Merkblatt – Absehen von der Zustimmung der leiblichen Eltern (Art

Departement
Gesundheit und Soziales
Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde KESB
Merkblatt – Absehen von der Zustimmung der leiblichen
Eltern (Art. 265 c/d ZGB)
Die Voraussetzungen (Art. 265c ZGB)
Art. 265c Ziff. 1 ZGB - objektive Unmöglichkeit
Tod
Mit dem Tod des Zustimmungsberechtigten erlischt das Zustimmungserfordernis. Es geht nicht auf die
Erben oder Angehörigen über.
Die Eltern sind unbekannt
Das Zustimmungsrecht entsteht mit dem Kindesverhältnis. Solange dieses nicht hergestellt ist, sind die
Eltern rechtlich unbekannt und es besteht kein Zustimmungserfordernis. Dies ist z.B. der Fall bei
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den leiblichen Eltern des Findelkindes
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dem ausserehelichen Vater, der
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an sich bekannt, aber in keiner rechtlichen Beziehung zum Kinde steht;
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tatsächlich völlig unbekannt ist;
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nur Zahlvater ist
Die Eltern sind mit unbekanntem Aufenthalt länger abwesend
Unbekannt ist der Aufenthalt, wenn dieser weder von vormundschaftlichen Organen noch der Adoptionsvermittlungsstelle noch den Pflegeeltern bekannt ist und auch mit den nach den Umständen gebotenen und
möglichen Erhebungen nicht festgestellt werden kann. „Länger“ bedeutet, dass es sich nicht bloss um eine
momentane, kurzfristige Abwesenheit handeln darf. Bedeutsam ist die Situation des Kindes. Ist in seinem
Interesse eine rasche Entscheidung über die Plazierung oder die Adoption geboten, so genügt es, wenn die
sofort und unmittelbar möglichen Erhebungen nach dem Aufenthalt der Eltern vorgenommen werden. Zu
berücksichtigen sind aber auch die Umstände, unter denen die Eltern ihren bekannten Aufenthalt aufgegeben haben. Haben sie für die Erziehung des Kindes selber keine angemessenen Anordnungen getroffen,
so genügt eine Anfrage an die letzte bekannte Adresse. Sind sie dagegen ohne ihr Dazutun vom Kinde
getrennt worden, wie etwa bei Flüchtlingen, so sind alle nach den Umständen gebotenen Abklärungen bezüglich des Aufenthaltsortes der Eltern vorzunehmen.
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Die Eltern sind dauernd urteilsunfähig
Die Zustimmung setzt Urteilsfähigkeit voraus. Als absolut höchstpersönliches Recht kann sie nicht vom
gesetzlichen Vertreter des Urteilsunfähigen erteilt werden. Die Urteilsfähigkeit ist für die Wirkung der Adoption, insbesondere die Aufhebung des bestehenden Kindesverhältnisses, zu beurteilen.
Art. 265c Ziff. 2 ZGB - Verwirkung des Zustimmungsrechts
Von der Zustimmung der Eltern darf abgesehen werden, wenn sie sich nicht ernstlich um das Kind gekümmert haben. Es genügt nicht, dass das Kind bei der in Aussicht stehenden Adoption besser untergebracht
wäre als bei den leiblichen Eltern. Massgebend ist vielmehr, ob die Eltern eine lebendige Beziehung zu
ihrem Kinde aufgebaut und ihre Verantwortung für das Kind wahrgenommen haben. Zu berücksichtigen ist
überdies, ob sie nach den Umständen zur gedeihlichen Entwicklung des Kindes überhaupt noch wesentliches beizutragen vermögen. Ein Verschulden der Eltern ist nicht erforderlich. Umgekehrt darf an erzieherischem Bemühen nicht mehr verlangt werden, als was bei gutem Willen von Eltern unter Berücksichtigung
ihrer Umstände und Anlagen zu erwarten ist.
Der Tatbestand von Ziffer 2 setzt den Ablauf der sechswöchigen Sperrfrist seit der Geburt (Art. 265b 7Abs.
1 ZGB) voraus.
Ist das Kind bei Dritten zur späteren Adoption untergebracht worden, weil die Eltern sich nicht um das Kind
ernstlich gekümmert haben, so können sie nicht durch nachträgliche Bekundung elterlicher Zuneigung das
vorher verwirkte Zustimmungsrecht wiedererwerben (Art. 265d ZGB). So ist von der Zustimmung des Vaters abzusehen, der das Kind erst, nachdem es schon bei Dritten zur Adoption untergebracht ist, anerkennt.
Die Sinnesänderung der Eltern ist nur beachtlich, wenn das Kind an seinem Pflegeplatz noch nicht verwurzelt ist.
Wer entscheidet über das Absehen der Zustimmung (Art. 265d ZGB)
Nach Einleitung des Adoptionsverfahrens (Art. 265d Abs. 2 ZGB)
Dies dürfte der Regelfall darstellen. Liegt bei Einleitung des Adoptionsverfahrens die Zustimmung der Eltern
noch nicht vor, so ist der Entscheid, ob hievon abzusehen sei, mit dem Entscheid über die Adoption zu
treffen.
Vor Einleitung des Adoptionsverfahrens (Art. 265d Abs. 1 ZGB)
Soll ein Kind zur späteren Adoption bei Pflegeeltern untergebracht werden, so kann, wenn die Zustimmung
der Eltern fehlt oder verweigert wird, schon vor der Unterbringung des Kindes ein Entscheid darüber herbeigeführt werden, ob von der Zustimmung der Eltern abgesehen werden dürfe. Reift die Adoptionsabsicht
erst während des Pflegeverhältnisses, wie dies meist bei der Verwandten- der Stiefkind- und der spontanen
Fremdadoption der Fall ist, so kann ebenfalls ein schutzwürdiges Interesse an der Entscheidung über die
Frage der elterlichen Zustimmung bestehen. Demgemäss darf sie auch in diesen Fällen schon vor Einlei-
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tung des Adoptionsverfahrens verlangt werden. Der Entscheid über das Absehen der Zustimmung vor Einleitung des Adoptionsverfahrens obliegt der Kindesschutzbehörde.
Wer ist antragsberechtig
Die Entscheidung im Sinne von Art. 265d ZGB wird nicht von Amtes wegen, sondern nur auf Grund eines
Antrages getroffen. Antragsberechtigt (aktivlegitimiert) sind:
•
die künftigen Adoptiveltern
•
der Adoptionsvermittler
•
der gesetzliche Vertreter des Kindes (Vormund o. Beistand)
Untersuchungen
Die Kindesschutzbehörde hat von Amtes wegen alle für den Entscheid nach Art. 265c ZGB bedeutsamen
Umstände abzuklären, insbesondere...
... welchen Personen das Zustimmungsrecht zusteht;
... im Falle von Art. 265c Ziff. 1 ZGB den Aufenthalt auszuforschen;
... die Urteilsfähigkeit der Eltern untersuchen zu lassen;
... im Falle von Art. 265c Ziff. 2 die Beziehung zum Kinde festzustellen.
Es besteht keine Vermutung zu Lasten der Eltern, die sie widerlegen müssten. Die Entscheidung ist aufgrund der Verhältnisse zu treffen, wie sie sich zur Zeit des Antrages (Antragsberechtigte Personen s. oben)
und der ihm unmittelbar vorausgehenden Zeit darbieten. Änderungen während des Verfahrens bis zum
Entscheid sind zu berücksichtigen. Art. 265c Ziff. 2 ZGB darf nur angewendet werden, wenn dem betreffenden Elternteil in einer den Umständen entsprechenden Weise Gelegenheit geboten worden ist, sich zu
äussern.
Der Entscheid der Vormundschaftsbehörde
Der rechtskräftig positive Entscheid der Kindesschutzbehörde ist für die Adoptionsbehörde (Regierungsrat)
verbindlich. Dagegen hindert die Abweisung des Gesuches um Absehen von der elterlichen Zustimmung
durch die Kindesschutzbehörde die Adoptionsbehörde nicht, nach selbständiger Prüfung der Frage zu beschliessen.
Wirkungen
Der Entscheid bewirkt den endgültigen Untergang des Zustimmungsrechts für die betreffende Elternstelle.
Demgemäss ist die Zustimmung eines Vaters nicht nötig, der das Kind erst nach dem Entscheid anerkennt.
Sinngemäss gleich verhält es sich, wenn in der Folge die Eltern als solche oder ihr Aufenthalt bekannt werden, wenn die Urteilsunfähigkeit behoben wird oder die Eltern sich um das Kind zu kümmern beginnen.
Immerhin hat die Adoptionsbehörde (der Regierungsrat) zu prüfen, ob die Adoption angesichts solcher
Änderungen noch im Interesse des Kindes liege. Der Entscheid gibt somit den Adoptiveltern die Gewissheit, dass die spätere Adoption nicht am Fehlen der Zustimmung der Eltern scheitern wird.
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Die Wirkungen bezüglich der Unterhaltspflicht entsprechen denjenigen, die eintreten, wenn die Eltern gültig
ihre Zustimmung zur Adoption ihres Kindes geben (s. Beilage Nr. 1.5)
Der Anspruch auf persönlichen Verkehr erlischt grundsätzlich erst mit der Adoption. Er geht vorher unter,
wenn festgestellt ist, dass die Zustimmung des Besuchsberechtigten zur Adoption nicht nötig und das Kind
zur späteren Adoption untergebracht ist.
Die elterliche Gewalt wird durch den Entscheid nach Art. 265d ZGB nicht berührt. Je nach Grund für den
Entscheid bezüglich dem Absehen von der Zustimmung dürfte auch zu prüfen sein, ob nicht auch die Voraussetzungen für den Entzug der elterlichen Gewalt gegeben sind (Art. 311/312 ZGB).
Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde KESB
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www.ar.ch/kesb
Herisau, 1. Januar 2016
Dieses Merkblatt und weitere Formulare können Sie von unserer Homepage www.ar.ch/kesb
herunterladen. Ebenso finden Sie dort die Adressen der regionalen Berufsbeistandschaften.
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