Wachsene Zahl von "Crystal-Babys" bereitet Probleme Bericht

Wachsende Zahl von „Crystal-Babys“ bereitet Probleme | Manuskript
Wachsene Zahl von "Crystal-Babys" bereitet Probleme
Bericht: Annett Glatz
Man sieht es dem 7 Wochen alten Max nicht an, dass er im Mutterleib eine der fatalsten
Drogen abbekam, die es gibt. Crystal. Als er gezeugt wurde, war seine 29-jährige Mutter am
Tiefpunkt ihrer Drogenabhängigkeit, die schon mit 14 begann.
Ich hab immer mehr Crystal genommen, weil ich die Nächte nicht durchschlafen konnte.
Bin mit Heulkrämpfen aufgewacht, war nur noch Haut und Knochen, hab nur noch 43 kg
gewogen bei ungefähr 1, 60.
Angefangen hat alles als sie mit 14 zu ihrem Freund zog – weg von der Mutter, die trinkt und
deren neuen Lebensgefährten. Die Sehnsucht nach einem Höhenflug durch Crystal – sie ist
vor allem in den Grenzregionen zu Tschechien, wo es in Massen produziert wird, gefährlich
einfach und billig zu erfüllen.
Man braucht eigentlich nur rausgehen, feiern gehen und ja – eher so Mainstreamlocations
aufsuchen.
Und so greift sie immer wieder zu Crystal. Obwohl ihr deshalb schon ihre ersten beiden
Kinder vom Jugendamt weggenommen wurden. Als Max auf die Welt kommt, will sie einen
Neubeginn. Verschweigt den Ärzten, dass sie in den ersten Schwangerschaftswochen noch
die Droge konsumierte. Doch die Behörden hatten schon alle Krankenhäuser der Stadt über
ihre Sucht informiert.
Urintests, Bluttests, untersucht und überwacht – auch beim Kind.
Drogentests bei Säuglingen – hier am Klinikum St Georg in Leipzig werden sie regelmäßig
durchgeführt. Die Abteilung von Prof Eva Robel-Tillig ist eine der wenigen in Deutschland, die
sich auf Crystalfolgen bei Neugeborenen spezialisiert hat.
Prof. Eva Robel-Tillig, Klinikum St. Georg Leipzig, Chefärztin Neonatologie/ Pädiatrische
Intensivmedizin
Wenn wir Kinder haben, die ohne Schwangerenvorsorge der Mutter zur Welt kommen,
wenn wir Kinder haben, wo bei den Müttern andere schwerwiegende Belastungsfaktoren
bekannt sind, also schon eine soziale Betreuung durchgeführt wird und dergleichen, dann
macht man das Routinemäßig mit.
Hinweis: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf nur für den privaten Gebrauch des Empfängers
verwendet werden. Jede Verwertung ohne Zustimmung des Urheberberechtigten ist unzulässig.
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Wachsende Zahl von „Crystal-Babys“ bereitet Probleme | Manuskript
Das leistungssteigernde billige Crystal ist längst keine Randerscheinung mehr. Seit 2010 hat
sich die Zahl der jährlich auffälligen Erstkonsumenten - auf 3100 fast verfünffacht. Trotzdem
fehlt es an Forschung und häufig an Fachwissen, Crystalfolgen bei Neugeborenen zu
erkennen. Hier am Klinikum St Georg kümmert sich ein geschultes Team um die
Crystalbabys, wie den 5 Wochen alten Ben.
Felicitas Heinrich , Physiotherapeutin Klinikum St Georg Leipzig
Also die kleinen haben Schmerzen am ganzen Körper, die zittern, die sind kaltschweißig,
die tolerieren gar keine Berührung und ja man sieht mitunter wirklich schmerzverzerrte
Gesichter, was einem unheimlich weh tut.
Dass sich das Drogenproblem der Mütter nach der Geburt löst und sie sich dauerhaft gut um
ihre Kinder kümmern, passiert selten.
Felicitas Heinrich , Physiotherapeutin Klinikum St Georg Leipzig
Die meisten Mütter haben in dem Moment auch wirklich ein schlechtes Gewissen. Aber
kriegen dann die Kurve nicht. Also es gibt auch Mütter – ich hab eine miterlebt. Die dann
gesagt hat, das ist jetzt das aus mit Drogen und das schien auch bis zur Entlassung so, dass
man gesagt hat, die könnte es packen. Aber das war einmal in vier Jahren, dass ich es
persönlich erlebt habe.
Tatsächlich schafft es hier nur ein Viertel der Familien, ihre Kleinen längerfristig gut zu
betreuen. Und selbst wenn der Wille da ist, von Crystal loszukommen – es fehlt an
Therapieplätzen.
Prof. Eva Robel-Tillig, Klinikum St. Georg Leipzig
Wir haben hier in der Gegend von Leipzig eine psychiatrische Einrichtung, die eine
Drogenklinik hat. Und die haben 200 Plätze und die sind komplett mit Crystalpatienten
ausgebucht.
Wissen Sie, wie lang die Wartelisten sind? / Die sind lang. Ein Kollege meinte, ein Jahr.
Und das führt zu einem weiteren dramatischen Trend. Immer mehr Kinder müssen wegen
des Crystalkonsums ihrer Eltern von ihnen getrennt werden. Pflegefamilien wie das Ehepaar
Markus werden deshalb händeringend gesucht. Doch sie wussten anfänglich gar nicht, ihr
jüngster Familienzuwachs davon betroffen ist. Sie sind überfordert, als die Einjährige, wie
auch heute wieder, akute Krampfanfälle bekommt, sich nicht mehr bewegen kann.
Ratlosigkeit, weil sie nicht wissen, warum.
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Wachsende Zahl von „Crystal-Babys“ bereitet Probleme | Manuskript
Silke Markus
So wie Schreikrämpfe, ganz extremes Schwitzen, ihr läufts dann förmlich richtig runter
und ein Faustschluss, der schon fast krampfartig ist und was man von den anderen Kindern
nicht kennt.
Erst als das Ehepaar einen Film über Crystal sieht, ahnt es, woher die Krampfanfälle
kommen. Es ist für sie schwierig, einen der wenigen Experten ausfindig zu machen. Der stellt
dann schließlich fest, die Kleine ist ein Crystalbaby. Doch diesen dringend notwendigen
fachlichen Beistand schon bei Neugeborenen - den gibt es noch zu selten.
Silke Markus
Mehr Aufklärungsarbeit, viel mehr Anlaufstellen, mehr Aufklärungsarbeit – das wäre
wünschenswert. Anlaufstellen, die man erreichen kann.
Zurück zum kleinen Max und seiner Mutter. Die beiden haben einen der wenigen MutterKind-Betreuungsplätze bei den Radebeuler Sozialprojekten ergattert, die sich auf
Suchtproblematiken spezialisiert haben. Nie mehr Crystal, das ist das Ziel, doch die Angst vor
bleibenden Schäden beim Kind, die bleibt.
Natürlich das schlechte Gewissen, das wird man nicht los, das kann man nicht abschütteln.
Auch Angst vor der Zukunft, was er mitträgt oder mittragen muss.
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