Die ehemalige Bergbaukolonie Alexander

Die ehemalige Bergbaukolonie Alexander
Wann der Bergbau an der Westseite des Bastenbergmassivs begonnen hat, ist nicht bekannt;
zahlreiche alte Stollen sind mehr als 200 Jahre alt. Die Gruben Glücksanfang und Alexander (
neu eröffnet 1836 bzw. 1842) gehörten lange Zeit neben den Gruben Bastenberg, Dörnberg
und Aurora zu den Hauptgruben des Ramsbecker Bergbaus. Obwohl die Lagerstätte in
Alexander fast nur festen Bleiglanz führte, war die Mächtigkeit sehr gering. Die Belegschaft
schwankte von 1843 – 1851 zwischen 4 und 14 Mann.
Als die mehrheitlich französische „Aktiengesellschaft für Bergbau, Blei- und Zinkfabrikation zu
Stolberg und in Westfalen“, deren Generaldirektor der Marquis de Sassenay war, im Jahre 1853
die Ramsbecker Gruben erworben hatte, und das Revier zum größten Industriezentrum
Europas ausbauen wollte, wurden zu dessen Realisierung mehr als tausend Berg- und
Hüttenleute, vor allem aus dem Harz und Sachsen angeworben. Für sie und ihre Familien
entstanden 1854 drei neue, werkseigene Wohnsiedlungen: Andreasberg, Heinrichsdorf und
Alexander mit typengleichen langen Fachwerkhäusern auf einem Bruchsteinsockel.
Alexander war die kleinste der drei Kolonien, benannt nach der nahegelegenen Grube. Der
neue Ort auf einer Außenweide des Weilers Blüggelscheid (Gemeinde Remblinghausen) in 450
m Höhe bestand nur aus gut einem Dutzend Gebäuden, wozu u.a. ein großes Zechenhaus, ein
Scheidehaus und ursprünglich neun 4-Familienhäuser gehörten. Zwei Brunnen dienten der
nötigen Wasserversorgung. Angesiedelt wurden in Alexander vorwiegend einheimische, fähige
Bergleute aus Velmede, Heringhausen und Remblinghausen, aber auch aus Silbach, Thülen
und Messinghausen. Hier haben u.a. Familien mit Namen Hermes, Schulte, Stappert, Droste,
Dröge und Dietz gewohnt.
Die Bergmannsfamilien in Alexander lebten in ländlicher Abgeschiedenheit. Kurz war der Weg
zum Arbeitsplatz in der Grube oder zum Scheidehaus, wo die älteren Jungen mit dem Hammer
das Erz vom tauben Gestein trennten. Weit jedoch war der Weg der Kinder zur Schule in Berlar,
noch weiter der Weg zum Kaufmann, zum Arzt oder zur Kirche im fünf Kilometer entfernten
Ramsbeck. Butter, Milch und Eier lieferten die Bauern aus Blüggelscheid und Berlar. Diese
übernahmen auch den Transport der Erze zur Ramsbecker Bleihütte für gern verdientes
Bargeld. Weil so mancher Bergmann nach wenigen Jahren durch die ungesunde Arbeit in der
Grube an „Bleivergiftung“ erkrankte, verschrieb ihm der „Grubendoktor“ aus Ramsbeck eine
Kiste Mineralwasser und verordnete ihm Arbeit „auf dem Wege“: Der Bergmann klopfte eine
Zeitlang bei frischer Luft 8-10 Stunden Schottersteine auf der Straße, die von Alexander nach
Ramsbeck führen sollte. Gesund wurde er nicht, der frühe Tod nur hinausgezögert.
Nach kurzer Scheinblüte und missglücktem Aktienschwindel in der sog. Franzosenzeit und nach
der Übernahme des Ramsbecker Grubenbetriebs durch die „Stolberger Zink AG“ bekam das
Grubenfeld Alexander einen 108 Meter tiefen Maschinenschacht und eine Erzaufbereitung mit
Dampfantrieb, bekannt unter dem Namen „Alexanderwäsche“. 1871 wurden in der Kolonie
Alexander 231 Einwohner gezählt. Doch aufgrund fehlender Lagerstätten musste 1894 die
Grube Alexander stillgelegt werden. Einige der verbliebenen Bergleute fanden weiterhin Arbeit
in Ramsbeck, wenn sie den weiten Weg auf sich nahmen. Doch die Kolonie Alexander verlor
als Wohnplatz mehr und mehr an Bedeutung. 1910 wohnten noch 84 Leute im Ort; schon nach
dem 1. Weltkrieg standen die meisten Wohnhäuser leer und wurden teilweise abgerissen. Weil
die Erzvorräte in allen Abbauorten erschöpft waren, stellte die Stolberger Zink AG die
Förderung 1937 in Alexander endgültig ein, führte in den nächsten Jahren mit wenigen
Bergleuten nur noch Untersuchungsarbeiten in den Stollen aus.
Die Trümmer des letzten Hauses – vorher Steigerhaus und noch zeitweilig als Jagdhütte
genutzt – mussten nach 1950 beseitigt werden, weil hier oft Leute ohne festen Wohnsitz
Zuflucht genommen hatten. Schächte und Stollen wurden fachmännisch mit Betonplatten
abgedeckt oder mit eisernen Gittern verschlossen. Heute findet nur ein kundiger Wanderer –
abgesehen von den unter Naturschutz stehenden Abraumhalden vor der Erzaufbereitung am
Westhang des Bastenbergs – im Wald noch versteckte Relikte der einstigen Bergbaukolonie
Alexander, die nur etwa hundert Jahre existierte.