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Die Qual der Wahl
von Matthias Häfliger
„Bitte arbeite aufmerksamer mit“, sagt der Geschichtslehrer zu Eduard, der den Lehrer
erschrocken aus tiefen Augenringen ansieht. Wieder einmal hat er in der Nacht zuvor zu
wenig geschlafen und muss nun irgendwie diesen Montagmorgen überstehen. Eduard sieht
auf das Blatt seines Pultnachbars und bemerkt, dass er länger in seiner imaginären Welt
verbrachte hatte, als gedacht. Er schreibt die Notizen seines Kollegen ab und träumt wieder
von Vin Diesel, Dwayne Johnson und schnellen Autos. Die Glocke schüttelt ihn aus seinem
Tagestraum. Noch etwas träge geht er zum Lichthof.
Jakob, Sira und Sari sind mit Eduard in der Klasse und warten gemeinsam auf Manuel, der
in einer anderen 5. Klasse an der KSR ist. „Wohin gehen wir essen?“, fragt Sari ihre
Kollegen und bekommt von Manuel sofort eine entschiedene Antwort. Auf dem Weg zur
Pizzeria, die von der KSR in fünf Minuten erreichbar ist, kommt die Frage auf, wie man
Eduard aufwecken könnte, so dass er zumindest im Nachmittagsunterricht nicht schon
wieder vor der Englischlehrerin einschläft. „Es gibt einen Yoga-Raum im Keller, wo man CDs
hören und auf bequemen Kissen sitzen kann“, schlägt Sira Eduard vor. „Dort kann man
abschalten und an anderes als die Schule denken“, pflichtet ihr Jakob bei. „Jedoch“,
widerspricht Manuel, „kann man dort so gut abschalten, dass uns Eduard definitiv einnickt
und dann den ganzen Englischunterricht verpasst.“ Die Gruppe geht lachend in die Pizzeria
und jeder bestellt für sich eine Pizza. Draussen auf der Terrasse lassen die Jugendlichen
ihre Körper von der warmen Frühlingssonne aufwärmen . Sie scheint Eduard zu wecken,
denn er meint plötzlich, er würde am liebsten in den Tischfussballraum im Keller gehen.
Sofort leuchten die Augen von Manuel auf: "Ja, das ist eine gute Idee, um dich auf andere
Gedanken zu bringen". Sira seufzt und meint: "Tischfussball macht Spass, aber dort unten in
einem Bunker zu spielen, finde ich ein bisschen unheimlich, und ausserdem hat es einen
unangenehmen Geruch. Hastig schlingt Jakob ein Pizzastück hinunter und findet: "Bei solch
einem wunderbaren Wetter wie heute würde ich am liebsten auf die Dachterrasse der Schule
gehen, auf einem Stuhl sitzen und die schöne Aussicht geniessen". Sari fügt an: "Heute ist
das Wetter viel zu schön, um in einem Bunker Tischfussball zu spielen. Wir können wieder in
den Bunker gehen, wenn es regnet". Daraufhin nicken die anderen zustimmend, essen noch
schnell die letzten Pizzastücke auf und machen sich auf den Weg zurück an die Schule. Auf
dem Weg erinnert Manuel die anderen daran, dass er heute seine Sportsachen
mitgenommen habe, um in den Kraftraum zu gehen. Eduard, der seine Müdigkeit
inzwischen ablegt hat, argumentiert überzeugend: "Du kommst besser mit uns mit. So kurz
vor dem Sommer ist das kleine Fitnesscenter der Schule voll mit durchtrainierten Jungs".
Sira fügt hinzu: "Heute ist es wirklich schönes Wetter, das verpflichtet zur Musse". "Nun ja",
erwidert Manuel, "es haben nicht alle Jungs protzende Muskeln. Es gibt auch einige, die
Fitnesstanktops tragen und dabei so dünn wie eine Nudel sind". "Gerade solche probieren
durch den Muskelzuwachs ein besseres Selbstwertgefühl zu bekommen", sagt Sari mit
einem kritischen Blick. "Da Manuel genug selbstbewusst ist, kann er uns auf die
Dachterrasse begleiten", wirft Jakob augenzwinkernd ein. "Ja gut, ihr habt mich überredet".
Zusammen gehen sie schwatzend zur Schule zurück und direkt in den obersten Stock. Dort
durchqueren sie die Bibliothek, die trotz schönsten Wetters rege von lernenden SchülerInnen
besucht ist. Da muss eine wichtige Prüfung anstehen, denken sich die fünf und sind froh,
selber heute den Mittag auf der Dachterrasse ausklingen lassen zu können. Das schlechte
Wetter und die nächste Prüfung kommen bestimmt.