FALLBERICHTE 733 Was zu Beginn ein klarer Fall schien, stellte sich im Verlauf als seltene Entität heraus Eine einfache Pneumonie? Anke Schertel a , Sabina Guler b , Michael Bodmer a Inselspital Bern a Universitätsklinik für Allgemeine Innere Medizin; b Universitätsklinik für Pneumologie Hintergrund Verlauf Bei fehlender Besserung in den folgenden Tagen, der Mit der im Folgenden beschriebenen klinischen, labor- Entwicklung und Persistenz von Fieber, Dyspnoe und chemischen und radiologischen Befundkonstellation steigendem Sauerstoffbedarf wurde als bildgebender einer Pneumonie sieht man sich im medizinischen All- Verlauf ein konventionelles Thoraxröntgenbild (Abb. 1) tag häufig konfrontiert. Der diagnostische Weg gestal- angefertigt, das eine interstitielle Zeichnungsvermeh- tete sich hier zunächst vermeintlich einfach, mündete rung zeigte. In der daraufhin durchgeführten High-Re- aber im Verlauf in der Diagnosestellung eines seltenen solution-Computertomografie (HR-CT) bestanden als Krankheitsbildes, dessen Charakteristika anhand un- Korrelat ground glass-dichte Infiltrate und Bronchial- seres Fallberichtes erläutert werden sollen. wandverdickungen (Abb. 2). Zu diesem Zeitpunkt waren die bei Eintritt angelegten Blutkulturen ohne Wachs- Fallbeschreibung tum geblieben, Antigene auf Legionellen und Pneumokokken im Urin waren nicht nachweisbar, und der Na- Anamnese sopharyngealabstrich auf respiratorische Viren sowie Die 46-jährige Patientin wurde mit akut aufgetretenen eine PCR auf Pneumocystis jirovecii im Sputum waren atem- und belastungsunabhängigen retrosternalen unauffällig. Schmerzen, trockenem Husten sowie rasch progredien- Differentialdiagnostisch dachten wir nun in erster ter Atemnot auf die Notfallstation zugewiesen. Aus der Linie an eine Pneumonie durch opportunistische Er Vorgeschichte war ein Lupus erythematodes tumidus reger bei leichter Immunsuppression. Alternativ kam (Erstdiagnose zwei Monate vor Eintritt) unter Therapie eine toxische oder autoimmune Genese in Frage. Ana- mit Hydroxychloroquin bekannt; zudem bestand ein mnestisch konnten ausser Nikotin keine inhalativen Nikotinkonsum (kumulativ 30 Packyears). Noxen oder eine berufliche Exposition eruiert werden. Status Medikamente eingenommen. Bei Eintritt präsentierte sich eine normotone (Blutdruck Zur Erregersuche und Zelldifferenzierung erfolgte eine 129/88 mm Hg), tachykarde (Herzfrequenz 122/min) und Bronchoskopie mit bronchoalveolärer Lavage (BAL), tachypnoische Patientin mit einer Atemfrequenz von die eine unspezifische Entzündung des Bronchialsys- 18/min und einer peripheren Sauerstoffsättigung von tems und eine ausgeprägte pulmonale Eosinophilie 84% unter Raumluft. Die axillär gemessene Temperatur von 52% zeigte. Weiterführende mikrobiologische Un- betrug 37,3 °C. Der internistische Status war unauffällig. tersuchungen ergaben keine neuen Erkenntnisse. Am Nebst Hydroxychloroquin hatte die Patientin keine vierten Hospitalisationstag fiel im Differentialblutbild Befunde erstmals eine Eosinophilie von 1,1 G/l auf. Antinukleäre Labormässig fielen eine Leukozytose von 15,5 G/l mit (ANA) und antizytoplasmatische Antikörper (ANCA) Linksverschiebung (28% stabkernige neutrophile Gra- liessen sich nicht nachweisen. nulozyten) sowie ein erhöhtes C-reaktives Protein (CRP) mit 54 mg/l auf. Die arterielle Blutgasanalyse un- Diagnose und Therapie ter Sauerstoffgabe von 4 l/min ergab eine akute respi- Trotz breiter Suche konnte keine infektiöse oder auto ratorische Partialinsuffizienz (pH 7,47; pO2 6,66 kPa; immune Ursache für die Beschwerden der Patientin pCO2 3,99 kPa; Bikarbonat 21,8 mmol/l). Initial wurden gefunden werden. Wir stellten die Diagnose einer ein akutes Koronarsyndrom und mittels Computer akuten eosinophilen Pneumonie und begannen eine tomografie eine Lungenembolie sowie eine Aorten hochdosierte intravenöse Steroidtherapie mit 80 mg dissektion ausgeschlossen. Bei computertomografisch Methylprednisolon für drei Tage (1,5 mg/kgKG), im bilateralen Infiltraten wurde unter der Verdachtsdia Anschluss 60 mg Prednisolon peroral für 14 Tage mit gnose einer schweren Sepsis bei bilateraler Pneumo- geplanter Reduktion auf 40 mg pro Tag bis zur ambu- nie eine Antibiotikatherapie mit Amoxicillin/Clavu lanten Verlaufskontrolle nach insgesamt vierwöchiger lansäure und Clarithromycin eingeleitet. Therapie. SWISS MEDICAL FORUM – SCHWEIZERISCHES MEDIZIN-FORUM 2015;15(33):733–735 fallberichte 734 Unter dieser Therapie waren sowohl die subjektiven Ambulanter Verlauf Beschwerden, der Sauerstoffbedarf, das Fieber und die Der weitere Verlauf gestaltete sich erfreulich, bei zwei Tachykardie als auch die Entzündungsparameter und Monate nach Austritt beschwerdefreier Patientin unter die periphere Eosinophilie innert Tagen deutlich regre- täglich 40 mg Prednisolon. In den folgenden sechs dient, so dass die Patientin fünf Tage nach Beginn der Monaten wurde die Prednisolondosis schrittweise bis Therapie mit Glukokortikoiden nach Hause entlassen auf 2,5 mg täglich reduziert und schliesslich bei weiter- werden konnte. hin symptomfreier Patientin gestoppt. Diskussion Die akute eosinophile Pneumonie (AEP) ist eine seit der Erstbeschreibung 1989 in der Literatur in 100 Fällen dokumentierte, sehr seltene Ursache der respiratorischen Insuffizienz, deren genaue Ursache noch nicht geklärt ist [1]. Die Erkrankung betrifft meist junge Männer, wobei eine Altersspanne von 19–79 Jahren beschrieben wird [2]. Aufgrund eines gehäuften Auftretens und vermehrter Rezidive nach (Wieder-)Aufnahme eines Nikotinkonsums wird eine Assoziation mit Rauchen und anderen inhalativen Noxen vermutet [3]. Bei der AEP handelt es sich, wie auch in unserer Fallbeschreibung, um eine akute, rasch progrediente, fieberhafte Erkrankung, einhergehend mit (meist unproduktivem) Husten und pleuritischen Thoraxschmerzen als Leitsymptome. Seltener treten Myalgien oder gastro intestinale Beschwerden auf [1, 3]. An klinischen Befunden werden unspezifisch vor allem Fieber, Tachypnoe, Tachykardie und auskultatorisch diskontinuierliche Nebengeräusche erhoben. Die auch bei unserer Patientin beobachtete, fast obligate Hypoxämie wird ent weder mittels peripherer Sauerstoffsättigung oder arte rieller Blutgasanalyse verifiziert [1]. Neben erhöhten Entzündungsparametern besteht oft eine Leukozytose Abbildung 1: Röntgen-Thorax: diffuse interstitielle Infiltrierung beidseits, basal betont, keine pulmonalvenösen Stauungszeichen. mit Linksverschiebung. Eine Eosinophilie im Blutbild kann zu Beginn fehlen, wird aber, wie in unserem Fall, in knapp 70% im Krankheitsverlauf beobachtet [3]. In einer Übersichtsarbeit wurden die radiologischen Befunde von 64 Patienten mit AEP zusammengefasst. Bei allen Patienten bestanden entweder konventionellradiologisch oder computertomografisch bilaterale sowohl alveoläre wie auch interstitielle Infiltrate, welche unspezifisch sind [1]. Zur Diagnosesicherung einer AEP ist die Durchführung einer Bronchoskopie mit bronchoalveolärer Lavage (BAL) unumgänglich. Der Nachweis von >25% Eosinophilen in der BAL gilt bei passender Klinik und Bildgebung als diagnostisch. Daneben können durch mikrobiologische Untersuchungen akute Infektionen als Ursache weitgehend ausgeschlossen werden. Die Gewinnung von Tracheobronchialsekret oder Sputum ist zur Diagnostik nicht ausreichend [1]. Abbildung 2: HR-CT-Thorax: Flächige ground glass-Verdichtungen, Bronchialwand verdickungen und Lymphknotenvergrösserungen. SWISS MEDICAL FORUM – SCHWEIZERISCHES MEDIZIN-FORUM 2015;15(33):733–735 Alternativ oder ergänzend kann eine transbronchiale oder thorakoskopische Lungenbiopsie durchgeführt fallberichte 735 Tabelle 1: Diagnosekriterien der Akuten idiopathischen eosinophilen Pneumonie [1]. Trotz beschriebenen Spontanremissionen geht man da- Revidierte Diagnosekriterien der akuten (idiopathischen*) eosinophilen Pneumonie (gemäss Janz et al. 2009) [2]. die Morbidität, insbesondere die Notwendigkeit einer – Akuter Beginn einer respiratorischen Erkrankung mit Fieber – Krankheitsdauer <1 Monat – Bilaterale, diffuse Infiltrate im konventionellen Röntgen-Thorax (CT-Thorax nicht obligat) – Hypoxämie mit paO2 <7,9 kPa oder – periphere Sauerstoffsättigung <90% unter Raumluft – Bronchoalveoläre Lavage (BAL): >25% Eosinophile oder – histologische Diagnose einer eosinophilen Pneumonie mittels Lungenbiopsie * Ausschluss alternativer Ursachen einer pulmonalen Eosinophilie (Medikamente, Toxine, Infektionen). von aus, dass durch den Einsatz von Glukokortikoiden mechanischen Ventilation und die Hospitalisationsdauer, reduziert werden können. Im Allgemeinen sprechen Patienten mit einer AEP schnell auf Glukokorti koide an. In Ermangelung randomisierter kontrollierter Studien herrscht Unklarheit über die optimale Dosierung und Therapiedauer. Meist wird primär intravenös therapiert (Tagesdosen zwischen 240 und 1000 mg Methylprednisolon) und bei gutem Ansprechen auf perorale Verabreichung (z.B. 40–60 mg Prednison pro Tag) umgestellt. Im Verlauf kann eine langsame, schrittweise Dosisreduktion unter Berücksichtigung der Symptomatik vorgenommen werden [1, 2]. werden, was zur Diagnosesicherung üblicherweise In einer Fallserie wird eine Therapiedauer zwischen 35 Anke Schertel aber nicht zwingend benötigt wird [3]. Gültige Diagno- und 285 Tagen beschrieben (median 60 Tage) [2]. In Stv. Oberärztin sekriterien sind in Tabelle 1 zusammengefasst [1]. Kon- einer retrospektiven Studie aus dem Jahr 2013 wurde trovers diskutiert wird, ob ein Asthma bronchiale oder allerdings postuliert, dass eine Therapiedauer von eine atopische Diathese ein Ausschlusskriterium für 14 Tagen ausreichend sein könnte [2]. Rezidive sind sel- eine AEP darstellen [2]. ten und in den meisten Fällen mit der Wiederauf- Differentialdiagnostisch interessant war in unserem nahme eines Nikotinkonsums assoziiert [2]. Somit gilt Fall die vier Wochen vor Eintritt begonnene Medi ein konsequenter Rauchstopp als wichtige Massnahme kation mit Hydroxychloroquin. Insgesamt existieren und dient der Rezidivprophylaxe. Korrespondenz: Universitätsklinik für All gemeine Innere Medizin Inselspital Bern CH-3010 Bern anke.schertel[at]insel.ch drei Fallberichte, die aufgrund des zeitlichen Zusammenhangs eine Kausalität zwischen einer AEP und der Einnahme von Chloroquin (strukturell dem Hydroxychloroquin sehr ähnlich) vermuten lassen, aber nicht beweisen [4]. Unter Hydroxychloroquin wurde bisher nur ein Fall einer chronisch eosinophilen Pneumonie in einem Patienten mit rheumatoider Arthritis beschrieben. Im vorliegenden Fall ergab eine Abklärung mittels Naranjo-Score (4–5 Punkte) eine mögliche bis Danksagung Wir danken Herrn Prof. Dr. med. T. Geiser, Direktor und Chefarzt der Universitätsklinik für Pneumologie, herzlich für die kritische Durchsicht des Manuskriptes. Wir danken den Kollegen des Universitätsinstitutes für Diagnostische, Interventionelle und Pädiatrische Radiologie für die Durchführung, Befundung und Bereitstellung des Bildmaterials. Disclosure statement Die Autoren haben keine finanziellen oder persönlichen Verbindungen im Zusammenhang mit diesem Beitrag deklariert. wahrscheinliche Kausalität zwischen der akut eosinophilen Pneumonie und Hydroxychloroquin [5]. Schlussfolgerungen für die Praxis Was zu Beginn nach einer ambulant erworbenen Pneumonie ausgesehen hatte, hat sich in unserem Fall im Verlauf als die seltene Entität einer akuten eosinophilen Pneumonie (AEP) entpuppt. Initial lassen sich beide Krankheitsbilder weder durch die klinische Präsentation noch bildgebend oder laborchemisch unterscheiden. Bei fehlendem Ansprechen auf eine Antibiotikatherapie ist es also sinnvoll, auch die seltenen «Pneumonie-Formen», wie die AEP, in die Differenzialdiagnose einzubeziehen und die entsprechende Diagnostik, insbesondere eine Bronchoskopie mit broncho alveolärer Lavage, einzuleiten. Mögliche medikamentöse Auslöser sollten gesucht und gegebenenfalls eliminiert werden. SWISS MEDICAL FORUM – SCHWEIZERISCHES MEDIZIN-FORUM 2015;15(33):733–735 Literatur 1 Janz DR, O’Neal HR, Jr., Ely EW. Acute eosinophilic pneumonia: A case report and review of the literature. Critical care medicine. 2009;37(4):1470–4. 2 Ajani S, Kennedy C. Idiopathic acute eosinophilic pneumonia: A retrospective case series and review of the literature. Respir Med Case Rep. 2013; 10: 43–7. 3 Philit F, Etienne-Mastroianni B, Parrot A, Guerin C, Robert D, Cordier JF. Idiopathic acute eosinophilic pneumonia: a study of 22 patients. American journal of respiratory and critical care medicine. 2002;166(9):1235–9. 4 Knudsen L, Gugger M, Dumont P, Nicod L, von Garnier C. A rare cause of acute respiratory failure and elevated eosinophils in broncho-alveolar lavage fluid. Respiration; international review of thoracic diseases. 2009;77(2):224–8. 5 Papiris SA, Maniati MA, Kalousis JV, Constantopoulos SH. Chronic eosinophilic pneumonia in rheumatoid arthritis. Monaldi archives for chest disease = Archivio Monaldi per le malattie del torace / Fondazione clinica del lavoro, IRCCS [and] Istituto di clinica tisiologica e malattie apparato respiratorio, Universita di Napoli, Secondo ateneo. 1995;50(5):360–2.
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