INNOVATIONS-INKUBATOR RESSOURCENORIENTIERTES VERHANDELN Ein Ratgeber für das Handwerk » www.leuphana.de/inkubator-kundenmanagement RESSOURCENORIENTIERTES VERHANDELN // INHALT RESSOURCENORIENTIERTES VERHANDELN // INHALT 5 VORWORT: WER GUT VERHANDELN KANN, HAT MEHR ERFOLG 7 8 9 10 11 13 14 15 KOMMUNIKATION: DIE BASIS ERFOLGREICHER KUNDENKONTAKTE Warum Gesprächsführung in Verhandlungen so wichtig ist Wie man Gespräche gezielt strukturiert Sammelphase: Aktives Zuhören als Werkzeug Beschlussphase: Ziel erreichen mit Leit- und Lenkfragen ERGEBNISSE VON VERHANDLUNGEN Verschiedene Lösungsarten von Verhandlungen Berichte aus dem Projekt: Einigungen in den befragten Betrieben 3 17 S TRATEGIEN FÜR GUTE LÖSUNGEN: VERHANDELN MIT SYSTEM 18 Allgemeine Strategien 20 Win-win-Strategien: Gemeinsam eine Lösung finden 22 Win-lose-Strategien: Sich in Verhandlungen durchsetzen 23 Was ist „ressourcenorientiertes“ Verhandeln? 25 25 26 26 VORBEREITUNGEN VON VERHANDLUNGEN Analyse: Genaue Vorbereitung im Vorfeld der Verhandlung Ausbau: Erweiterung der Verhandlung Anwendung: Strategien in der Verhandlung einsetzen 29 KONFLIKTE: UMGANG MIT SCHWIERIGEN VERHANDLUNGEN 29 Warum Konflikte entstehen 30 Der Weg aus dem Konflikt 33 V ERHANDLUNGEN BEI KOSTENVORANSCHLÄGEN 33 Wie lassen sich Nachverhandlungen auffangen? 34 Die Struktur von Kostenvoranschlägen: Was die erste Forschung sagt 37 D AS PROJEKT: VERHANDLUNGEN IM HANDWERK 38QUELLENVERZEICHNIS 39IMPRESSUM RESSOURCENORIENTIERTES VERHANDELN // VORWORT Kunde Verträge Preise Material Kooperation Zulieferer Aufgaben Qualität Bezahlung Rabatte Schichten Team Arbeitszeiten Aufgaben Urlaub Liefertermine Privat Flohmarkt Anschaffungen Taschengeld WAS WILL ICH, WAS BRAUCHST DU? Gerade Handwerker sind ständig in Verhandlungen. RESSOURCENORIENTIERTES VERHANDELN // VORWORT 5 VORWORT WER GUT VERHANDELN KANN, HAT MEHR ERFOLG Als Inhaberin oder Inhaber eines kleinen oder mittelständischen Handwerksbetriebs muss man heutzutage ein Allrounder sein. Man ist Vertriebsleitung, Marketing und Kundenberatung in einer Person. Dabei gibt es immer wieder Reibungspunkte. Ein sicherer Umgang mit Verhandlungstechniken und fundiertes Wissen zu möglichen Stolperfallen in solchen Situationen kann helfen, souverän mit den Herausforderungen des Berufsfeldes umzugehen. Gerade im Handwerk können diese Kompetenzen der Schlüssel zum Erfolg im Wettbewerbsfeld sein. Wer in Verhandlungen mit Kooperationsfirmen und bei Absprachen mit Zulieferbetrieben, Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gute Einigungen findet und so Konflikten vorbeugt, ermöglicht reibungslose Abläufe bei der Auftragsbearbeitung. Auch Verhandlungen mit Kundinnen und Kunden sind entscheidend, da nur über Zufriedenheit auch eine langfristige Bindung und Weiterempfehlungen gewährleistet werden können. Somit sind Verhandlungen wichtig für die Auftragsvergabe, die Umsetzung und eine langfristige und gleichmäßige Auslastung des Betriebs. Dieser Ratgeber bündelt Hinweise und Tipps zum erfolgreichen Verhandeln. Er richtet sich speziell an Handwerkerinnen und Handwerker. Grundlage der Informationen ist die Forschung und Entwicklung im Projekt „Nachhaltiges Kundenmanagement - ressourcenorientiertes Verhandeln“ der Leuphana Universität Lüneburg. 6 7 KOMMUNIKATION: DIE BASIS ERFOLGREICHER KUNDENKONTAKTE WARUM GESPRÄCHSFÜHRUNG IN VERHANDLUNGEN SO WICHTIG IST Kommunikation ist die Basis jeder Verhandlung und einer der entscheidendsten Faktoren für das Finden einer Einigung. Eine gelungene Verständigung dient insbesondere dem Austausch wichtiger Informationen, die für gute Einigungen unerlässlich sind. Denn nur wer möglichst genau erkannt hat, worauf es dem anderen ankommt, kann dieses Wissen später gezielt nutzen, um zu guten Ergebnissen zu kommen. Missverständnisse stehen Lösungen im Wege und können schnell zu Unzufriedenheit und Konflikten führen. Daher ist es hilfreich, sich der Abläufe von Kommunikation bewusst zu sein und einige Grundregeln im Hinterkopf zu behalten. Besonders in Kundengesprächen kann hier der Grundstein für langfristige Zufriedenheit, positive Zusammenarbeit und Weiterempfehlungen gelegt werden. 8 RESSOURCENORIENTIERTES VERHANDELN // KOMMUNIKATION: DIE BASIS ERFOLGREICHER KUNDENKONTAKTE WIE MAN GESPRÄCHE GEZIELT STRUKTURIERT Eine klare Struktur hilft, den Faden in Gesprächen nicht zu verlieren und die Kommunikation zum gewünschten Ziel zu lenken. Gespräche lassen sich dabei in zwei Hauptphasen aufteilen. 1. SAMMELPHASE In der ersten Gesprächsphase ist das Ziel, alle wichtigen Informationen über das Anliegen des Gegenübers zusammenzutragen und über wichtige eigene Punkte zu informieren. Beispiel Kundengespräch: – Was hat der Kunde oder die Kundin für ein Anliegen? – Was ist ihm oder ihr dabei besonders wichtig? – Welches Material soll verwendet werden? – Was für ein Budget hat der Kunde oder die Kundin? –W ie sind die Vorstellungen des Kunden oder der Kundin handwerklich umsetzbar? –W elche Rahmenbedingungen sind wichtig? –W elche Bedingungen gibt es von meiner Seite? – S ind Informationen, wie beispielsweise das Kundenbudget, schwieriger in Erfahrung zu bringen als andere, können gezielte Fragen und aktives Zuhören helfen. 2. BESCHLUSSPHASE Nachdem alle relevanten Informationen gesammelt sind, sollte der Fokus des Gesprächs immer auf dem Ziel liegen. Dafür ist es hilfreich, leitende und lenkende Fragen einzusetzen. Inf en orm 9 n tio Op at ion en RESSOURCENORIENTIERTES VERHANDELN // KOMMUNIKATION: DIE BASIS ERFOLGREICHER KUNDENKONTAKTE beschließen etz en Ide un g sammeln Um s Gespräch aufbauen (aktives Zuhören) Ziel erreichen (Leit- & Lenkfragen) RESSOURCENORIENTIERTES VERHANDELN // KOMMUNIKATION: DIE BASIS ERFOLGREICHER KUNDENKONTAKTE 10 SAMMELPHASE: AKTIVES ZUHÖREN ALS WERKZEUG Beim aktiven Zuhören geht es darum, jemanden dort abzuholen, wo er oder sie gerade steht, und ihm oder ihr zu vermitteln, dass man versteht, worum es ihm oder ihr geht. Aktives Zuhören ist eine Strategie, die in vielen Situationen helfen kann einen guten Eindruck bei Ihrem Gegenüber zu hinterlassen. Meist werden die Techniken in Gesprächen unbewusst bereits angewendet. Gerade bei schwierigen Kontakten kann es jedoch helfen die einzelnen Aspekte aktiv einzusetzen, um dem Gegenüber noch stärker zu signalisieren, dass man bemüht ist, sich für das Gespräch interessiert und versucht zu verstehen, was ihm oder ihr wichtig ist. So kann eine Vertrauensbasis für ein gutes Ergebnis geschaffen werden. Folgende Aspekte sollten Sie im Gespräch im Hinterkopf haben: ——Zusammenfassen als Hilfsmittel Gesprächsabschnitte in regelmäßigen Abschnitten in Ihren eigenen Worten zusammenzufassen kann Missverständnissen vorbeugen und zeigt Ihrem Gegenüber, dass Sie sich bemühen seine/ihre Wünsche richtig nachzuvollziehen. ——Aktive Rückmeldungen geben Verbale Bestätigung („ja“, „Mmh-mmh“) zeigt dem Gegenüber, dass Sie dem Gespräch folgen. Damit signalisieren Sie volle Konzentration und Aufmerksamkeit auf Ihr Gegenüber. ——Körpersprache Sich einander zuwenden, mit dem Kopf nicken und den Blickkontakt halten, können wichtige Faktoren im Gespräch sein und sollten gerade in Situationen, in denen Sie mehrere Aufgaben parallel erledigen müs- sen, beachtet werden. Bei Telefongesprächen fallen diese visuellen Reize weg, hier sollten Sie verstärkt auf verbale Rückmeldung achten. ——Ausreden lassen Diese Grundregel kann gerade in Konflikten in Vergessenheit geraten. Ins Wort fallen führt beim Gegenüber dazu, dass er sich nicht ernst genommen fühlt – so verschärft sich der Konflikt meist zusätzlich. Bei Beschwerden und Reklamationen lohnt es sich ruhig zu bleiben. Hören Sie sich erstmal an, was der/die Kunde/ in auf dem Herzen hat, und nehmen Sie Tempo raus. RESSOURCENORIENTIERTES VERHANDELN // KOMMUNIKATION: DIE BASIS ERFOLGREICHER KUNDENKONTAKTE 11 BESCHLUSSPHASE: ZIEL ERREICHEN MIT LEIT- UND LENKFRAGEN Wer fragt, gewinnt – auch im Arbeitsalltag. Sie können gezielte Fragen nicht nur nutzen, um Informationen zu sammeln, sondern in der zweiten Gesprächsphase beim Gesprächsabschluss auch, um das Gespräch in die gewünschte Richtung zu lenken. Behalten Sie das Ziel des Gespräches immer im Auge. Versuchen Sie, das Gespräch mit Leitfragen zu den folgenden Themen aktiv zu lenken: ——Was ist genau zu tun? Strukturieren Sie Ihr Gespräch, indem Sie die beschlossenen Punkte zusammenfassen. Beispiel: Ein Kunde möchte besonders hochwertige Materialien. Lenken Sie anschließend den Fokus auf noch unklare Punkte. Beispiel: Bis wann soll der Auftrag durchgeführt werden? ——Wie wird der Auftrag ablaufen? Beispiele: Was wird auf den Kunden oder die Kundin zukommen? Gibt es Arbeiten, die Lärm, Schmutz oder andere Unannehmlichkeiten verursachen? Wird das Wasser oder der Strom abgeschaltet? Muss der Kunde oder die Kundin auf bestimmte Dinge achten, wie etwa die Einfahrt freihalten, Möbel aus dem Weg räumen? Gibt es sonst Besonderheiten, die der Handwerker oder die Handwerkerin einplanen sollte? ——Wie sehen die nächsten Schritte aus? Klären Sie, wer welche konkreten Aufgaben übernimmt. Halten Sie zum Beispiel fest, dass Sie als nächstes den Kostenvoranschlag berechnen, Lieferzeiten von Materialien abklären und sich anschließend beim Kunden melden. ——Wann finden die nächsten Schritte statt? Stellen Sie eine grobe Zeitplanung für die nächsten Schritte auf, zum Beispiel wann der Auftrag frühestens starten könnte. Geben Sie hier möglichst realistische Bearbeitungszeiten oder Zeitspannen an, so schaffen Sie Verbindlichkeit und verhindern Unzufriedenheit. ——Welche Punkte müssen noch abgeklärt werden? Eine Aufstellung der offenen Fragen hilft dem Kunde oder der Kundin und Ihrem Team bei der Auftragsbearbeitung. Beispiele wären: Ist das gewünschte Material lieferbar? Haben Sie noch vertragliche Punkte abzuklären? Seien Sie hier genau, um klare Arbeitsanweisungen geben zu können und Ihrem Kunden oder Ihrer Kundin einen Einblick in den Ablauf zu ermöglichen. Transparenz schafft Vertrauen. ——Gibt es auf Kundenseite noch offene Fragen? Beispiele: Fehlen dem Kunden oder der Kundin noch Informationen? Gibt es noch Unsicherheiten? Möchte er oder sie noch etwas überdenken? Muss der Kunde oder die Kundin noch Genehmigungen einholen? 13 ERGEBNISSE VON VERHANDLUNGEN Gute Verhandlungsergebnisse zeichnen sich dadurch aus, dass beide Seiten zufrieden aus der Verhandlung gehen und das Ergebnis fair finden. Das ist insbesondere wichtig, wenn man langfristig zusammenarbeiten möchte – ob im Team, mit Kundinnen, Kunden oder Zulieferern. Dabei kann es zu verschiedene Arten von Einigungen kommen. Möglich ist entweder ein Kompromiss, eine Win-winLösung, eine Win-lose-Lösung oder eine Lose-loseLösung. Diese vier Möglichkeiten werden im Folgenden vorgestellt. Die Forschung der Psychologen der Leuphana Universität Lüneburg hat gezeigt, dass ein Kompromiss im Alltag von Handwerksbetrieben bislang die am häufigsten angewandte Lösung ist. RESSOURCENORIENTIERTES VERHANDELN // ERGEBNISSE VON VERHANDLUNGEN 14 VERSCHIEDENE LÖSUNGSARTEN VON VERHANDLUNGEN ——Der Kompromiss Die bekannteste Lösung ist der Kompromiss, bei dem sich beide Parteien in der Mitte treffen. Verhandeln Sie über den Preis eines Auftrages, können sich beide Seiten ein Stück entgegenkommen und sich auf einen Preis im mittleren Bereich treffen. Das führt meist zu Zufriedenheit und wird als fair empfunden. ——Die Win-win-Lösung Häufig gibt es noch eine bessere Einigungsmöglichkeit – die Win-win-Lösung. Dabei geht es darum zu berücksichtigen was einem selbst und dem/der anderen besonders wichtig ist. Ist einer Kundin beispielsweise ein günstiger Preis wichtig und Ihnen ein bestimmter Arbeitstermin, können Sie eine Win-winLösung erreichen. Die Kundin kommt Ihnen mit dem Termin entgegen und Sie können den Auftrag in einer Zeit ausführen, in der es weniger Aufträge gibt. Dafür kommen Sie der Kundin etwas im Preis entgegen. ——Die Win-lose-Lösung Nicht alle Verhandlungen bieten die Möglichkeit, eine Win-win-Lösung zu finden. Wollen beide Parteien das Gleiche in der Verhandlung, kommt es zu Win-loseLösungen. Der eigene Gewinn bedeutet dabei einen Verlust für die Gegenseite. Setzt sich in der Verhandlung einer durch und bekommt deutlich mehr als der andere, führt das zu Unzufriedenheit beim Verlierer der Verhandlung. Dies kann künftige Zusammenarbeit erschweren. ——Die Lose-lose-Lösung Diese Art der Einigung sollte möglichst vermieden werden: Hier bekommen beide Parteien nicht das, was sie gerne hätten und gehen unzufrieden aus der Verhandlung. Nicht jede Verhandlung bietet die Möglichkeit für Win-win-Lösungen. Spricht man zum Beispiel nur über einen Gegenstand, ist jeder Gewinn, den man selbst herausschlägt ein Verlust für die andere Partei. In solchen Win-lose-Verhandlungen ist ein fairer Kompromiss meist die gerechteste Lösung. Häufig lassen sich auf den zweiten Blick aber doch Möglichkeiten finden, zu Win-winLösungen zu gelangen – beispielsweise indem man über zusätzliche Verhandlungsgegenstände spricht. RESSOURCENORIENTIERTES VERHANDELN // ERGEBNISSE VON VERHANDLUNGEN 15 BERICHTE AUS DEM PROJEKT: EINIGUNGEN IN DEN BEFRAGTEN BETRIEBEN Das Team des EU-Forschungsprojekts „Nachhaltiges Kundenmanagement – Ressourcenorientiertes Verhandeln“ hat mit Geschäftsführern von 27 Handwerksbetrieben aus 15 verschiedenen Gewerken rund um Lüneburg über Verhandlungen im Handwerk gesprochen und folgende Lösungen in den berichteten Fällen gefunden: Konflikte zwischen den verschiedenen Parteien im Handwerk können zu jedem Zeitpunkt eines Auftrages stattfinden. Am häufigsten kommt es noch vor der Auftragsvergabe zu Unstimmigkeiten, wobei potenzielle Kundinnen und Kunden verloren gehen können. Problematisch sind jedoch auch die Unsicherheiten und Konflikte bei der Auftragsabnahme, die zu finanziellen Einbußen und negativer Außenwirkung führen können. Nicht selten werden dabei auch juristische Verfahren in Gang gesetzt, die gerade für kleine und mittelständische Handwerksbetriebe bedrohlich sein können. Verzögerte oder ausfallende Zahlungen durch Rechtsstreitigkeiten können Gründe für eine Insolvenz sein. Eine gekonnte Verhandlungsführung im Vorfeld kann dazu beitragen, zufriedenstellende Einigungen für beide Seiten zu finden und solche Rechtsstreitigkeiten zu verhindern Auftragsvergabe Auftragsabwicklung Auftragsabnahme Während im Berufsalltag Kompromisseinigungen bereits relativ häufig sind, werden Win-win-Lösungen selten entdeckt. Da man in Verhandlungen mit Kunden insbesondere Win-win-Lösungen finden möchte, sollte man aufpassen nicht voreilig zu Einigungen zu kommen und dabei noch bessere Lösungen zu übersehen. Der Anteil an Win-Lose- und Lose-lose-Lösungen zeigt, das gerade im Handwerk schwierige Verhandlungssituationen entstehen können, die durch gezielten Strategieeinsatz besser bewältigt werden. Hierzu finden Sie im nächsten Abschnitt wertvolle Informationen. Win-win-Lösung: Beste Einigung für beide Parteien Kompromiss: Parteien treffen sich in der Mitte Win-lose-Lösung: Schlechte Einigung für beide Parteien Lose-lose-Lösung: Gute Lösung nur für eine Partei 17 STRATEGIEN FÜR GUTE LÖSUNGEN: VERHANDELN MIT SYSTEM Es gibt verschiedene Arten von Strategien, die man in Verhandlungen einsetzen kann. Diese zu kennen hilft, sich gut auf Verhandlungen vorzubereiten und auch zu bemerken, welche Strategie das Gegenüber verfolgt. Die wichtigsten allgemeinen Strategien werden im Folgenden vorgestellt. Wussten Sie schon, was Chamäleons und Anker mit Verhandlungen zu tun haben und wie man gezielte Formulierungen, Erklärungen und die Körperhaltung besonders gut einsetzen kann? Um Win-win-Lösungen anzustreben kann eine strategische Suche nach Informationen und das richtige Maß an Zugeständnissen helfen. Auch die Haltung eines Schachspielers einzunehmen und mehr Flexibilität in die Verhandlung zu bringen zeigt häufig neue Wege auf. Welches Vorgehen besonders geeignet ist, hängt dabei stark von der Situation ab. 18 RESSOURCENORIENTIERTES VERHANDELN // STRATEGIEN FÜR GUTE LÖSUNGEN: VERHANDELN MIT SYSTEM ALLGEMEINE STRATEGIEN 1. DIE CHAMÄLEON-STRATEGIE Sympathien gewinnen und Vertrauen aufbauen 2. DER ANKEREFFEKT Warum es hilft der Erste zu sein Eine persönliche Ebene mit dem Verhandlungspartner zu finden, ist wichtig. Jemand, der einen sympathisch findet und sich im Gespräch wohlfühlt, ist nicht nur eher bereit, einem den Zuschlag für einen Auftrag zu geben, sondern auch größere Zugeständnisse in einer Verhandlung zu machen. Ein verblüffend wirksamer und einfacher Tipp, um schneller einen Draht zu anderen zu entwickeln, ist die Chamäleon-Strategie: Ahmt man Mimik und Gestik sowie die Wortwahl von seinem Gegenüber leicht nach, fühlt sich dieses wohler und findet einen sympathischer. Der Ankereffekt ist einer der bekanntesten Effekte der Verhandlungsforschung. Die Forschung hat gezeigt, dass die erste Zahl, die in Verhandlungen genannt wird, die Preisvorstellung der Verhandelnden verzerrt. Sie orientierten sich unbewusst an dieser Zahl, wodurch das eigene Gegenangebot und die spätere Einigung beeinflusst werden. Selbst Expertinnen und Experten auf ihrem Gebiet – wie Richterinnen und Richter bei der Strafmaßwahl oder Managerinnen und Manager bei Gehaltsverhandlungen – können durch eine zufällige Zahl verankert werden. Forscher haben herausgefunden, dass diese Strategie Kellnern bis zu 68 Prozent mehr Trinkgeld einbringen kann. Aber Achtung: Natürlich sollte man nur in einem angemessenen Rahmen nachahmen, in dem man sich auch wohlfühlt, da es sonst schnell aufgesetzt und unnatürlich ankommen kann. Sie können diesen Effekt in Verhandlungen gezielt einsetzen. Versuchen Sie selbst die erste Zahl in den Raum zu stellen und setzen sie diese lieber etwas zu hoch als zu niedrig an. Alternativ können Sie auch Preisspannen einsetzen, also zum Beispiel sagen: „Je nach Ausführung kann so ein Auftrag zwischen 50.000 und 100.000 Euro kosten.“ Dadurch bewahren Sie sich Verhandlungs- spielraum, um auf Ihr Gegenüber einzugehen. Sollte der Auftrag doch günstiger machbar sein, kann der veranschlagte Preis nach der Auftragsdurchführung nach unten korrigiert werden, was deutlich besser ankommt als eine Korrektur nach oben. Das Wissen über den Ankereffekt alleine reicht nicht aus, um sich davor zu schützen. In Situationen, in denen es Ihnen nicht möglich ist, der oder die Erste zu sein, kann es helfen die Schmerzgrenze und das eigene Ziel vor Augen zu haben. Versuchen Sie, sich aktiv daran zu orientieren, um sich nicht von der ersten Zahl Ihres Gegenübers beeinflussen zu lassen. RESSOURCENORIENTIERTES VERHANDELN // STRATEGIEN FÜR GUTE LÖSUNGEN: VERHANDELN MIT SYSTEM 19 3. DIE FORMULIERUNGS-STRATEGIE Lieber Angebote machen als Forderungen stellen 4. DIE ERKLÄRUNGS-STRATEGIE Überzeugendes Argumentieren 5. DIE KÖRPERHALTUNGS-STRATEGIE Power-Posing Beim Verhandeln hat man zwei Möglichkeiten, Vorschläge zu machen: Entweder man sagt zuerst, was das Gegenüber bekommt, oder man stellt das, was man selbst möchte, an den Satzanfang. Verhandeln Sie mit einem Kunden über einen Ring, können Sie sagen „Ich gebe Ihnen den Ring für 1285 Euro.“ Oder Sie sagen: „Für 1285 Euro bekommen Sie den Ring.“ Inhaltlich gibt es keinen Unterscheid. Aus psychologischer Sicht sollte man aber immer als erstes nennen, was das Gegenüber bekommt. So wird betont, was der oder die andere bekommt, den Ring, und nicht, was dafür hergegeben werden muss, 1285 Euro. Das Gegenüber ist dann eher bereit Zugeständnisse zu machen. Wenn Sie also in Zukunft über den Preis einer handwerklichen Dienstleistung verhandeln, betonen Sie zuerst, welche Leistung Sie bieten und erst danach, welchen Preis Sie dafür möchten. Diese Strategie wird häufig intuitiv eingesetzt. Hier geht es darum, verhandlungsrelevante Argumente zu finden, um damit die Bereitschaft zum Nachzugeben beim Gegenüber zu erhöhen oder zu erklären, weshalb man selbst nicht weiter nachgeben kann. Ein bestimmter Preis für eine Dienstleistung lässt sich beispielweise durch den Arbeitsaufwand oder die Materialkosten erklären – diese als Argumente zu erwähnen kann helfen, den Kunden oder die Kundin von Rabattforderungen absehen zu lassen. Diese Strategie klingt erstmal wie eine Benimmregel: Setzen Sie sich gerade hin, machen Sie sich groß und versuchen Sie diese Haltung in der gesamten Verhandlung zu halten. Psychologische Studien zeigen, dass etwas so Simples wie die richtige Körperhaltung dazu führen kann, dass Sie sich in Verhandlungen besser durchsetzen können, ernster genommen werden und selbstbewusster wirken. Überraschenderweise wirkt diese Strategie nicht nur auf ihr Gegenüber, sondern auch auf Sie selbst. Wer sogenannte Powerposen einnimmt, fühlt sich selbstbewusster und verhält sich souveräner. Achten Sie also insbesondere wenn Sie sich unsicher fühlen darauf, dass Sie sich nicht klein machen. Beachten Sie, dass Verhandlungen nicht nur über Argumente gewonnen werden können, setzen Sie Argumente deshalb nur unterstützend ein. 20 RESSOURCENORIENTIERTES VERHANDELN // STRATEGIEN FÜR GUTE LÖSUNGEN: VERHANDELN MIT SYSTEM WIN-WIN-STRATEGIEN: GEMEINSAM EINE LÖSUNG FINDEN 1. DIE INFORMATIONS-STRATEGIE Austausch zu Vorlieben und Möglichkeiten 2. DIE ZUGESTÄNDNIS-STRATEGIE Das richtige Maß an taktischer Nachgiebigkeit Die Vorlieben Ihres Gegenübers in der Verhandlung herauszufinden kann helfen, zu Win-win-Lösungen zu kommen. Stellen Sie gezielte Fragen, um herauszufinden, welche Aspekte Ihrem Kunden oder Ihrer Kundin besonders am Herzen liegen. Ist Ihr Kunde oder Ihre Kundin alleinstehend oder lebt er oder sie in einer Familie? Legt er oder sie großen Wert auf Design oder eher auf Praktikabilität? Ist er oder sie technisch an der Entstehung des angebotenen Produktes interessiert oder mehr aufs Endergebnis fokussiert? Richten Sie Ihr Angebot und Ihre Verhandlung auf diese Informationen aus und gehen Sie auf Interessen ein. Zugeständnisse zu machen und in einigen Punkten nachzugeben, gehört meistens zum Finden einer Lösung dazu. Bei Zugeständnissen gilt es grundsätzlich den richtigen Zeitpunkt und das richtige Maß zu finden. Wer zu schnell nachgibt, riskiert, dass Win-win-Lösungen übersehen werden und vorschnell ein ungünstiges Ergebnis entsteht. Zu große Schritte führen schnell zu dem Punkt, an dem Zugeständnisse nicht mehr gewinnbringend sind. Daher sollten Sie Ihre Schmerzgrenze immer sehr genau vor Augen haben. Zu starkes Beharren auf dem eigenen Standpunkt kann ebenfalls negative Auswirkungen auf die Verhandlung haben, Win-win-Lösungen können dabei verhindert werden. Wer seinem Gegenüber gar nicht entgegenkommt, riskiert außerdem den Abbruch der Verhandlung und kann Unzufriedenheit auslösen. Wichtig bei Zugeständnissen ist zu entscheiden, bei welchen Punkten man nachgeben will und kann. Taktische Zugeständnisse sind eine sehr effektive Verhandlungsstrategie für mehr Gewinn und Zufriedenheit auf beiden Seiten. Versuchen Sie Verhandlungspunkte zu finden, die Ihnen selbst nicht so wichtig sind, für die Zufriedenheit des Gegenübers aber nützlich sind. Wenn Sie bei einem für Sie weniger wichtigen Gegenstand nachgeben, können Sie Ihr Gegenüber sehr elegant zu Zugeständnissen auf einem für Sie wichtigen Gegenstand bewegen. RESSOURCENORIENTIERTES VERHANDELN // STRATEGIEN FÜR GUTE LÖSUNGEN: VERHANDELN MIT SYSTEM 4. DIE FLEXIBILITÄTS-STRATEGIE Erweiterung der Verhandlungsmasse Versuchen Sie sich im Vorfeld aber auch während der Verhandlung in das Gegenüber hineinzuversetzen, um zu verstehen, welche Interessen hinter den Vorlieben Ihres Kunden stehen. Hat sich zum Beispiel ein junges Paar auf eine ganz bestimmte Art von Küchenaufbau versteift, der so nicht realisierbar ist, müssten Sie die Verhandlung abbrechen und würden sie als Kunden verlieren. Wird Ihnen aber durch die Perspektivenübernahme deutlich, dass vielleicht die anstehende Kinderplanung und Gedanken zur Sicherheit des geplanten Nachwuchses dahinter stecken, können Sie gezielt alternative Angebote zu diesem Wunsch anbieten und so eine Lösung finden. Um mehr Flexibilität und vielfältige Lösungsmöglichkeiten zu schaffen, kann die Einführung zusätzlicher Verhandlungsgegenstände helfen. So lässt sich der Spielraum erweitern und die Wahrscheinlichkeit für Win-winLösungen steigt. Dabei sollten Sie über den Tellerrand der Verhandlung schauen und nach weiteren Verhandlungsgegenständen suchen, die bei der Einigung helfen können. Gerade in festgefahrenen Verhandlungen kann dies ein Ausweg sein. Neue Verhandlungsgegenstände können je nach Kunde oder Kundin unterschiedliche Erweiterungen sein, beispielsweise Wartungsvereinbarungen, Terminabsprachen, kleinere Zugaben wie ein Helm zum Motorrad oder verschiedene Materialien. Durch diese Flexibilität schaffen Sie zusätzliche Optionen und mehr Zufriedenheit bei Ihrem Kunden oder Ihrer Kundin. Ergebnisqualität 3. DIE SCHACHSPIELER-STRATEGIE Einnehmen der Perspektive des Gegenübers 21 - Zugeständnisbereitschaft + Bei Zugeständnissen entscheidet das richtige Maß: Wer weder zu früh noch zu spät nachgibt erzielt die besten Lösungen. 22 RESSOURCENORIENTIERTES VERHANDELN // STRATEGIEN FÜR GUTE LÖSUNGEN: VERHANDELN MIT SYSTEM WIN-LOSE-STRATEGIEN: SICH IN VERHANDLUNGEN DURCHSETZEN Wer einen Kunden langfristig binden will, sollte auf kurzfristige Durchsetzungsstrategien verzichten. Häufig wird angenommen, dass man für eine erfolgreiche Verhandlung seinen Standpunkt sehr bestimmt vertreten muss und nicht nachgeben darf. Die Überzeugung, dass es in Verhandlungen einen Gewinner oder eine Gewinnerin und einen Verlierer oder eine Verliererin gibt, führt oft dazu, dass Win-lose-Strategien eingesetzt werden, obwohl sie nur in manchen Situationen angebracht und nützlich sind. Diese Strategien haben grundsätzlich das Ziel, den eigenen Gewinn zu vergrößern ohne dabei auf den Gewinn des Gegenübers zu achten. Das kann in Ausnahmesituationen nötig sein, führt aber häufig zu Unzufriedenheit. Daher ist es wichtig zu erkennen, wenn das Gegenüber diese Strategien einsetzt, um möglichst gut darauf zu reagieren. Solche Strategien sind: 1. Interessenskonflikte vortäuschen 2. Grenzen mitteilen, Beispiel: „Unter 300 € kommen wir nicht zusammen.“ 3.Drohen 4. Lügen und Bluffen 5. Tatenlosigkeit und Verzögerung Diese Strategien können für die Seite, die sie einsetzt, tatsächlich zu besseren Gewinnen führen und in kurzfristigen Verhandlungskontakten wie auf Flohmärkten oder im Urlaub auf einem Basar hilfreich sein. Gleichzeitig können Win-lose-Strategien aber auch zu Verärgerung, Vertrauensverlust und Unzufriedenheit beim Gegenüber sowie zum Abbruch oder einer Eskalation der Verhandlung führen. Aus diesem Grund sollte für langfristige Kundenkontakte, Absprachen im Team oder mit Kooperationsbetrieben der Fokus auf den Win-win-Strategien liegen. Wenn das Gegenüber Win-lose-Strategien einsetzt, sollte man versuchen deren Wirkung auszuhebeln: ——Ruhig bleiben ——Keine unüberlegten Entscheidungen treffen ——Druck aus der Verhandlung nehmen und Bedenkpausen erbitten ——Schmerzgrenze und Ziel im Auge behalten RESSOURCENORIENTIERTES VERHANDELN // STRATEGIEN FÜR GUTE LÖSUNGEN: VERHANDELN MIT SYSTEM 23 WAS IST „RESSOURCENORIENTIERTES“ VERHANDELN? Für eine langfristige Zusammenarbeit mit einem Zulieferbetrieb oder eine nachhaltige Kundenbindung ist es wichtig auch die Interessen der Gegenseite zu berücksichtigen. Nur so können Zufriedenheit und Vertrauen entstehen, was zu zukünftigen Aufträgen und Weiterempfehlungen verhelfen kann. Hier setzt der Ansatz der ressourcenorientierten Verhandlung an. Was sind Ressourcen? Als „Ressourcen“ werden alle Verhandlungsgegenstände bezeichnet, die für eine Lösung wichtig sein können. Das können sowohl tatsächliche Gegenstände wie beispielsweise der bei einem Tischlerbetrieb beauftragte Esstisch sein, Teilaspekte dieses Gegenstands wie die Tischplatte oder der Anstrich, aber auch der Preis, Terminabsprachen, Garantievereinbarungen, Zahlungsmodalitäten und vieles mehr. Meist konzentriert man sich in Verhandlungen vor allem auf die andere Person und was gerade in dieser Person passiert. In ressourcenorientierten Verhandlungen soll der Blick zusätzlich auf die Verhandlungsgegenstände gerichtet werden. Der Gegenstand, über den man verhandelt sowie seine Eigenschaften, werden häufig vernachlässigt, dabei liegt gerade hier oft der Schlüssel zu Win-win-Lösungen. Wenn Sie z.B. mit einer Kundin über einen Auftrag verhandeln und die Arbeiten grundsätzlich gemacht werden sollen, es der Kundin aber zu teuer ist, kann es hilfreich sein sich Folgendes zu überlegen: —— Kann der Auftrag in kleinere Einheiten zerlegt werden? Dann können die wichtigsten Arbeiten sofort erledigt werden und nach und nach alles andere. —— Kann der Kunde oder die Kundin einige Dinge in Eigenleistung erledigen? Beispiele: Material, Transport, Abrissarbeiten. —— Könnte eine für Sie sehr günstige Zusatzleistung den Kunden oder die Kundin vom veranschlagten Preis überzeugen? —— Gibt es einen anderen, günstigeren Weg zum gewünschten Ergebnis zu kommen? Fokus auf Ressource Ein systematischer Blick auf die Ressourcen vereinfacht Verhandlungen. 25 VORBEREITUNGEN VON VERHANDLUNGEN Strategien können zu unterschiedlichen Zeitpunkten in der Verhandlung ansetzen. Als Struktur für Vorbereitung und Verhandlung kann man sich an die AAA-Struktur halten: eine gute Vorbereitung gerade bei wichtigen Verhandlungen das A und O für ein erfolgreiches Ergebnis. Insbesondere Informationen zum Verhandlungsgegenstand, das Gegenüber und der Situation sind zu sammeln. ANALYSE Genaue Vorbereitung im Vorfeld der Verhandlung Wissen ist Macht – auch in Verhandlungen. Daher ist a) Wissen über die Gegenstände ——Worüber wird verhandelt: Welche Ressourcen gibt es in der Verhandlung? Beispiele sind: Preis, Material, 26 Terminvereinbarung oder Zahlungsmodalitäten. ——Welche Eigenschaften haben die Ressourcen? Beispiele sind Teilbarkeit, Erweiterung, gemeinsame Nutzung. Die Eigenschaften einer Ressource sind deshalb wichtig, weil sie die Verhandlung maßgeblich beeinflussen. Manche Ressourcen lassen sich in kleinere Teile untergliedern, wie beispielsweise Geld, andere lassen sich auch gemeinsam nutzen, wie Maschinen, wiederum andere bieten Erweiterungsmöglichkeiten, so dass man über mehrere Gegenstände spricht, wie beispielsweise eine zusätzliche Garantievereinbarung. Bezieht man den Gegenstand und seine Eigenschaften in die Planung der Verhandlung ein, lassen sich häufig neue und oft auch bessere Lösungen finden. Hier bietet sich die Möglichkeit, eine Verhandlung, die stark auf Preisrabatte fokussiert ist, auf andere Aspekte umzulenken. b) Wissen über das Gegenüber ——Fokus: Was ist der anderen Person wichtig? Beispiele sind Preis, Material oder Liefertermin. ——Präferenzen: Wie wichtig sind dem Gegenüber welche Verhandlungsgegenstände? Ist zum Beispiel das Material, der Preis oder der Liefertermin am wichtigsten? ——Interessen: Warum sind die Verhandlungsgegenstände demjenigen oder derjenigen besonders wichtig? RESSOURCENORIENTIERTES VERHANDELN // VORBEREITUNGEN VON VERHANDLUNGEN Bei einer jungen Familie könnte etwa die Kindersicherheit einer neuen Küche hinter bestimmten Wünschen stecken, bei älteren Menschen beispielsweise die Sorge um zukünftige Barrierefreiheit. Auf Basis der gesammelten Informationen lassen sich später gezielt Strategien für die Verhandlung wählen. Außerdem lässt man sich so weniger durch Strategien des Gegenübers beeinflussen und verhindert, sich in schnellen Verhandlungen überrumpeln zu lassen und Entscheidungen zu übereilen. AUSBAU Erweiterung der Verhandlung Beim Ausbau geht es darum, über den Tellerrand der Verhandlung zu schauen. Lösen Sie sich von reinen Preisdebatten und versuchen Sie die Verhandlung immer vor dem Hintergrund der Informationen aus der Vorbereitung zu sehen. Gibt es eventuell weitere wichtige Gegenstände neben dem Preis, wie den Liefertermin oder das Material? Wenn Sie hier ein offenes Ohr haben und sich nicht zu sehr auf eine Sichtweise versteifen, können Sie dadurch Win-win-Lösungen ermöglichen und Einigungen finden, mit denen beide Seiten zufrieden sind. Versuchen Sie hier, alle relevanten Gegenstände in die Verhandlung und insbesondere deren Lösung einzubeziehen. Erst nach diesem zweiten Schritt der Vorbereitung sollten Sie auswählen, welche Strategien sinnvoll sein könnten. ANWENDUNG Strategien in der Verhandlung einsetzen Nach der Vorbereitung können Sie jetzt Ihr gesammeltes Wissen und Ihre vorbereiteten Taktiken nutzen, um in der Verhandlung sicher und souverän aufzutreten und Ihre Ziele umzusetzen. Versuchen Sie die Informationen für Lösungsvorschläge zu nutzen, halten Sie die Interessen Ihres Gegenübers immer im Hinterkopf und nutzen Sie Ihr Wissen für passgenaue Angebote, in denen Ihr Kunde oder Ihre Kundin sich wiederfindet. So können Sie im Wettbewerb mit anderen Betrieben glänzen, indem Sie nicht nur das handwerkliche Paket für eine Leistung anbieten, sondern darauf achten, dieses so gut auf den Kunden oder die Kundin zuzuschneidern, dass sie Konkurrenten im Wettbewerb nicht über den niedrigsten Preis, sondern die beste Vorbereitung ausbooten können. Wird die Vorstellung eines Kunden oder einer Kundin nur bei Ihnen genau richtig umgesetzt, wird er oder sie sich eher für Sie entscheiden und weniger stark nachverhandeln als wenn er oder sie nur ein vorgefertigtes Leistungspaket angeboten bekommt. Häufig fällt eine ausführliche Vorbereitung im ganz normalen Alltagsstress hintenüber. Aber falls Ihnen eine wichtige Verhandlung bevorsteht, probieren Sie eine strukturierte Vorbereitung doch einfach einmal aus und beantworten folgende Fragen für sich: 1. Mit wem führen Sie die Verhandlung? Wie sind Zeitrahmen und Ort? Wer ist anwesend? 4. Was ist Ihre Schmerzgrenze, auf die Sie sich gerade noch einlassen würden, bevor Sie abbrechen? 7. Welches Wunschergebnis hat die Gegenseite vermutlich als Verhandlungsziel? Beim Budget? Beim Liefertermin? 2. Was ist Ihr Wunschergebnis als Verhandlungsziel? 5. Wie können Sie Ihr Ziel erreichen? Wie möchten Sie sich in der Verhandlung verhalten? Zum Beispiel nicht zu schnell nachgeben oder aktiv zuhören? 8. Welche Interessen stehen vermutlich hinter dem Wunschergebnis der Gegenseite? Kosten sparen? Ansehen? 3. Welche Interessen stehen hinter Ihrem Wunsch ergebnis? Beispiele: ein rentables Ergebnis, ein interessanter Großkunde. 6. Was wissen Sie über die anwesenden Personen? Über ihren Lebensstil, Alter, Kinder? Was mögen sie? Was mögen sie nicht? Was für ein Verhandlungstyp sind sie? 9. Welche Gegenstände könnten in der Verhandlung wichtig sein? RESSOURCENORIENTIERTES VERHANDELN // KONFLIKTE: UMGANG MIT SCHWIERIGEN VERHANDLUNGEN 28 Sichtbares Verhalten Sachinhalt Beziehung Absicht Gefühle Unsichtbares Verhalten RESSOURCENORIENTIERTES VERHANDELN // KAPITELNAME 29 KONFLIKTE: UMGANG MIT SCHWIERIGEN VERHANDLUNGEN WARUM KONFLIKTE ENTSTEHEN Konflikte entstehen immer dann, wenn unterschiedliche Ansichten, Absichten oder Ziele aufeinandertreffen. Auch verschieden Herangehensweisen können Unstimmigkeiten auslösen. Konflikte werden meist auf der Sachebene ausgetragen, haben ihren Ursprung aber häufig unter der Oberfläche, zum Beispiel könnten unbeabsichtigt Beziehungen, Absichten oder Gefühle der Verhandlungspartner berührt werden. Versuchen Sie zu erkennen, was dem Konflikt eigentlich zugrunde liegt. Um einen Konflikt zu lösen, gibt es ebenfalls viele Wege. Die wirkungsvollsten sind Vertrauen zu schaffen, gute Vorbereitung signalisieren, Druck aus Konfliktsituationen zu nehmen, Probleme erneut zu analysieren, Ziele und Lösungen systematisch zu suchen und klare Vereinbarungen zu treffen. 30 RESSOURCENORIENTIERTES VERHANDELN // KONFLIKTE: UMGANG MIT SCHWIERIGEN VERHANDLUNGEN DER WEG AUS DEM KONFLIKT Vertrauen schaffen Verärgerte Kundinnen oder Kunden haben häufig die Sorge, dass ihr Problem nicht anerkannt wird. Oft hilft es deshalb dem Kunden oder der Kundin aktiv zu signalisieren, dass Sie ihn oder sie und sein oder ihr Problem sehr wohl ernst nehmen. Dies gelingt zum Beispiel: ——durch aktives Zuhören ——durch schnelle Bearbeitung ——dadurch, das Problem erstmal zur Chefsache zu machen Vorbereitung Natürlich ist eine Vorbereitung nicht immer möglich. Im Zweifel bitten Sie den Kunden oder die Kundin einen Moment Geduld zu haben, während Sie die Auftragsdetails heraussuchen, um alle relevanten Informationen griffbereit haben. Am Telefon können Sie fragen, ob Sie in zehn Minuten zurückrufen können. Druck rausnehmen Versuchen Sie emotionale Distanz zu wahren und ruhig zu bleiben. Formulieren Sie Ihre Aussagen möglichst wertfrei und bleiben Sie bei sich. So lässt sich das Problem sachlich klären und man verstrickt sich nicht in gegenseitigen Schuldzuweisungen. Ist wirklich etwas schief gelaufen, ist es hilfreich den Fehler einzugestehen. So nimmt man dem Gegenüber Wind aus den Segeln und zeigt sich vertrauenswürdig. gespräch als Verhandlung, in der Sie versuchen den Kunden oder die Kundin wieder zufrieden zu stellen. Trennen Sie hier Person und Problem klar voneinander. Analyse des Problems Versuchen Sie zwischen den Zeilen zu lesen. Oft sind es die kleinen Dinge, die zu besonders starken Reaktionen führen. Achten Sie darauf, keine generellen Vorwürfe zu machen oder Verallgemeinerungen zu benutzen. Nachbereitung Dieser Teil umfasst alles, was nach dem Gespräch in die Wege geleitet werden sollte. Für künftige Konflikte hilft es zu überlegen, was bei dem Konfliktgespräch gut gelaufen ist und was man in Zukunft vielleicht verbessern möchte. So gewinnt man Sicherheit für schwierige Gespräche und sammelt Erfahrungen, welche Strategien bei welchem Kundentyp gut funktionieren. Ziele und Lösungen Hat man herausgefunden, wo genau das Problem liegt, kann man sich an die Lösung machen. Hierbei sollte man sich fragen was das gewünschte Ergebnis ist und wie man dorthin kommen kann. Sehen Sie das Konflikt- Vereinbarungen und Abschluss Zuletzt sollte man festhalten, für welchen Weg man sich entschieden hat und wer was bis wann tut um dorthin zu kommen. Beispiel: „Meine Mitarbeiterin wird in zwei Tagen vorbeikommen und das Gerät reparieren“. Auch wenn die Bearbeitung von Konflikten oft unangenehm ist, sollte man ihr eine hohe Priorität einräumen, 31 da ein Aufschieben des Gesprächs oder der Nachbereitung zu noch größerer Unzufriedenheit beim Kunden oder der Kundin und zur Eskalation der Situation führen kann. Kümmern Sie sich stattdessen schnell und zuverlässig darum, das Problem zu lösen, können Sie dadurch einen guten Eindruck beim Kunden oder der Kundin hinterlassen. Vertrauen Vereinbarungen Ziele & Lösungen Analyse des Problems Vorbereitung Eröffnung & Druck raus Führung von Konfliktgesprächen Nachbereitung 32 RESSOURCENORIENTIERTES VERHANDELN // VERHANDLUNGEN BEI KOSTENVORANSCHLÄGEN 33 VERHANDLUNGEN BEI KOSTENVORANSCHLÄGEN WIE LASSEN SICH NACHVERHANDLUNGEN AUFFANGEN? Kostenvoranschläge werden von manchen Kundinnen und Kunden als Verhandlungsbasis aufgefasst, obwohl ihnen klare Kalkulationen von Aufwand und Kosten zugrunde liegen. Daher kommt es häufig zu Nachverhandlungen am Preis auf Seiten des Kunden oder der Kundin. Dabei besteht die Gefahr für den Handwerker oder die Handwerkerin, sich stark herunter handeln zu lassen und dadurch nur sehr geringere Gewinnmargen zu bekommen. Es stellt sich die Frage, wie sich der Wunsch nach Nachverhandlungen schon vor Entstehen verhindern lässt. Um das zu klären hat sich aus dem EU-Projekt „Nachhaltiges Kundenmanagement – ressourcenorientiertes Verhandeln“ ein neuer Forschungsstrang zu Kostenvoranschlägen entwickelt. Die ersten Auswertungen dieser Forschung geben hilfreiche Anhaltspunkte für Handwerkerinnen und Handwerker. RESSOURCENORIENTIERTES VERHANDELN // VERHANDLUNGEN BEI KOSTENVORANSCHLÄGEN 34 DIE STRUKTUR VON KOSTENVORANSCHLÄGEN: WAS DIE ERSTE FORSCHUNG SAGT I. Teilpreise angeben Erste Studien zeigen, dass es sinnvoll ist, detailliert aufzuschlüsseln aus welchen Leistungen sich ein Preis zusammensetzt. Anstatt nur den Gesamtpreis zu nennen, kann es helfen auch die Teilpreise für Material, einzelne Module oder Arbeitsaufwand aufzunehmen. Zum einen wird dadurch für den Kunden oder die Kundin nachvollziehbarer, wofür er Geld bezahlt. Zum anderen kann man so Befürchtungen von überteuerten Preisen auffangen. Ihre Erfahrung und Kompetenz auf dem Gebiet werden so unterstrichen und der Kostenvoranschlag eher als das wahrgenommen, was er ist: eine genaue Berechnung des Aufwandes. So wird der Kunde oder die Kundin weniger Verhandlungsspielraum wahrnehmen und seltener versuchen nachträglich zu verhandeln und den Preis zu drücken. II. Gesamtpreis ans Ende Der Gesamtpreis sollte am Ende des Kostenvoranschlags stehen, nachdem der Kunde oder die Kundin bereits gelesen hat, welche Leistungen er oder sie dafür bekommt. III. Krumme Zahlen verwenden Verwenden Sie in Kostenvoranschlägen eher krumme Zahlen und runden Sie nicht ab. Studien haben gezeigt, dass bei Preisen wie beispielsweise 3164 Euro weniger stark nachverhandelt wird als bei einem Preis von 3000 Euro. IV. An Teilpreisen anstelle von Gesamtpreisen verhandeln Versuchen Sie an Teilpreisen nachzugeben statt beim Gesamtpreis. Insgesamt werden Sie so weniger Nachlass geben müssen und sich auf einen höheren Preis einigen als wenn Sie Rabatte auf den Gesamtpreis geben. RESSOURCENORIENTIERTES VERHANDELN // VERHANDLUNGEN BEI KOSTENVORANSCHLÄGEN 35 37 DAS PROJEKT: VERHANDLUNGEN IM HANDWERK Dieser Ratgeber ist im Zuge des Forschungsprojektes „Nachhaltiges Kundenmanagement – ressourcenorientiertes Verhandeln“ im EU-Wirtschaftsförderungsprojekt Innovations-Inkubator der Leuphana Universität Lüneburg entstanden, das den Austausch von Wirtschaft und Wissenschaft fördern soll. Kleine und mittelständische Handwerksbetriebe sollen ihren Stand im Wettbewerb festigen können. Dazu arbeiteten drei Verhandlungsforscherinnen um Prof. Roman Trötschel mit 27 lokalen Handwerksbetrieben aus 15 verschiedenen Gewerken zusammen. Über 13 Monate führten sie Interviews, realisierten individuelle Gesprächstermine in den Betrieben und eine Tagesfortbildung zu Verhandlungen im Handwerk. DAS FORSCHUNGSTEAM Prof. Dr. Roman Trötschel Dipl.-Psy. Stefanie Weyand Lisan Bumann, M.Sc. Anja Dohmen, M.Sc. Das Team der Leuphana Universität forscht seit mehr als zehn Jahren zu Verhandlungen, Konfliktlösungen und Mediation. Das gewonnene Wissen soll nicht nur Bücher füllen, sondern auch in der beruflichen Praxis genutzt werden – beispielsweise in Ihrem Betrieb. RESSOURCENORIENTIERTES VERHANDELN // QUELLENVERZEICHNIS 38 QUELLENVERZEICHNIS Bazerman, M. H., & Moore, D. A. (2008). Judgment in managerial decision making (7th ed.). New York, NY: Wiley. Bizer, K. (2009). Volkswirtschaftliche Nutzen und Kosten des Handwerkskammersystems. Berlin: Duncker & Humblot. Chartrand, T. L. & Dalton, A. N. (2009). Mimicry: Its ubiquity, importance, and functionality. In E. Morales, P. M. Gollwitzer & J. A. Bargh (Eds.), The psychology of action: Vol. 2. Mechanisms of human action (pp. 893-910): Oxford University Press. Cuddy, A. J., Wilmuth, C. A., & Carney, D. R. (2012). The benefit of power posing before a high-stakes social evaluation. De Dreu, C. K., & Carnevale, P. J. (2003). Motivational bases of information processing and strategy in conflict and negotiation. Advances in Experimental Social Psychology, 35, 235-291. Loschelder, D. D., Stuppi, J., & Trötschel, R. (2013). “€ 14,875?!”: Precision boosts the anchoring potency of first offers. Social Psychological and Personality Science, 5(4), 491- 499. doi:1948550613499942 Mussweiler, T. (2001). Sentencing Under Uncertainty: Anchoring Effects in the Courtroom. Journal of Applied Social Psychology, 31(7), 1535-1551. Northcraft, G. B., & Neale, M. A. (1987). Experts, amateurs, and real estate: An anchoring-and-adjustment perspective on property pricing decisions. Organizational behavior and human decision processes, 39(1), 84-97. Redlich, A. (1997). Konfliktmoderation. Hamburg: Windmühle. Sharma, S., Bottom, W. P., & Elfenbein, H. A. (2013). On the role of personality, cognitive ability, and emotional intelligence in predicting negotiation outcomes: A meta-analysis. Organizational Psychology Review, 3(4), 293-336. doi:10.1177/2041386613505857 Thompson, L. L. (2006). Negotiation Theory and Research. New York, NY: Psychology Press. Trötschel, R., Höhne, B., Majer, J., Loschelder D., Deller, J. & Frey, D. (2015). Verhandeln. In Frey, D. & Bierhoff, H.W. (Eds.), Enzyklopädie der Sozialpsychologie: Kommunikation, Interaktion und soziale Gruppenprozesse (Band 3). Hogrefe Tversky, A., & Kahneman, D. (1974). Judgment under uncertainty: Heuristics and biases. science, 185(4157), 1124-1131. Van Baaren, R. B., Holland, R. W., Steenaert, B. & van Knippenberg, A. (2003). Mimicry for money: Behavioral consequences of imitation. Journal of Experimental Social Psychology, 39, 393-398. van Kleef, G., & Sinaceur, M. (2013). The demise of the ‚rational‘ negotiator: Emotional forces in conflict and negotiation. In M. Olekalns & W. L. Adair (Eds.), Handbook of research on negotiation. Northampton, MA: Edward Elgar Publishing. RESSOURCENORIENTIERTES VERHANDELN // IMPRESSUM IMPRESSUM Leuphana Universität Lüneburg Innovations-Inkubator Scharnhorststraße 1 21335 Lüneburg VERANTWORTLICH FÜR DEN INHALT: Prof. Dr. Roman Trötschel, Lisan Bumann, Stefanie Weyand, Anja Dohmen LEKTORAT: Ursula Zipperer GESTALTUNG UND SATZ: Meike Winters FOTOS: Merle Busch Seite 2, Ralf Brinkhoff/Birgit Mögenburg Seite 37, Anne Gabriel-Jürgens Titel, Seite 6, 12, 16, 24, 32, 35, Hannes Harnack Seite 36, industrieblick/ fotolia.com Seite 22. AUFLAGE: 300 Stück DRUCKEREI: Bartels Druck GmbH Dieses Projekt wird gefördert von: Kontakt Leuphana Universität Lüneburg Forschungsprojekt „Nachhaltiges Kundenmanagement – ressourcenorientiertes Verhandeln“ Innovations-Inkubator Lüneburg Scharnhorststr. 1, C1.016 21335 Lüneburg Lisan Bumann Fon +49.4131.677-1714 [email protected] Anja Dohmen Fon +49.4131.677-1714 adohmen@ leuphana.de » www.leuphana.de/inkubator-kundenmanagement 2015/05 · gedruckt auf Recyclingpapier Stefanie Weyand Fon +49.4131.677-1397 [email protected]
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