Oberhuber als Mäzen „Schön schmutzig Schwein“ heißt eine Folge von neun Originalgrafiken Oswald Oberhubers, die er der Angewandten geschenkt hat. Das erste Blatt aus dieser Serie zeigt ein prall-rundes Ferkel mit riesigen Ohren und einem abenteuerlich langen, in Wülsten gegliederten Rüssel. Schmutzig, wie es im Titel heißt, ist es nicht, dieses Schwein mit seiner makellosen Körperrundung, das hier in intensivem Rosa dargestellt ist. Kontrastierend dazu bleibt der Untergrund dunkel, über dem die vier Hufe eher zu schweben scheinen, als dass sie auf ihm stehen. Das dünne Schwänzchen vollführt zwei fast perfekte kreisrunde Windungen. Auch die großen Augen sind rund, und, obzwar pupillenlos, blicken sie uns doch direkt an. Etwas treuherzig-freundliches geht von diesem Blick bei geduckter Haltung aus, zumal das schöne Tier zwei große Tulpen in seinem Rüssel trägt! Mit sparsamen Mitteln charakterisiert, ist dieses Schweinebildnis ein von Poesie, Ironie und Charme geprägtes Blatt des jungen Künstlers Oberhuber. Seine Zeichnungen können allerdings noch reduzierter ausfallen, etwa in der Buntstiftzeichnung „Profil“. Hier ist die Seitenansicht eines männlichen Kopfes in die Blattmitte gesetzt und wird von drei schlichten, geschwungenen Zweigen mit vereinzelt gesetzten Blättern flankiert. Die vereinfachte Zeichensprache knüpft an Klassisches aus der Kunstgeschichte an und vermittelt dadurch, trotz seiner Leichtigkeit, Würde. (Abbildungen im Layout hier einfügen: Oswald Oberhuber, Profil, 1986, Bleistift, Buntstift auf Papier, Inv.nr. 5204/2; Oswald Oberhuber, Schön schmutzig Schwein, 1967/68, Bleistift, Buntstift, Collage auf Papier, Inv.nr. 8940/1). Es sind zwei Beispiele aus einer großzügigen Schenkung, die Oberhuber der Angewandten gemacht hat und die nun in einer repräsentativen Auswahl im Heiligenkreuzerhof vorgestellt wird. Unser Rektor Gerald Bast realisiert damit eine Hommage an seinen Vor-Vorgänger im Amt. Oswald Oberhuber hat seinerzeit als Rektor die Kunstsammlung der Universität für angewandte Kunst ins Leben gerufen, und er ist auch ihr größter privater Mäzen. Rund 1200 Werke aus allen Bereichen der bildenden und angewandten Kunst hat er in den 1980er und 1990er Jahren der damaligen Hochschule geschenkt. Mehrheitlich, aber nicht ausschließlich, sind es Werke von einstigen Lehrenden oder Studierenden der Angewandten und es befindet sich auch ein großes Konvolut eigener Arbeiten Oberhubers darunter, insgesamt rund 300 Werke. Universität für angewandte Kunst Wien Presse & Medienkommunikation Oskar-Kokoschka-Platz 2, A-1010 Wien T: +43 (0) 1 711 33-2004 [email protected], www.dieangewandte.at Die großen Namen aus der Geschichte unseres Hauses sind ebenso in seinen Schenkungen vertreten wie weniger bekannte. Aus der Ära des Jugendstils und der Wiener Moderne, in der wir als k. k. Kunstgewerbeschule einen wichtigen Beitrag zum damaligen Kunstfrühling lieferten, stammen beispielswiese Arbeiten von Lehrerpersönlichkeiten wie Josef Hoffmann und Kolo Moser, von Carl Otto Czeschka und Bertold Löffler, von Michael Powolny und Otto Prutscher. Die Schenkungen umfassen Gemälde und Grafiken, Plakate, Fotografien, Möbel und Objekte aus den unterschiedlichsten Materialien – Keramik, Glas, Holz, Metall usw. Erika Giovanna Klien, die führende Künstlerin des Wiener Kinetismus, ist mit dem wichtigen Text-Bild-Kompendium „Klessheimer Sendbote“ (1927) in unserem Bestand – heute erscheint es wie der Vorläufer einer Graphic Novel. Neben grafischen Arbeiten Anton Hanaks wurde auch ein wichtiges Konvolut seiner Briefe der Angewandten von Oberhuber geschenkt. Oskar Kokoschka ist mit seiner berühmten Lithografienfolge „Das Konzert“ von 1921 vertreten. Auch Friedl Dickers Lithografie zur Bauhaus-Lesung von Else Lasker-Schüler besitzen wir dank Oberhuber. Von der noch immer viel zu wenig bekannten Margarete Hamerschlag schenkte er deren hochexpressive Holzschnittfolge „Die Maske des roten Todes“ (1920) – um hier nur einige Beispiele zu nennen – oder von Gudrun Baudisch Keramik. Oberhuber hat sich selten um den Kanon der Kunstgeschichte gekümmert, wenn er Werke erworben hat, und ist immer seinem eigenen Werturteil gefolgt. Daher finden sich auch Werke unter den Schenkungen, deren Urheber von der akademischen Kunstgeschichte vernachlässigt werden oder wurden – beispielswiese Eduard Veiths „Der tote Ritter“ (um 1895) und das „Felsentor“ von Karl Mediz (1902) – beides spätsymbolistische Werke. Auch Künstlerinnen, die in einer ehedem patriarchalisch geprägten Kunstrezeption wenig Platz fanden, wurden von Oberhuber geschätzt und geschenkt, wie beispielsweise Broncia Koller-Pinell und Helene Funke. Von Otto Rudolf Schatz hat Oberhuber eine Reihe von Skizzen mit erotischen Szenen geschenkt; und von der kaum bekannten Frieda Stökl etliche Entwürfe für Textilmuster aus den 1920er Jahren. Viel zu wenig bekannt ist Oberhuber als Modedesigner. Der Großteil seines entsprechenden Schaffens befindet sich heute in unserer Kostüm- und Modesammlung – gleichfalls aufgrund seiner Schenkung. Diese hat er noch ergänzt um Kleidung, die von großen Namen aus dem Modedesign stammt, wie Jean Paul Gaultier, Giorgio Armani, Yohji Yamamoto, Jean-Charles de Castelbajac, Jil Sander Universität für angewandte Kunst Wien Presse & Medienkommunikation Oskar-Kokoschka-Platz 2, A-1010 Wien T: +43 (0) 1 711 33-2004 [email protected], www.dieangewandte.at (letztere beiden lehrten ja auch an der Angewandten) – und auch von anonymen Designerinnen und Designern. Oberhubers eigene Zeitgenossen sind in seinen Schenkungen stark vertreten, viele davon waren auch selbst Lehrende an der Angewandten: Christian Ludwig Attersee, Carl Auböck, Rosemarie Benedikt, Günter Brus‚ Eva Choung-Fux, Adolf Frohner, Bruno Gironcoli, Hans Hollein (sogar eine Kinderzeichnung von Max Hollein ist dabei), Alfred Hrdlicka, Wolfgang Hutter, Maria Lassnig, Josef Mikl, Otto Muehl (das grimmige Gruppenbildnis „Familie Oberhuber“), Walter Pichler, Matteo Thun, Peter Weibel, Franz West, Fritz Wotruba und etliche andere mehr. Aus der damals jüngsten Generation schenkte Oberhuber Arbeiten von Brigitte Kowanz, Franz Graf, Willi Kopf, Hubert Schmalix (ein Riesenbild von 1982), Rini Tandon, Zelko Wiener, Erwin Wurm. Hinzu kommen Künstler und Künstlerinnen, die nicht direkt mit der Angewandten zu tun hatten, wie beispielsweise Hans Hartung, Mario Merz, Alighiero e Boetti. Und natürlich bildet das große Konvolut Oberhubers eigener Arbeiten, insbesondere grafischer, die er der Angewandten schenkte, einen wichtigen und vielfach sehr poetischen Bestandsblock innerhalb der Sammlung. In welchem Kontext erfolgten die hier dokumentierten Schenkungen? Oswald Oberhuber war von 1979 bis 1987 und von 1991 bis 1995 Rektor an unserem Haus. In seine Rektoratszeit fällt auch die spektakuläre Aufwertung des damaligen Hochschularchivs, in dessen Rahmen er bereits 1979 begann, konsequent eine Sammlung von Kunst- und Designobjekten, von Dokumenten und Archivalien zusammenzutragen, wofür das Ministerium nicht unerhebliche Mittel zur Verfügung stellte. Als Leiterin des Archivs und der Sammlung wurde damals Erika Patka von Oberhuber berufen, die deren Geschicke bis 2004 leitete. Die von Oberhuber initiierte Sammlungs- und Ausstellungstätigkeit und die von Rektor Gerald Bast seit 2000 geförderte und beständig ausgebaute Struktur unseres Instituts führten zu einem Forschungs- und Lehrinstitut, in dem heute das Archiv, die Kostüm- und Modesammlung, das Oskar-Kokoschka-Zentrum und die Victor J. Papanek Foundation zusammengefasst sind. 2010 wurde daraus mit Senatsbeschluss der Universität das Institut „Kunstsammlung und Archiv“. Es verfügt über rund 65.000 Objekte aus allen Bereichen der bildenden und angewandten Kunst sowie Archivalien. Wir sind gänzlich unabhängig vom MAK, erarbeiten wissenschaftliche Publikationen und veranstalten Ausstellungen, sind aber auch permanent Leihgeber für österreichische und internationale Präsentationen. Und wir sind eine von den Studierenden und der Öffentlichkeit viel genutzte Forschungsstätte mit einer seit Jahrzehnten im Ausbau befindlichen Datenbank. Universität für angewandte Kunst Wien Presse & Medienkommunikation Oskar-Kokoschka-Platz 2, A-1010 Wien T: +43 (0) 1 711 33-2004 [email protected], www.dieangewandte.at Oberhuber ist ein Künstler und Designer, der für alle Bereiche der bildenden und angewandten Kunst gestalterisch tätig war und ist, einschließlich Möbel und insbesondere Plakate. Diesen Zweig seines Schaffens dokumentiert ein monumentales Werkverzeichnis (von Stephan Ettl) mit über 600 Arbeiten. Etliche Jahre hindurch hat Oberhuber die Aktivitäten der Angewandten mit seinen Plakaten zu Vorträgen und sonstigen Veranstaltungen unterschiedlichster Art begleitet. Auch dieses wichtige Segment seines Schaffens befindet sich in der Kunstsammlung der Angewandten. Viele der Schenkungen Oswald Oberhubers konnten wir in den vergangenen Jahren auf den unterschiedlichsten Ausstellungen als Leihgaben zur Verfügung stellen. Nun sind sie erstmals in dieser Publikation zusammengefasst, in Beispielen abgebildet und in einer Auswahl, die Oberhuber selbst getroffen hat, im Heiligenkreuzerhof ausgestellt. Die Ideen zum Display der Ausstellung und die Hängung selbst stammen ebenfalls von Oberhuber. Er war als Ausstellungskurator bereits legendär, als ich im Jahr 1986 als Lehrbeauftragter erstmals an die Angewandte kam. Dass ich heute an dieser Hommage an Oberhubers Mäzenatentum mitwirken darf, ist eine besondere Freude. Ich danke Eva Maria Stadler für die kuratorische Zusammenarbeit bei diesem schönen Projekt. Anja Seipenbusch (Informations- und Veranstaltungsmanagement), Christian Schneider (Ausstellungsaufbau) und das Team von Kunstsammlung und Archiv, vor allem Silvia Herkt und Nathalie Feitsch, waren verlässliche Partnerinnen und Partner in der Umsetzung von Ausstellung und Publikation. Möge etwas vom Dank der Angewandten an ihren Mäzen Oswald Oberhuber dadurch sichtbar werden! Patrick Werkner, Institutsleitung Kunstsammlung und Archiv Universität für angewandte Kunst Wien Presse & Medienkommunikation Oskar-Kokoschka-Platz 2, A-1010 Wien T: +43 (0) 1 711 33-2004 [email protected], www.dieangewandte.at
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