2015-17_Tierhaltung - Dr. Neinhaus Verlag AG

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Tierhaltung
Landpost 17/2015
Spurenelemente: Klein aber fein
Den Mangelerscheinungen der Tiere durch Düngung des Grünfutters entgegenwirken
D
ie Schaffung eines mit
Mineralstoffen gut
versorgten Bodens ist
langfristig die wichtigste Voraussetzung für eine gesunde,
leistungsfähige und nachhaltige
Milchviehhaltung. Für unsere
Väter beziehungsweise Großväter war es selbstverständlich, Grünland alljährlich mit
Thomasmehl zu düngen, um
den Entzug von Phosphor und
Kalk, aber auch von Spurenelementen auszugleichen.
Diese segensreiche Düngetradition kam leider aus verschiedenen Gründen aus der Mode
und so droht das Grünland an
Spurenelementen zu verarmen
mit den Folgen eines Mangels
bei den Tieren.
Gewisse SpurenelementMangelsymptome sind erst
nach längerer Zeit erkennbar
und mittels Blutuntersuchung
nachweisbar. Da die Spurenelemente nicht ertragsrelevant
sind, wird im Allgemeinen auf
die Spurenelementversorgung
der Futterpflanzen wenig Wert
gelegt. Auch wenn die Spurenelemente nur in Spuren benötigt werden, so greifen sie
dennoch mit großer Wirkung
entscheidend in Stoffwechselvorgänge verschiedener Organe
wie Knochen, Klauen, Muskulatur, Haut, Geschlechtsorgane
und des Zentralnervensystems
ein und haben zudem wesentlichen Anteil am Aufbau der
Lecksuchtartiges Verhalten der Tiere kann auf Kupfermangel hinweisen.
Immunität gegen bakterielle
und virale Erkrankungen. Sie
wirken als Katalysatoren bei
vielen enzymatischen und hormonellen Prozessen mit und
machen Stresssituationen wie
extrem hohe Tagesgemelke,
Überbelegung oder ungünstige
Witterungsverhältnisse (Hitze,
Kälte) erträglicher. Im Vergleich
zu den Mengenelementen (zum
Beispiel Kalzium, Phosphor,
Magnesium), die bei ungenügender Versorgung aus dem
Skelett zugunsten der Milchproduktion mit entsprechenden
Krankheitserscheinungen (beispielsweise Fundamentproblemen, Lahmheiten, Fruchtbarkeitsstörungen),ausgelagert
werden, kann der Organismus
Spurenelement-Versorgungsmängel nicht ausgleichen, was
dann zu Funktionsstörungen
verschiedener Organe einschließlich Verhaltensstörungen
führt.
Wechselwirkungen
Kupferbrille: das Haarkleid um die
Augen hellt sich als Symptom bei
Kupfermangel auf.
Fotos: Kalchreuter
Sollte in Problemfällen eine kritische Überprüfung des Managements erfolglos sein, so ist es
ratsam, die Spurenelement-Versorgung zu hinterfragen. Allerdings ist die Einschätzung einer
bedarfsgerechten Versorgung
schwierig, da die Verfügbarkeit
beziehungsweise Absorptionsrate an den Zielgeweben von
vielerlei Faktoren abhängt. So
bestehen zwischen den einzelnen Mineralien Wechselwirkungen. Beispielsweise hemmt
ein erhöhter Eisengehalt im
Futter (Schmutzbesatz) oder
in der Tränke (Brunnenwasser)
die Absorption von Zink, Kupfer und vor allem von Mangan.
Eine überhöhte Zufuhr von
Kalzium, Molybdän (Moorböden) oder Schwefel beeinträchtigt die Kupferverwertung
im Magen-Darm-Trakt. Darüber hinaus erzeugen subakute
ruminale Azidosen („SARA“)
schwerlösliche SpurenelementVerbindungen durch reduktive
Verhältnisse in den Vormägen.
Ganz allgemein gelten Sand-,
Hoch- / Niedermoor-, Granitverwitterungs- und kalkhaltige Böden als SpurenelementMangelstandorte. Entscheidend
für den Betriebserfolg ist nach
wie vor, dass die Beziehung
„Boden-Pflanze-Tier“ im Fokus
der Bewirtschaftung der Futterflächen bleibt.
Am Beispiel von Kupfer und Selen sollen Folgeerscheinungen
durch Versorgungsmängel sowie Gegenmaßnahmen aufgezeigt werden.
Kupfer
Kupfer (Cu)-Mangel, ob direkt
(absolut zu wenig Cu im Futter) oder indirekt (sekundärer
Mangel infolge zu vieler CuGegenspieler bei zu geringer
Menge an freiem Cu im Pansen) zeigt sich am Tier in Form
der Ausbleichung des Haarkleides, zum Beispiel um die
Augen („Kupferbrillen“), wobei
schwarze Haare mausgrau oder
rote Haare fahlgelb werden. Die
Aufhellung kann auch großflächig am Körper, beispielsweise
an den Flanken sein. Nicht selten stehen Klauenerkrankungen
wie Klauenfäule, rissige Klauen,
instabiles Klauenhorn sowie
offene wunde Stellen an der
Innenseite des Sprunggelenkes
im Zusammenhang mit einer
mangelnden Cu-Versorgung.
Auffällig ist lecksuchtartiges
Verhalten, wobei die Tiere mit
Vorliebe Holz benagen, aber
auch Erde fressen. Nicht selten
sind Fruchtbarkeitsstörungen
wie Stillbrunst, unregelmäßiges Umrindern zu beklagen.
Cu-Unterversorgung bei hochträchtigen Tieren beeinträchtigt
die Entwicklung des Zentralnervensystems beim Fötus. Es
werden lebensschwache Kälber
mit Lähmungserscheinungen
und Trinkschwäche geboren,
die in der Entwicklung zurückbleiben (Wachstumsdepression).
Der Nachweis eines Cu-Mangels
erfolgt über die Blutuntersuchung, wobei nicht nur der CuGehalt im Blut (Normalwert 90
bis 120 µg / dl), sondern auch die
Aktivität eines Cu-haltigen Enzyms (Caeruloplasmin) gemessen werden, wodurch der sekundäre Cu-Mangel aufgedeckt
werden kann. Beispielsweise
wird bei hohem Eisengehalt im
Futter (Schmutz) Cu im Pansen
komplexartig gebunden, so dass
es bei normalem Cu-Blutspiegel
zu Cu-Mangelsymptomen kommen kann. Ebenfalls binden
Molybdän und Schwefel freies
Cu im Pansen. Durch Aufnahme
dieses unlösbaren Komplexes
ins Blut wird das Cu-haltige Enzym inaktiviert.
Allgemein wird für Kühe ein
Bedarf an Cu von 10 mg oder
für Färsen 8 mg je kg TMGesamtration empfohlen.
Im Grünland / Weidehaltung
schwanken die Cu-Gehalte je
nach botanischer Zusammensetzung. Beispielsweise zeichnen sich Wiesenrotklee und
Wiesenschwingel durch relativ
hohe Cu-Gehalte aus. Nicht selten weisen Futteranalysen weniger als 5 mg Cu / kg TM auf
bei einer ohnehin niedrigen CuResorptionsrate von nur etwa
zehn Prozent. Zu beachten ist
ferner, dass bei hohen N-Gaben
der Cu-Blutspiegel sinkt. In der
Praxis werden vielfach auf der
Landpost 17/2015
Weide Lecksteine als Ergänzung
aufgestellt. Allerdings gehen
nicht alle Tiere gleichmäßig an
die Leckmassen. Eine sichere
Cu-Versorgung der Tiere wäre
die Ergänzung über LangzeitBoli (zum Beispiel„Rumifert"
von Boehringer-Ingelheim), die
sich über 4,5 bis sechs Monate
vollständig auflösen. Inzwischen gibt es etliche Anbieter
von Mineraldüngern mit dem
Spurenelement Kupfer.
Selen
Deutschland zählt geologisch
bedingt zu den Ländern mit
Selen (Se)-Mangel bei einem
Se-Gehalt im Boden zwischen
70 und 550 µg / kg TM. Insbesondere weisen die Böden
Süddeutschlands (Oberbayern,
Allgäu, Schwarzwald) sowie
der Norden Niedersachsens
überwiegend erhebliche SeDefizite mit Se-Gehalten von
unter 10 µg/kg Boden–TM auf.
Die Harmonie „Boden-Pflanze-Tier“ ist an solchen Standorten enorm gestört, so dass
in Futteranalysen vom Grünland Werte mit weniger als
0,05 mg Se / kg TM (unter der
Nachweisgrenze) ausgewiesen
werden. Somit würden bei einer Tagesration von 20 kg TM
theoretisch nur 1 mg Se angeboten gegenüber dem Bedarf
von 5 mg bis 7 mg pro Kuh
und Tag. Über Mineralfutter ließe sich das Defizit nicht
ausgleichen. Folglich liegt der
Se-Gehalt der Tiere zum Beispiel im Blutplasma nicht selten
zwischen 15 µg / l und 50 µg / l.
Optimal wären Werte im Bereich von 70 µg / l und mehr im
Blutplasma, beziehungsweise von 100 µg / l bis 120 µg / l
i m Vo l l b l u t . K ä l b e r v o n
Selen-unterversorgten Muttertieren fallen durch geringe Vitalität auf, zeigen Trinkschwäche und Schlucklähmung,
kommen zum Festliegen, leiden
trotz Mutterschutzimpfung an
Durchfällen und Atemwegserkrankungen. Tod wegen Herzversagen ist nicht selten. Sie haben einen auffallend niedrigen
Se-Blutspiegel, meist nicht über
20 µg / l, da sie über das mütterliche Blut ungenügend versorgt
wurden und zudem die Biestmilch unzureichende Se-Gehalte aufweist. Die Muttertiere
sind anfällig für hartnäckige
Euterprobleme (erhöhte Milchzellgehalte, Euterentzündungen
meist mit Staphylococcus aureus), Fruchtbarkeitsstörungen
(Nachgeburtsverhaltung, Gebärmutterentzündungen, Follikel-Thekazysten), degenerative
Muskelerscheinungen im Oberund Unterschenkelbereich mit
Umfangsvermehrung und wunden Aufliegestellen (Dekubitus)
durch vermehrtes Liegen oder
infolge einer Fehlhaltung der
„Hundesitzigkeit“ sowie eitrige
Sprunggelenksentzündungen.
Nach Prof. Werner Pfannhäuser
aus Graz zählt Se nach heutigem Kenntnisstand zu den essenziellen, das heißt lebensnotwendigen, also unverzichtbaren
Spurenelementen. Se erfüllt
wichtige Funktionen in der Verhütung oxidativer Schädigung
vor allem der Zellmembranen
(zum Beispiel Milchdrüse, Muskulatur). Se ist Bestandteil zahlreicher Schutzenzyme, welche
die Zellen stabilisieren, deren
Alterungsprozess vermindern,
Entzündungen entgegenwirken und das Immunsystem
unterstützen. Darum wird zunehmend die Se-Versorgung
mittels Messung der Aktivität
des Se-haltigen Enzyms Glutathionperoxidase im Blut erfasst.
Nach wie vor wird in vielen
Milchviehherden vorbeugend
an hochträchtigen Kühen und
Färsen etwa zehn Tage vor der
erwarteten Abkalbung Vitamin E / Selen injiziert, nach Bedarf eine zweite Injektion nach
weiteren fünf Tagen, um das
Schlimmste zu verhindern.
Analog zur Cu-Versorgung
hat sich die Eingabe der Boli
mit Kupfer, Kobalt und Selen
(„Rumifert“) bewährt. Lecksteine, -schalen oder Leckmassen werden von den Tieren sehr
unterschiedlich angenommen,
so dass keine Kontrolle über
die Versorgung besteht. Zunehmendes Interesse der Landwirte besteht für Düngungsmaßnahmen mit Se-haltigen
Mineraldüngern, denn erstrebenswert wäre ein Se-Gehalt
in der Gesamtration von 0,2 bis
0,3 mg / kg TM. Se-haltige Dünger werden seit über 20 Jahren
in den skandinavischen Ländern
in der Weidehaltung erfolgreich eingesetzt. Beispielhaft
hierfür sind Untersuchungsergebnisse aus dem Allgäu: In
Permanent in ihrem
SpurenElement
Für Leistung und
Fruchtbarkeit.
KUPFER, KOBALT
+ SELEN
im Langzeit-Bolus
Eine Verabreichung (2 Boli) – bis zu
6 Monate kontinuierliche Versorgung
mit Kupfer, Kobalt + Selen.
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ABCD
10
Tierhaltung
einem praktischen Milchviehbetrieb wurden im März 2014
beim Wiesenabschleppen 25 kg „Dino Selenium“
ausgebracht, das entspricht
10 g Se / ha. Der erste Aufwuchs wies einen Gehalt von
0.33 mg Se / kg TM auf. Im dritten Schnitt (Grummet) waren
immer noch 0.14 mg Se / kg TM
enthalten.
Für eine kontinuierliche Versorgung der Nutztiere ist nun
Landpost 17/2015
mal der Gesichtspunkt der Boden-Pflanze-Tier- Beziehung
unverzichtbar. Das heißt, eine
Se-haltige Düngung angesichts der Se-Mangel-Böden ist
unabdingbar. Da in Deutschland Se auch in der Humanernährung defizitär ist, Milch
und Fleisch jedoch wichtige
Se-Quellen darstellen, ist die
Se-Konzentration im Futterangebot unserer Nutztiere ein Aspekt der Produktqualität, was
auch dem Verbraucher zugute
kommt.
Fazit
In geologisch bedingten spurenelementarmen Regionen müssen im Sinne einer nachhaltigen
Milchviehhaltung Defizite ausgeglichen werden, da ein Mangel
Gesundheit und Leistungsbereitschaft der Nutztiere beeinträchtigt und den betrieblichen Erfolg
dauerhaft schmälert. So war in
einem tiermedizinischen Lehrbuch zum Thema Mineralstoffversorgung folgendes zu lesen:
„Früher war die Besserung der
Mangelerscheinungen nur durch
Bringen der kranken Tiere in gesunde Bestände möglich“. Heutzutage gibt es bewährte Ergänzungsmaßnahmen wie beispielsweise die Verabreichung von Boli
oder den Einsatz von spurenelementhaltigen Düngemitteln.
Dr. Siegfried Kalchreuter
Vorbeugen ist besser als heilen
Klauenkrankheiten möglichst vermeiden
E
s ist nicht einfach,
Klauenkrankheiten zu
behandeln, insbesondere dann nicht, wenn es sich
um Mortellaro, auch „Erdbeerkrankheit“ genannt, handelt.
Die Vorbeugung ist deswegen
besonders wichtig. Ein Kurs am
Landwirtschaftlichen Zentrum
St.Gallen in der Schweiz zeigt,
worauf zu achten ist.
Klauenerkrankungen haben
oft schwerwiegende Folgen.
Bei etwa zwölf Prozent der geschlachteten Kühe sind Klauenerkrankungen der Grund für die
Schlachtung. Sie sind damit die
dritthäufigste Abgangsursache
beim Milchvieh, berichtet Karl
Nuss, Tierarzt und Professor
am Tierspital Zürich. Die in der
Schweiz hauptsächlich vorkommenden Klauenerkrankungen
sind Sohlengeschwüre und Klauenrehe. Sie entstehen vor allem
durch Druckstellen. Um diesen
vorzubeugen, braucht es eine
funktionelle Klauenpflege sowie
den richtigen Boden. Man kann
nicht verallgemeinernd sagen,
dass ein weicher Boden besser ist
als ein harter, denn Klauen benötigen neben weichen auch harte Böden, um sich abzunutzen.
„Entscheidend ist, dass Sie die
Klauen sauber halten“, ermahnt
der Tierarzt die Landwirte.
Mortellaro auf dem
Vormarsch
Dasselbe gilt auch zur Vorbeugung der Mortellaro-Klauenerkrankung, benannt nach dem
italienischen Professor Carlo
Mortellaro, der als einer der Ersten die Krankheit beschrieben
hat. Sie tritt seit den 90er Jahren
vermehrt auch in der Schweiz
auf, nicht nur bei Milchvieh,
sondern auch bei Fleischrassen
und extensiv gehaltenen Rindern; man schätze, dass etwa
30 Prozent der Kühe mindestens
einmal in ihrem Leben von dieser Krankheit betroffen seien.
„Mortellaro“ wird auch „Erdbeerkrankheit“ genannt, da das
typische Erscheinungsbild wie
Starke Klauen (für starke Kühe)
Desinfektionslösung 4Hooves
t frei von Antibiotika/Schwermetallen
t überprüfte Wirksamkeit*
t als Biozid registriert
t für den Einsatz im Klauenbad
t auf Basis von quartären
Ammoniumverbindungen
Biozide sicher verwenden. Vor Gebrauch stets Kennzeichnung
und Produktinformation lesen.
*Fiedler et al. (2013)
www.delaval.de
die Oberfläche einer Erdbeere
aussieht. Die Forscher sprechen
auch von „Dermatitis digitalis“,
was sich mit „Hauterkrankung
am Finger“ übersetzen lässt. „Es
handelt sich um eine multifaktorielle Erkrankung mit starker
bakteriologischer Komponente“,
fasst Karl Nuss zusammen. Die
Erkrankung bildet sich hinten
im Zwischenklauenspalt, in der
kleinen „Tasche“, wo sich oft etwas Schmutz versteckt. Versuche
haben gezeigt, dass die Krankheit sich nur übertragen lässt,
wenn die Haut geschädigt ist.
Sauberer und
trockener Stall
Es ist nicht nur ein einzelner
Bakterienstamm, der die Krankheit verursacht, sondern mehrere
Stämme, insbesondere sind in
den Geschwüren Spirochäten
zu finden. Allen Stämmen gemeinsam ist, dass sich die Erreger ohne Sauerstoff entwickeln.
Da Spirochäten gegenüber Antibiotika empfindlich sind, lassen sich damit beim Einzeltier
schnelle Erfolge erzielen. Eine
zu 100 Prozent wirksame Heilmethode gäbe es jedoch nicht.
„Die Erreger sitzen auch in den
tiefen Gewebsschichten, wo sie
durch die verschiedenen Heilmittel nicht erreicht werden.“,
erklärt der Klauenspezialist. Außerdem könnten die massenhaft
vorhandenen Erreger schnell
wieder in die geschädigte Haut
eindringen. Seine Strategie ist es,
zu verhindern, dass die ätzenden
Bestandteile von Kot und Harn
die Haut aufweichen und Erreger
in den Körper eindringen. Der
Tierarzt sieht deswegen einen
Klauen einmal pro Woche mit dem
Schlauch sauber abwaschen ist
oft besser als Klauenbäder. Dieses
Klauenbad ist zu kurz, zu wenig
tief, und verschmutzt, es lässt sich
nur schwer reinigen.
sauberen Stall und saubere Klauen als wichtigste Vorbeugung
gegen Mortellaro an.
Eine Vielzahl von Maßnahmen
kann helfen, Mortellaro vorzubeugen. In bestehenden Ställen
soll man den Schieber möglichst
oft laufen lassen, um die Laufflächen sauber und trocken zu
halten. Wer einen neuen Stall
Forschung
E
inige auf dem Markt angebotene Behandlungsmittel
wie die Novaderma Salbe oder
das Mortellaro Heal Pflaster
scheinen mindestens teilweise
Erfolg zu haben, obwohl die
Wirkung naturwissenschaftlich
nicht immer erklärbar ist. Die
Forschung komme bei der Suche nach Heilmitteln nur langsam voran, stellt Karl Nuss fest.
Bei „Wundermitteln“ sei allerdings darauf zu achten, dass
sie den Tieren nicht zusätzlich
Schmerzen zufügen. Genauso
wichtig wie die Bekämpfung
der Bakterien sei allerdings,
Mortellaro durch optimale
Sauberkeit an den Klauen zu
bekämpfen.
Götz
Tierproduktion
Landpost 17/2015
wenn die Kühe über längere Zeit
vorne höher stehen müssen, wie
es vor Futtertischen der Fall ist,
bei welchen die Kühe beim Fressen mit den Vorderbeinen auf
ein Podest stehen müssen. Wissenschaftlich bewiesen sei dies
nicht, meint Professor Karl Nuss,
doch es werde darüber debattiert.
Klauenstand in der
Nähe der Kühe
Mortellaro entwickelt sich in der „Tasche“ des Zwischenklauenspaltes.
Nach Ablösung der oberen Hautschichten kommt die Lederhaut zum Vorschein; sie sieht aus wie eine Erdbeere.
Fotos: Karl Nuss
baut, sollte darauf achten, dass
Laufgänge ein Gefälle zu einer
Harnrinne haben. In komfortablen Liegeboxen liegen Kühe
länger und somit können die
Klauen besser trocknen. Eine angepasste Klauenpflege —
dreimal im Jahr oder sogar öfter — hilft ebenfalls, Mortellaro
vorzubeugen. Ein Waschen der
Klauen, indem man sie mit dem
Wasserschlauch abspritzt, ist oft
besser als Klauenbäder. Diese
können kontraproduktiv wirken,
wenn sie nicht sauber gehalten
werden. Einer Übertragung von
Tier zu Tier sollte man so gut
als möglich vorbeugen, indem
man zugekaufte Tiere während
drei Wochen separat hält und bei
der Klauenpflege darauf achtet,
die Werkzeuge zu desinfizieren.
Nicht zuletzt ist es hilfreich, sich
eine Liste zu machen, welche
Tiere schon einmal an Mortellaro erkrankt sind. Wenn man
diese gezielt beobachtet und behandelt, kann man Krankheitsausbrüchen bei den übrigen Tieren vorbeugen.
Kuhsignale geben
Aufschluss
Als Bauberater und Kuhsignaltrainer befasst sich Christian
Manser vom LZSG mit dem Verhalten der Tiere. Alleine schon
daraus, wie eine Kuh steht, lassen sich mögliche Rückschlüsse auf die Klauengesundheit
ziehen. „In 90 Prozent der Fälle
haben Kühe mit einem krummen
Rücken ein Klauenproblem“,
sagt Manser. Denn kranke Klauen sind schmerzhaft und die Kuh
versucht, sie zu entlasten. Demnach müssten lahm gehende Kühe mehr liegen als Kühe mit gesunden Klauen. Doch es sei eher
umgekehrt. Lahme Kühe stehen
oft in den Liegeboxen, anstatt
dass sie liegen. Der Grund dafür ist, dass eine Kuh mit einer
kranken Klaue beim Aufstehen
Schmerzen hat. Deswegen liegt
sie erst gar nicht ab. Liegt sie,
dann steht sie ungern wieder
auf. Lahm gehende Kühe benötigen einen Stallbereich, in welchem sie sich erholen können,
am besten eine separate Bucht
auf Tiefstreu, wo beim Aufstehen die Unterlage dem Druck der
Klauen nachgibt. Die Kuh wird
länger liegen und die Klauen
können besser abtrocknen und
heilen. Ein gutes Stallklima begünstigt dies zusätzlich.
Auffällig sei, dass etwa 80 Prozent der Klauenerkrankungen
an den Hinterbeinen auftreten.
Ein Grund hierfür ist, dass Kühe
häufiger mit der Hinter- als mit
der Vorderhand in der Nässe stehen, zum Beispiel wenn sie mit
den Hinterfüßen nicht in den
Liegeboxen stehen. Außerdem
verschiebt die Zucht auf hohe
Milchleistung oder bei Masttieren eine stärkere Bemuskelung
der Hinterhand das Schwergewicht der Kuh immer mehr nach
hinten. Das führt zu einer stärkeren Belastung der hinteren
Klauen. Als besonders ungünstig
betrachtet der Kuhsignaltrainer,
Eine große Bedeutung für die
Vorbeugung und Behandlung
von Klauenerkrankungen hat
die Einrichtung eines Klauenstandes. „Lahme Kühe gehen
nicht gerne weite Wege“, hält
Manser fest. Deswegen ist es von
Vorteil, wenn man den Klauenstand dort fest platziert, wo die
Kuh täglich vorbei muss. Es gibt
auch fahrbare Klauenstände,
welche man direkt von hinten
zur Kuh fahren kann, wenn sie
am Fressgitter eingesperrt ist.
Die Kuh muss nicht von der Herde weg und für den Tierhalter
wird es auch leichter. Er reagiert
früher, wenn er Anzeichen von
Lahmheit sieht. Je früher er Klauenkrankheiten behandelt, desto
schneller heilen sie ab. Im Umgang mit den Tieren dagegen ist
nicht Schnelligkeit gefragt, sondern Geduld. „Vitamin G“ nennt
es der Kuhsignaltrainer. Kühe,
welche ruhig und ohne Hektik
bewegt werden, haben weniger
Klauenprobleme. Das bestätigt
auch ein Landwirt, der über seine
praktischen Erfahrungen spricht.
Lahmheiten könnten auch eine
Folge von Stress sein. Er empfiehlt darauf zu achten, ruhig mit
den Tieren umzugehen und ihnen genügend Zeit zu lassen. Das
setze voraus, dass man lernt, die
Tiere zu verstehen.
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Oft sind es mehrere Faktoren,
welche Klauenkrankheiten
verursachen. Ein Schlüssel für
gesunde Klauen liegt in der
wiederkäuergerechten Fütterung, wie Fütterungsberater
Koni Höhener erklärt. Ein fein
gehäckseltes Futter mit nur
wenig Rohfaser führt leicht
zu einer Pansenübersäuerung.
Diese hat zur Folge, dass die
Pansenwand geschädigt wird
und Giftstoffe, so genannte
Endotoxine, ins Blut gelangen.
Diese schädigen verschiedene
Organe, vor allem die Leber,
und verursachen eine schlechtere Durchblutung sowie Entzündung der Klauenlederhaut,
was unter dem Begriff Klauenrehe bekannt ist. Die Entzündung kann dazu führen, dass
sich der Hornschuh teilweise
von der Lederhaut löst, was
man daran erkennt, dass die
Kühe wie auf Nadeln gehen.
Klauenrehe macht die Klauen
für Krankheiten, besonders für
Sohlengeschwüre, anfälliger.
Der Fütterungsberater empfiehlt, den Kühen nicht nur
geschnittenes Futter aus dem
Futtermischwagen vorzulegen,
sondern zuvor auch nicht geschnittenes Dürrfutter. „Struktur könnt Ihr selber produzieren“, erinnert er die Landwirte.
„Lasst mindestens einen Teil des
Futters älter werden.“ Bei gehäuften Klauenproblemen sollte
man zuerst die Struktur des
Futters sowie die Energie- und
Eiweißversorgung überprüfen.
Erst wenn diese Faktoren stimmen, könne man über einen
langfristigen Einsatz von Biotin
eine zusätzliche Stärkung der
Klauen erwarten.
Michael Götz
Klauenläsionen bei Kühen in der Schweiz: Die Untersuchung der Hinterfüße von 174 Schlachtkühen eines Tages zeigt die Häufigkeit von Klauenerkrankungen. Aufgeführt sind nur Läsionen, welche bei mehr als fünf
Prozent der Hinterfüsse auftraten.
(Quelle: Franziska Rüegsegger, Doktorarbeit, Vetsuisse-Fakultät Zürich 2011)
Klauenläsionen bei 174 Schlachtkühen in der Schweiz*
Alle Klauenläsionen
Ballenhornfäule
Chronische Klauenrehe
Oberflächliches Sohlengeschwür
Mortellaro
Lose und eitrig-hohle Wand
Rollklauen
Zwischenklauenwulst
Betroffene
Füsse %
89,1
63,2
41,4
28,2
25,3
14,4
7,5
6,9
Beide Hinterfüsse
betroffen %
96,4
100,0
51,0
84,1
48,0
84,6
100,0