Predigt - Kirche im WDR

Katholisches Rundfunkreferat beim WDR
Wallrafplatz 7
50667 Köln
Tel.
0221 / 91 29 781
Fax
0221 / 91 29 782
www.kirche-im-wdr.de
e-mail: [email protected]
Die Text-Rechte liegen bei den Autoren und beim Katholischen Rundfunkreferat. Verwendung nur zum privaten Gebrauch!
Predigt 23. August 2015
Pfarrer Hans-Joachim Hellwig
aus St. Nikolaus in Kall
Liebe Schwestern und Brüder – hier in der Kirche und zuhause oder unterwegs am Radio!
Begeistert folgen Jesus Scharen von Menschen. Er ist verehrter Mittelpunkt einer großen Menge von
Anhängern. Wo Jesus ist, treffen sich die Leute. Sie sind fasziniert von seiner Person, von dem was er tut
und von dem, was er sagt. Er verheißt ihnen das Reich Gott, er speist 5000 Männer dazu Frauen und
Kinder und weckt damit Träume von einer politischen Befreiung, Träume von einem sorgenfreien Paradies.
Jesus von Nazareth ist in aller Munde.
Und seine Jünger, die sind sicherlich auch stolz, zu einer so beachteten Bewegung zu gehören.
Doch auf einmal schlägt die Stimmung um. Die Worte vom Brot, in denen der irdische Jesus sein eigen
Fleisch und Blut als Speise und Trank bezeichnet, sind nicht nur für die jüdischen Zuhörer, sondern auch
für die Jünger eine Zumutung. Unverständnis, Kopfschütteln. Ihre empörte Antwort: „Was er sagt, ist
unerträglich!“ Mit diesen anstößigen Worten verweist Jesus bereits voraus auf das letzte Abendmahl und
damit auf seinen Tod am Kreuz. Und das können und wollen viele jetzt noch nicht verstehen. Jesus
enttäuscht und reißt heraus aus den Wolken allzu menschlicher Träumereien, Vorstellungen und Wünsche.
Satt werden – das ist schön und gut – aber sein Leben hingeben, für andere – das ist doch ein bisschen
viel verlangt?
Es kommt zur Krise. Aber Jesus nimmt diese Krise in Kauf, um klar zu machen, wozu er eigentlich gesandt
ist: Sein Leben zu geben für andere. So braucht ihm niemand mit falschen Vorstellungen und irrigen
Hoffnungen nachfolgen. Er überredet auch nicht zum Bleiben, sondern fordert Entschiedenheit heraus.
Viele aus der Schar seiner Anhänger – sogar aus dem Kreis der Jünger – können nicht mehr mit, sie
verlassen Jesus. Er kann und will sie aber auch nicht unter falschen Vorzeichen halten. Hingabe ist nicht
jedermanns Sache.
Nun sind sie nur noch ein kleines Grüppchen, die Zwölf – vielleicht ein paar mehr. Und genau sie
konfrontiert Jesus mit der Frage: „Wollt auch ihr weggehen?“ Und Petrus, wie es so seine Art ist, antwortet
spontan und mit großer Entschiedenheit: „Herr, zu wem sollen wir gehen, du hast Worte ewigen Lebens!“
Ich verstehe das so: Für Petrus ist dieser Jesus alternativlos. Auch wenn er den Herrn nicht immer
versteht, spürt er doch in seinen Worten Gottes Zuwendung und Liebe zu allen Menschen. Wie oft hatte
Petrus die heilende Kraft der Worte Jesu erfahren?! Bei wem sonst hatte er Hoffnung gefunden, die selbst
die Grenze des Todes überwindet?
Und wenn Petrus dann hinzufügt: „Du bist der Heilige Gottes!“ will er damit sagen, dass Jesus für ihn mehr
ist als ein Lehrer, ein Wegweiser oder heilender Therapeut. Jesus ist für ihn der Sohn Gottes – in ihm
offenbart sich Gott. In ihm begegnet er Gott. Und so wird für Petrus klar: „Jesus, du hast
Worte ewigen Lebens.“ Ja mehr noch: „Du bist der Heilige Gottes!“
Zu einem solchen Bekenntnis sind nicht alle Menschen bereit oder fähig. Sie können die Gegenwart Gottes
in Jesus Christus nicht glauben und in Jesus nicht den Heiligen Gottes erkennen.
Mir kommt es so vor, dass allen, die Jesus folgen, genau diese Worte von der Hingabe aber und das
Bekenntnis zu Jesus und seiner Gegenwart zur Prüfung werden sollen. Bevor Jesus nämlich seine Jünger
aussendet, prüft er ihre Treue und Entschiedenheit. Er macht ihnen deutlich: Wer ihm nachfolgt, der kann
sich nicht im Glanz eines Stars sonnen, sondern steht im Schatten eines Schmerzensmannes, der sein
Leben für andere hingibt.
1
Und wer Jesus nachfolgen will, der muss aufpassen, dass er Jesus nicht mit der Brille der eigenen
menschlichen Hoffnungen wahrnimmt, sich also ein Bild von ihm macht, aber nicht bereit ist, Jesus als den
zu erkennen und anzuerkennen, der er ist: Jesus ist nicht das Spiegelbild menschlicher Hoffnungen und
Wünsche. Er ist immer anders und größer als menschliches Denken und Wollen. Viele
Glaubensenttäuschungen haben ihren Grund darin, dass Gott mehr eine Projektion eigener Wünsche ist,
die zum Beispiel Leid, Schmerz und Tod ausblenden.
Doch Jesus hat das Leid nicht aus der Welt genommen, sondern er hat es auf sich genommen und als
Schmerzensmann deutlich gemacht, dass er die Menschen selbst im Leid nicht im Stich lässt. Er ist der
Gott bei den Menschen – mitten in Trauer und Leid.
Liebe Gemeinde!
Der Frage Jesu: „Wollt auch ihr gehen?“ sollte sich jeder Christ stellen. Es ist eine immerwährende aktuelle
Frage.
Aber es ist ja nicht nur die Leidenserfahrung, die die Frage aufwirft, soll ich von Jesus weggehen oder
nicht? Gott sei Dank gibt es immer auch noch die Höhepunkte im Glaubensleben, Augenblicke voller
Begeisterung und tiefer Glaubensfreude. Petrus musste solche positiven Erfahrungen ja schon gemacht
haben, sonst wäre sein Bekenntnis zu Jesus als dem Heiligen Gottes, als demjenigen der Worte des
Lebens hat, nicht möglich gewesen.
Ich denke heute da an intensive Wallfahrten mit der hiesigen Gemeinde, an ökumenische
Glaubensbegegnungen in Taizé, an die Begeisterung der jungen Messdiener auf dem Petersplatz, als der
Name unserer Gemeinde fiel.
Es sind gerade diese positiven Erfahrungen im gemeinsamen Glaubensleben, die eine wichtige Grundlage
bilden, um eine Antwort auf Jesu Frage zu geben: Wollt auch ihr gehen?
Gerade heute spüren viele, dass sich der Wind gedreht hat, und es kühler geworden ist. Enttäuschung,
fehlende Anerkennung, Verständnislosigkeit und Gleichgültigkeit sind vielfach der Nährboden einer
Glaubenskrise.
Nicht nur ich nehme wahr, dass die Kirchenbänke leerer werden. Die einen verlassen die Kirche bewusst,
andere bleiben einfach weg. Es sind Zeiten der Krise.
„Krise“ heißt aber Entscheidung. Und Entscheidungen setzen Erfahrungen und Erkenntnisse voraus. Was
aber könnten das für weitere Erfahrungen sein, die Menschen – wie Petrus – zum Bekenntnis kommen
lassen: Herr, Du hast Worte des ewigen Lebens? Wie wäre es, wenn die Kirche, die eigene Gemeinde
immer mehr ein Ort der Hingabe würde, konkret der Wertschätzung und Versöhnung, des Friedens und der
Gerechtigkeit, wo das gemeinsame wichtiger ist als das je eigene?
In vier Wochen werden hier in der Pfarrkirche St. Nikolaus 54 Jugendliche gefirmt. Die Herausforderung
der Firmvorbereitung war und ist es, diesen jungen Menschen solche Erfahrungen zu vermitteln, dass sie
zu einer persönlichen Entscheidung im Glauben kommen, zu einem persönlichen Ja zu Jesus Christus. Ich
bin davon überzeugt, dass die wichtigste Erfahrung für diese jungen Menschen darin besteht, dass sie auf
andere Christen stoßen, die – wie Petrus – eine entschiedene Antwort geben können: „Herr, zu wem sollen
wir gehen? Du hast Worte ewigen Lebens!“
2