Vorbereitung - Frieder Gamm

Vorbereitung
Wie Sie Verhandlungen professionell vorbereiten
Verhandeln kann ja jeder!?!
Das ganze Leben besteht aus
Verhandeln. Das geht am
Sonntagmorgen um 6.00 Uhr los, wenn
meine Tochter zu früh aufwacht (wer
kümmert sich jetzt um sie?) und hört
am Sonntagabend mit der Verhandlung
auf, wer denn nun das vergessene Licht
im Gang ausmacht. Und dazwischen
liegen schätzungsweise 100 bis 300
Verhandlungen.
Bei der Fülle an Verhandlungen sollte
man ja nun meinen, dass wir alle Profis
darin sind. Erfahrung haben wir ja
zuhauf! Wer es lange genug macht, wird
es schon gut können... Ist allgemein
die Meinung. Ist das wirklich so? Ist
ein 60-jähriger Autofahrer wirklich ein
besserer als ein 40-jähriger, nur weil er
20 Jahre länger auf der Autobahn mit
110 auf der linken Spur den Verkehr
behindert?
Ebenso ist es mit dem Verhandeln.
Wir alle verhandeln schon seit unserer
Geburt. Eigentlich sollten wir das ja
bestens beherrschen. Tun wir aber
54
nicht! Oder wie kommt es, dass manche
eben bessere Ergebnisse erreichen,
wir aber immer etwas mehr bezahlen?
Wie kommt es, dass manche im Beruf
vermeintlich immer Glück haben und
die guten Jobs bekommen. Während
andere Pech haben und eben den Rest
erledigen dürfen?
Verhandlungen vorbereitet. Als
professioneller Verhandlungsführer der
Firma Porsche war ich an unzähligen
Verhandlungen weltweit beteiligt.
Profitieren Sie von meinem reichen
Erfahrungsschatz und lernen Sie sich
auch in Ihren privaten Verhandlungen
geschickt zu verhalten.
Alles hat mit geschicktem Verhalten
zu tun. Und Verhandeln hat eben auch
sehr viel mit Verhalten zu tun. Wer sich
geschickt verhält, verhandelt eben auch
besser.
Was ist eine Verhandlung?
Wie kann ich mich in Verhandlungen
intelligent verhalten? Was sind die
Fallgruben, welche Tricks gibt es
und kann man sich überhaupt auf
Verhandlungen und Menschen
vorbereiten? Im Berufsleben bereiten
sich Verhandlungspartner sehr
professionell vor. Strategie und Taktik,
Zieldefinition und Worst-CaseSzenarien sind nur einige Begriffe der
professionellen Verhandlungsführung.
Ich habe jahrelang Einkäufer und
Verkäufer trainiert und auf wichtige
Laut Wikipedia ist eine Verhandlung
wie folgt definiert:
„Als Verhandlung wird die Besprechung
oder Erörterung eines Sachverhalts
verstanden, die der Herbeiführung
eines Interessensausgleichs zwischen
mindestens zwei Verhandlungspartnern
dient und wobei sich die Parteien durch
Interaktion untereinander einen Vorteil
gegenüber der aktuellen Situation
versprechen. Verhandlungen finden im
betriebswirtschaftlichen, juristischen,
soziologischen und privat-emotionalen
Bereich statt und sind in der Regel
freiwillig.“
Aha. Alles klar?
“Die Verhandlungsvorbereitung gleicht der
Besteigung eines scheinbar unüberwindbaren
Gebirges — jeder gezielte Schritt führt einen
näher zum Gipfel.”
Frieder Gamm
55
Vorbereitung
Wie Sie Verhandlungen professionell vorbereiten
Verhandeln kann ja jeder!?!
Das ganze Leben besteht aus
Verhandeln. Das geht am
Sonntagmorgen um 6.00 Uhr los, wenn
meine Tochter zu früh aufwacht (wer
kümmert sich jetzt um sie?) und hört
am Sonntagabend mit der Verhandlung
auf, wer denn nun das vergessene Licht
im Gang ausmacht. Und dazwischen
liegen schätzungsweise 100 bis 300
Verhandlungen.
Bei der Fülle an Verhandlungen sollte
man ja nun meinen, dass wir alle Profis
darin sind. Erfahrung haben wir ja
zuhauf! Wer es lange genug macht, wird
es schon gut können... Ist allgemein
die Meinung. Ist das wirklich so? Ist
ein 60-jähriger Autofahrer wirklich ein
besserer als ein 40-jähriger, nur weil er
20 Jahre länger auf der Autobahn mit
110 auf der linken Spur den Verkehr
behindert?
Ebenso ist es mit dem Verhandeln.
Wir alle verhandeln schon seit unserer
Geburt. Eigentlich sollten wir das ja
bestens beherrschen. Tun wir aber
56
nicht! Oder wie kommt es, dass manche
eben bessere Ergebnisse erreichen,
wir aber immer etwas mehr bezahlen?
Wie kommt es, dass manche im Beruf
vermeintlich immer Glück haben und
die guten Jobs bekommen. Während
andere Pech haben und eben den Rest
erledigen dürfen?
Verhandlungen vorbereitet. Als
professioneller Verhandlungsführer der
Firma Porsche war ich an unzähligen
Verhandlungen weltweit beteiligt.
Profitieren Sie von meinem reichen
Erfahrungsschatz und lernen Sie sich
auch in Ihren privaten Verhandlungen
geschickt zu verhalten.
Alles hat mit geschicktem Verhalten
zu tun. Und Verhandeln hat eben auch
sehr viel mit Verhalten zu tun. Wer sich
geschickt verhält, verhandelt eben auch
besser.
Was ist eine Verhandlung?
Wie kann ich mich in Verhandlungen
intelligent verhalten? Was sind die
Fallgruben, welche Tricks gibt es
und kann man sich überhaupt auf
Verhandlungen und Menschen
vorbereiten? Im Berufsleben bereiten
sich Verhandlungspartner sehr
professionell vor. Strategie und Taktik,
Zieldefinition und Worst-CaseSzenarien sind nur einige Begriffe der
professionellen Verhandlungsführung.
Ich habe jahrelang Einkäufer und
Verkäufer trainiert und auf wichtige
Laut Wikipedia ist eine Verhandlung
wie folgt definiert:
„Als Verhandlung wird die Besprechung
oder Erörterung eines Sachverhalts
verstanden, die der Herbeiführung
eines Interessensausgleichs zwischen
mindestens zwei Verhandlungspartnern
dient und wobei sich die Parteien durch
Interaktion untereinander einen Vorteil
gegenüber der aktuellen Situation
versprechen. Verhandlungen finden im
betriebswirtschaftlichen, juristischen,
soziologischen und privat-emotionalen
Bereich statt und sind in der Regel
freiwillig.“
Aha. Alles klar?
57
Einfacher definiert, beginnt eine
Verhandlung da, wo meine Tochter
im Supermarkt einen Lolli, ein
Überraschungsei, ein Pferdeheft und
eine Packung Gummibären haben
möchte – ich aber nichts davon kaufen
möchte.
Ein paar Beispiele, eventuell auch aus
Ihrem Alltag:
Der alte Wagen läuft noch ganz gut,
der neue sieht aber viel besser aus.
Neben der Verhandlung mit sich selbst
(der tut’s ja eigentlich noch ganz gut)
steht dann die Verhandlung mit dem
Autohändler an („ob der Wagen morgen
noch da ist kann ich Ihnen nicht
garantieren“).
Das lang gesuchte Traumhaus! Endlich
hat Ihre Frau es gefunden. Und sagt das
beim ersten Besichtigen auch gleich dem
Makler. Dieser gibt Ihrer Frau natürlich
auch gleich recht. So ein Schmuckstück
findet man nicht alle Tage!
Die Beförderung steht an. Ihr Chef lobt
Sie über alle Maßen vor den Anderen.
Wenn es einer verdient hat, dann Sie.
Was er nicht erwähnt ist, dass die
Krise und die damit verbundenen
Budgetkürzungen leider auch die
fällige Gehaltserhöhung verschlungen
hat. Sie haben jetzt zwar mehr
Verantwortung, jedoch nicht mehr
Gehalt. Glückwunsch!
Sie waren im Urlaub auf Mallorca. Das
Wetter war zwar wie Sie es erwartet
haben, doch das Hotel entsprach nicht
ganz der Beschreibung des Katalogs. Sie
würden gerne einen Teil Ihres Geldes
zurückbekommen. Geht das?
Ich könnte das ganze Buch füllen mit
typischen Situationen. Dabei sind noch
gar keine geschäftlichen Verhandlungen
mit inbegriffen.
Verhandlungen prägen unseren Alltag.
Sie finden permanent statt, auch wenn
wir gar nicht merken, dass wir mitten
drin stecken. Und - schwupps – haben
wir schon wieder verloren.
Sobald es darum geht, dass ich meine
Interessen gegen einen Anderen
durchsetzen möchte, ist das eine
58
Verhandlung. Wenn einer etwas von
mir möchte, ist das eine Verhandlung.
Genauso sind wir schon dabei,
wenn zwei aufeinander treffen und
unterschiedliche Positionen haben.
wenn jemand einbricht, bleibt ihm nur
noch unvorbereitetes Improvisieren.
Wie bereite ich mich auf eine
Verhandlung vor? Tja, ehrlich gesagt,
die meisten bereiten sich gar nicht
darauf vor. Sie wissen ja auch im
schlechtesten Falle gar nicht, dass eine
ansteht. Oder sie sich bereits in einer
befinden. Was dann kommt, ist reine
Improvisation. Sie wursteln sich so
durch. Und wundern sich, wenn Sie am
Ende nicht das Ergebnis bekommen,
welches sie sich vorgestellt haben.
Wir beginnen mit der körperlichen
Vorbereitung:
Und dieses kleine Detail ist auch die
erste Grundlage für Ihren Erfolg.
Ein kleiner Dialog in „Alice im
Wunderland“ erklärt das ganz deutlich:
Sie kam auf ihrer Reise an eine
Weggabelung, an der der Kater saß.
„Welchen Weg muss ich denn nehmen?“,
fragte sie ihn. „Wohin willst Du denn?“,
fragte der Kater zurück. „Das weiß ich
nicht“, war Alices Antwort. „Dann ist es
egal“, erwiderte der Kater.
Wenn Sie also kein Ziel haben,
kommen Sie auch nirgendwo an. Nur
dann können Sie sich eine Strategie
zurecht legen, selbst wenn Sie nicht gut
vorausdenken
„Strategie ist der Sieg der Einfälle in
der Vorbereitung – über die Zufälle
in der Verhandlung.“ Das ist einer
der Kernsätze in der professionellen
Verhandlungsführung. Was sagt das
aus? Oft erlebe ich Verhandlungsführer,
die zugeben, dass das Improvisieren
ihre eigentliche Stärke ist. Jemand, der
zugibt, stark im Improvisieren zu sein,
gibt tatsächlich zu, dass er schwach in
der Vorbereitung ist. Und was hat dieser
Verhandler folglich nicht? Eine Strategie.
Denn diese basiert auf Vorbereitung.
Und in schwierigen Debatten hängt
sein Erfolg oft von Glück und
Zufall ab, statt von professioneller
Verhandlungstechnik.
In der Vorbereitung definiert ein
Experte, wie dick das Eis ist, auf dem
er sich während der Verhandlung
bewegt. Gute Vorarbeit bedeutet dabei
dickes und tragfähiges Eis, mangelhafte
Vorbereitung führt zu dünnem Eis. Und
Wie sieht nun eine Erfolg bringende
Vorbereitung aus?
Persönliche Fitness
Damit ist nicht gemeint, dass Sie zehn
Kilometer in unter 50 Minuten laufen
können. Wobei das schon mal nicht
schlecht ist. Worum es hier geht ist,
dass Sie ausgeschlafen sind. Wer am
Abend vorher bis morgens um vier Uhr
um die Häuser zieht, ist nicht wirklich
ausgeruht.
Gehen Sie weder hungrig noch mit
vollem Magen in ein Gespräch. Richtig
verhandeln ist anstrengend wie Sport.
Vor dem Joggen essen Sie auch keine
Haxn mit Knödel. Ich habe immer
etwas Traubenzucker mit dabei. Und
Nüsse. Sobald ich merke, meine
körperliche Leistungsbereitschaft lässt
nach, versorge ich meinen Körper mit
Brennstoff.
Seien Sie passend gekleidet. So, dass
Sie sich der Verhandlung und dem
Gegenüber angemessen gekleidet
fühlen. Die Kleidung ist meine
Ritterrüstung in der Verhandlung. Eine
Krawatte kann ich leichter entfernen, als
mir eine herzuwünschen. Es ist besser,
zu schnieke als zu lässig gekleidet zu
sein. Downsizen im Gespräch geht
immer, upgraden ist eher schwierig.
Das war die persönliche Vorbereitung.
Kommen wir nun zur Inhaltlichen:
Wir unterteilen die Vorbereitung in drei
verschiedene Abschnitte:
1. Ausgangsposition
Wo stehe ich?
2. Zieldefinition
Wo will ich hin?
3. Strategie und Taktik
Wie komme ich dahin?
Zur Ausgangsposition gehören alle
Punkte, die mir helfen, meine Position
zu verstehen. Wie stark bin ich? Wie ist
das Umfeld, in dem ich mich bewege?
Mit wem habe ich es zu tun?
“Es ist besser eine Waffe zu haben, wenn
man sie nicht braucht, als eine zu brauchen,
wenn man sie nicht hat.”
Zitat aus dem Film True Romance
Aber erst mal der Reihe nach:
Ich werde die Verhandlungsvorbereitung
anhand des Beispiels „Kauf eines
gebrauchten BMWs“ darstellen. Genau
so einen wollte mein Vater vor 3 Jahren
erstehen. Wie gingen wir damals vor?
1. Ausgangsposition:
Mein Vater hatte sich ein genaues
Budget definiert, welches er bereit war
zu investieren. Das waren exakt 30.000
€. Seinen alten Wagen hatte er bereits
verkauft, sodass er keinen in Zahlung
geben musste. Übergangsweise fuhr er
mit dem Wagen meiner Mutter. Und als
Rentner war er beruflich nicht auf einen
Wagen angewiesen.
Der Gebrauchtwagenmarkt in
Deutschland ist gottseidank sehr
übersichtlich abrufbar. Unter
Plattformen wie mobile.de, autoscout24.
de oder gebrauchtwagen.de finde ich
tausende Autos aus ganz Deutschland.
Über einen Konfigurator kann ich nun
wie bei einem Neuwagen genau das
Auto zusammenstellen, welches ich
gerne hätte.
Mein Vater wollte einen drei
Jahre alten BMW 330d mit
Automatikschaltung, Anhängekupplung
und Lederausstattung. Kilometer nicht
mehr als 40.000 und auch ein großes
Navigationsgerät war ihm wichtig. Das
waren die Muss-Ausstattungsmerkmale.
Dazu kamen eine Reihe von KannMerkmalen wie Tempomat, Schiebedach
oder Felgendesign.
Als Ergebnis kamen aus unserer
Recherche fünf Fahrzeuge in die nähere
Auswahl. Dummerweise waren diese
über ganz Deutschland verteilt, sodass
wir nicht alle anschauen konnten.
Wir entschieden uns für den BMWHändler in Bonn. Warum? Ich hatte in
der kommenden Woche ein Seminar in
Köln von Donnerstag bis Freitag. Unser
Plan war, am Freitag um 17.30 Uhr uns
in Bonn am Bahnhof zu treffen und
dann gemeinsam zum BMW-Händler
zu gehen.
spielt hier die Zeit eine Rolle? Ich war
sowieso auf dem Heimweg von Köln
und komme an Bonn vorbei. Mein Vater
als Rentner hat ja sowieso Zeit (ich weiß,
dass jetzt alle Rentner vehement den
Kopf schütteln, sorry). Der Verkäufer
aber steht eine halbe Stunde vor dem
Wochenende.
So. Jetzt halten wir erst einmal inne.
Wie stellt sich unsere Ausgangsposition
bisher dar? Was haben Sie bisher
darüber erfahren? Ich erläutere jetzt
Schritt für Schritt, welche Informationen
welche Bedeutung haben.
Auch hier noch eine kurze Bewertung
der Ansicht des Verkäufers. Wie sieht
er seinen Freitagabend? Da kommen
Vater und Sohn „extra“ aus Stuttgart
angereist und interessieren sich für
einen gebrauchten BMW. Die kommen
um 17.30 Uhr. Welcher Film läuft
da im Kopf des Verkäufers ab? 18.00
Uhr, maximal 18.30 Uhr ist das Auto
verkauft, die Provision gesichert und
dann ab ins Wochenende. Ein schöner
Abschluss der Woche. Ein entspanntes
Gefühl.
Zuerst haben wir erfahren, dass
mein Vater ein genaues Budget zur
Verfügung hat. Er weiß also genau,
wie viel Geld er investieren kann. Es
macht also genauso wenig Sinn bei
dem definierten Budget von 30.000
€ nach zehn Jahre alten Autos zu
schauen, wie nach einem neuen
BMW. Das Budget hat ihm geholfen
zu verstehen, nach welchem Auto
er realistisch schauen kann. „Seinen
alten Wagen hatte er bereits verkauft“
bindet ihn nicht an einen Händler,
der ihm vermeintlich am meisten
Geld gibt für die Inzahlungnahme des
alten Fahrzeugs. Das verbessert die
Verhandlungsposition deutlich.
Er hatte auch als Übergangswagen
das Fahrzeug meiner Mutter. Das
nimmt ihm den Zeitdruck, schnell
ein Fahrzeug kaufen zu müssen.
Ebenso war er als Rentner nicht
beruflich drauf angewiesen. Unter
Zeitdruck verschlechtert sich meine
Ausgangsposition deutlich.
Kommen wir zur letzten Information,
die es zu bewerten gilt: Der Termin war
Freitagabend um 17.30 Uhr. Für wen
Am Freitagmorgen habe ich mir im
Hotel noch schnell die anderen vier
Fahrzeuge ausgedruckt. Warum? Das
sind meine Alternativen. Und ich habe
mit gelbem Leuchtstift alle Merkmale
hervorgehoben, die uns wichtig
waren. Das sind also glaubwürdige
Alternativen. Dass von den vier
Fahrzeugen wenigstens zwei günstiger
im Preis waren als der des besuchten
BMW-Händlers in Bonn, versteht sich
von selbst.
Ebenso hatte ich mir den Fahrplan
von Bonn nach Stuttgart ausgedruckt.
Dieser dokumentiert die stündlichen
Verbindungen und damit die
Möglichkeiten, auch ohne gekauftes
Auto wieder heimzukommen. Das war
sozusagen unser Plan B.
Bevor wir jetzt weiter im Kauf des
BMWs gehen, müssen wir kurz zur
59
Struktur der Vorbereitung zurück
kommen.
1. Ausgangsposition
Wo stehe ich?
2. Zieldefinition
Wo will ich hin?
3. Strategie und Taktik
Wie komme ich dahin?
Die Ausgangsposition haben wir gerade
analysiert und definiert. Kommen wir
jetzt zur Zieldefinition.
2. Zieldefinition
Ein Ziel sollte immer wenigstens
zwei Bestandteile haben: Zum Einen
realistisch, also umsetzbar und messbar.
Des Weiteren unterteilt es sich in ein
Minimal- und ein Maximalziel.
Was heißt das konkret? Mein Vater
hatte ein Budget von höchstens 30.000
€ bereitgestellt. Im schlechtesten Falle
wollte er das bezahlen, das war sein
Minimalziel. Alles was besser als dieses
Ergebnis war, war gespartes Geld. Sein
Maximalziel – also der beste Fall – für
diese Verhandlung war aus den anderen
Angeboten abgeleitet. Derselbe BMW
in Hamburg war bereits für 27.000 € zu
haben, also 10% günstiger. Aber eben
in Hamburg. Darüber hinaus hatte er
sich weitere Ziele definiert: Dachträger,
Winterräder, Fußmatten, neue
Navigations-DVD und weiteres.
Wenn wir das alles nicht kostenlos dazu
bekommen können, dann vielleicht
wenigstens zu Einkaufskonditionen.
Dabei verliert der BMW-Händler kein
Geld, wir aber sparen gehörig.
Als sogenanntes „Worst-Case-Szenario“–
was tue ich wenn ich mein Minimalziel
nicht erreiche? – war für uns klar,
62
dass wir eben mit einem nächsten Zug
wieder nach Hause fahren würden.
Ehrlich gesagt, statt freitagabends
von Bonn auf der Autobahn im Stau
nach Stuttgart zu fahren, nicht die
schlechteste Alternative...
Damit waren unsere Ziele und unser
Worst-Case-Szenario definiert. Das
haben wir übrigens in den fünf Minuten
Taxifahrt vom Bahnhof Bonn zum
BMW-Händler gemacht.
Kommen wir nun zum dritten Punkt.
3. Strategie und Taktik – Wie erreiche
ich mein Ziel?
Welche Maßnahmen kann ich
dafür ergreifen? Die professionelle
Verhandlungsführung unterscheidet
vier unterschiedliche Strategien:
Druck, Partnerschaft, Ausweichen
und Nachgeben. Strategien geben die
Richtung vor für das Vorgehen in einer
Verhandlung. Eine Strategie wird dann
mittels einzelner Taktiken umgesetzt.
Konkret sieht das wie folgt aus:
Druck als Strategie kann beispielsweise
mit der Taktik „Drohen“ umgesetzt
werden. Ich drohe dem Anderen
Konsequenzen an. Wenn nicht, dann
aber! Oder Wettbewerb: Sobald
Sie einen möglichen Wettbewerber
erwähnen, ist das Druck für den
Anderen. Was glauben Sie, wie oft
ich schon Rabatt im Elektrohandel
bekommen habe, nur weil ich ein
Inserat des Wettbewerbers dabei hatte.
Das geht schneller und einfacher, als
man glaubt.
Vom Verhalten her wird man bei der
Strategie Druck aggressiv. Lauterer
Ton, klare Worte und entsprechende
Körpersprache signalisieren dem
Gegenüber, dass mit Ihnen nicht zu
spaßen ist. Wenn man im Restaurant
zum x-ten Male den Finger oben
hat, der Kellner einen aber immer
noch geflissentlich übersieht, dann
hilft ein „Bekomme ich heute noch
die Gelegenheit, ein zweites Bier zu
bestellen?“ im entsprechenden Ton
und ruckzuck steht das lang ersehnte
Bier vor mir. Der Wechsel dann auf
„Partnerschaft“ und ein freundliches
„Danke“ oder „Geht doch, warum nicht
gleich so“ lässt den Kellner sicher Ihren
Tisch aufmerksamer in den Augen
behalten.
Zeitdruck ist auch ein probates Mittel
des Druck-Machens. Und besonders in
Kombination mit der Erwähnung eines
Wettbewerbers.
Emotionaler Druck klappt auch sehr
häufig. Viele gerissene Verhandler
setzen auf diese Karte. Und versuchen
mit den ausgelösten Emotionen ihre
Ziele zu erreichen.
Sie sehen, Taktiken der Strategie
„Druck“ zielen oft darauf, etwas gegen
den Willen des Anderen zu bekommen.
Die Basis für die Strategie
„Partnerschaft“ ist, etwas gemeinsam
erreichen zu wollen. Dazu hilft
es ungemein, wenn man erst mal
weiß, wo der Andere steht und
was seine Wünsche sind. Fragen
stellen und - ACHTUNG – zuhören
sind dabei hilfreiche Werkzeuge:
Berührungspunkte erarbeiten, eine
gemeinsame erfolgreiche bisherige
Vergangenheit oder die Beziehung
hervorheben.
Mir hilft bereits eine schöne Tasse
Cappuccino, um mich wohl zu fühlen,
ein Lächeln, ein freundliches Wort. Dem
anderen genügend Zeit geben und sich
selbst Zeit nehmen. „Einen Moment
mal, ich schalt mein Handy auf lautlos,
damit wir uns in Ruhe unterhalten
können“, signalisiert dem Anderen, dass
man ganz für ihn da ist.
Eines der geheimen Zauberworte,
auf welches ich immer reagiere, ist
Wertschätzung. Ein freundliches „Bitte“
gefolgt von einem „Danke“ macht es mir
oft schwer „Nein“ zu sagen.
Wann wähle ich die Strategie
„Ausweichen“?
Dafür gibt es unterschiedliche Anlässe.
Ein Grund kann sein, dass mir jemand
eine Verhandlung aufs Auge drücken
64
möchte, die ich aber nicht möchte.
Ein erfahrener Verhandler weicht aber
auch dann aus, wenn er zum jetzigen
Zeitpunkt für die Verhandlung schlecht
vorbereitet ist, aber in drei Wochen
schon viel besser. Das ist ungefähr so,
wie wenn Sie einen Fünf-KilometerLauf absolvieren sollen, aber dafür
noch keinen Schritt trainiert haben.
In drei Monaten sind Sie mit etwas
Vorbereitung mit Sicherheit viel besser
in der Lage, ein gutes Ergebnis zu
erreichen als heute.
Ein weiterer Grund für die Strategie
„Ausweichen“ ist folgende Situation: Ich
habe eine schlechte Ausgangsposition
für eine Verhandlung und kann dabei
nichts gewinnen. Hier empfiehlt es sich,
solange wie möglich auszuweichen, um
den dann möglicherweise entstehenden
Schaden eben so lange wie möglich zu
vermeiden.
Als letztes gibt es nun noch die Strategie
„Nachgeben“. Wann sollte man denn
nachgeben? Wenn die Konsequenzen
des Standhaft-Bleibens schlimmer
sind als nachzugeben. Oder wenn Sie
alles erreicht haben. Dann können Sie
entspannt großzügig sein.
Nachdem wir nun die unterschiedlichen
Strategien kennengelernt haben,
kommen wir zurück zum Beispiel mit
dem Kauf des gebrauchten BMWs.
Wir waren also im Taxi auf dem Weg
zum BMW-Händler und stimmten uns
strategisch ab.
Wenn Vater und Sohn gemeinsam
aufschlagen, liegt eine Taktik à la „Good
Guy, Bad Guy“ aus der Strategie „Druck“
nahe. Nur stellt sich die Frage, wer spielt
nun wen? Angenommen, mein Vater
wäre der „Good Guy“ und ich wäre der
„Bad Guy“. Was passiert während der
Verhandlung? Der Verkäufer wird sich
auf meinen Vater konzentrieren. Denn
er ist der Gute. Dazu kommt, dass er
sowohl der Budgethalter, Bedarfsträger
und Entscheider ist. Was bin ich? Nur
der „lästige Köter“, der am Hosenbein
zerrt. Was passiert mit mir während der
Verhandlung? Ich werde vom Verkäufer
ignoriert und aus der Verhandlung
ausgeschlossen.
Also andersrum: Mein Vater könnte als
der Böse und mäkelnde auftreten, ich als
der Gute und Zusagende. Doch auch das
schien von wenig Erfolg gekrönt.
Wir haben zu einer kleinen List
gegriffen. Mein Vater stellte mich
zu Beginn vor als seinen Sohn, der
zehn Jahre bei Porsche gearbeitet
habe und großes Wissen über Autos
besäße. Deshalb würde ich auch den
Fahrzeugkauf entscheiden. Somit
konnte ich den „Bad Guy“ spielen, war
aber der Entscheider und durfte deshalb
vom Verkäufer nicht ignoriert werden.
Wir standen etwa eine halbe Stunde um
das Auto herum, bevor es in das Büro
des Verkäufers ging. Wir haben alle
Karten gespielt und zwischendurch habe
ich in Sichtnähe des Verkäufers für 20
Minuten telefoniert. Mein Vater konnte
sich während dem hervorragend mit
Katalogen beschäftigen.
Nach und nach verabschiedeten sich
seine Kollegen von ihm. „Tschüüüüs,
schönes Wochenende und bis Montag“
bekam er zu hören. Nur in seinem Büro
brannte noch Licht. Es war gegen 19.30
Uhr, als wir alle unsere Forderungen
erfüllt bekamen und der Verkäufer zum
Abschluss noch den Tank komplett
auffüllte.
Denn das einzige Ziel, welches der
Verkäufer noch hatte war: Hauptsache,
die gehen endlich. Den Wunsch haben
wir ihm dann erfüllt.
Diese strukturierte Vorgehensweise
können Sie geschäftlich wie privat bei
Verhandlungen anwenden.
Natürlich benötigt das professionelle
Vorbereiten einer geschäftlich wichtigen
Verhandlung mehr als fünf Minuten
Taxifahrt. Aber von der Methodik her
wird es sich ähnlich abspielen.
Zum Abschluss noch ein Beispiel
aus einer Verhandlung eines
Automobilherstellers mit einem
monopolistischen Lieferanten.
Ein bekannter deutscher
Automobilhersteller verhandelte 3 Jahre
erfolglos mit einem monopolistischen
Zulieferer aus der Lackbranche. Die
qualitativen Anforderungen an einen
bestimmten Lack wurden von der
Entwicklungs- und Qualitätsabteilung
so hoch geschraubt, dass aus einem
eigentlichem Wettbewerbsmarkt nur
noch ein Anbieter übrig geblieben ist.
Ein selbst gemachter Monopolist. Und
an diesem biss sich seit drei Jahren der
Einkauf die Zähne aus. Die gewählte
Strategie war Druck und die Taktiken
dem entsprechend: Terminvorgaben,
warten lassen, keine Getränke und
im Gespräch selbst nur Vorgaben
und Vorhaltungen. Das Ergebnis war
ebenfalls dem entsprechend: Null.
Im vierten Jahr wurde die Frieder
Gamm Group mit dem Coaching
der Verhandlung beauftragt. Wir
gingen dabei wie folgt vor: am
ersten Tag wurden den Einkäufern
inklusive ihrer Vorgesetzten in einem
Schnellkurs die wichtigsten Inhalte
der Verhandlungsführung vermittelt:
Meta-Ebene, Struktur der Vorbereitung,
Ausgangssituation und daraus Ziele
definieren, Strategie und Taktik. Die
nächsten zwei Stunden erzählten
die Einkäufer alles was sie über den
Lieferanten, die Situation und die
bisherigen Verhandlungen wussten.
Viele Fragen brachten noch mehr
Antworten. Das Unwissen des Coaches
ist dabei der größte Vorteil: um sich ein
genaues Bild der Situation machen zu
können, muss er viele Fragen stellen.
Und um alles zu verstehen, wird die
Situation von allen Seiten beleuchtet.
Wir nennen das 360 Grad Betrachtung.
Nachdem die Ausgangssituation klar
war - „Wir haben ja wirklich nur den
einen Lieferanten. … Ja, der ist nicht
wirklich von uns abhängig.“ - ging es
daran realistische Ziele zu definieren. In
der Analyse kam beim Profiling heraus,
dass der Verkäufer des Lieferanten ein
großer Fan der Automarke ist. Und
schon lange von einem bestimmten
Sportwagen fasziniert ist.
Nach langer Beleuchtung und
Zieldefinition kam folgende
Vorgehensweise heraus:
entgegen der bisherigen Gepflogenheit
fuhren die Einkäufer des Autoherstellers
zum Lieferanten hin. Man nahm sich
dafür sogar zwei Tage Zeit. Der Plan war
am Vortag der Verhandlung anzureisen
und zwar mit dem Traumwagen des
Verkäufers. Die Einkäufer schauten
sich ausgiebig die Produktionsanlagen
65
des Lieferanten an. Entgegen der
Gewohnheit typischer Einkäufer wurde
dabei ausschließlich gestaunt und
gelobt. Viele Fragen zeigten das große
Interesse an den Prozessen. Es war eine
sehr interessante und harmonische
Werksbesichtigung. Zum Abendessen
wurde der Verkäufer dieses Mal vom
Kunden eingeladen. Und den Weg zum
Restaurant durfte er am Steuer seines
Traumwagens zurücklegen. Der Abend
war ohne jegliche Disharmonien und
sehr nett.
Am nächsten Tag stand die zweistündige
Verhandlung an. Diese lief wider
Erwarten sehr gut und der Einkauf trat
mit 10% Preisreduzierung den Heimweg
an. Gegen einen Monopolisten.
Was lernen wir daraus?
Verhandlungen finden zwischen
Menschen statt. Und wenn ich
meiner 9-jährigen Tochter erkläre
was sie tun muss, erklärt mir
diese, dass sie gar nichts müsse.
Ähnlich ist es mit monopolistischen
Verhandlungspartnern. Der Lieferant
musste nicht Entgegenkommen zeigen.
66
Aber entsprechend behandelt konnte er
entgegenkommend sein. Wenn er wollte.
Und die Kunst ist es herauszufinden,
wo der andere steht, welches seine Ziele
sind und wie er motiviert werden kann.