34 Tier BAUERNBLATT l 23. Mai 2015 ■ Erfolgreich füttern Hitzestress drückt Milchleistung In Schleswig-Holstein gibt es viele Jahre, in denen der Sommer auf sich wartenlässtundimNachhineinvon „milden Wintern“ gesprochen wird.DerEinflussdesmaritimenKlimas sorgt hier auch im Hochsommer für relativ ausgeglichene Temperaturen.Indiesenkaltenundnassen Sommern leidet meist der Tourismus, da die Menschen sich nach Sonne und Wärme sehnen und lieber andere Urlaubsgebiete aufsuchen, die dies sicher gewährleisten. DieRinderleidenunterdiesemWetter nicht, wenn sie nicht gerade mit Niederschlägen im Übermaß eingedeckt werden. Aber es gibt auch die warmen Sommer mit Perioden, in denen die Temperaturen über einen längeren Zeitraum auf 28 bis 30 °C ansteigen und auch nachts kaum eine Abkühlung erfolgt. Dies ist die Zeit, in der unsere Kühe größere Probleme mit der Hitze bekommen. Durch die eingeschränkte Thermoregulation gelingt es der Kuh nur schwer, die überschüssige Wärme aus dem Stoffwechselprozess abzuführen. Dies wird an Tagen mit hoher Luftfeuchtigkeit ein besonderes Problem. Die Folge sind geringere Futteraufnahmen, Leistungseinbruch, sinkende Milchfettgehalte und letztlich Fruchtbarkeitsprobleme. Bei zunehmender Stallhaltung wird es deshalb immer wichtiger, für die kommenden Hitzeperioden rechtzeitig Vorsorge zu treffen. Ohne Lüfter geht es nicht Wenn Kühe sich im Sommer an der offenen Stalltür versammeln, ist die Stallluft nicht optimal. Dieses Bild herrscht an Tagen mit geringen Luftbewegungen auch in neuen Ställen. Fotos: Johannes Thomsen Kühe vor Sonne und Hitze zu schützen. Die passen ihre Aktivität auf der Weide allerdings auch den klimatischen Verhältnissen an und werden träger. Soweit möglich, sollten den Kühen in dieser Zeit Weiden mit Schatten spendenden Knicks und Bäumen angeboten werden. Bei sehr großer Hitze machen die Kühe davon auch Gebrauch. Sonnenschutzdächer, wie sie in den südlichen Gefilden (Argentinien, Israel) üblich sind, wären für unsere Breiten sicherlich überzogen. Die größeren Probleme gibt es, wenn Kühe während dieser Hitzeperioden in Ställen gehalten werden. Dies insbesondere dann, wenn Stallklima kein ausreichender Luftwechsel im ist das Problem Stall gewährleistet ist. Eine HochWenn die Kühe überwiegend auf leistungskuh mit 700 kg Lebendder Weide gehalten werden, hat der gewicht und einer Jahresleistung Landwirt kaum Möglichkeiten, die von 10.000 kg Milch erzeugt wäh- Bei diesem älteren Stall ließen sich die Klimaverhältnisse im Inneren durch das Entfernen der Außenwände deutlich verbessern. rend des ersten Laktationsdrittels 1.700 W Gesamtwärme. Bei 10 °C Außentemperatur werden davon zirka 1.400 W an die Umgebung abgegeben. Bei einer Außentemperatur von 30 °C sinkt diese Wärmeabgabe aufgrund der geringen Temperaturdifferenz auf 540 W ab. Die restliche Wärme muss indirekt über eine verstärkte Wasserdampfabgabe (Schwitzen) abgeführt werden (Heidenreich, 2001). Wenn kein ausreichender Luftwechsel im Stall stattfindet, fangen die Kühe an zu pumpen und versuchen so, verstärkt Wasserdampf abzugeben. Die Menge Wasser, die zum Abführen der überschüssigen Temperatur benötigt wird, steigt auf bis zu 30 kg täglich an. Deswegen ist die ausreichende Wasserversorgung ein weiterer wichtiger Punkt in der Bekämpfung des Hitzestresses bei Milchkühen. Der Giebel dieses neuen Stalles wurde mit Lochblechen verkleidet. Sie lassen Licht und Luft durch und halten den Regen ab. Besonders belastend sind für die Kühe die Mittags- und Nachmittagszeit, wenn die Sonne voll auf das Stalldach scheint. Dunkle Dacheindeckungen produzieren im Extremfall eine Wärmeabstrahlung von zirka 300 W/m², Lichtwellplatten werden zu Brenngläsern. Aus diesen Gründen sind die Dächer der Ställe, die Hochleistungsherden beherbergen, in südlichen Ländern mit einer leichten Dämmung versehen. Auf Lichtwellplatten zur Südseite sollte verzichtet werden. Von Vorteil ist es auch, wenn diese Dächer mit einer Photovoltaikanlage abgedeckt sind. Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben ist für die beschriebene Hochleistungskuh bei 30 °C Außentemperatur eine Sommerluftrate von zirka 600 m³ im ersten Laktationsdrittel und zirka 400 m³ im letzten Laktationsdrittel erforderlich. Je nach Stallgrundfläche und Bauvolumen sind dies bis zu 30 Luftwechsel je Stunde. Diese Anforderungen sind in keinem Stall mit der herkömmlichen Trauf-First-Lüftung zu erreichen. Daher erhalten viele neue Ställe Traufhöhen von 3,6 bis 4,2 m und offene Seitenwände. Folgende Abhilfen sorgen in älteren Ställen für eine verbesserte Lüftung: ● Öffnen sämtlicher Türen und Tore ● Lichtkuppelfirste als Lüftungsbremse abschrauben, oft reichen zwei bis vier Segmente, die zwischen den Trägern entfernt werden ● Entfernen der Lichtbänder oder auch größerer Anteile der Außenwände ● geschlossene Giebel öffnen, eventuell als Space-Board Für den ungehinderten Luftaustritt nach oben sind die neuen Giebelformen optimal. In den alten Lichtkuppelfirsten sind zusätzliche Öffnungen zu schaffen. Tier ■ BAUERNBLATT l 23. Mai 2015 Luftwechsel durch richtiges Platzieren Wenn diese Maßnahmen nicht ausreichen, sollten Ventilatoren zur Zwangslüftung zum Einsatz kommen. In der Regel werden Großraumventilatoren mit 1 bis 1,4 m Durchmesser und einer Luftleistung bis 45.000 m³ pro Stunde eingebaut. Bei ausreichender Dachhöhe sind diese Ventilatoren über den Liegeboxen zu platzieren. Ist dies in älteren Ställen nicht möglich, dann wäre ein Einbau über dem Fressgang vorzuziehen. Nur wenn die Lüfter richtig angeordnet sind, schiebt sich eine „Luftwalze“ durch den Stall, die einen tatsächlichen Luftwechsel herbeiführt. Dies bedeutet, dass der erste Lüfter etwa 6 bis 8 m vom Stallende montiert wird, die nächsten folgen nach 12 bis 16 m. Lüfter, die alleine in der Luft hängen, bringen zwar Bewegung in die Stallluft, arbeiten aber weitgehend im eigenen Saft. In Warteräumen vor dem Melkstand können ebenfalls großvolumige Ventilatoren eingebaut werden. Besonders problematisch ist die Beund Entlüftung des Melkstandes. Bei warmem und schwülem Wetter leiden nicht nur die Kühe, auch für das Melkpersonal ergeben sich enorme Belastungen an einem Arbeitsplatz, der Präzisionsarbeit verlangt. Besonders gut lassen sich die Melkstände belüften, die sich im Sommer nach oben öffnen lassen. Die „Wasserkühlung“ der Kühe, die in den südlichen Ländern praktiziert wird, hat sich bei uns bisher nicht flächendeckend durchgesetzt, weil sie größere Wassermengen in regelmäßigen Zeitabschnitten erfordert. Eine Besonderheit ist der feine Bei nicht ausreichenden Lüftungsmöglichkeiten müssen leistungsfähige Ventilatoren eingebaut werden. Sie wirken aber nur, wenn der Stall zum Lüftungskanal umfunktioniert wird. Wassernebel, der im Warteraum über die Kühe gesprüht wird. Ziel dieser Maßnahme ist nicht nur, die Kühe abzukühlen, sondern auch die Fliegen zu vertreiben. Denn die setzen sich ungern auf das nasse Fell. So lässt sich die belastende Fliegenplage während des Melkens reduzieren. Fütterung bei Hitze anpassen Messungen der Futteraufnahme zeigen immer wieder auf, dass während der Hitzeperioden zirka 10 bis 20 % weniger Futter aufgenommen werden. Um die fehlenden Nährstoffeinheiten in den Pansen zu bekommen, ist die Energiekonzentration im Rahmen der Möglichkeiten zu erhöhen. Dabei muss unbedingt die Faserversorgung gesichert bleiben bei verhaltener Zufuhr an leicht löslichen Kohlenhydraten, damit es Grafik: Reaktion der Kühe auf Wetter und Rationstyp 6,6 6,4 6,2 6,0 5,8 5,6 5,4 5,2 5,0 Quelle: J.o.Animal Science 30,1023 Pansen pH Bei großer Sommerhitze herrschen auch auf der Weide keine idealen Bedingungen. Die Kuhherde sucht Schatten unter einem Baum. Besser ist ein Weidegang in den Abendstunden. keine Probleme in Richtung Pansenübersäuerung gibt. Versuche mit Hochleistungskühen in den USA zeigten, dass gerade getreidereiche Rationen während der Hitzeperioden zu einem starken Abfall des Pansen-pH führten (Grafik). In dieser Situation sind solche Komponenten auszuwählen, die sowohl bei der Energie als auch beim Protein eine höhere Pansenbeständigkeit aufweisen. Aus diesem Schaubild erklärt sich auch, dass bei Hitze durch den pH-Abfall die Milchfettgehalte sinken und in kühleren Perioden der pH-Wert und die Milchfettgehalte wieder ansteigen. Bevor aber Rationen umgestellt werden, sind alle Tricks der Fütterungstechnik zu nutzen, die die Futteraufnahme erhöhen. Da die Kühe in den Hitzeperioden in den kühleren Abend- und Nachtstunden bis zu zwei Drittel ihrer Tagesration aufnehmen, sollte die Futtermischung erst gegen Abend erstellt und vorgelegt werden. Wenn die Trockenmassegehalte der Mischrationen durch die Austrocknung der Siloanschnittflächen und auf dem Futtertisch deutlich ansteigen, ist an den Einsatz von Wasser in der Futtermischung zu denken. Von Mischrationen mit einem TGehalt von 45 bis 50 % wird deutlich mehr gefressen als von einer Ration mit einem T-Gehalt von 60 %. Die Ration im Trockenschrank zu überprüfen liefert erste Anhaltswerte. Da sich Mischrationen an warmen Tagen schnell erwärmen, sollte daran gedacht werden, zweimal täglich neu anzumischen. Sicher ist jedenfalls, dass von erwärmten Rationen noch weniger gefressen wird. Möglicherweise rechnet sich in dieser Zeit der Einsatz von stabilisierenden Futterzusätzen wie zum Beispiel Kaliumsorbat oder Propionsäure. Auch eine schlechte Futtertischhygiene wirkt sich in dieser Zeit besonders negativ aus. Mineralstoffgaben deutlich erhöhen Durch den Wasserdurchsatz an warmen Tagen verlieren die Kühe viele Mineralien, die ersetzt werden sollten. Das gilt insbesondere für die Magnesium- und Natriumgaben. Denkbar ist eine Erhöhung der gesamten Mineralfuttergabe für die Zeit der Belastung um zirka 25 %. Viehsalz lässt sich auch extra zuführen. Ein kleiner Trick ist es, salzgesättigtes Wasser mit der Gießkanne über das vorgelegte Futter zu versprühen. Das dient weniger der erhöhten Natriumgabe, sondern bietet einen weiteren Anreiz, mehr Futter aufzunehmen. Auf die erhöhte Wasseraufnahme der Hochleistungskühe in Hitzeperioden ist bereits hingewiesen worden. Die Tränkwassermenge steigt auf 100 bis 120 kg je Kuh an. Das Wasser sollte frisch und kühl aus einer offenen Tränkewanne angeboten werden. Während des Sommers ist es ratsam, die Vorwärmung des Tränkwassers durch Platten- oder Durchlaufkühler zu umgehen. Nur wenn es gelingt, für die Hochleistungskuh während der Hitzeperioden erträgliche Bedingungen zu schaffen, lassen sich Stress und Leistungseinbrüche vermeiden. Und die kann sich ein gut geführter Betrieb nicht erlauben – ein Grund mehr, an der Umsetzung der angeführten Maßnahmen zu arbeiten. Johannes Thomsen Landwirtschaftskammer Tel.: 0 43 81-90 09-47 [email protected] 35
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