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ZWEI WINZER FÜR EIN
HALLELUJA
Fritz und Peter May vom Weingut Karl May
in Osthofen gehen weiter ihren eigenen Weg.
Als wäre ihr Rheinhessen Indianerland,
erobern die ›Glorreichen Zwei‹ neues
Terrain und kreieren darauf spannende
Weine!
Verfasser ist Manfred Lüer
Was ist guter Wein? Das Aprikosengeflüster über dem Murmeln des
Bodens von einem sauteuren Großen Gewächs? Oder das Tutti-FruttiFrüchtchen, das vorn alles Naschwerk der Welt verspricht und hinten
müde runterfällt? Oder gar die Druckwelle am Gaumen mit mächtig
Bum-Bum-Alkohol und Holz-Tam-Tam?
Fritz und Peter May vom Weingut Karl May haben ihre Claims längst
abgesteckt. Ihre Cuvées ›Blutsbruder‹ haben bei vielen Konsumenten
ein Goldfieber angefacht, die es nun in die Prärie des Wonnegaus zieht.
Fündig werden sie in Osthofen, dem Ort mit den prickelnden Sekten
knapp zehn Kilometer nördlich von Worms. Hier trat man
selbstbewusst aus dem Schatten Westhofens heraus und kürt sogar
einen Prinz Schampus. Schillturm und Bergkirche sind markant, der
alte Ortskern lockt mit pittoresken Gässchen und beschaulichen
Winkeln. Darüber ein Hausberg mit uraltem Baumbestand und einer
Kirche, die mit Fresken von 1230 ein rares Beispiel für salische
Architektur in der Region ist. Bei guter Sicht liegen einem hier sogar
noch Odenwald und Pfälzer Wald zu Füssen.
»In Osthofen bewegt sich viel«, sagt Fritz May, »es wurde enorm
gebaut, renoviert und für den Tourismus attraktiv gemacht. Aber beim
Wein sind wir unterschätzt! Unsere Weinberge sind eben kleinteiliger,
so einen Riesenhang wie den Westhofener Morstein haben wir nicht.
Im Goldberg haben wir nur einen 1,5 Hektar großen Kernbereich mit
tiefgründigem Kalkstein, dann kommt schon schwerer Lehm-Löss.«
Dabei hat der Osthofener Weinbau eine reiche Tradition, davon
künden schon etliche alte Weinbergshäuschen. Bereits 1607 legte eine
Wingertordnung die Grundlagen für den heutigen Qualitätsanbau,
indem minderwertige Sorten durch Riesling und andere hochwertige
Reben ersetzt wurden. Doch aktuell hat der Run erst eingesetzt. Vor
allem dank der Pionierleistung der May-Brüder, die dafür eine 300
Jahre alte Familienranch umgekrempelt haben.
Karl May heißt das Weingut, in dem Abenteuer auf Flaschen gezogen
werden. Automatisch denkt man an Winnetou, Old Shatterhand oder
die Silberbüchse. Direkt neben dem urigen Fachwerkhaus im Herzen
von Wild wild Easthofen ist eine schmucke Vinothek nebst BarriqueFasslager entstanden. Und doch ist die Konnotation vom Wilden
Westen in Osthofen Fluch und Falle. Denn die beiden Brüder sind
Rieslingfreaks und fühlen sich ein wenig unterschätzt: »Riesling
kommt bei uns immer zuerst ins Glas! Dafür sind wir Feuer und
Flamme!« Worauf Peter May einen Gutsriesling einschenkt, wie es ihn
so hier noch nie gab – und wie ich ihn in dieser Qualität auch nur
selten probiere. Es sind mehr Aprikosen im Glas, die angestammten
Noten von Apfelschale, Zitrus und etwas Birne sind reduzierter. Da ist
wohlige Wärme im Wein. Aber auch Zugkraft, Fruchtigkeit und zartpikante Säure. Köstlich! Warum nur reden so viele über kalibrierte
Lagenweine, wenn es solche Lippenlecker gibt?
Das Salz in der Suppe sind die neuen, langfristig gepachtete Claims der
Brüder May: »Wir können jetzt beim Riesling durch kühlere Lagen wie
Westhofener Morstein, Westhofener Steingrube und Hesslocher
Liebfrauenberg mehr variieren.« Doch es gibt noch mehr
Rauchzeichen, die für einen Osthofen-Trail sprechen. Denn die Digger
Peter und Fritz May schürfen bei Silvaner ›Schnapp‹ und
Weißburgunder ›Hasenbiss‹ ab dem Jahrgang 2014 noch tiefer.
Schnapp steht für einen Gewannnamen des Osthofener Liebenberges –
die Spitzenlage von einst ist ein Südhang mit karbonathaltigem Lehm-
und Mergelboden. Dieser 2014er-Schnapp ist daher ein cremiger
Burgundertyp auf knallharter Mission, der zeigt, was Silvaner in
Osthofen alles draufhat. Nichts für Weicheier, sondern Stoff für echte
Kerle. Auch der Weißburgunder bietet echte Kontur, tropische
Anklänge, fette Birnen und ellenlange Würze. Die kühlen, leisen Töne
beherrschen die May-Brüder aber auch, was mir der 2013er
Spätburgunder aus dem Geyersberg bestätigt. Frucht kann etwas so
Schönes sein, vorausgesetzt sie hat Frische und noble Reife. In ihrem
besten Spätburgunder kommt alles elegant zusammen: Rauch,
Johannisbeermark, Schattenmorelle und Salzigkeit. Während ich
genieße wird es ganz still im Raum, die Augen von Fritz und Peter May
glänzen. Denn dahinter steckt im Weinberg echte Schwerstarbeit!
Die schmeckt man auch in den 2014er Lagenrieslingen. Hier, im
unterschätzten Osthofener Goldberg, führen das Holzfass aus
heimischen Wäldern, die reife Frucht und die salzige Mineralität
einmal keinen Zickenkrieg. Doch Spannung pur bietet mir auch ein
Wein aus einer unterschätzten, ja, verramschten Kategorie – der
›Blutsbruder Rosè‹ aus 40 Prozent Merlot und 60 Spätburgunder ist
ein rares Unikat: 18 Stunden Maischestandzeit, im Doppelstück und
teils auch im neuen Barrique vergoren und ausgebaut. Intensiv,
markant, mit null Ressentiments an den Leicht- und Slimwahn,
sondern mit Druck in der Pulle, intensiver Beerigkeit und einer
Aromatik, die zeigt, was wirklich guter Wein ist. Zum Glück zeigen die
Blutsbrüder eben auch beim Rosé und Gutsriesling was echtes
Herzblut ist!