46 Tier BAUERNBLATT | 19. Dezember 2015 ■ Rindertag 2015 in Rendsburg: Nahezu 600 Besucher Fütterung, Haltung und Genetik für gesunde Klauen Selten ist ein Rindertag mit nahezu 600 Besucherinnen und Besuchern so gut angenommen worden. Dabei ging es Ende November um ein Grundlagenthema, aber vielleicht war das auch gerade das Erfolgsgeheimnis der Veranstaltung. Der gesunden Rinderklaue widmeten sich fünf Referenten in unterschiedlicher Herangehensweise: Der Haltung, der Fütterung und der Genetik kommt beim Erhalt einer gesunden „Rinderzehe“ Bedeutung zu. Als erster Redner leitete Johannes Thomsen, Landwirtschaftkammer, das Thema ein. Er machte mit den Daten des Landeskontrollverbandes (LKV) deutlich, wie zahlreich die Abgänge bei Klauen- und Fundamentproblemen sind. Das ist schon der dritte Grund nach Unfruchtbarkeit und Euterproblemen für das Ausscheiden der Tiere. Der Schaden für die Betriebe sei erheblich, denn nicht nur die unmittelbaren Kosten der Behandlung seien hoch, viel gravierender seien die Folgekosten durch den Rückgang der Leistung. Es leuchtet ein, dass ein Tier, das wegen Beeinträchtigung oder gar Schmerzen nicht gern läuft, den Futtertisch weniger oft aufsucht. Um Klauen und Fundament zu entlasten, muss die Liegebox für das Tier optimal gestaltet sein, sauber und bequem. Dr. Detlef Kampf, neuer Fachbereichsleiter Rind der Kammer, widmete sich dem Thema von der Ernährungsseite her. Er machte Fütterungsfehler für Klauenerkrankungen wie auch andere Erkrankungen verantwortlich. So stellte er fest, dass teilweise zu lange Dr. Detlef Kampf Eine Verlängerung der Liegedauer entlastet die Fundamente der Kühe spürbar und erhöht die Milchleistung. gemischt wird (Vermusung), zu viel Kraftfutter verabreicht wird oder eine Fehleinschätzung der Futteraufnahme vorliegt. Besonders Trockensteher würden Fehler nicht verzeihen, weil sie einer enormen Belastung unterlägen. Ausführliche Berichte über beide Fachvorträge sind in Kürze im Bauernblatt nachzulesen. Klauenmonitoring: Routinen für den Erfolg Dr. Hans-Peter Klindworth vom Rindergesundheitsdienst der Kammer in Niedersachsen sprach über das Klauenmonitoring. Er ging der Frage nach, welche Routinen den Betrieben helfen. Die Klauengesundheit habe eine überragende wirtschaftliche Bedeutung. Etwa zwei Drittel der Milchkühe, so der Referent, gingen aufgrund direkter oder indirekter Probleme mit den Klauen aus dem Bestand. Zu Beginn aller wichtigen Klauenerkrankungen steht eine minderwertige Verhornung der Haut beziehungsweise der Klaue. In die minderwertigen Hornschichten können hornzerstörende Bakterien eindringen, die den Weg für Entzündungsbakterien zur Unterhaut frei machen. Dort verursachten sie eine Entzündung; das Sohlengeschwür oder die MortellaroLäsion sei perfekt, sagte er. Für die Verhornungsstörungen lassen sich Dr. Hans-Peter verschiedene Klindworth Ursachenkomplexe ausmachen. Fütterungsbedingte Erkrankungen, die Belastungen des Tieres rund um die Kalbung und Einflüsse der Haltung beeinflussen erheblich die Hornqualität. Ganz wesentlich ist nach Klindworth auch das Klauenpflegemanagement. Durch eine funktionelle Klauenpflege wird eine Fehlbelastung im kritischen Ballenbereich aufgehoben beziehungsweise dieser vorgebeugt. Gleichzeitig wird zusätzliche Trachtenhöhe gewonnen, wodurch der hintere Zwischenklauenspalt und Kronsaum So sieht eine gut geschnittene Klaue aus: sorgfältig herausgearbeiteter Zwischenklauenspalt und Ballenbereich. Foto: Hans-Peter Klindworth Tier 47 ■ BAUERNBLATT | 19. Dezember 2015 aus Feuchtigkeit und Ammoniak herausgehoben werden. Zudem kann die Kuh, durch Schaffung einer stabilen und ausgeglichenen Auftrittsfläche in der Klaue, besser auf planen Betonböden laufen. Im „Echemer Modell“ liegt ein besonderes Augenmerk auf der sorgfältigen Herausarbeitung des Zwischenklauenspaltes und Ballenbereiches. Hierdurch wird das Eindringen von Treponemen, die höchstwahrscheinlich an der Entstehung von Mortellaro und anderen schwer heilenden Geschwüren beteiligt sind, erschwert. In der Lahmheitsstudie zum niedersächsischen Tierschutzplan konnte herausgefunden werden, dass Herden, die nach „Echemer Modell“ geschnitten wurden, noch nach 120 Tagen signifikant weniger lahme Kühe aufwiesen, so der Referent weiter. Bei Problemen rechtzeitig eingreifen Zur deutlichen Senkung der Häufigkeit lahmer Kühe trägt auch die frühzeitige Behandlung derselben bei. Bereits drei Monate nach dem letzten Herdenschnitt kann eine signifikante Zunahme der Lahmheiten verzeichnet werden. Entsprechend kurz sollten die Herdenschnittintervalle eingehalten werden. Empfehlenswert ist bei größeren Betrieben die selektive Klauenpflege. Hierbei ist der Klauenpfleger monatlich oder noch häufiger auf dem Betrieb, und es werden die dann anstehenden Kühe geschnitten: Trockensteher, lahme Kühe, Kühe vom 50. bis 100. Laktationstag und sonstige. Eine feste Zuführung mit fest installiertem Klauenstand ist Voraussetzung für effizientes Arbeiten an der Klaue. Ein weiteres unverzichtbares Instrument zur Verbesserung der Klauengesundheit sei die regelmäßige Anwendung formalin- oder kupfersulfathaltiger Klauenbäder, so der Referent. Durch sie werde das Klauenhorn gehärtet und gegenüber Ammoniak und Feuchtigkeit widerstandsfähig gemacht. Dies wirke nicht nur der Ausbreitung von Mortellaro entgegen, sondern auch anderen Klauenerkrankungen. Unbefriedigende Erfolge bei der Reduzierung der Lahmheiten in einer Herde werden durch Anwendung unzureichender Score-Systeme erzielt. Für einen regelmäßigen Einsatz erscheinen diese zur guten und frühen Erkennung der Lahm- Karl-Heinz Boyens (r.), Vorsitzender der Rinderzucht Schleswig-Holstein, bedankt sich bei Referent Johannes Thomsen für die langjährige gute Zusammenarbeit. Fotos (6): Isa-Maria Kuhn heiten als nicht geeignet. Vielmehr ist eine gute Aus-, Fort- und Weiterbildung für das betreuende Personal zielführender. Hiermit sind nachhaltig Erfolge in der Reduzierung von Lahmheiten erzielbar. In der anschließenden Diskussion mahnten Mitarbeiter der SVLFG und des Llur, bei den Klauenbädern unbedingt die Arbeitssicherheit und den Umweltschutz zu beachten. Genetik für bessere Klauen Prof. Dr. Hermann Swalve sprach über die züchterischen Möglichkeiten zu Verbesserung der Fundamente und Klauen. Zuerst stellte er die unterschiedlichen Erkrankungen von Mortellaro über Klauenrehe bis hin zu Rotation und Klauensohlengeschwür vor. Diese seien nicht miteinander verwandt und müssten alle einzeln betrachtet werden, weil mal Infektionen, mal Traumata und in anderen Fällen die Fütterung verantProf. Dr. Hermann wortlich seien. Gemeinsam Swalve mit seinen wissenschaftlichen Mitarbeitern hat der Professor aus Halle 6.000 Tiere untersucht. Dieses umfangreiche Datenmaterial veranlasst ihn zu fünf Thesen: ● Für jede Krankheit gibt es auch immer eine genetische Beteiligung, welche zwar prozentual klein sein mag, deren züchterische Bearbeitung sich aber lohnt. ● Resistenz gegen Krankheit züch- terisch zu verbessern bedeutet, nachhaltige Effekte zu erzielen. ● Unbedingt wichtig ist die präzise Definition der Erkrankungen, Phänotypen sind entscheidend. ● Mit präzisen Phänotypen können erfolgreich einzelne Gene, welche einen Effekt auf die Prädisposition zeigen, identifiziert werden. ● Der Weg über die Genomik ist aussichtsreicher als die Einführung einer flächendeckenden Zuchtwertschätzung. Und was macht die Praxis? Nach dem wissenschaftlichen Vortrag nahm Markus Fuschera-Petersen die Zuhörer per reich bebildertem Vortrag mit in seinen Stall. Zuerst einige Eckdaten seines Betriebes in Fahrdorf im Kreis Schleswig-Flensburg: ● Viehbestand: 140 Anglerkühe ● Fläche: 123 ha ● Arbeitskräfte: 2,2 AK (Fokus liegt auf den Arbeiten am Tier, Außenarbeiten werden vergeben) ● Milchleistung: 9.345 kg Milch ● Abgang wegen erkrankter Gliedmaßen: 10,2 % Vier Faktoren beeinflussen laut Fuschera-Petersen die Klauengesundheit. Das seien erstens der Stallbau, zweitens die Fütterung, drittens das Management und viertens die Genetik. So hat der Betrieb zur Verbesserung der Laufwege die Spalten aufgeraut und geschlitzt. Dabei sei er nur mit dem Ergebnis bei Letzterem zufrieden: „Das hat ´ne Menge gebracht.“ Der Betrieb setzt weiter auf gut eingestreute Tiefboxen und hat auf einfache Art mit einem Spanngurt Jungvieh und Trockensteher getrennt: „So ist es viel ruhiger im Stall.“ Bei der Fütterung sei seine Besonderheit in der Ration, dass er 0,8 kg Stroh pro Kuh und Tag bei den laktierenden Tieren verfüttere. Die zweiphasige Fütterung bei den Trockenstehern sei betrieblich nicht mehr möglich. Hier holt der Landwirt die Kühe 45 Tage vor dem Kalben in den Stall, um sie gezielter füttern zu können (4,4 kg TS, erster Schnitt beziehungsweise wie laktierende Kühe, 4,4 kg TS Mais, 2,5 kg Stroh, 1,5 kg Vormischung und 0,1 kg Trockenstehermineral). Beim Management setzt der Betrieb auf die Hygiene der Liegeboxen (zweimal täglich säubern und nachstreuen, mehrmals wöchentlich Liegeboxenkalk einstreuen, einmal wöchentlich Stroh auffüllen, Verbrauch von rund einem Großballen pro Box und Jahr) und der Laufflächen (Spaltenboden; konventionell, wird täglich zwei mal abgeschoben in den Zuwegen zum Melkstand und Wartebereich). Klauenpflegeroutine in Angeln Im Betrieb Fuschera-Petersen erfolgt zweimal jährlich eine Bestandspflege durch einen Klauenpflegedienst. Beim Pflegeschnitt wird eine funktionale Klauenpflege durchgeführt. Im Bedarfsfall folgen entsprechende Behandlungsmaßnahmen. Die Behandlung akuter Klauenprobleme außerhalb der Routine übernimmt der Betriebsleiter, sollte er Anzeichen einer Lahmheit erkennen. Dazu wird die Klaue im Melkstand abgespült. Bei Mortellaro setzt er Markus FuscheraBlauspray ein, Petersen bei anderen Ursachen kommt das Tier unverzüglich in den Klauenstand. Dort wird erstens ein Pflegeschnitt durchgeführt, zweitens die Kontrolle des Zwischenklauenspaltes vorgenommen und drittens eine Behandlung der Klaue je nach Ursache: ● Mortellaro (Blauspray, Verband mit Salbe) 48 Tier BAUERNBLATT | 19. Dezember 2015 ■ ● Limax mit Mortellaro (Blauspray bei Mortellaro, Verband mit Salbe für maximal drei Tage und bei Bedarf Entfernung des Limax durch den Tierarzt) ● Defekte der Weißen Linien, Sohlengeschwüre, doppelte Sohle (Entzündung freilegen, Entlastung der Entzündungsstelle, Verband mit Klauensalbe, bei Bedarf Klotz auf gesunder Klaue) ● Panaritium (Kontrolle des Zwischenklauenspaltes, bei Wunde Blauspray-Salbe, Klauenverband und antibiotische Behandlung). Bei sonstigen Klauenerkrankungen, sollte der Landwirt um keine Behandlungsmöglichkeit wissen, rufe er unverzüglich den Tierarzt, denn „mein Ziel ist es, Klauenprobleme so schnell wie möglich und effektiv behandeln, um negative Auswirkungen auf Milchmenge, Fruchtbarkeit, Eutergesundheit und die Körperkondition zu vermeiden. Nur so spare ich Zeit und ne Kuh.“ Dafür wird die Anpaarungsberatung genutzt. Eine Kuh mit Mängeln im Fundament wird folglich nur mit Bullen besamt, die dieses Merkmal nachhaltig verbessern. FAZIT Markus Fuschera-Petersens Angler „Konni VG86“ und „Kanta GP84“ auf ihrer Weide in Fahrdorf an der Schlei. Foto: Alex Arking Geld“, sagte Referent Markus Fuschera-Petersen. Als vierten Einflussfaktor auf die Klauengesundheit sieht der Betrieb schließlich die Genetik an. Familie Fuschera-Petersen trifft eine gezielte Bullenauswahl: „Jeder Bulle findet sei- Gute Fundamente bekommt man nicht erst durch einen guten Klauenschnitt. Der Grundstein wird schon beim Stallbau und der Auswahl der richtigen Genetik gelegt. Anschließend sind eine gute Hygiene und angepasste wiederkäuergerechte Fütterung in allen Tiergruppen erforderlich. Isa-Maria Kuhn Landwirtschaftskammer Tel.: 0 43 31 94 53-110 [email protected] Erfolgreich füttern: Kälberaufzucht Jungtiere gesund über den Winter bringen Die kaltnasse Jahreszeit ist gekommen, und die Erkrankungen in der Kälberaufzucht nehmen wieder zu. Insbesondere Atemwegserkrankungen machen Probleme. Die Frage ist: Wie kann man mit einfachen Mitteln Abhilfe schaffen, wenn es zu Problemen kommt, oder besser noch, bevor es zu Problemen kommt? Die wichtigsten Dinge sollen im Folgenden diskutiert werden. Der Energiebedarf steigt in der kalten Jahreszeit noch einmal deutlich an. Allein für den Erhaltungsbedarf benötigt ein 50 kg schweres Kalb etwa 4 l Vollmilch. Hinzu kommt der Bedarf an Energie für die Aufrechterhaltung der Körpertemperatur, für das Immunsystem, um Infektionen abwehren zu können und nicht zuletzt für das Wachstum. Wie viel Milch kommt zu den 4 l hinzu? Das Kalb braucht Energie Es wird kalt, die Körpertemperatur muss aufrechterhalten werden. Das Kalb besitzt im Gegensatz zur Kuh noch keinen Pansen, der bei seiner Arbeit nebenbei so viel Wärme produziert, dass niedrige Temperaturen nicht zum Problem werden. Sinkt die Temperatur unter 20 °C, benötigt das Kalb zusätzliche Energie aus der Milch. Bei 0 °C ist es etwa 1 l Vollmilch, der dafür benötigt wird. Wird es noch kälter, entsprechend mehr. Das Immunsystem arbeitet ständig, meist unbemerkt. Häufig steigt aber gerade in der kaltnassen Jahreszeit der Infektionsdruck stär- Verabreichung von Milch in den ersten zwei bis vier Wochen zu freien Aufnahme. Fotos: Dr. Hans-Jürgen Kunz ker an. Insbesondere Atemwegserkrankungen nehmen zu. Soge- bert, einem Experten für Immuno- den. Die Summe aus all dem steigt nannte natürliche Killerzellen, sie logie der Tierärztlichen Hochschu- immer weiter an. Damit wir nicht gehören zu den weißen Blutkör- le Hannover, kann der Energiebe- nachrechnen müssen, gibt es eine perchen, müssen produziert und darf, der dafür benötigt wird, noch ganz einfache Formel, und die an den Ort des Geschehens ge- einmal um bis zu 30 % des Erhal- heißt Ad-libitum-Tränke. Jeder schickt werden. Spezifische Anti- tungsbedarfs ansteigen. Das wären kennt mittlerweile die Empfehkörper werden benötigt. Ihre Her- in unserem Fall noch einmal zusätz- lung, Kälbern in den ersten drei bis stellung und ihre Aktivität benö- lich 1,2 l Milch. vier Lebenswochen Milch zur freien tigen viel Energie. Nach Angaben Nicht zuletzt soll Energie für Aufnahme zur Verfügung zu stelvon Prof. Dr. Hans-Joachim Schu- das Wachstum bereitgestellt wer- len, und jeder, der diese Tränke-
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