Älter werden im Betrieb - Bund

titelthema
demografischer wandel
Älter werden im Betrieb
demografie Das Lebensalter spielt im Beruf eine große Rolle. Eine wichtige
Aufgabe für Betriebsräte ist es, älteren Beschäftigten Arbeitsplätze zu sichern.
VO N C H R I STO P H E R KOLL
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S
ichere Arbeitsplätze sind nicht nur
von allgemeinen Fragen des Kündigungsschutzes oder der wirtschaftlichen Entwicklung des Unternehmens
abhängig, sondern sie können auch ganz individuellen Problemstellungen ausgesetzt sein.
Der Erhalt des Arbeitsplatzes hat immer auch
etwas mit dem Erhalt der persönlichen Leistungsfähigkeit des Stelleninhabers zu tun, sodass Fragen des Gesundheitsschutzes in der
betrieblichen Praxis immer häuiger in den
Vordergrund rücken. Aber auch für junge Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kann sich die
Frage des Älterwerdens im Betrieb frühzeitig
stellen. So spielt die Perspektive, die das Unternehmen langfristig bieten kann, in der Regel
bereits für die Auswahl des Arbeitgebers eine
große Rolle. Angesichts der Umwälzungen, die
die gesetzlichen Rentensysteme in den letzten
Jahren erfahren haben, kann eine betriebliche
Altersversorgung eine hohe Bedeutung für die
inanzielle Absicherung im Alter erlangen.
Durch lange Betriebszugehörigkeiten steigt
dann auch die entsprechende Anwartschaft in
der betrieblichen Altersversorgung.
Sicherung der Arbeitsplätze
Die Sicherheit des Arbeitsplatzes hat für den
Stelleninhaber ganz erhebliche Bedeutung, die
zumeist auch weit über das betriebliche Umfeld hinausgeht. Auch private Dispositionen,
wie beispielsweise die Wahl des örtlichen Lebensumfeldes, hängen in der Regel entscheidend von der Stabilität der berulichen Verhältnisse ab. Insofern spielt der Kündigungsschutz
nach dem Kündigungsschutzgesetz (KSchG)
in der betrieblichen Praxis auch eine überragende Rolle. Nur wer hier vor Willkürmaßnahmen des Arbeitgebers geschützt ist, kann
seine beruliche Laufbahn ansatzweise sicher
planen. Die hier im Laufe der Zeit erworbenen
Betriebszugehörigkeiten und das Lebensalter
können an verschiedenen Stellen eine wichtige rechtliche Rolle spielen.
ist seine Rechtsposition. Dies ist auch für die
Betriebsratstätigkeit von Bedeutung, denn
der Betriebsrat ist vor jeder Kündigung nach
§ 102 Abs. 1 BetrVG zwingend anzuhören.
Eine fehlerhafte Sozialauswahl würde ihn
dann nach § 102 Abs. 3 Nr. 1 BetrVG zum Widerspruch gegen die Kündigung berechtigen.1
Aber auch unabhängig von konkreten Einzelmaßnahmen kann der Betriebsrat im Bereich
der Sicherung der Arbeitsplätze verschiedene Mitbestimmungsrechte nutzen. Zunächst
zählt die Beschäftigungssicherung nach § 80
Abs. 1 Nr. 8 BetrVG zu seinen allgemeinen
Aufgaben. Diese werden durch § 92a BetrVG
näher konkretisiert. So kann er dort im Rahmen seiner Mitbestimmung dem Arbeitgeber
insbesondere auch konkrete Vorschläge zur
Beschäftigungssicherung unterbreiten. Darunter fallen beispielsweise Regelungen zur Flexibilisierung der Arbeitszeit, die Förderung von
Teilzeitarbeit und Altersteilzeit und auch Qualiizierungsmaßnahmen für die Mitarbeiter.
Diese müssen zwischen den Betriebsparteien
beraten werden. Sofern der Betrieb mehr als
100 Arbeitnehmer zählt, müssen Ablehnungen von Vorschlägen durch den Arbeitgeber
schriftlich erfolgen. Dies erzeugt zumindest einen Rechtfertigungsdruck, wenn der Arbeitgeber die Vorschläge nicht umsetzen will, was im
Ergebnis vom Betriebsrat leider nicht erzwungen werden kann. Um hier handlungsfähig zu
bleiben, muss der Betriebsrat aber zumindest
in der Lage sein, Risiken für die Arbeitsplätze
frühzeitig zu erkennen.
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darum geht es
1. Für viele Beschäftigte
heute nicht mehr vorstellbar: Ein ganzes
Leben in einem Betrieb
zu arbeiten.
2. Betriebsräte haben
vielfältige Handlungsmöglichkeiten nach dem
Betriebsverfassungsgesetz, um das Älterwerden im Betrieb zu
ermöglichen.
3. Darunter fallen beispielsweise Vorschläge
zur Beschäftigungssicherung und Initiativen zur
Arbeitszeit.
beschäftigungssicherung
Mögliche Instrumentarien:
· Flexible Gestaltung der Arbeitszeit
· Förderung von Teilzeit und Altersteilzeit
· Neue Form der Arbeitsorganisation
· Änderung der Arbeitsverfahren und
Arbeitsabläufe
· Qualiizierung der Arbeitnehmer
Kündigungen verhindern
So muss der Arbeitgeber vor Ausspruch einer
betriebsbedingten Kündigung nach § 1 Abs. 3
Satz 1 KSchG eine Sozialauswahl unter den
möglichen betrofenen Mitarbeitern durchführen. Je länger ein Mitarbeiter beschäftigt
ist und je älter er ist, umso schutzwürdiger
Risiken für die Arbeitsplätze
In der Praxis können sich vielfältige Risiken
für die Arbeitsplätze im Betrieb ergeben. Dabei gibt es Beschäftigungsformen, die an sich
schon mit erheblichen Unsicherheiten für den
1 Ausführlich zu den Widerspruchsgründen nach § 102 BetrVG
AiB 3/2013, S. 180–184 – Rudolph, Mitbestimmen bei
Kündigungen.
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Benachteiligung Älterer
Es ist Aufgabe des
Betriebsrats, sich dafür
einzusetzen, dass ältere
Beschäftigte gefördert
werden.
Die Benachteiligung älterer Arbeitnehmer in
diesem Bereich wird auch durch aktuellere
Vorschriften wie § 41 Satz 3 Sozialgesetzbuch
6 (SGB VI) fortgeführt, der Befristungen nach
Erreichen der Regelaltersrente erleichtern
soll. Die Wirksamkeit der Vorschrift muss allerdings angesichts eines möglichen Verstoßes
gegen die EU-Richtlinie 1999/70/EG (Befristung) als äußerst fraglich beurteilt werden. Im
Ergebnis führt auch diese Betrachtung nur wieder zu dem Schluss, dass ältere Arbeitnehmer
ihren langjährigen Arbeitsplatz erst gar nicht
verlieren dürfen, um sich nicht gezwungenermaßen in derartigen Arbeitsverhältnissen wiederzuinden (wenn sie denn überhaupt einen
neuen Arbeitsplatz inden).
Vorhandene Mitbestimmungsrechte bei
Leiharbeit nutzen
Stelleninhaber verbunden sind. Die weitgehende und wiederholte Befristung von Arbeitsverträgen ist nur ein kleines Beispiel für die
fortschreitende Prekarisierung von Arbeitsverhältnissen, die gerade auch das älter werden
im Betrieb sehr negativ beeinlusst. So hat sich
die Gesamtzahl der befristeten Arbeitsverhältnisse zwischen 1993 und 2013 verdreifacht,
wobei Frauen deutlich häuiger betrofen
sind als Männer. Wer nur befristet beschäftigt
ist, hat faktisch keinen sicheren Arbeitsplatz
und wird sich im Streitfall auch nicht gegen
den Arbeitgeber wehren, um den Arbeitsplatz
nicht zu riskieren. Weiter gehenden Befristungen kann der Betriebsrat letztlich nur mit
Aufklärung der Betrofenen entgegenwirken,
die auch angesichts der neueren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) heute
bessere Chancen haben, langjährige Kettenbefristungen erfolgreich anzugreifen.2 Auch dies
kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen,
dass die Befristungsmöglichkeiten gerade bei
älteren Arbeitnehmern durch den Gesetzgeber
in § 14 Abs. 3 Teilzeit- und Befristungsgesetz
(TzBfG) stark ausgeweitet wurden mit dem
sehr fragwürdigen Argument, damit die Chancen der Einstellung älterer Beschäftigter in Unternehmen zu erleichtern.
2 Vgl. BAG 8. 7. 2012 – 7 AZR 443/09.
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Ein weiterer Fall, der Betriebsräte in vielen Betrieben umtreibt, betrift die Ausweitung von
Leiharbeit auf Arbeitsplätzen, die bisher von
der Stammbelegschaft gehalten wurden. Ist die
Leiharbeit erst einmal im Haus, ist im Regelfall auch mit dem weiteren Abbau von Stammarbeitsplätzen zu rechnen. Hier hat das BAG
die Rechte des Betriebsrats allerdings insoweit
gestärkt, als sich bei Einstellungen ein Zustimmungsverweigerungsgrund nach § 99 Abs. 2
Nr. 1 BetrVG ergibt, wenn der Arbeitgeber einen Dauerarbeitsplatz mit einem Leiharbeitnehmer besetzen will.3
Mitbestimmen bei Betriebsänderungen
Besondere Bedeutung gewinnt die Mitbestimmung des Betriebsrats natürlich dann, wenn
der Arbeitgeber schon konkrete Maßnahmen
zum Arbeitsplatzabbau plant. Sofern die Voraussetzungen einer Betriebsänderung nach
§ 111 Satz 3 BetrVG erfüllt sind,4 muss der
Arbeitgeber mit dem Betriebsrat über den
Abschluss eines Interessenausgleichs und Sozialplans verhandeln.5 Letzterer kann auch
gegen den Willen des Arbeitgebers erzwungen werden. Sofern sich Entlassungen nicht
verhindern lassen, stellt sich auch hier immer die Frage der Sozialauswahl. Häuig tritt
der Arbeitgeber dann an den Betriebsrat mit
dem Wunsch heran, Auswahlrichtlinien i.S.d.
§ 95 BetrVG abzuschließen. Dies geschieht
3 BAG 10.7.2013 – 7 ABR 91/11.
4 Vgl. dazu AiB 12/2014, S. 15 – 18, Dreissiger, Augen auf.
5 Mehr dazu in AiB 12/2014, S. 19 – 21, Lück, Nachteile ausgleichen.
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regelmäßig entweder im Interessenausgleich
selbst oder in einer gesonderten Betriebsvereinbarung. Ziel der Auswahlrichtlinien ist vor
allem die Festlegung der Gewichtung der für
die Sozialauswahl maßgeblichen Kriterien.
Dabei muss der Betriebsrat klären, welches
Gewicht er der Betriebszugehörigkeit und
dem Lebensalter im Verhältnis zu den Unterhaltsplichten und einer Schwerbehinderung
zumessen will.
Namensliste nur als absolute Ausnahme
Nicht auszuschließen ist aber auch, dass der
Arbeitgeber einen Schritt darüber hinausgeht
und direkt eine Namensliste innerhalb des Interessenausgleichs vereinbaren will. Dies hat
nach § 1a Abs. 5 KSchG zur Folge, dass betrofene Arbeitnehmer im Kündigungsschutzprozess darlegen und beweisen müssen, dass
die zugrunde liegende Sozialauswahl grob
fehlerhaft war. Der Kündigungsschutz wird
daher deutlich eingeschränkt und deshalb
sind Namenslisten nur in absoluten Ausnahmefällen denkbar, zumal sie vom Arbeitgeber
auch nicht gegen den Willen des Betriebsrats
erzwungen werden können.6
Olympiamannschaft nach Sozialauswahl
Häuig versuchen Arbeitgeber, das besondere
Gewicht des Lebensalters bei der Sozialauswahl durch die Bildung von Altersgruppen zu
umgehen. Damit soll vorgeblich eine »ausgewogene Altersstruktur« im Unternehmen gesichert werden, tatsächlich geht es aber meistens
nur darum, höhere Personalkosten bei älteren
Arbeitnehmern aufgrund der regelmäßig höheren Gehälter zu reduzieren. Das BAG hat insoweit in einer aktuellen Entscheidung noch einmal bestätigt, dass sich derartige Regelungen
nur unter sehr engen Voraussetzungen rechtssicher herstellen lassen. So muss beispielsweise der Anteil der gekündigten Arbeitnehmer
einer Altersgruppe an der Gesamtzahl der Gekündigten dem Anteil der Altersgruppe an der
Gesamtbeschäftigtenzahl entsprechen, was im
Einzelfall zu sehr schwierigen Auswahlprozessen führen kann.7
Bei der schwierigen Diskussion über die
konkrete Umsetzung von unabwendbaren
Entlassungen, stellt sich Betriebsräten häuig
auch die Frage, ob sich ein Arbeitsplatzabbau
nicht eventuell bei Mitarbeitern umsetzen
6 Mehr dazu in AiB 6/2013, S. 372–376 – Rupp, Betriebsrat in
Restrukturierungsprozessen.
7 Vgl. BAG 26.3.2015 – 2 AZR 478/13.
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lässt, die von den negativen Folgen kaum oder
gar nicht betrofen werden. Auch hier spielt
das Lebensalter wieder eine wichtige Rolle.
Ein Mitarbeiter, der direkt nach Ablauf der
Kündigungsfrist ungekürzte Altersrente beantragen kann, kann vielleicht einem jüngeren
Kollegen in kritischem Alter den Arbeitsplatz retten. Wenn im Einzelfall Zeiträume
bis zur ungekürzten Altersrente zu überbrücken sind, ließen sich diese früher häuig mit
dem Instrument der Altersteilzeit überbrücken. Leider hat diese durch die Einstellung
der staatlichen Förderung für Fälle ab dem
1.1.2010 an Bedeutung verloren, da die nicht
unerheblichen Kosten jetzt vom Arbeitgeber
allein getragen werden müssen. Die Altersteilzeit spielt daher in erster Linie noch dort eine
größere Rolle, wo beispielsweise Tarifverträge
den Beschäftigten einen einklagbaren Anspruch gewähren. Dennoch wird sie nach wie
vor im Rahmen der Beschäftigungssicherung
nach § 92a Abs. 1 BetrVG als Instrument erwähnt, das der Betriebsrat in seine Vorschläge
einbeziehen kann.
Altersbezogene Regelungen
in Sozialplänen
Die Frage des Lebensalters spielt regelmäßig
auch in Sozialplanregelungen eine wichtige Rolle. So richtet sich häuig die abstrakte Formel für die Berechnung der Höhe der
Abindungen nach Kriterien wie der Betriebszugehörigkeit und/oder dem Lebensalter,
die dann mit einem Faktor oder Divisor und
dem Bruttomonatsgehalt in Beziehung gesetzt
werden. Je länger ein Beschäftigter also im Betrieb beschäftigt ist oder je älter er ist, desto
höher fällt später die Sozialplanabindung aus.
In vielen Sozialplänen kehrt sich diese Regel
jedoch irgendwann um, weil eine bestimmte
Nähe zum Renteneintrittsalter zum Anlass
genommen wird, die Abindungshöhe auf
die inanziellen Nachteile zu begrenzen, die
bis zum Renteneintritt tatsächlich noch entstehen. Derartige »rentennahe Regelungen«
sind vom Bundesarbeitsgericht grundsätzlich
für zulässig erklärt worden.8 Dasselbe gilt für
die Festlegung einer Kappungsgrenze bei den
Abindungen, solange die Verhältnismäßigkeit gewahrt bleibt, das heißt, die Auswirkung
der Kappung in einem vertretbaren Rahmen
bleibt. Betriebsräte müssen hier sorgfältig abwägen, wie sie das oftmals begrenzte Sozial-
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8 BAG 9.12.2014 – 1 AZR 102/13.
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Als eine der »drei Säulen« der inanziellen Vorsorge für das Alter hat die betriebliche Altersversorgung zumindest nach dem allgemeinen
politischen Willen eine besondere Bedeutung
erlangt, ohne dass jedoch bisher die rechtlichen Rahmenbedingungen für eine weitgehende Umsetzung in den Unternehmen geschafen
wurden. Dabei spielt der betriebliche Beitrag
zur Absicherung im Alter gerade auch für die
Frage eine große Rolle, ob es sich der einzelne Arbeitnehmer überhaupt leisten kann, im
konkreten Unternehmen älter zu werden, ohne
negative Auswirkungen auf seine Altersversorgung befürchten zu müssen. Die marginalen gesetzlichen Rentenansprüche, die beispielsweise
bei Arbeitnehmern in geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen (450-Euro-Jobber) im Laufe
der Jahre erworben werden, sind insoweit ein
warnendes Beispiel. Klar ist zwar, dass die Rahmenbedingungen der betrieblichen Altersversorgung der zwingenden Mitbestimmung des
Betriebsrats unterliegen. Sofern die betriebliche
Altersversorgung in der Form einer Unterstützungs- oder Pensionskasse durchgeführt wird,
ergibt sich die zwingende Mitbestimmung aus
§ 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG, bei allen anderen
Formen aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG. Leider ergibt sich aus beiden Vorschriften jedoch
kein Initiativrecht des Betriebsrats, das heißt,
er kann die Einführung nicht gegen den Willen
des Arbeitgebers erzwingen.
aib-web.de
und § 89 BetrVG.10 Sofern Mitarbeiter krankheitsbedingte Ausfallzeiten von mehr als sechs
Wochen im Jahr entweder ununterbrochen
oder wiederholt aufweisen, ist der Arbeitgeber
nach § 84 Abs. 2 BetrVG verplichtet, ein betriebliches Eingliederungsmanagement durchzuführen, dessen Rahmenbedingungen der Mitbestimmung des Betriebsrats unterliegen.11
initiativmöglichkeiten
So kann der Betriebsrat initiativ werden:
· Arbeitsplatzanalyse gemäß § 5 ArbSchG
· Betriebliches Gesundheitsmanagement
· Betriebliches Eingliederungsmanagement
· DGUV II (Mitbestimmungsrechte bei
Ermittlung und Aufstellung der erforderlichen Betreuungsmaßnahmen durch die
Berufsgenossenschaften)
Und schließlich können sich Fragen der Rücksichtnahme auf Besonderheiten des Alters
auch im Hinblick auf ganz allgemeine Themen der Mitbestimmung wie beispielsweise
bei Arbeitszeitregelungen ergeben. So können
Regelungen in Betriebsvereinbarungen vorsehen, dass Arbeitnehmer ab einem bestimmten
Alter – zumindest gegen ihren Willen – nicht
mehr in bestimmten Schichtmodellen eingesetzt werden dürfen, wenn nachgewiesen werden kann, dass hieraus besondere, abstrakte
Gesundheitsgefahren entstehen.
Möglichkeiten ausschöpfen
Allgemeine Themen der Förderung älterer
Arbeitnehmer im Betrieb
Aber auch unabhängig von Beschäftigungsrisiken können und sollten sich Betriebsräte mit
dem Thema des voranschreitenden Alters von
Belegschaften auseinandersetzen. So ist die
Förderung der Beschäftigung älterer Arbeitnehmer im Betrieb ausdrücklich eine allgemeine
Aufgabe des Betriebsrats nach § 80 Abs. 1 Nr. 6
BetrVG.9 Die Beschäftigung im fortschreitenden Alter ist dabei auch wesentlich an die Erhaltung der Gesundheit geknüpft. Gerade im
Bereich des Gesundheitsschutzes bestehen umfangreiche Aufgaben und Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats, beispielsweise nach § 80
Abs. 1 Nr. 9 BetrVG, § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG
9 Dazu vertiefend Lück, AiB 5/2012, S. 319–322.
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Für die Betriebsräte ergeben sich aus der Altersthematik vielfältige Aufgaben und Ansatzpunkte für betriebliche Regelungen, die das älter werden im Betrieb ermöglichen und sichern
können. Allein schon vor dem Hintergrund
des allgemeinen demograischen Wandels ist
davon auszugehen, dass sich die genannten
Themen in Zukunft in vielen Betrieben deutlich vermehrt stellen werden. Die Betriebsräte
sind hier gefragt, ihre Möglichkeiten auch auszuschöpfen. v
Christopher Koll, Fachanwalt für
Arbeitsrecht und Partner in der
Kanzlei Bell & Windirsch, Düsseldorf.
www.fachanwaeltInnen.de
10 Siehe dazu auch Interview mit VW-Betriebsrat Salzgitter zur
Egonomie in der Montagelinie in diesem Heft.
11 Dazu eingehend AiB 3/2014, S. 60–63 – Danigel/Zumbeck,
Auf zwei Wegen zum Ziel.