20.05.2015 BÄU ERIN N EN ALLT AG IN KAN ADA: Jeden Monat berichtet Erika Weder-Büschi aus ihrem Alltag in Hudson’s Hope, British Columbia Notsituation! Wölfe werden zum Abschuss freigegeben Vor gut einer Woche hat bei uns die Abkalbesaison begonnen. Schon vor zwei Wochen sind die ersten Kälber zur Welt gekommen . . . Nun beginnt diese Woche sozusagen der Höhepunkt. Da kommen täglich um die 25 bis 40 Kälber zur Welt. Eine intensive Zeit, in der wir fast rund um die Uhr bei den Kühen sein sollten, um ja nichts zu verpassen. Wichtig ist es vor allem, Zwillingskälber rechtzeitig zu finden, sonst geht das schwächere verloren. Ab und zu brauchen vor allem die Rinder, die zum ersten Mal ein Kalb bekommen, Hilfe. Die Kühe kalben sonst fast zu 100 % alleine ab, dann lassen wir sie ganz einfach in Ruhe. Diesen Frühling gibt uns jedoch etwas anderes zusätzlich zu tun: der Wolf! Oder besser In seinem «Haus» bewacht Wolfjäger Steve Myers nachts die Kühe und schiesst angreifende Wölfe ab. (Bild: Erika Weder) gesagt, die Wölfe. Vor knapp zwei Wochen war mein Mann Christoph früh am Morgen auf Kontrollfahrt bei den Kühen. Als er um eine Waldecke kam, sah er mitten im Feld eine Kuh. Die Kuh kämpfte in alle Richtungen . . . sie war umzingelt von sechs ausgewachsenen Wölfen. Eine aussichtslose Situation. Sie versuchte, ihr junges Kalb zu beschützen. Christophs Unterstützung kam zu spät. Das Kalb war am Hinterteil stark verbissen und schon halb aufgefressen. Ein unschönes, trauriges Bild. Das Kalb erlag kurz darauf den Verletzungen. Hier bei uns ist es so, dass wir vom Staat eine Entschädigung bekommen, wenn wir beweisen können, dass ein Tier von Wölfen gerissen wurde. Fotos werden gemacht, der Wildhüter wird beigezogen. Zusätzlich bekommen wir sozusagen ein «Kopfgeld», wenn wir einen Wolf erlegen können. Wölfe sind in vielen Gebieten hier im Norden ein Problem, da sie sich rasant vermehren und sich sehr gut an den Menschen anpassen können. Wir hatten letzten Winter Wildkameras an verschiedenen Plätzen stationiert und filmten zahlreiche, verschiedene Wölfe (grau, weiss, schwarz – die ganze Palette), die unbewusst für uns posierten. Wir wissen, dass wir letzten und auch vorletzten Sommer einige Tiere an die Wölfe verloren haben, beweisen konnten wir es leider selten. Letzten Sommer verloren wir etwa 40 Kälber. Meistens finden wir nur noch die Skelette, da die Kälber oftmals im dichten Wald gerissen werden. Unsere Flächen sind weitläufig, und es ist schwierig, immer und überall zu sein. Theoretisch hätten hier die Wölfe ja auch genug anderes zu fressen . . . Reh, Hirsch und Elch sind aber mit ein bisschen mehr Aufwand zum Jagen verbunden als ein neugeborenes Kalb. Innerhalb einer Woche haben wir drei neugeborene Kälber an die Wölfe verloren. So gibt es halt Situationen, wo wir uns für unsere Tiere wehren müssen. Nun haben wir Steve Myers angestellt, der sozusagen bei unseren Kühen in der Nacht Wache hält. Steve hat jahrelang als Wildhüter gearbeitet und ist seit langer Zeit schon Wolfjäger für Bauern, die Problemwölfe haben. Er hat von seinem getarnten «Haus» aus schon etwa 150 Wölfe geschossen. Bei uns hat er vor drei Tagen den ersten erwischt. Mindestens fünf sind noch unterwegs. Steve hat uns unglaubliche Geschichten erzählt. Er erlebt fantastische Naturkrimis in der Nacht, draussen bei den Kühen. Geschichten von Schwarzbären, Grizzlys, Kojoten und natürlich Wölfen. Er denkt wie die Wildtiere, weiss, wie sie sich verhalten, und versucht jeweils, den nächsten Anschlag vorauszusehen. Da wir hier am Rande der Wildnis leben, werden auch wir immer wieder Naturkrimis erleben – und mit Wölfen werden wir immer zu tun haben. Erika Weder www.spiritviewranch.com
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