Wie kann man heute Paul Abrahams Operette „Ball im Savoy“ noch überzeugend auf die Bühne bringen? Am Landestheater Coburg unternimmt Gastregisseur Tobias Materna den Brückenschlag zwischen Nostalgie und zeitloser Aktualität. PREMIERE VON UNSEREM REDAKTIONSMITGLIED JOCHEN BERGER Coburg — Der Tanz auf dem Vulkan ist ein Vergnügen mit melancholischem Unterton. Je näher das drohende Unglück, desto lauter spielt die Musik. Als Paul Abrahams Operette „Ball im Savoy“ 1932 einen Tag vor Weihnachten ihre Uraufführung in Berlin feierte, war die Machtergreifung Hitlers und damit Deutschlands Sturz in die Diktatur näher, als viele das damals wahr haben wollten. Darf man sich ungeniert amüsieren in Zeiten von dumpfen Pegida-Parolen und Flüchtlings-Not? Oder ist die Auseinandersetzung mit dieser Operette keineswegs zwangsläufig ein Fall von versuchter Weltflucht? Dass man sich auch heute noch mit Paul Abrahams Musik und der Geschichte seiner Librettisten Alfred Grünwald und Fritz Löhner-Beda amüsieren und dennoch manchen Fragen nicht entkommen kann, beweist die Neuinszenierung am Landestheater Coburg. Coburger Lokalkolorit Gastregisseur Tobias Materna gelingt das heikle Kunststück, „Ball im Savoy“ auch ohne plakative Modernisierung spannend auf die Bühne zu bringen. Denn Materna verweigert dem Stück die Flucht in ein vermeintliches Happyend, sondern lässt das Ende bewusst offen. Die Geschichte um den frisch verheirateten Marquis Aristide de Faublas (Dirk Mestmacher) und seine Frau Madeleine (Anna Gütter), um den ebenso heiratswie scheidungsfreudigen Mustapha Bei (Niklaus Scheibli) und seine neue große Liebe Daisy Parker (Carolin Soyka) – diese Geschichte ist im Grunde die ganz klassische Operetten-Geschichte mit gescheiterten Intrigen, entlarvenden Verwechslun- „Ball im Savoy“: Anna Gütter als Madeleine und Dirk Mestmacher als Marquis Aristide de Faublas in der Neuinszenierung am Landestheater Coburg. gen und betrogenen (vermeintlichen) Liebesbetrügern. Tobias Maternas Regie spielt genüsslich mit nostalgischem Flair, ohne freilich altmodisch zu wirken. Mit präzis dosierter Ironie bricht Materna vielmehr immer wieder den drohenden Kitsch. Ein wenig Lokalkolorit hat Materna ins Textbuch hinein getragen. Eine Anspielung auf einen Coburger Unternehmer, „nach dem bestimmt mal eine Straße benannt wird“, wirkt zwar etwas bemüht, beschert der Aufführung aber eine kleine Extra-Portion an Lachern. Von der ersten Szene an spielt die Regie ebenso genüsslich wie geschmackvoll und stilsicher mit der Künstlichkeit des Genres. Passend dazu haben Lorena Diaz Stephens und Jan Hendrik Neidert eine Ausstattung geschaffen, die mühelos und in sich stimmig das Flair der 30er Jahre mit Akzenten der 60er und 70er Jahre kombiniert. Ausdauernder Beifall eine Inszenierung, die in den genau durchgestalteten Massenszenen ebenso überzeugt wie durch die präzise Personenführung der Hauptrollen. Überaus spielfreudig: der von Lorenzo da Rio bestens einstudierte Chor des Landestheaters. Agil und stilsicher das Ballett in der Choreografie von Tara Yipp. Fast durchweg bestens besetzt Die Kostüme: ein Fest in Pastellfarben im ersten Teil, eine ParaBildergalerie und Infos de pointierter Karikaturen im Viele weitere Fotos und die Besetzweiten Teil. Die Frisuren: herrzungsliste finden Sie bei uns online lich übertrieben mit riesigen Tollen und mächtigen Lockenbergen. Damit wird die Ausstatcoburg.inFranken.de tung zum perfekten Rahmen für die Haupt- sowie die zahlreichen Nebenrollen. Anna Gütter und Dirk Mestmacher rangieren in der Applaus-Rangliste des applausfreudig gestimmten Premierenpublikums im Landestheater noch knapp vor Carolin Soyka und Niklaus Scheibli. Nicht zu vergessen: die fein differenzierte Lichtgestaltung (André Fischer). Foto: Henning Rosenbusch Paul Abrahams Partitur ist bei Kapellmeister Roland Fister in versierten Händen. Unter seiner Leitung findet das Philharmonische Orchester rasch die rechte Mischung zwischen melodischem Schmelz und pulsierenden Rhythmen. Das Premieren-Publikum zeigt sich begeistert und spendet ausdauernden Beifall. uuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuu Die nächsten Termine uuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuu lt für: Landestheater Coburg (1059919) Eleganter Tanz am Abgrund Coburger Tageblatt, 26. Oktober 2015 Theater-Tipp 28. Oktober, 4., 5., 12., 13., 22. November, 1., 4., 12., 26. Dezember, 19.30 Uhr, 31. Dezember, 15 und 19.30 Uhr, 15., 29. Januar, 19.30 Uhr, 31. Januar, 15 Uhr, 28. Februar, 15 Uhr, 12. März, 19.30 Uhr Landestheater Coburg
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