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LEBEN & GESUNDHEIT
Krankenhaus Wien
Es hämmert, es hämmert
Wer kennt sie nicht, diese Szene aus der Sissi-Trilogie von Ernst Marischka, in
der sich die Herzogin Ludovika vor Kopfschmerzen an die Schläfen greift und
„es hämmert, es hämmert“ ruft. Diese Szene finden die meisten zum Schmunzeln,
dabei wird aber vergessen, dass viele Menschen unter Kopfschmerzen leiden
und es sich dabei um eine ernstzunehmende Krankheit handelt.
TEXT: CHRISTA PRAHER-ENNÖCKL
B
Oberärztin Dr. Verena
Lang ist Neurologin
am Krankenhaus der
Barmherzigen Brüder
Wien (Vorstand der
Neurologischen Abteilung: Prim. Univ.-Prof.
Dr. Wilfried Lang).
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ei Kopfschmerzen unterscheidet man
grundsätzlich zwischen primären und
sekundären Kopfschmerzen, wie Oberärztin
(OA) Dr. Verena Lang, Neurologin am Krankenhaus der Barmherzigen Brüder Wien,
ausführt. Unter primären Kopfschmerzen versteht man jene Kopfschmerzen, bei denen keine Strukturläsionen wie Narben oder Verletzungen nachweisbar sind. Dazu zählen unter
anderem Migräne (mit und ohne Aura), der
Spannungskopfschmerz (episodisch selten
oder häufig bzw. chronisch auftretend) sowie
der Cluster-Kopfschmerz.
Sekundäre oder symptomatische Kopfschmerzen sind solche, die als Symptom anderer Erkrankungen auftreten und häufig mit
einer strukturellen Läsion wie einer Narbe
oder Verletzung einhergehen. Dazu zählen
beispielsweise Erkrankungen des Gehirns
(Gefäßverschlüsse, Blutungen, Thrombosen,
Tumore, Metastasen, entzündliche Erkrankungen wie Meningitis, Enzephalitis etc.),
Gefäßerkrankungen wie Einrisse in der Halsschlagader (Dissektion) oder entzündliche
Gefäßprozesse (Arteriitis temporalis), aber
auch Erkrankungen im Bereich der Augen
(Glaukomanfall), der Zähne, des Kiefergelenks oder aus dem HNO-Bereich. Häufiger
Auslöser sind auch Fehlhaltungen und falsche Belastungen vor allem im Wirbelsäulenbereich. Der Kopfschmerz kann auch als
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Symptom einer Blutdruckentgleisung auftreten. Nicht unerwähnt bleiben soll in diesem
Zusammenhang der Kopfschmerz als Folge
eines Schmerzmittelübergebrauchs („medikamenteninduziert“).
Von allen genannten Kopfschmerzen sind
der Spannungskopfschmerz und die Migräne
die am allerhäufigsten auftretenden. Es gibt
kaum jemanden, der nicht im Laufe des Lebens zumindest einmal darunter leidet, woraus sich auch eine enorme sozioökonomische
Bedeutung ergibt. Insgesamt können laut
internationaler Nomenklatur über 250 Kopfschmerzarten unterschieden werden. „Viele
davon sind selten oder Raritäten, die auch ein
Neurologe oder eine Neurologin kaum oder
nie in der täglichen Praxis sehen wird“, weiß
die Medizinerin.
Diagnostik
Um den Kopfschmerz einer der genannten
Kategorien zuordnen zu können, ist ein ausführliches Anamnesegespräch wichtig und es
gilt, sich ausreichend Zeit zu nehmen, und
auch genaues Zuhören ist absolut notwendig. In weiterer Folge werden nach Bedarf
Zusatzuntersuchungen, vor allem bildgebende Verfahren (CT oder MRT) durchgeführt.
Es ist auch wichtig zu beachten, dass häufig
eine Mischform aus unterschiedlichen Kategorien besteht. „Im Vorfeld ist es sinnvoll,
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Kopfschmerzen sind
eine ernstzunehmende
Erkrankung, weshalb
die Ursachen unbedingt abgeklärt werden
müssen.
Fehlhaltungen und
falsche Belastungen,
vor allem im Wirbelsäulenbereich, können
auch zu Kopfschmerzen
führen.
wenn der/die Patient/in ein KopfschmerzTagebuch führt, in das Häufigkeit, Lokalisation, Qualität, Intensität, Verlauf, Beginn,
Begleiterscheinungen und Auslöser des
Schmerzes eingetragen werden“, informiert
OA Dr. Verena Lang. „Absolute Warnsignale,
die neurologisch abgeklärt werden müssen“,
so die Neurologin, „sind erstmals auftretende Kopfschmerzen, jede deutliche Änderung
des Schmerzcharakters oder der Schmerzintensität, Begleiterscheinungen wie Fieber,
Schläfrigkeit, Verlangsamung ebenso wie
das Auftreten von neurologischen Ausfällen
(Lähmung, Gefühlsstörung) oder epileptische Anfälle.“
Fotos: Barmherzige Brüder Wien, Sebastian Kaulitzki/Fotolia.com
Therapieoptionen
Es besteht die Möglichkeit einer medikamentösen oder nichtmedikamentösen Therapie.
Welches Medikament verInsgesamt können laut ordnet wird, ist in erster
Linie von der Art des Kopfinternationaler Nomenklatur schmerzes abhängig. Tritt
über 250 Kopfschmerzarten beispielsweise ein Spanunterschieden werden. nungskopfschmerz episodisch selten auf, weiß der/
die Patient/in meist sehr gut, welches gängige Analgetikum hilft und vertragen wird. In
diesem Fall ist auch nichts gegen eine Selbstmedikation einzuwenden. Bei Migräneattacken sind bestimmte Substanzen (Triptane)
gut wirksam, die jedoch nur nach Verordnung
durch einen neurologischen Facharzt eingenommen werden dürfen. „Bei sehr häufigen
Migräneattacken kann auch eine prophylaktische (vorbeugende) Therapie sinnvoll sein“,
erklärt OA Dr. Verena Lang.
Die Therapie kann aber auch ohne Medikamente auskommen. Viele der PatientenInnen
kennen „ihre Kopfschmerz-Auslöser“ sehr gut,
manche davon sind vermeidbar (wichtig ist
ein geregelter Lebensrhythmus, ausreichender
Schlaf, Selbstbeobachtung, indem beispielsweise bestimmte Nahrungsmittel als mögliche
Auslöser erkannt werden). „Stress und psychische Belastungen haben einen wesentlichen
Einfluss auf die Häufigkeit und auch das Empfinden von Schmerz“, so OA Dr. Lang. „Die negative Erwartungshaltung ist einer der größten
Auslöser für eine Schmerzattacke!“
Regelmäßiger moderater Ausdauersport,
Pilates und Rückentraining haben ebenso
wie Stressbewältigungsstrategien eine große Wichtigkeit in der Prävention. „Vor allem
durch Pilates können Fehlhaltungen vermieden bzw. korrigiert werden, das stabilisierende ,Muskelkorsett‘ aus tiefer Rücken-, Bauchund Beckenbodenmuskulatur wird gekräftigt
und die gesamte Körperwahrnehmung zum
Positiven verändert! Ich selber bin seit vielen Jahren begeisterte Pilates-Anhängerin“,
­betont OA Dr. Lang.
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