel und ihrer Rolle als zivilgesellschaftlicher Akteur im sicherheitspolitischen Umfeld
in Brüssel durch Dr. Uwe Optenhögel, Büroleiter der FES Brüssel und Referentin Sidonie
Wetzel stellten sie die aktuelle Studie „More Union in European Defence“ vor und skizzierten Empfehlungen für eine bessere sicherheits- und verteidigungspolitische Kooperation in Europa. Die Erörterung der besonderen Rolle Deutschlands in einer Europäischen
Verteidigungsunion, sowie die Spannung zwischen öffentlichen und parteipolitischen Erwartungen und die Umsetzung der Arbeit eines „think-and-do-tanks“ in Brüssel waren
von großem Interesse für die Teilnehmerinnen in einer abschließenden Diskussion.
Bei einem Mittagessen, freundlicherweise von FES zur Verfügung gestellt, konnten die
Teilnehmerinnen einen nachträglichen Einblick in die Rolle des EU-Parlaments in der
europäischen Außen-, Sicherheits-, und Menschenrechtspolitik bekommen. Nach
terminbedingten Änderungen am Vortag moderierte WIIS-Mitglied Britta Petersen ein Gespräch mit der Europaabgeordneten Barbara Lochbihler. Die Europaabgeordnete sprach
insbesondere zu Ihrem Aufgabenbereich und Engagement in der Menschenrechtspolitik.
Dabei stellte sie Hürden in der menschenrechtspolitischen Zusammenarbeit mit Drittstaaten heraus, legte aber zugleich Probleme in der EU-innerparlamentarischen Diskussion
von Menschenrechtsthemen dar.
Die Studienreise neigte sich dem Ende zu und die
Teilnehmerinnen machten sich auf zu einem Abschlussgespräch über die Rolle von Medien als
Multiplikatoren der europäischen Außenund Sicherheitspolitik im Brüsseler ZDF-Studio.
Moderiert von WIIS-Mitglied und erweiterten Vorstand Johanna Meier erhielten die Teilnehmerinnen in einem Gespräch mit Anne Gellinek, Leiterin
des ZDF-Studios Brüssel, und Eric Bonse, Blogger
der Website „Lost in Europe“, Eindrücke der aktuellen sicherheitspolitischen Lage in Russland/Ukraine aus erster Hand. Sie stellten zudem die Rolle von Medien in verschiedenen
Teilen Europas und unterschiedlichen Staatssystemen dar und berichteten über Herausforderung einer Wahrung und Gewährleistung von Objektivität in der Berichterstattung.
Im weiteren Verlauf des Abends reisten die Teilnehmerinnen wieder aus Brüssel ab um
mit einem geschärften Verständnis der aktuellen Herausforderungen, Arbeitsteilungen
und Kapazitäten, sowie der deutschen Rolle im europäischen Sicherheitsumfeld in ihren
jeweiligen Studien- und Berufsalltag zurückzukehren.
Reisebericht: Lisa-Marie Becker & Louise Biermanski
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