Optimal Auswahl von Kundenkontaktkanälen Dabei sein ist NICHT alles Der olympische Gedanke „Dabeisein ist alles“ greift in der Gestaltung des optimalen Channel-Mix zu kurz. Bewertung und Auswahl der Kanäle hängen von der Kundenerwartung und den Unternehmenszielen ab. Nur dann gelingt ein konsistenter und authentischer Auftritt. nternehmen können heute auf eine Vielzahl an Vertriebs-, U Service- und Informationskanälen zurückgreifen, um mit ihren Kunden in Kontakt zu treten. Neben Chancen erhöht dies allerdings auch die Komplexität ihres Geschäfts. Der Begriff des „Omni-Channels“ suggeriert, dass dem Kunden alle poten ziellen Kanäle auch angeboten werden sollten. Besonders in den digitalen Kanälen von Social Media und Mobile Apps neigen Unternehmen dazu, auf jeden Fall präsent sein zu wollen. Relevanz der Kanäle ist für Unternehmen unterschiedlich Dabei wird oft außer Acht gelassen, welche Kanäle wirklich vom Kunden nachgefragt werden und einen Mehrwert für diesen stiften. Für Unternehmen stellt sich die Frage: „Welche Kanäle sind für meine Kunden und mein Unternehmen über haupt relevant?“ Diese Betrachtung erstreckt sich nicht nur auf digitale Kanäle wie das Web, sondern auch auf Offlinekanäle wie das physische Geschäft. In die Bewertung und Auswahl der Kanäle fließen grundsätzlich zwei Dimensionen ein: Erstens ist die aktuelle und zukünftige Erwartung der Kundenbasis an das Unternehmen mit einzube ziehen. Hieraus lassen sich bereits eine Auswahl an potenziellen Kanälen ableiten und zugleich erste Kanäle aus der Auswahl eliminieren. Zweitens müssen Unternehmen die Kanalauswahl als strate gisches Instrument betrachten und zukünftig intendierte un ternehmerische Entwicklungen mit einbeziehen. Hieraus er 48 Detecon Management Report dmr • 2 / 2015 gibt sich eine Erweiterung oder Verkleinerung der potenziellen Kanäle aus der Kundendimension. Die Kombination dieser bei den Dimensionen leistet einen direkten Zusammenhang zwi schen externen (Kunde) und internen (Unternehmensstrategie) Faktoren. Abbildung der Customer Journey gibt Aufschluss über Kundenerwartungen Die Interaktion mit Kunden ist ein exogener Faktor, da die Kundenerwartungen bezüglich der Interaktionskanäle nur be dingt vom Unternehmen beeinflusst werden können. Hier ist es wichtig, bestehende und potenzielle Kunden zu verstehen, um zu erkennen, welcher Weg der Interaktion Mehrwerte liefert. Unternehmen müssen sich die Frage stellen, wo sich ihre Kunden über Produkte und Services informieren, wo sie diese kaufen und Support anfragen. Die direkte Interaktion mit Kun den durch beispielsweise Umfragen liefert allerdings nur einen Teil der Wahrheit, da Kunden nur bedingt einschätzen können, was sie zukünftig erwarten, um einem Unternehmen gegenüber loyal zu bleiben. Die Erstellung einer Customer Journey entlang des gesamten Kundenlebenszyklus ist eine etablierte Methode, Kundenerwartungen zu visualisieren und eigene Ideen von Ex perten einfließen zu lassen. Im Elektronikeinzelhandel beispielsweise war es noch bis vor zehn Jahren üblich, Reklamationen und Beschwerden direkt im Geschäft abzugeben. Im Zuge der Digitalisierung erwarteten Kunden, allgemeine Informationen zum erworbenen Produkt im Onlinekanal zu erhalten, um kleine Probleme selbst zu lösen. Bei einem Produktdefekt wird ebenfalls erwartet, dass der Händler in den digitalen Kanälen Möglichkeiten anbietet, den Reklamationsprozess anzustoßen und die erforderlichen Schrit te in Erfahrung zu bringen. Unternehmen, die bei ihrer Ka nalauswahl den Onlinekanal für den Kundenservice integriert haben, konnten Mehrwerte für den Kunden schaffen und sich vom Wettbewerb differenzieren. Steuerungsmechanismus Kanalauswahl Auf der anderen Seite werden interne Faktoren oft nicht aus reichend betrachtet, da der Hebel der Kanalauswahl auf den unternehmerischen Erfolg unterschätzt wird. Unternehmen können durch die richtige Kanalauswahl ihre Ambitionen in Hinblick auf die Kundenzielgruppe und angebotenen Pro dukte unterstützen. Da Kundengruppen die Kundenkontakt kanäle unterschiedlich nutzen, kann durch die Kanalauswahl ein Fokus auf Zielgruppen gelegt werden. Die Ergänzung eines Social-Media-Kanals ermöglicht zum Beispiel einem Versand händler, in direkten Kontakt mit seinen Kunden zu treten. Da jeder angebotene Kanal aber auch Kosten verursacht, sollten Unternehmen evaluieren, welche geplanten und vorhandenen Kanäle geschlossen werden können. Im Umkehrschluss zum Erreichen neuer Kundengruppen lässt sich der Kontakt zu einer Kundengruppe durch die Wegnahme von Kanälen reduzieren – für den Fall, dass das Unternehmen sein Geschäft konsolidiert. Der Wegfall aller Onlinekanäle ist immer dann eine werthaltige Option, wenn sich ein Unternehmen auf persönlichen Service fokussieren und sich darüber vom Wettbewerb differenzieren will. Der klassische Katalogversandhandel hat Kunden vor der Digitalisierung die Bestellung via Briefformular oder Telefon angeboten. Mit der Zunahme des Onlinehandels wurden die traditionellen Kanäle unwichtiger. Bei Fokussierung auf jüngere Kundengruppen entfällt zudem der Bedarf, Telefon- und For mularbestellungen anzubieten. Versandhändler konnten sich also durch den Wegfall von Kanälen neu ausrichten und zu gleich die interne Komplexität sowie Kosten reduzieren. Abgleich mit unternehmensinternen Fähigkeiten sichert Konsistenz Für die Auswahl der richtigen Kanäle spielen auch die unterneh mensinternen Fähigkeiten eine wichtige Rolle. Grundsätzlich sollten Unternehmen ihren Kunden nur Produkte und Services in neuen Kanälen anbieten, wenn diese dort auch qualitativ hochwertig angeboten werden können. Maßgeblich ist, dass die Kundenzufriedenheit in neuen Kanälen nicht geringer ausfallen darf als in den etablierten Kanälen. Eigentlich selbstverständ lich, in der Praxis aber nicht immer gelebt ist die Konsistenz im Umfang des Angebotes, des optischen Erscheinungsbildes und der Servicequalität, die über alle Kanäle hinweg sichergestellt sein muss. Für unterschiedliche Produkte kann ein Unternehmen dage gen durchaus einen anderen Kanalmix verwenden. Dann ist eine klare Abgrenzung der Marken oder Produkte beim Kun den wichtig, damit jede einzelne Marke und jedes Produkt vor dem Kunden authentisch wirkt. Der gewählte Mix ist jedoch nicht als statisch anzusehen, sondern sollte in regelmäßigen Ab ständen mit gleichbleibender Methodik evaluiert werden. Im Grundsatz ist es für ein authentisches Kundenerlebnis wichtiger, eine werthaltige Auswahl an Kanälen mit konsistentem Kunde nerlebnis anzubieten als eine Vielzahl an Kanälen mit geringer Konsistenz. Eine bewusste, auf den Kundenerwartungen und der Unterneh mensstrategie basierende Auswahl von Kundenkontaktkanälen unterstützt direkt die unternehmerische Entwicklung. Zum ei nen bewirkt die bewusste Auswahl eine Steigerung des Kunde nerlebnisses, welches sich für das Unternehmen in gesteigerten Umsätzen und einer höheren Kundenloyalität niederschlägt. Des Weiteren unterstützen die richtigen Kanäle die Marken story und wirken somit positiv auf die Authentizität eines Un ternehmens. Auf der Kostenseite bewirkt die Abschaltung von Kanälen einen direkten Rückgang der Betriebskosten. Mit der Entscheidung, Kanäle nicht einzuführen, umgehen Unterneh men Kapitalaufwendungen für die Implementierung und ver meiden einen Imageverlust, wenn dieser Kanal qualitativ min derwertig angeboten werden würde. Authenzität wahren, kosteneffizient agieren Trends und neue Technologien in den Kundenkontaktkanälen sind also nicht automatisch eine Aufforderung für Unterneh men, sich in jedem möglichen Kanal zu repräsentieren. Wie der individuelle Kanalmix aussehen soll, ist vielmehr eine bewusste und strategisch durchdachte Entscheidung, um authentisch vor dem Kunden und gleichzeitig kosteneffizient zu agieren. Jan Grineisen ist Consultant im Beratungsbereich Deutsche Telekom. Der Schwerpunkt seiner Beratung liegt auf der Entwicklung von Commercial Strategies im Endkundensegment mit dem Fokus auf Customer Experience. Er verfügt über tiefgehende Erfahrungen in der Entwicklung von Omni channel-Geschäftsmodellen und Vertriebsstrategien. 49 Detecon Management Report dmr • 2 / 2015
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