Sperrfrist: 29. Februar 2016, 11.00 Uhr Es gilt das gesprochene Wort. Swissmem Jahresmedienkonferenz vom 29. Februar 2016, Bern «Lage der Schweizer Maschinen-, Elektro- und Metall-Industrie: Rückblick und Ausblick» Referat von Peter Dietrich, Direktor Swissmem Geschätzte Damen und Herren Ich werde Ihnen in den nächsten Minuten die Zahlen der Maschinen-, Elektro- und Metall-Industrie (MEM-Industrie) für das Jahr 2015 präsentieren. Sie werden schnell erkennen, dass die Betroffenheit der MEM-Branche durch die erneute, schockartige Aufwertung des Schweizer Frankens gross ist. Im zweiten Teil erläutere ich die Gegenmassnahmen der Schweizer MEM-Unternehmen und zum Abschluss meines Referates erlaube ich mir eine Einschätzung zu den kurz- und mittelfristigen Entwicklungstrends. Auftragseingang (Folie 2) Die Auftragseingänge in der MEM-Industrie nahmen 2015 im Vergleich zum Vorjahr insgesamt um 14 Prozent ab. Im vierten Quartal 2015 betrug der Rückgang im Vergleich zur Vorjahresperiode 13,4 Prozent. Zum Vergleich: Nach dem ersten Frankenschock 2011 gingen die Auftragseingänge im vierten Quartal 2011 um 19 Prozent zurück. Auf den ersten Blick fiel jener Einbruch also gravierender aus. Dass dieser erneute Einbruch allerdings wesentlich schmerzlicher ist, zeigt der Blick auf die rote Linie in der Grafik. Sie zeigt den Indexstand der Auftragseingänge. Der Einbruch nach 2011 erfolgte von einem viel höheren Niveau aus. Mit dem erneuten Einbruch im letzten Jahr sind die Bestellungseingänge der MEMIndustrie im vierten Quartal 2015 im Vergleich zu den Referenzquartalen auf den zweittiefsten Stand der letzten zehn Jahre abgesunken. Umsatzentwicklung (Folie 3) Die Umsatzentwicklung zeigt ein ähnliches Bild. Über das ganze Jahr 2015 betrachtet, resultierte ein Umsatzrückgang im Vergleich zum Vorjahr von -7 Prozent. Im vierten Quartal 2015 reduzierten sich die Umsätze im Vergleich zum Vorjahresquartal um 7,3 Prozent. Grossfirmen und KMU sind von dieser negativen Entwicklung in ähnlichem Ausmass betroffen. Exporte nach Warengruppen (Folie 4) Nun zur Exportentwicklung: Die MEM-Industrie exportierte 2015 Waren im Wert von 63,1 Milliarden Franken. Gegenüber dem Vorjahr ist dies eine Abnahme von 4,6 Prozent. Sämtliche Warengruppen waren von rückläufigen Exporten betroffen, wie sie in dieser Grafik erkennen können. Mit einem Minus von -7,2 Prozent gingen die Güterausfuhren im Maschinenbau am stärksten zurück. Bei den Exporten in der Warengruppe Elektrotechnik/Elektronik betrug der Rückgang -6,2 Prozent und bei den Metallen -5,5 Prozent. Mit -1,6 Prozent fiel der Rückgang bei den Präzisionsinstrumenten vergleichsweise gering aus. Referat Peter Dietrich vom 29. Februar 2016 Exportmärkte (Folie 5) Die wichtigsten Absatzregionen entwickelten sich unterschiedlich. Die Exporte in die EU, dem mit Abstand wichtigsten Absatzmarkt, sanken um 5,8 Prozent. Die Ausfuhren nach Asien gingen nur um 0,4 Prozent zurück. Hingegen stiegen die Güterausfuhren in die USA im vergangenen Jahr mit +4,9 Prozent spürbar an. Einmal mehr präsentierten sich die USA somit als der dynamischste Exportmarkt der Schweizer MEM-Industrie. Deutsche MEM-Industrie profitiert vom schwachen Euro (Folie 6) Meine Damen und Herren. Diese ernüchternden Zahlen sind eine direkte Folge der erneuten, massiven Überbewertung des Schweizer Frankens. Ein Vergleich mit der Exportentwicklung der Deutschen MEMBranche zeigt, wie gravierend der Wettbewerbsnachteil für die Schweizer MEM-Firmen im internationalen Konkurrenzkampf ausfällt. Die Struktur der Deutschen MEM-Industrie ist mit jener der Schweizer vergleichbar. Auch sie ist stark exportorientiert. Allerdings profitiert sie massiv von der Schwäche des Euros. Während sich der Exportrückgang der Schweizer Firmen übers Jahr laufend akzentuiert hat, stiegen die Exporte der Deutschen MEM-Firmen kräftig an. Im ersten Quartal 2015 verzeichneten sie ein Plus von 8,2 Prozent, im zweiten von 10,7 Prozent im dritten Quartal um 6,9 Prozent. Die Wirkung einer überbewerteten Währung lässt sich wohl kaum deutlicher darstellen. Beurteilung und Aussichten Soviel zu den nackten Zahlen. Basierend darauf beurteile ich die Lage der MEM-Industrie wie folgt: Die Aufhebung des Euro-Mindestkurses war für die Unternehmen der Schweizer MEM-Industrie ein Schock, der nachhaltige Wirkung entfaltet. Von einer Minute auf die andere wurden am 15. Januar 2015 die Produkte der MEM-Firmen in ihrem Hauptmarkt Europa um rund 20 Prozent teurer. Dass in der Folge Aufträge und Umsätze stark einbrachen, ist keine Überraschung. Noch viel gravierender waren aber die Einbrüche bei den Margen. Sie reduzierten sich in über der Hälfte der Mitgliedfirmen auf Stufe EBIT um 4 bis 15 Prozentpunkte. Rund ein Drittel der Unternehmen gerieten deshalb im letzten Jahr in die Verlustzone. Kapazitätsauslastung (Folie 7) Dass der erneute Frankenschock primär eine Margen- und weniger eine Nachfragekrise ist, zeigt auch der Blick auf die Kapazitätsauslastung. Ausgehend von einem relativ hohen Stand von 89,2 Prozent im ersten Quartal 2015, sank sie bis ins vierte Quartal nur sehr wenig auf 87,4 Prozent ab. Im Vergleich dazu war der Einbruch in der Kapazitätsauslastung nach 2008 viel dramatischer. Arbeit war im letzten Jahr also noch genügend vorhanden – nur haben die Firmen damit nichts mehr verdient. Das erklärt auch, warum nur verhältnismässig wenige Firmen Kurzarbeit eingeführt haben. Mit Kurzarbeit lässt sich bei ausreichendem Auftragsbestand eine Margenkrise nicht bekämpfen. Beschleunigter Strukturwandel Insgesamt haben die MEM-Betriebe nach dem 15. Januar 2015 schnell gehandelt. Mehr als zwei Drittel senkten im ersten Halbjahr 2015 die Preise, um die Auftragsverluste in Grenzen zu halten. Zur Steigerung der Produktivität erhöhten etliche Betriebe die Arbeitszeit. Die Firmen haben auch umgehend Massnahmen zur Effizienzsteigerung und Kosteneinsparung in die Wege geleitet. Die meisten Betriebe hatten aber diese Potenziale bereits nach dem ersten Frankenschock zwischen 2011 und 2014 ausgeschöpft. Mit der erneuten Aufwertung des Schweizer Frankens wurden gewisse industrielle Tätigkeiten Seite 2 Referat Peter Dietrich vom 29. Februar 2016 dann schlicht zu kostenintensiv, um sie weiterhin in der Schweiz durchführen zu können. Die Betriebe sind gezwungen, ihre Tätigkeiten in der Schweiz grundsätzlich zu überdenken. Wir beobachten zwei Bewegungen: Erstens automatisieren die Firmen ihre Produktion noch viel konsequenter. Und zweitens werden industrielle Tätigkeiten, die nicht automatisiert werden können, aber nur geringe Wertschöpfung erbringen, beschleunigt in low cost Standorte verschoben. In einer SwissmemUmfrage gaben letztes Jahr 22 Prozent der Firmen an, im Zuge der Frankenstärke bereits Verlagerungen getätigt zu haben. Weitere 24 Prozent dachten darüber nach, diesen Schritt zu tun. Im Unterschied zur Situation nach 2011 beginnt sich dieser beschleunigte Strukturwandel auf die Beschäftigung auszuwirken. Leider haben wir vom Bundesamt für Statistik noch keine Zahlen zur Beschäftigungsentwicklung in der gesamten MEM-Industrie für das vergangene Jahr erhalten. Allein in den 1‘050 Swissmem-Mitgliedfirmen, welche ca. 150‘000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigen, gingen im vergangenen Jahr 1,7 Prozent der Stellen verloren, was rund 2‘500 Arbeitsplätze umfasst. Für die betroffenen Menschen ist dies sehr schwierig. Aber die konsequente Internationalisierung der Wertschöpfungskette und der Aufbau neuer Standorte im Ausland kann nicht nur verteufelt werden und ist auch nichts Neues. Die Verlagerung wertschöpfungsschwacher Tätigkeiten ermöglicht es einer Firma, die Produktionskosten zu senken und damit wieder in die Gewinnzone zu kommen. Das ist die unabdingbare Voraussetzung, damit ein Unternehmen in neue Produkte investieren und neue Jobs in der Schweiz schaffen kann. Zudem ist es eine Notwendigkeit, nahe beim Kunden zu sein und neue Märkte zu erschliessen. Mit den Vorteilen der einzelnen Auslandsstandorte können die Nachteile des Werkplatzes Schweiz abgefedert werden. Insofern ist eine kluge Internationalisierungsstrategie nicht nur eine ideale Ergänzung zu den inländischen Aktivitäten. Es stärkt letztlich auch den Standort Schweiz. Dass die Internationalisierungsstrategie nicht zulasten der Beschäftigung auf dem Werkplatz Schweiz gehen muss, zeigt der Blick auf die langfristige Entwicklung der Beschäftigtenzahlen in der MEM-Industrie. Zwischen dem Jahr 2000 und 2013 hat der Bestand der von Schweizer MEM-Firmen im Ausland beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter um über ein Drittel auf total 566‘000 zugenommen. Die Anzahl Beschäftigten im Inland blieb hingegen unter dem Strich konstant. Nach vorne blicken, Chancen nutzen und die Politik in die Pflicht nehmen Wie sich die Lage in der MEM-Branche in diesem Jahr entwickeln wird, hängt stark vom Wechselkurs und vom Konjunkturverlauf in den wichtigsten Märkten ab. Sofern sich diese Parameter nicht wieder verschlechtern, erwarte ich, dass der Tiefpunkt im Verlauf dieses Jahres erreicht werden könnte und mittelfristig eine Erholung möglich erscheint. Neben dem schwierigen Umfeld eröffnen sich durchaus auch neue Chancen. Auf eine dieser Chancen geht unser Präsident, Hans Hess, im Anschluss näher ein. Damit die Industrie die bestehenden Chancen in wirtschaftlichen Erfolg ummünzen kann, braucht sie gute wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen. Für Swissmem sind insbesondere folgende vier Punkte zentral: 1. Die bilateralen Verträge müssen unbedingt bestehen bleiben, um den hindernisfreien Zugang zum wichtigsten Absatzmarkt zu sichern. 2. Es braucht neue Freihandelsabkommen, z.B. mit den USA oder Indien. Sie sichern einen privilegierten Zugang zu den Märkten und eröffnen Wachstumsmöglichkeiten, von denen insbesondere KMU profitieren können. 3. Von weiteren Eingriffen in den liberalen Arbeitsmarkt muss Abstand genommen werden. Die Flexibilität des Schweizer Arbeitsmarktes ist eine wichtige Stärke. Regelungen zur Arbeitszeit müssen den modernen Arbeitsformen gerecht werden. Seite 3 Referat Peter Dietrich vom 29. Februar 2016 4. Die Regulierungswut muss ein Ende haben. Die von den Unternehmen jährlich zu bewältigenden Bundeserlasse haben ein monströses Ausmass angenommen. Immer neue Kostentreiber und administrative Hürden führen direkt zu einer weiteren Verschlechterung der Konkurrenzfähigkeit und sind deshalb schädlich. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. Zürich, 29. Februar 2016 Weitere Auskünfte erteilt: Swissmem Kommunikation Pfingstweidstrasse 102 Postfach CH-8037 Zürich Tel. 044 384 41 11 E-Mail: [email protected] Seite 4
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